Antrag 157/I/2014 Völkermord verjährt nicht! Für einen verantwortlichen Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia

Status:
Annahme

Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich für die offizielle rückwirkende Anerkennung des von deutschen Kolonialtruppen in Namibia geführten Vernichtungskrieges – dem von 1904 bis 1908 Zehntausende Herero, Nama, Damara und San zum Opfer fielen – als Völkermord einzusetzen und eine offizielle Bitte von Bundestag und Bundesregierung um Entschuldigung zu erwirken. Darüber hinaus werden die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert, die Bundesregierung zu einem Dialog mit der namibischen Regierung und Opferverbänden zu verpflichten, mit dem Ziel, angemessene Reparationszahlungen zu vereinbaren. Diese sollen bewusst nicht im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stattfinden. Bei der Umsetzung sollen paternalistische und eurozentristische Herangehensweisen, die in der Entwicklungszusammenarbeit häufig noch üblich sind, vermieden werden. Bei den Verhandlungen muss ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe zu jeder Zeit gewährleistet sein. Über ihre Verwendung sollen die namibische Gesellschaft und Opferverbände in alleiniger Verantwortung entscheiden.

 

Die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden weiterhin dazu aufgefordert, sich für ein Erinnerungs- und Aufarbeitungskonzept zur deutschen Kolonialgeschichte einzusetzen, das die Dekolonisierung öffentlicher Räume unterstützt, sowie den historischen Widerstand gegen Kolonialismus und Rassismus würdigt und sichtbar macht. Hierfür ist auch die Einrichtung einer entsprechenden Bundesstiftung nötig. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte muss die logische Konsequenz sein die komplette Rückgabe von menschlichen Gebeinen und Beutegütern, die während der deutschen Kolonialzeit geraubt und missbraucht wurden, zu gewährleisten. Die Bundesregierung und ihre Vertreter*innen haben dafür Sorge zu tragen, dass zukünftige Rückgaben dieser Art in einem angemessenen Rahmen stattfinden.

 

Die hier vorgeschlagene Aufarbeitung soll richtungsweisend für den Umgang Deutschlands mit der eigenen Kolonialgeschichte sein und idealerweise zur Schaffung eines Präzedenzfalls führen.

Beschluss: Annahme
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
  Stellungnahme der Landesgruppe Vor dem Hintergrund des grausamen Kolonialkriegs haben sich Bundesregierung und Bundestag (Entschließungen 1989 und 2004) wiederholt zur historischen, politischen und moralischen Verantwortung Deutschlands für Namibia bekannt. Bundestagspräsident Lammert bezeichnete in einem Artikel in DIE ZEIT vom 9. Juli 2015 die damaligen Ereignisse als Völkermord. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes hielt am 10. Juli 2015 in der Bundespressekonferenz fest, dass die Bundesregierung den Kolonialkrieg im damaligen Südwestafrika als Völkermord betrachte. Er betonte dabei, dass die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Gegenstand eines bilateralen Dialogs mit Namibia sei.   Die Bundesregierung führt daher seit dem vergangenen Jahr mit der Regierung Namibias einen vertrauensvollen Dialog über einen gemeinsamen Umgang mit der schmerzvollen Geschichte der Kolonialzeit. Frank Walter Steinmeier hat mit seiner namibischen Amtskollegin in Berlin und zuletzt Ende September in New York darüber beraten, wie man weiter vorgehen sollte. Beide kamen zu dem Schluss, dass jetzt der richtige Moment gekommen ist, die Gespräche zwischen den Regierungen beider Länder zu intensivieren und zu formalisieren. Man war sich einig, dass auf beiden Seiten für diesen Dialog eine Persönlichkeit ernannt wird. Auf deutscher Seite hat Ruprecht Polenz, der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, diese Aufgabe übernommen. Es bleibt das Ziel der Bundesregierung, in den weiteren Gesprächen mit der namibischen Regierung eine gemeinsame Bewertung der Vergangenheit vorzunehmen und Wege zu identifizieren, auf dieser Grundlage Vorstellungen für die Gestaltung der bilateralen Beziehungen zu entwickeln. Bundestag und namibisches Parlament werden eine wichtige Rolle im weiteren Prozess spielen.   Von den betroffenen Volksgruppen, Nationalversammlung (Resolution 2006) und namibischer Regierung vorgetragene Reparationsforderungen lehnt die Bundesregierung ab. Eine völkerrechtliche Grundlage hierfür besteht nach Einschätzung von Rechtswissenschaftlern nicht. Der mit der Völkermord-Konvention von 1948 geschaffene völkerrechtliche Unrechtstatbestand wirkt nicht zurück.   Die Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt, unterstützte die namibische Regierung bei zwei Gelegenheiten 2011 und 2014 bei der Rückführung der Gebeine und wird dies fortsetzen, wobei sie auf die freiwillige Kooperation der betroffenen deutschen Einrichtungen angewiesen ist.