Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt in Politik und Parlamenten sind keine Randerscheinung, sondern gehören leider zum Alltag vieler Menschen, die ein politisches Mandat ausüben, in Parlamenten oder Parteien arbeiten. Überdurchschnittlich häufig sind Frauen betroffen.
Die Rahmen, in der sich Politik und politische Arbeit abspielen, begünstigen leider Sexismus, sexuelle Belästigung sowie sexuelle Gewalt im hohen Maße. Zu nennen sind ausgeprägte formelle und informelle Hierarchien, in ehrenamtlichen und parlamentarischen Strukturen nur schwache Sanktionsmöglichkeiten sowie wegen der Immunität von Abgeordneten – grundsätzlich zu Recht – hohe Hürden für strafrechtliche Ermittlungen. Zwar gibt es in Deutschland immer mal wieder mediale Berichterstattungen über Sexismus in Parteien und Parlamenten, doch gibt es insgesamt kaum nationale Untersuchungen und Erkenntnisse zum Thema. Lediglich eine gemeinsame Studie des Council of Europe Parliamentary Assembly (PACE) und der Interparlamentarian Union (IPU) aus dem Jahr 2016 kommt zum Ergebnis, dass 80 Prozent der befragten Parlamentarierinnen Erfahrungen mit sexueller Belästigung und sexueller Gewalt gegen sie machen mussten. Nur 23,5 Prozent der weiblichen Abgeordneten und 6 Prozent der weiblichen Parlamentsmitarbeiter*innen, die sexuell belästigt wurden, meldeten den Vorfall. Mehrere der Befragten beklagten die Tatsache, dass es in ihrem Parlament keinen Mechanismus gibt, um Fälle von Belästigung oder Gewalt zu melden. Die Präsidenten der PACE und der IPU beschlossen, die Studie an alle Parlamentspräsident*innen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates zu senden und sie aufzufordern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
Die sozialdemokratischen Mitglieder im Bundestag und in den Landtagen werden aufgefordert
1. Informationen einzuholen
2. zu überprüfen und
3. die folgenden Empfehlungen der PACE/IPU-Studie in deutschen Landesparlamenten und dem Bundestag umzusetzen:
- Schaffung eines Null-Toleranz-Umfelds für sexistisches Verhalten, Mobbing und sexuelle Belästigung und geschlechtsspezifische Gewalt im Parlament, u. a. durch die Umsetzung der Standards des Europarats auf parlamentarischer Ebene, insbesondere der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt), die Empfehlung CM/Rec(2019)1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zur Prävention und Bekämpfung von Sexismus, Resolution 2274 (2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates „zur Förderung von Parlamenten, die frei von Sexismus und sexueller Belästigung sind“ sowie andere einschlägige regionale oder internationale Instrumente.
- Durchführung von Erhebungen über das Vorherrschen von Sexismus, Belästigung und Gewalt gegen Frauen im Parlament und Ergreifen von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.
- Geeignete Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen einrichten, die vertraulich und fair sind und auf die Anliegen der Opfer eingehen.
- Sicherstellen, dass die Opfer von Belästigung und Übergriffen wissen, dass sie Zugang zu Hilfs- und Beratungsdiensten haben, die vertraulich sind und die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen.
- Konzeption und Durchführung von Schulungsprogrammen für alle im Parlament tätigen Personen zu Fragen des Respekts am Arbeitsplatz, Sexismus, Belästigung sowie über Programme und Mechanismen zur Bewältigung dieser Probleme.
- Initiierung, Unterstützung und Umsetzung von Maßnahmen und Rechtsvorschriften zur Gewährleistung der Parität im politischen und öffentlichen Leben.
- Politische Parteien ermutigen und Anreize schaffen, um eine bessere Vertretung von Frauen in Entscheidungsprozessen sicherzustellen.
- Politische Parteien dazu ermutigen, Verhaltenskodizes aufzustellen und Maßnahmen zu ergreifen, um Geschlechterstereotypen, Patriarchat, Frauenfeindlichkeit und die Kultur, die Gewalt und Belästigung von Frauen im politischen Leben toleriert, zu hinterfragen.
- Männer proaktiv in alle Aktivitäten zur Verhinderung und Bekämpfung von Sexismus, Belästigung und Gewalt gegen Frauen einbeziehen. Einführung obligatorischer Schulungen zu Verhaltenskodizes und Ethik am Arbeitsplatz.
- Aufbau von Partnerschaften und Zusammenarbeit mit den Medien, um eine nicht-sexistische Darstellung von Frauen zu fördern und schädliche Geschlechterstereotypen und Sexismus zu bekämpfen.
- Bildungsprogramme von klein auf initiieren, fördern und ermutigen, die eine Kultur des Respekts, der Toleranz, der Nicht-Diskriminierung und der und Gleichberechtigung fördern.