Archive

Antrag 02/I/2015 Strategien gegen rechts in einer Stadt der Vielfalt

4.05.2015

Mit diesem Antrag verständigen wir uns als Berliner SPD auf grundsätzliche und nachhaltige Strategien gegen rechts und für eine Stadt der Vielfalt, die auf einer umfassenden Lageanalyse zur Berliner Situation fußen. Dabei ist eine menschenrechtsorientierte Demokratieförderung als langfristig angelegte Querschnittsaufgabe in allen Lebensbereichen unser Schwerpunkt.

 

Seit über 150 Jahren tritt die Sozialdemokratie für sozialen und demokratischen Fortschritt, Menschenrechte und die Entwicklung einer solidarischen Gesellschaft ein. Unsere Grundsätze hießen und heißen dabei: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Der Kampf für diese Grundwerte war immer wieder von Auseinandersetzungen mit reaktionären Strömungen geprägt; unter den Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes waren auch viele Sozialdemokrat*innen.

 

Menschenfeindlichkeit und Hass gehören leider immer noch zu unserer Gesellschaft. Das lange nicht aufgeflogene Morden des Netzwerkes „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) aber auch Aufmärsche von Rechtspopulist*innen, Rassist*innen und Neonazis führen sie uns drastisch vor Augen. Die Bedrohungen sind in unserem Alltag präsent: in Form von Diskriminierung, beispielsweise in Schulen, Betrieben, Vereinen oder Behörden aber auch in Form von Anschlägen – auch auf Einrichtungen unserer sozialdemokratischen Familie.

 

Die Erfahrung vieler Menschen – ohne, aber auch mit Migrationshintergrund – abgehängt zu sein, gepaart mit verbreiteten Ressentiments bedroht unser Ziel einer freiheitlichen, demokratischen, pluralistischen, offenen und inklusiven Gesellschaft. Die sich deshalb ausbreitende Politikverdrossenheit und Demokratiedistanz bietet einen Nährboden für Hassideologien. Wir dürfen sie nicht ignorieren, sondern müssen uns für Teilhabe für jede*n einsetzen und von der Demokratie Enttäuschte zurück gewinnen.

 

Wir stehen an der Seite der Betroffenen rechter Gewalt, der Flüchtlinge und der Engagierten für eine Stadt der Vielfalt – gegen Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und anderen menschenfeindlichen Einstellungen und Bestrebungen. Wir müssen und werden die menschenrechtlichen, demokratischen und freiheitlichen Errungenschaften unseres Gemeinwesens verteidigen, gewährleisten und weiterentwickeln.

Insofern geht es uns darum, für die Werte und Normen zu streiten, für welche Sozialdemokrat*innen in den vergangen 150 Jahren gekämpft und Opfer gebracht haben. Dieser Kampf bleibt unsere dauernde Verpflichtung und gibt uns Kraft, Orientierung und Zuversicht, wenn wir uns den wandelnden Herausforderungen stellen.

 

1. Institutionen für die Vielfalt – gegen institutionelle Diskriminierung und Rassismus
Ein Leitbild für die Stadt der Vielfalt

Unser Anspruch ist eine gelebte Stadt der Vielfalt. Zu ihr gehört unweigerlich eine weltoffene Verwaltung mit einem diskriminierungsfreien Umgang. Wir fordern die Erarbeitung eines entsprechenden Leitbildes, das insbesondere die Verwaltung auf Berliner Landes- und Bezirksebene einschließt, sich aber auch an Vereine, Verbände, Unternehmen, Bildungs-, Erziehungs- und Gesundheitseinrichtungen und Parteien richtet.

 

Wir begrüßen den Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Umsetzung der Konsens-Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses, die Lehren aus der NSU-Mord- und Anschlagsserie in Berlin vollständig umzusetzen. Zentral sind dabei die Sensibilisierung aller Beteiligten und die Stärkung der Opferrechte. Zusätzlich müssen die umfassenden Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion umgesetzt werden. Daneben müssen internationale Erfahrungen – wie aus dem McPherson-Report – aber auch regionale Erfahrungen einfließen.

 

Untersuchung diskriminierender Verfahren und Strukturen in der Berliner Verwaltung

Die Voraussetzungen für langfristige, zielgerichtete Maßnahmen sind detaillierte Kenntnisse über das potenzielle Diskriminierungsrisiko durch Praktiken und Verfahren in der Berliner Verwaltung:

  • Die Verfahren der Verwaltungen und der ihr nachgeordneten Behörden in Berlin sollen regelmäßig wissenschaftlich auf ihr Diskriminierungsmuster untersucht werden.
  • Die zentralen Ergebnisse müssen dem Abgeordnetenhaus jeweils zur Mitte der Wahlperiode in Form eines Berichtes vorgelegt werden.
  • Die Ausländerbehörde wollen wir zu einem Landesamt für Einwanderung weiterentwickeln mit einem Leitbild für Willkommenskultur.

 

Diversity-Strategie und Strategie der interkulturellen Öffnung

Die bestehenden Berliner Ansätze zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung sollen innerhalb einer ressortübergreifenden Gesamtstrategie gebündelt und gezielt fortgesetzt werden. Dazu gehören auch präventive Diversity-Strategien, wie z.B. anonymisierte Bewerbungsverfahren und Empowermentangebote. Die Gesamtstrategie wird von einer Stabsstelle zusammen mit allen Senatsverwaltungen erarbeitet.

 

Beschwerdestrukturen ausbauen und stärken

Die Angebote der Antidiskriminierungs- und Opferberatungsstellen müssen verstetigt und ausgebaut werden, da sie z.T. an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Als Anlauf- und Vermittlungsstelle steht weiterhin die „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ bereit.

 

Wir brauchen daneben eine bezirksübergreifende unabhängige Beschwerdestelle, die das Angebot der professionellen (projektorientierten) Opferberatung ergänzt. Es wird eine niedrigschwellige Ombudsstelle für Bürger*innen und eine Anlaufstelle für Angehörige der Behörden sein – außerhalb der Exekutive. Ihre Mitglieder werden vom Parlament berufen und ausgestattet.

 

Aus- und Fortbildung

Die Aus- und Fortbildung für die Aufgaben in einer vielfältigen Gesellschaft muss reformiert werden. In der Berliner Verwaltung gibt es erfolgreiche Ansätze, auf denen aufgebaut werden kann. Besonders Diversity-Trainings sind gefragt, um gegenüber Phänomenen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) zu sensibilisieren. Diese Angebote müssen in allen Regeleinrichtungen verpflichtend sein, aber auch – zum Beispiel in der Polizeiausbildung – prüfungsrelevant werden. Die Fortbildungsangebote müssen sich dezidiert auch an die behördliche Führungsebene richten. In der Beamt*innenlaufbahn müssen diese Qualifikationen besonders berücksichtigt werden.

 

Reform der polizeilichen Erfassung

Die kriminologische Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik muss überprüft werden, damit sie antisemitische, antiziganistische, homophobe, islamfeindliche, neonazistische, rassistische und andere gruppenbezogen-menschenfeindliche Tathintergründe besser dokumentieren kann. Sie muss reformiert und – wie bei den Todesopfern durch rechte Gewalt – ggf. korrigiert werden. In diesem Sinne muss das Konzept „Politisch motivierte Kriminalität“ überarbeitet werden. Parallel dazu muss sich das Land Berlin bundesweit dafür einsetzen, dass die Standards entsprechend angepasst werden. Ausgrenzende Sprache und irreführende Begriffe – wie etwa die Bezeichnung „Fremdenfeindlichkeit“ oder das Wort „Rasse“ – müssen aus dem Dienstgebrauch verschwinden und durch konkretisierende Begriffe ersetzt werden.

 

Deradikalisierung im Justizvollzug

Resozialisierung bleibt bei allen Schwierigkeiten in der Praxis, die wir kennen, ein Ziel des Justizvollzuges. Dazu gehört der Aspekt der Deradikalisierung bei Straftäter*innen mit politischer Motivation. Wir wollen deshalb die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich stärken und fördern Verknüpfungen mit Projekten der Deradikalisierung und Ausstiegsarbeit.

 

Gestärkter Opferschutz

Der Opferschutz muss einen höheren Stellenwert bekommen. Zur Stärkung des Opferschutzes ist der gemeinsame Beschluss aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus zur Umsetzung des NSU-Untersuchungsausschuss-Konsenses auf Bundesebene zügig umzusetzen.

 

Darüber hinaus bedarf es folgender konkreter Maßnahmen:

  • Familienkontaktbeamt*innen, die speziell geschult sind und mit Opfern sowie deren Angehörigen kommunizieren, muss es in jeder Polizeidienststelle geben.
  • Opferzeug*innen (bzw. die Geschädigten) werden von der Polizei über Verfahrensabläufe besser informiert.
  • Die Vorkehrungen zum Schutz von Zeug*innen (sog. „Kleiner Zeugenschutz“) werden bei Fällen rechter Gewalt verbindlich angewendet.
  • In Fällen rechter Gewalt wird seitens der Polizei auf das spezifische Fachberatungsangebot hingewiesen.
  • Sensibler Umgang mit Opfern rechter Gewalt sowie von rechter Gewalt bedrohten Personen wird Gegenstand der Aus- und Fortbildung.
  • Betroffene (Privatpersonen, Organisationen und Geschäftsleute) dürfen nicht ihren Versicherungsschutz verlieren.
  • Ein Sicherheitsfonds muss eingerichtet werden. (Dieser soll z.B. bei der Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen helfen, die vom Landeskriminalamt empfohlen wurden.)
  • Ein Verbandsklagerecht bei politisch motivierten Straftaten und Hasskriminalität muss eingeführt werden.
  • Ein Bleiberecht für Opfer von Hasskriminalität ohne gesicherten Aufenthaltsstatus muss geschaffen und gesichert werden.
  • Eine Prüfung, inwieweit der Schutz des persönlichen Wohnumfelds von Betroffenen im Genehmigungsprozess von Demonstrationen gestärkt werden kann.

 

Kein „Racial Profiling“ zulassen

„Racial Profiling“ ist rechtswidrig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Verminderung des Diskriminierungsrisikos bestimmter polizeilicher Praktiken soll ein Antidiskriminierungskonzept für die Arbeit der Polizei erarbeitet werden. Dieses soll sich an den Empfehlungen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte orientieren, wonach z.B. Polizist*innen jede Kontrolle einer Person auf einem Kontrollformular festhalten und ihre Auswahlkriterien dokumentieren.

 

Ein Landesantidiskriminierungsgesetz

Das bundesrechtliche Antidiskriminierungsgesetz deckt viele Bereiche nicht ab. Bestehende Schutzlücken des bundesrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes müssen durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz geschlossen werden, das sowohl die schützenden als auch die fördernden Maßnahmen umfassen soll.

Es muss die Bereiche Bildung, Gesundheit, Vergaberecht und Soziales einbeziehen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsverfahren absichern.

 

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Die SPD setzt sich für die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Abgeordnetenhauses ‚für Vielfalt – gegen institutionelle Diskriminierung‘ ein.

 

2Demokratiefördernde Arbeit stärken – Präventiv handeln

 

Demokratieförderung als Querschnittsaufgabe

Demokratiefördernde Arbeit findet in allen Lebensbereichen statt. Deshalb sind Kita, Schule, Jugendeinrichtungen, Kinder- und Jugendverbände sowie andere Orte des Lebens und Lernens wichtige Ansatzpunkte. Ebenso gilt es, Menschen im Wohnumfeld, im Kiez, am Arbeitsplatz, im Sportverein, in Freizeiteinrichtungen oder im öffentlichen Nahverkehr zu erreichen.

 

Insbesondere zivilgesellschaftliche demokratiefördernde Arbeit muss gewürdigt und unterstützt werden. Es handelt sich um eine Querschnittsaufgabeaus der Querschnittsverantwortung erwächst und die über alle Ressorts und Zuständigkeiten hinweg von Belang ist.

 

Demokratiefördernde Arbeit bei Kindern und Jugendlichen

Das Erleben der Selbstwirksamkeit im eigenen Umfeld ist der verlässlichste Türöffner zu Partizipation und demokratischem Bewusstsein. Demokratiebildung muss im Kindergarten beginnen, in der Schule fortgeführt und in Kinder- und Jugendeinrichtungen gelebt werden.

 

  • Demokratiebildung, Kinder- und Menschenrechtsbildung und Umgang mit Vielfalt (Diversity) müssen verbindlicher und prüfungsrelevanter Teil der Aus- und Fortbildung von Kita-Erzieher*innen, Lehrer*innen, und Mitarbeiter*innen in der Kinder- und Jugendarbeit werden. Auch ehrenamtliche Jugendleiter*innen und Sporttrainer*innen müssen Zugang zu entsprechenden Fortbildungsangeboten erhalten. Diese sollten noch systematischer entwickelt und strukturell verankert werden.
  • Die Aufnahme von Demokratiebildung als übergreifendes Thema in die neuen Rahmenlehrpläne für die Sekundarstufe ist ein wichtiger Schritt. Der Erwerb von Demokratie- und Diversitykompetenzen muss als übergreifendes Thema auch in die Rahmenpläne der Grundschulen integriert werden. Darüber hinaus muss ein eigenständiger Politikunterricht ab Klasse 5 eingeführt werden.
  • Mitbestimmungsgremien müssen gestärkt werden: Schon in der Kita müssen Kinder in geeigneter Form in Entscheidungen eingebunden werden. Dabei sollen die methodischen Ansätze im Berliner Bildungsprogramm stärker genutzt werden. Klassenräte und Schülerparlamente sind zu stärken.
  • Historische und politische Bildung muss besser ausgestattet werden und sich auf die Pluralität der Gesellschaft beziehen. Das gilt insbesondere für die Landeszentrale für Politische Bildung.
  • Kinder- und Jugendfreizeitzentren sollen Orte sein, an denen Partizipation gelebt und greifbar gemacht wird. Ein Schwerpunkt muss die Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) sein. Wir brauchen ein Best-Practice-Netzwerk in Berlin, das bezirksübergreifend Kompetenzen und Erfahrungen bündelt und für alle nutzbar macht. Einrichtungen wie Kinder- und Jugendbüros oder Bezirksjugendringe nehmen dabei eine wichtige Rolle ein, weil sie mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten und nicht nur für sie.
  • Kinder- und Jugendbeteiligung, insbesondere die Jugendverbandsarbeit muss gestärkt und finanziell ausreichend ausgestattet werden. Ein gutes Beispiel sind die Kinder- und Jugendparlamente in einigen Bezirken. Auch der Jugenddemokratiefonds ist zu stärken. Ein Schwerpunkt ist die stärkere Beteiligung von jungen Migrant*innen.

 

Die Kooperation zwischen Regeleinrichtungen und den zahlreichen projektfinanzierten demokratiefördernden Angeboten muss verbessert werden.

  • Die Zielgruppen in den Regeleinrichtungen müssen umfangreicher über bestehende Angebote informiert und (Kooperations-) Hindernisse abgebaut werden.
  • Regeleinrichtungen benötigen Personal und Freiräume, um diese Kooperationen auch leisten zu können.
  • Stärker als bisher sollen dauerhaft notwendige projektfinanzierte Aufgaben und Leistungen in eine Regelfinanzierung überführt werden.

 

Demokratie im Betrieb

Demokratische Beteiligung setzt voraus, dass Menschen sich politisch engagieren können. Da Arbeit und Ausbildung im Leben der meisten Menschen einen großen Raum einnehmen, ist demokratische Beteiligung im Bereich Arbeit und Ausbildung besonders zentral.

 

  • Die Förderung von demokratischem politischem Engagement sollte mit Eintritt ins Ausbildung- oder Arbeitsleben nicht stecken bleiben. Um in Organisationen mitzuwirken und demokratisches Engagement zu leben, brauchen wir einen erweiterten Freistellungsanspruch von der Arbeit bzw. von der Ausbildung nach Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Personalvertretungsgesetz (PersVG) oder Landesschul- und Hochschulgesetzen.
  • Ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen in den Bereichen muss freigestellt werden. Ein Jugendleiterfreistellungsgesetz, durch das in anderen Bundesländern (z.B. Rheinland-Pfalz) ehrenamtliches Engagement bereits anerkannt wird, muss es auch in Berlin geben.
  • Jugendlichen in außerbetrieblichen Ausbildungen muss die Gründung von Interessenvertretungen ermöglicht werden-außerhalb des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
  • Wir brauchen flächendeckend Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Hier können und sollen städtische Betriebe wie die BSR als strukturelle Vorbilder dienen, die den Kampf gegen Diskriminierung sowohl im Betrieb als auch in der Gesellschaft auf die Agenda gehoben haben.
  • Zur Stärkung von Demokratie im Betrieb wird die Berliner SPD die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften intensivieren.

 

Lokale Bündnisse für Demokratie und Vielfalt

Viele lokale Bündnisse leisten einen fundamentalen Beitrag zu Demokratie und Vielfalt. Demokratische Parteien und politisch Verantwortliche müssen diese Bündnisse und die in ihnen ehrenamtlich Engagierten im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung aktiv unterstützen.

 

Lokale Vernetzung ist die Basis für einen effektiven ursachenorientierten Kampf gegen rechts, zur Unterstützung von Flüchtlingen und zur Beteiligung. Beispielsweise können so Gewerbetreibende oder andere wichtige Akteur*innen erreicht werden. Nachbarschaftsinitiativen, Quartiersmanagements/-räte und Sozialraum-AGs sollten als lokale Expert*innen-Drehscheiben eingebunden werden.

 

Wir brauchen Strukturen für bürgerschaftliches Engagement für Demokratie und Vielfalt überall in der Stadt. Der Aufbau und die Unterstützung bzw. Verstetigung entsprechender lokaler Strukturen soll in der Landeskonzeption „Demokratie, Vielfalt, Respekt“ des Senats verankert werden. Das gilt insbesondere für die Kieze, in denen es keine „Partnerschaften für Demokratie“ (ehemals Lokale Aktionspläne) aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gibt.

 

Engagement und Aktionen müssen unbürokratisch möglich sein. Dazu sind kurzfristig Finanzmittel aus Aktionsfonds, z.B. für Flyer und Feste, notwendig. Die entsprechenden Aktionsfonds der „Partnerschaften für Demokratie“ sind vom Land so mitzufinanzieren, dass die notwendige Kofinanzierung gewährleistet ist.

 

Um politikdistanzierte Bürger*innen zu erreichen, brauchen wir Modellprojekte, in denen kiezbezogen aktivierende niedrigschwellige Befragungen erprobt werden.

 

Weiterentwicklung Landeskonzeption und Landesprogramm

Auf der Landesebene sind die „Berliner Landeskonzeption Vielfalt, Demokratie, Respekt“ sowie vor allem das „Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ Schlüsselinstrumente zur Stärkung demokratiefördernder Arbeit.

  • Als lernende Konzepte müssen sie regelmäßig evaluiert und weiterentwickelt werden. Dabei sind bestehende Kompetenznetzwerke, wie z.B. das „Berliner Beratungsnetzwerk“ einzubeziehen.
  • Es müssen Zielformulierungen und -vereinbarungen qualitativer Natur im Dialog mit der Zivilgesellschaft entwickelt werden, die die lokale Kompetenzbündelung fördern und die Evaluation verbessern.
  • Lebensbereiche beschränken sich nicht auf einen Kiez oder ein Bezirk – zugleich muss die Arbeit vor Ort angebunden sein. Diese sozialräumliche Orientierung verlangt eine enge überbezirkliche Zusammenarbeit (wie bei den Berliner Registern) auch auf der Landesebene.
  • Die Sichtbarkeit demokratiefördernder Angebote ist zu erhöhen.

 

Träger*innen und die Projektpartner*innen, die demokratiefördernd arbeiten, sind auf Vertrauen angewiesen. Wir lehnen es ab, sie unter den Generalverdacht der Demokratiefeindlichkeit zu stellen.

 

Ein gezielter Kampf gegen rechts ist nur dann möglich, wenn eine präzise Situationsbeschreibung und -analyse vorliegt. Eine nichtstaatliche Dokumentation von Vorfällen in Form von Registerstellen muss in allen Berliner Bezirken stattfinden. Bezirke ohne Registerstellen werden angeregt, eine solche einzurichten und dafür auf die im Berliner Landesprogramm vorgesehenen Mittel zurückzugreifen.

 

Finanzielle Absicherung

Demokratiefördernde Arbeit ist eine politische Querschnittsaufgabe, die sich auch in gesicherten Budgets niederschlagen muss. Nur so können Haupt- und Ehrenamtliche vor Ort den Kampf gegen menschenfeindliche Einstellungen ohne existenzielle Nöte aufnehmen. Deshalb dürfen die vergleichsweise bescheidenen Aufwendungen hierfür keinesfalls angetastet werden.

 

Belastbare Strukturen brauchen belastbare Bedingungen, vor allem Planungssicherheit.

  • Zur Bewältigung der aktuellen, vielfältigen und zunehmenden Herausforderungen muss der Ansatz für das Landesprogramm signifikant erhöht werden.
  • Unverzichtbare Regel-/Daueraufgaben wie insbesondere die Mobile Beratung, Dokumentation mit verbundener Bildungsarbeit sowie die Opferberatung müssen verstetigt werden.
  • Auch Deradikalisierung und Ausstiegsberatung verstehen wir als Landesaufgabe.

 

Demokratiefördernde Arbeit kann langfristig nur mit einer Politik der Teilhabe von Erfolg gekrönt sein. Keine Reparaturarbeit ist gefragt, sondern gesamtgesellschaftliche Anstrengungen. Nur so kann ein demokratisches Gemeinwesen gesichert werden.

 

3. Eine Partei für die Vielfalt

Die Sozialdemokratie richtet sich seit jeher dagegen, dass Menschen benachteiligt und ausgegrenzt werden. Immer wieder zog sie klare Linien gegen demokratiegefährdende und menschenfeindliche Einstellungen. In dieser Tradition handelt auch heute die Berliner SPD. Wir arbeiten als Partei aktiv an der Stadt der Vielfalt mit und sind zugleich ein Teil von ihr.

 

Zeichen setzen für ein vielfältiges Berlin

 

  • In den Bezirksverordnetenversammlungen und dem Abgeordnetenhaus gilt für uns weiterhin: Es darf keinerlei Kooperation mit neonazistischen und rechtspopulistischen Parteien geben!
  • Die Berliner SPD setzt sich für eine Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes mit dem Ziel der Stärkung der Integrationsausschüsse in den Bezirksverordnetenversammlungen ein. So soll klargestellt werden, dass die Integrationsausschüsse die im Partizipations- und Integrationsgesetz genannten Ziele und Grundsätze verfolgen.
  • Als Partei sind wir eine gesellschaftliche Akteurin, die in und über die Parlamente sowie Regierungen hinaus wirken kann. Die Betroffenen von Diskriminierung können auf unsere Solidarität zählen. Sowohl die Betroffenen als auch die gegen Diskriminierung Engagierten in und außerhalb der SPD werden bei uns stets Gehör finden.
  • Demokratische Parteien dürfen keinen neonazistischen und menschenfeindlich eingestellten Parteien, Organisationen, Gruppen oder Personen das Wort oder den öffentlichen Raum überlassen. Die Berliner SPD setzt deshalb auf Kundgebungen, Demonstrationen und Aktionen dagegen Zeichen. Wir solidarisieren uns mit denen, die für ein vielfältiges Berlin demonstrieren – gegen Neonazis und neurechte Populist*innen, aber auch gegen nichtdeutsch-völkische Nationalist*innen sowie politische Ideolog*innen, die Demokratie- und Menschenfeindlichkeit religiös begründen – und arbeiten aktiv in Bündnissen mit.
  • Gleichzeitig dürfen wir nicht leichtfertig öffentlichen Raum für zivilgesellschaftliche und demokratischere Nutzungen aufgeben: Die Möglichkeiten von Gegenprotest, Auflagen etc. müssen genutzt werden. Das Verbot von politischen Veranstaltungen in Rathäusern sollte deshalb nur die Ultima Ratio sein, behindert es doch die demokratische Arbeit vor Ort.
  • Wir fragen uns stets selbst, wie wir unseren Einsatz für ein vielfältiges Berlin weiterentwickeln können. Weil wir selbst ein Teil dieser Stadt sind, möchten wir unsere Ansprüche auch in der eigenen Partei verwirklichen.

 

Grenzen abstecken – Definitionen klären

Wir stehen als Partei für demokratische Grundwerte ein. Diese leben wir in unserer alltäglichen Arbeit. Mit dem Parteibeitritt bekennen sich alle Mitglieder dazu. Weil wir noch keine diskriminierungsfreie Gesellschaft erreicht haben, kann auch die SPD nicht gänzlich frei von Phänomenen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sein.

Wir werden sie und jegliche Sympathie für sie aber keinesfalls tolerieren. Menschenfeindliche Einstellungen haben keinen Platz in der SPD. Sie sind eine unmittelbare Schädigung der Partei. Gegen Personen, die menschenfeindliche Einstellungen vertreten, wird ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet.

Um zukünftig hierbei noch klarer die Grenzen zu ziehen, sollten Rassismus, Antisemitismus und andere Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit für die Partei definiert werden.

 

Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Einwanderungsgesellschaft

Zu einer vielfältigen Gesellschaft und Gleichberechtigung gehört, dass Ungleichheitsvorstellungen ohne Unterschiede gleich behandelt werden. Die Abgrenzung des SPD Parteivorstandes gegenüber den nationalistischen, völkischen „Grauen Wölfen“ (in Form der Organisation „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ [ADÜTDF] in Deutschland) ist ein erster richtiger Schritt, der durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse konsequent weiter gegangen werden muss.

 

Diese Phänomene klar zu benennen, gehört zur Debatte über unsere Vision einer Stadt der Vielfalt. Diese Diskussion möchten wir von der Landesebene auch in die Bundespartei tragen.

 

Studien durchführen

Als demokratische Partei legen wir uns ein außerordentliches Maß an Sensibilität gegenüber Diskriminierung auf. Wir machen eine Studie zu Diskriminierungsmustern und Demokratiepotentialen in der Berliner SPD – z. B. in Form einer wissenschaftlichen (Abschluss-)Arbeit. Auf dieser Basis können wir Vorurteile noch besser angehen.

 

Innerparteiliche Bildungsarbeit

Wir brauchen innerparteiliche Bildungsangebote, die die Sensibilität gegenüber Diskriminierung in Gesellschaft und auch Partei steigern. Die Bildungsarbeit muss auch Räume schaffen, in denen geschützt reflektiert werden kann. Der Landesvorstand wird aufgefordert, hierzu ein zielgruppenspezifisches Bildungsprogramm zu entwickeln.

 

Ansprechpartner*innen für Betroffene und Engagierte

Von Diskriminierung Betroffene und auf diesem Feld Engagierte sollen darüber informiert werden, wo sie sich hinwenden können. Dabei geht es auch darum, die bestehenden Möglichkeiten – wie Arbeitsgemeinschaften – zu bewerben. Wir ermutigen zugleich Menschen, sich des Themas anzunehmen.

 

Interkulturelle Öffnung der Partei voranbringen

Die vom Landesparteitag beschlossene Projektgruppe, die weitere Vorschläge zur interkulturellen Öffnung der SPD erarbeiten soll, ist ein wichtiger Schritt für die Sozialdemokratie auf dem Weg, die gesellschaftliche Realität in den eigenen Reihen abzubilden. Dazu gehört insbesondere die Aufforderung an die Bezirke, bei Kandidaturen und bezogen auf die Mitgliedschaft das Thema Vielfalt stärker zu berücksichtigen.

 

Kontinuierliche Arbeit sicherstellen

Innerhalb der Berliner SPD stellt der Fachausschuss Strategien gegen rechts eine kontinuierliche Arbeit sicher. Er bringt dafür praktische Erfahrungen, Fachexpertise und die parlamentarische Arbeit zusammen. So bündelt er zivilgesellschaftliche Ideen und kommt mit Akteur*innen auf diesem Feld ins Gespräch. Als Berliner SPD behandeln wir die Querschnittsaufgaben Kampf gegen rechts und Demokratieförderung als eigenen Politikbereich.

Antrag 01/I/2015 Starke Finanzen im Land und den Bezirken

16.03.2015

 

Die Finanzbeziehungen zwischen Berlin und seinen Bezirken sind vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltsgesamtsituation strukturell grundsätzlich als ausgewogen und angemessen anzusehen. Insbesondere ist das Instrument der Globalsumme als bezirkliches Finanzierungssystem eine große Errungenschaft der Verfassungs- und Verwaltungsreform der 1990er Jahre und für die finanzielle Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Bezirke unverzichtbar. Das System der bezirklichen Finanzierungssystematik muss grundsätzlich der Anforderung einer politischen Steuerung und den dynamischen Änderungsprozessen einer wachsenden Gesellschaft Rechnung tragen. Das Konnexitätsprinzips („Wer bestellt, soll auch zahlen“) ist strikt einzuhalten: Das Land muss politische Vorgaben personell auch so ausstatten, dass ihre erfolgreiche Umsetzung in den Bezirken abgesichert wird. Umgekehrt bedeutet dies jedoch auch, dass Personal wegfällt bzw. abzugeben ist, wenn Aufgaben wegfallen.

 

Berlin hat bereits große Fortschritte erzielt, aber aufgrund seines hohen Schuldenstandes und der stark fremdfinanzierten Einnahmestruktur muss der Konsolidierungskurs in der Finanz- und Haushaltspolitik konsequent fortgeführt werden. Die weitere Schuldentilgung ist dabei unerlässlich, um die jährliche Zinsbelastung stetig zu mindern und somit vermehrt Handlungsspielraum für Investitionen gewinnen zu können. Die heute schon bestehenden Belastungen des Haushaltes bis 2020 bedingen trotz des zu verzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwungs im Land Berlin eine kostenbewusste Ausgabenpolitik und Ausgabensteuerung.

 

Zusätzlich zur Verfügung stehende Mittel müssen deshalb vor wiegend investiv statt konsumtiv zum Wohle des Landes Berlin eingesetzt werden. Nachhaltig ausgeglichene Haushalte ohne Neuverschuldung sollen dabei seriöse Haushaltspolitik im Land Berlin auszeichnen, wobei gleichfalls politische Errungenschaften, denen gesetzliche Verpflichtungen, politische Vereinbarungen und gesellschaftliche Erwartungen zugrunde liegen (Kita-Ausbau, Angleichung der öffentlichen Gehälter an die TdL als Beispiele), unbedingt zu erhalten sind.

 

Es bedarf einer innovativen und proaktiven Finanzpolitik nach innen wie nach außen. Vor allem der Kontext der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verlangt dem Land und seinen Repräsentantinnen und Repräsentanten dabei eine aktive Rolle ab. Kein Land ist so abhängig von der Fremdfinanzierung durch Bund und Länder. Folglich ist jede Entscheidung in diesem Kontext eine, die vitale Interessen von Berlin berührt.

 

Auch wenn das Finanzierungsgefüge zwischen Hauptverwaltung und Bezirken lediglich sehr begrenzte Umverteilungsoptionen bietet, ist eine akzeptanzfähige Verteilung und Zuweisung von Mitteln erforderlich. Es gilt, die bezirkliche Selbstverwaltung und Gestaltungsfähigkeit trotz steigender Soziallasten in den Bezirkshaushalten zu ermöglichen und abzusichern. Hierbei kann das Ende 2014 eingerichtete Sondervermögen „Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ bedarfsgerecht eingesetzt werden und zusätzliche Investitionsmittel auch für die bezirkliche Infrastruktur bereitstellen. Allein in 2015 stehen in dem Sondervermögen fast 500 Millionen Euro für den Neubau oder die Erweiterung von landeseigenen Schulen, Kitas, Sportanlagen oder sonstiger sozialer Infrastruktur zur Verfügung.

 

Um weiterhin einen Beitrag zur Attraktivität der wachsenden Stadt Berlin im Sinne einer modernen, weltoffenen und vor allem bürgerfreundlichen Stadt leisten zu können, muss Berlin auch in Zukunft über eine leistungsfähige Verwaltung verfügen. Die Verwaltungen der Stadt müssen die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt sowie dem demografischen Wandel, dem sich die Verwaltungen stellen müssen, langfristig bewältigen können. Dafür benötigen sie eine angemessene qualitative und quantitative Personalausstattung.

 

Dies werden wir auch im Dialog mit den Arbeitnehmervertretungen des Landes Berlin sowie seinen Betrieben und Gesellschaften sowie den Gewerkschaften weiterentwickeln und festigen.

 

Neue Philosophie: Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und Eigenverantwortlichkeit der Bezirke

Die Neujustierung des Finanzierungssystems für die Bezirke ist gegenwärtig ein zentrales Thema sowohl in der politischen Debatte als auch der Fachdiskussionen in den verschiedenen Bereichen der Verwaltung. Die Herausforderungen der Umgestaltung liegen dabei vor allem darin, die Bezirke in die Lage zu versetzen, die Leistungserbringung unter den Maßstäben von Wirtschaftlichkeit, Qualität, Bürgernähe und Effizienz in größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit zu steuern. Das erfordert die Ausrichtung des Finanzierungssystems auf Transparenz, frühzeitige Einbindung der Bezirke und Flexibilität bei den Herausforderungen einer wachsenden und sich verändernden Metropole auf der Basis verlässlicher Daten.

 

Entscheidungen zur lokalen Gestaltung und kommunalen Daseinsvorsorge müssen vor allem dort getroffen werden, wo sie die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Lebensumfeld erreichen. Verantwortung vor Ort, die unserem Globalsummensystem gerecht wird, muss die Aufgabenverteilung zwischen Bezirken und Land prägen. Damit die öffentlichen Leistungen auf Landes- und Bezirksebene aber trotz rückläufiger Ressourcen und einer schwierigen Haushaltslage dauerhaft in den erforderlichen Quantitäten, Qualitäten und Fristen erbracht werden können, ist eine aufgabenkritische Reform dieser Leistungen erforderlich.

 

Die Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR) ist maßgebliches Instrument zur Erfassung der Kostenstruktur und zur Mengenerfassung und wird beibehalten und weiterentwickelt. Die KLR soll weiterhin als Verteilungsmechanismus für die Globalsumme dienen. Die Leistungserbringung muss allerdings neben den Kosten um einen Qualitätsbegriff erweitert werden. Dabei zeigt sich die KLR als wenig bis gar nicht geeignet, Qualität zu messen. Hierzu müssen andere Instrumente entwickelt werden, die den Ansprüchen an eine Qualitätsmessung gerecht werden. Die Instrumente zur Erstellung von Kriterien sollen dabei durch Einbindung von externen Sachverständigen mit begleitet werden.

 

Nach vielen Jahren des Sparens sind weite Teile der Bezirksverwaltungen an dem Punkt angekommen, an dem weitere einseitige Sparbemühungen nicht nur zu massiven Einschnitten bei der Leistungserbringung führen, sondern im Ergebnis deutlich höhere Kosten zu Lasten des Landeshaushalts verursachen. Jedoch steckt in der Kosten-Leistungs-Rechnung das Potenzial von einem reinen Sparinstrument zu einem echten Wirtschaftlichkeitsinstrument reformiert zu werden, das Anreize setzt, mit den eingesetzten öffentlichen Mitteln möglichst effizient umzugehen.

 

Die KLR erfasst die Bedarfe in einer sich ändernden Stadt nur teilweise. So ändern sich die Mengen nur, wenn tatsächlich Leistungen erbracht werden. In manchen Produkten bzw. bei manchen Leistungen der Bezirke steigen die Mengen aber nicht, auch wenn durch Veränderungen in der Bevölkerung steigender Bedarf zu vermuten ist: z.B. Angebotsstunden in Jugendfreizeiteinrichtungen, Seniorenklubs oder Musikschulen. Mengenänderungen oder Begrenzungen müssen durch andere Instrumente erreicht werden. Wir bekennen uns zum Erhalt der dezentralen sozialen Infrastruktur in den Berliner Bezirken.

 

Gerade weil es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen davon gibt, ob das System der Budgetierung und KLR ausreichend Spielräume für dezentrale Schwerpunktsetzungen in der Bezirken ermöglicht, sollte die Finanzierung von innovativen Projekten in den Bezirken – vor allem im Bereich der Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik – gesondert gefördert werden. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein revolvierender Innovationsfonds für Effizienzprojekte geschaffen wird, der gegen Vorlage eines Projektplans mit Angaben zu Aufwand und Ertrag eines Vorhabens Mittel für die Bezirke zur Verfügung stellt. Erhoffte Rückflüsse oder Einsparungen würden zwischen dem Fonds und dem jeweiligen Bezirk aufgeteilt. Der Fonds würde sich damit zumindest teilweise selbst refinanzieren.

 

Die Weiterentwicklung der Systematik der Finanzzuweisungen verlangt nach der Herstellung einer nachvollziehbaren Verbindung zwischen dem Bezirksplafond und dem Produktsummenbudget. Der Bezirksplafond muss sich auf der Grundlage der Aufgaben der Bezirksverwaltungen unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Erfordernisse, d.h. an einem mittleren Ressourcenverbrauch orientiert, bilden. Die Plafondbildung folgt dem Prinzip Menge x Preis mit dem Ziel, dass die Leistungserbringung durch die Bezirke insgesamt ausreichend finanziert ist. Die Aufteilung des Bezirksplafonds erfolgt unter den Bedingungen betriebswirtschaftlicher Anreizwirkungen, ohne dass das Globalsummenprinzip und das Verteilsystem der Globalsumme auf die Bezirke aufgehoben wird.

 

Der Senat soll die Bezirke bei der Plafondbildung frühzeitig einbinden, damit beizeiten auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagiert und in Folge notwendige Maßnahmen ergriffen werden können.

 

Es erfolgt eine produktbezogene Plafondfortschreibung. Der Senat und die Bezirke einigen sich auf einen Katalog derjenigen relevanten Produkte, in denen sich die wachsende Stadt voraussichtlich maßgeblich widerspiegelt: Das Ergebnis sind Planmengenprodukte mit Controlling. Das bedeutet, dass die tatsächliche Mengenentwicklung Gegenstand der Basiskorrektur ist.

 

Auslagerungen von bezirklichen Aufgaben an Dritte sind Ausnahmen und müssen sich prinzipiell an der Qualität der Dienstleistungen, an wirtschaftlichen sowie sozialen Kriterien orientieren. Auslagerungen dürfen nur unter bestimmten und eng gesteckten Kriterien erfolgen. Diese sind: Qualitätsstandards, Tarifbindung, Umweltstandards, Klares Qualitätsmanagement und Controlling. Die parlamentarische und staatliche Kontrolle und Steuerung der Aufgabenerfüllung muss dabei stets gewährleistet bleiben.

 

Die Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes in der wachsenden Metropole Berlins muss durch eine entsprechende Fortschreibung des Personalbedarfs gesichert werden. Die politische Entscheidung zu 20.000 Vollzeitstellen für die Bezirke bezog sich auf die Ausgangslage und die Umstände im Jahr 2011 und spiegelt die aktuellen Entwicklungen (wachsende Stadt, demografischer Wandel) nicht mehr wider. Der Personalbedarf muss vor diesem Hintergrund bis zu den Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2016/2017 kurzfristig fortgeschrieben werden. Dazu sind die Bereiche der wachsenden Stadt zu identifizieren, in denen aufgrund des Verlaufs und der Prognosen zu Mengen- und Ausgabenentwicklung bei den Dienstleistungen (Produkten) im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung Bedarf festgestellt werden kann. Als wichtigste Voraussetzung für eine angemessene Personalpolitik muss die Finanzmittelzuweisung konsequent an die Aufgaben der Verwaltung und an einen betriebswirtschaftlich vertretbaren Ressourceneinsatz gebunden werden. Dadurch kann langfristig die Aufhebung der Trennung von Personalbestandsplanung und Finanzmittelzuweisung erreicht werden. Die Höhe der pro Bezirk wirtschaftlich zu beschäftigenden Beschäftigtenzahlen sollte von den Bezirksämtern eigenständig im Rahmen der Globalsumme festgelegt werden können. Anhand der Wirtschaftlichkeit von Leistungen, gemessen an den Produkten, kann eine gesamtstädtische Überwachung bezirklicher Entscheidungen erfolgen.

 

  • Die Beschränkungen im Bereich der dezentralen Personalentwicklung sind aufzuheben (bspw. Förderung der Durchlässigkeit bei den Laufbahnen etc.)
  • Schaffung von guten Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst Berlins und vorausschauende Personalplanung und -entwicklung. Berlin soll vorbildlicher Arbeitgeber sein und das Leitbild und den Index „Gute Arbeit“ einführen.
  • Bis Ende 2015 wird das Projekt zur Etablierung der strategischen Personalbedarfsplanung begonnen und eine Servicestelle eingerichtet. Die Bezirke werden finanziell und konzeptionell bei der Umsetzung umfassender bezirklicher Personalentwicklungs- und Rekrutierungskonzepte unterstützt. Es wird die Einrichtung einer turnusmäßig tagenden Arbeitsgruppe „Personalentwicklung“ empfohlen, in der Vertreterinnen und Vertreter des Landes und der Bezirke an der Entwicklung und Umsetzung von Personalentwicklungsmaßnahmen zusammenwirken.
  • Im Hinblick auf den sich abzeichnenden Personalbedarf bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird unverzüglich eine qualitative und quantitative Personalentwicklung eingeleitet mit der kurzfristigen Maßnahme der unbefristeten Übernahme aller geeigneten ausgebildeten Nachwuchskräfte. Dazu gehört auch die Förderung der bedarfsgerechten Ausbildung ohne einschränkende Rahmenbedingungen.
  • Erzwungene Fremdvergaben von Dienstleistungen in den Bezirken sind kritisch unter dem Aspekt der Daseinsvorsorge und der Wirtschaftlichkeit zu überprüfen.
  • Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin sowie des Senats werden aufgefordert, sich vertieft mit der personellen Situation und der Personalentwicklung in den Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin auseinanderzusetzen und Vorschläge – analog zu den in diesem Bericht genannten Maßnahmen für die Personalentwicklung in der Berliner Verwaltung – zu Darüber hinaus werden sie aufgefordert, sich gegen Ausgliederungen von Personal aus den Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin einzusetzen.

 

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden aufgefordert, basierend auf der Beschlusslage des Abgeordnetenhauses und dieses Antrages, bis Ende 2015 die „Handlungsfelder sozialdemokratischer Personalpolitik für die Bezirke“ durch konkrete Entscheidungen umzusetzen.

Antrag 161/II/2014 Umfassende Beteiligung vor einer Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele in Berlin

8.11.2014

Ersetzungsantrag zu den Anträgen 143/II/2014, 144/II/2014, 145/II/2014

 

Die Durchführung olympischer und paralympischer Spiele in Berlin kann eine große Chance für die Stadt Berlin sein. Deshalb unterstützt der Landesparteitag die Linie von Senat und Abgeordnetenhaus, dem Deutschen Sport als Ausrichterstadt zur Verfügung zu stehen. Dafür müssen zentrale Bedingungen erfüllt werden.

Die Interessenbekundung des Senats „Die ganze Welt in unserer Stadt“ ist dafür eine gute Grundlage.

 

Sie macht deutlich:

  • Eine Bewerbung mit der Stadt Berlin beim Internationalen Olympischen Komitee muss auf Basis eines breiten Diskussionsprozesses mit der Stadtgesellschaft entwickelt werden. Vor Abgabe der Bewerbung muss eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner dieses Konzept unterstützen. Dazu wird die Möglichkeit einer für Senat und Abgeordnetenhaus verbindlichen Abstimmung geschaffen.

 

  • Wir unterstützen den Reformprozess des Internationalen Olympischen Komitees und haben Erwartungen an den Veränderungsprozess: Wir müssen weg vom Gigantismus bei sportlichen Großereignissen. Olympische Spiele müssen zur Stadt passen, nicht umgekehrt.

 

  • Olympische und paralympische Spiele in Berlin müssen ökonomisch vernünftig geplant und durchgeführt werden, nachhaltig und ökologisch verantwortlich sein. Dazu gehört vor allem, die bestehende dezentrale Sportinfrastruktur dieser Stadt fit zu machen und zu nutzen. Wir wollen, dass die Sport- und Trainingsstätten anschließend dem Sport in unserer wachsenden Stadt Berlin zur Verfügung stehen. Deshalb muss gelten, dass bestehende Sportstätten auch der Umgebung weitestgehend genutzt sowie profiliert werden und temporäre Sportstätten die Ausnahme sind. Wir wollen Olympische Spiele in Berlin zu Spielen einer ganzen Region machen.

 

  • Berlin bietet Infrastruktur, die andernorts erst geschaffen werden müsste, z.B. bei den Hotelkapazitäten und im Öffentlichen Nahverkehr. Wir wollen, dass Olympische und Paralympische Spiele genutzt werden, um die Barrierefreiheit der Stadt weiter voranzubringen.

 

  • Die Realisierung des Olympischen Dorfs soll möglichst durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch im Verbund mit Genossenschaften, zum Beispiel am Standort des Flughafens Tegel erfolgen. Der zu schaffende Wohnraum soll nach den Spielen genutzt werden um dringende Bedarfe zu decken, z.B. im Bereich des barrierefreien Wohnens und bei Studierenden und den Wohnungsmarkt nachhaltig entlasten.

 

  • Die Bewerbung um und die Durchführung von Olympischen und Paralympischen Spielen sind vom Haushaltsgesetzgeber, dem Parlament, intensiv zu begleiten, ein entsprechender Sonderausschuss wird eingesetzt. Ferner ist auch dafür Sorge zu tragen, dass ein Sicherheitskonzept mit Augenmaß und Beteiligung des Bundes umgesetzt wird. Wir wollen eine kritische Reflektion der Geschichte mit der Gegenwart. Wir stehen für ein politisch weltoffenes Olympia. Wir wollen eine realistische Kostenabschätzung als Grundlage der Bürgerbeteiligung 2015.

 

  • Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder im Sport. Olympische und Paralympische Spiele sind eine große Chance, die Sportstadt Berlin weiterzuentwickeln und wesentliche Impulse für den Breitensport zu geben.

 

Nach Umfragen unterstützen in beiden möglichen Bewerberstädten rund 80% der Befragten die Idee, Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland zu holen. In der eigenen Stadt gilt das aber momentan jeweils nur für die Hälfte der Befragten.

 

Hamburg und Berlin haben dem Deutschen OIympischen Sportbund (DOSB) zwei überzeugende, aber auch sehr unterschiedliche Konzepte vorgelegt. Berlins Konzept besticht durch Nachhaltigkeit und der weitgehenden Nutzung vorhandener und sportlich hervorragender Ressourcen. Der Deutsche Sport muss sich entscheiden, welches dieser Konzepte er umsetzen will und mit welcher Stadt es international die besten Chancen für die Ausrichtung olympischer Spiele gibt. Sport, Stadtgesellschaft, Wirtschaft und Politik sind danach gemeinsam in der Verantwortung, für die Idee von Olympischen und Paralympischen Spielen zu werben und gemeinsam für eine Mehrheit in der Bevölkerung zu arbeiten.

Antrag INI01/II/2014 Finanzierung der Stadtteilmütter dauerhaft sichern und ihre Anzahl stabil halten

8.11.2014

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und der Berliner Senat werden aufgefordert, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Stadtteilmütter und -väter in allen Berliner Bezirken mindestens auf dem Niveau von Anfang 2014 stabil zu halten und ihre Finanzierung ggf. auch aus dem Berliner Landeshaushalt dauerhaft sicher zu stellen.

Antrag 160/II/2014 Teilnahme am EU-Schulobst- und -gemüseprogramm

5.11.2014

Das Land Berlin nimmt ab dem nächstmöglichen Termin am EU-Schulobst- und -gemüseprogramm teil.

 

Bereits bestehende Pläne für die Teilnahme Berlins am Schulobstprogramm der EU sind umzusetzen. Außerdem sind sog. Brennpunktschulen gezielt zu unterstützen, damit sie das Angebot, Schulobst und -gemüse zu erhalten, in Anspruch nehmen.