Die SPD Berlin möchte die Situation für die Lehrkräfte an den Schulen im Land verbessern und wird dem Lehrkräftemangel mit nachhaltigen Maßnahmen begegnen, um den Lehrer*innen-Beruf attraktiver zu gestalten.
Hierfür bedarf es vielschichtiger Lösungsansätze, die die Lebenswirklichkeit von Ausbildung über Berufseinstieg bis zum Übergang ins Rentenalter stärker in den Blick nehmen. Wir sehen die aktuelle Debatte um die Wiedereinführung einer Verbeamtung von Lehrkräften kritisch, da diese Maßnahme das Lehrkräftedefizit nicht lösen wird und darüber hinaus zu zusätzlichen Problemen führt.
Grundsätzlich ist für uns Bildung der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben; deshalb messen wir der schulischen Bildung im Land Berlin einen hohen Stellenwert bei und arbeiten daran, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für gelingende Lehr- und Lernprozesse zu ermöglichen.
Auch um die Komplexität der aktuellen Situation anzuerkennen, wollen wir einen ganzheitlichen Blick vornehmen, der die aktuellen Strukturen verbessert. Die von uns gewählten Maßnahmen werden mitunter erst mittel- bis langfristig Wirkung entfalten. Jedoch treibt uns eine grundlegende Verbesserung der Situationen vieler engagierter Lehrkräfte und Pädagog*innen an, sodass wir jetzt handeln und einer nachhaltigen Bildungspolitik ohne politische Schnellschüsse Ausdruck verleihen. Im Nachfolgenden skizzieren wir Möglichkeiten, die angespannte Situation der Lehrkräfteentwicklung im Land Berlin zu verbessern, welche zugleich Ausdruck unseres Strebens nach einer sozial gerechteren Gesellschaft sind.
Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie des Senats in Berlin auf,
- sich für Gehaltssteigerungen der angestellten Lehrkräfte unter Prüfung einer im Rahmen des geltenden Tarifvertrags möglichen Zulage von bis zu 20% einzusetzen. Perspektivisch muss der durchschnittliche Nettolohn für neueingestellte Berliner Lehrkräfte deutlich über dem Nettolohn im Bundesvergleich liegen
- die Anwärter*innenbezüge für die Zeit des Vorbereitungsdienstes finanziell spürbar zu erhöhen, mindestens jedoch an die Bezüge im Land Brandenburg anzugleichen
- sich dafür einzusetzen, dass das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei vollausgebildeten Lehrkräften Regelfall wird
- eine aussagekräftige Untersuchung anzustoßen, aus der hervorgeht, wie viele Lehramtsabsolvent*innen nicht in den Berliner Schuldienst gehen und ggf. welche Beweggründe hinter diesem Entschluss stehen
- sich für eine Entlastung der derzeitigen Pflichtstunden einzusetzen und im Austausch mit der GEW und pädagogischen Mitarbeiter*innen Maßnahmen zu entwickeln
- eine landesweite Untersuchung zu Motiven für einen Wechsel in andere Bundesländer vor und nach dem Referendariat durchzuführen
- die Lohnzahlungen des Vorbereitungsdienstes in Teilzeit auf das Niveau der Vollzeit anzuheben sowie vollständige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch das Land Berlin zu gewährleisten
- sich für eine deutliche Reduzierung der Wochenarbeitsstunden für Lehrer*innen – insbesondere in korrekturlastigen Fächern einzusetzen
Weiterhin blicken wir kritisch auf die Verbeamtung als Mittel zur Lösung des Lehrkräftemangels und fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie des Senats in Berlin auf, alternative Maßnahmen zu ergreifen, um das Solidarprinzip weiter zu stärken und nicht zu schwächen!
Ziel unseres politischen Handelns muss es sein, die beste Bildungsinfrastruktur zu ermöglichen, in der sich Lernende und Lehrende gleichermaßen wohlfühlen und frei entfalten können. Das setzt voraus, dass wir Widrigkeiten angehen und diese mit mutigen Ideen lösen. Dabei lassen wir aber die Zukunft nicht aus dem Blick und gestalten aktiv die Schule von morgen. Dazu gehört jedoch auch, sich mit den gegenwärtigen Herausforderungen tiefer auseinanderzusetzen, um nicht die bequemste Antwort zu geben, sondern die der Komplexität des Themas entsprechende Lösung zu finden. Das kostet Kraft, Geduld und politischen Willen. Wir Sozialdemokrat*innen wollen das für eine moderne Bildung in Berlin aufbringen. Dazu gehört auch die grundsätzliche Diskussion darüber, welches Bild wir vom Lehrer*innen-Beruf haben. Denn um eine moderne Bildung zu ermöglichen bedarf es einem modernen Verständnis des Lehrer*innen-Berufs. Dem sozialdemokratischen Grundverständnis nach ist es unser Anspruch, dass Arbeitnehmer*innen für ihre Interesse einstehen und so die Arbeitsbedingungen entscheidend mitgestalten können – dabei darf die Schule keine Ausnahme darstellen.
Ein besonderer Schritt, um das zu erreichen, stellt die Abschaffung der vom Land Berlin vorgenommenen Verbeamtung von Lehrkräften im Jahr 2004 dar. Durch diese Entscheidung konnte darüber hinaus dazu beigetragen werden, die durch die Pensionierung entstandenen hohen finanziellen Kosten für beamtete Lehrkräfte einzusparen bzw. die Kosten für Pensionsansprüche nicht mehr in die Zukunft zu verschieben. Neben diesen haushaltsfinanziellen Einsparungen schuf der Verbeamtungsstopp zunehmende Erfolge im sozialpolitischen Bereich, die mit den grundsätzlich reaktionären Dienstrecht einhergehenden Pflichten einer Verbeamtung brachen. Seither können mehr Lehrkräfte für ihre Rechte streiken. Zudem führte diese Entscheidung zu mehr Gleichheit im Lehrer*innenzimmer: die ungerechte Besserstellung von verbeamteten Lehrkräften gegenüber ihren angestellten Kolleg*innen sowie weiteren an den schulischen Einrichtungen arbeitenden Pädagog*innen konnte seitdem kontinuierlich abgebaut werden.
Von den derzeit knapp 35.000 Lehrkräften in Berlin ist die Hälfte angestellt. Darunter befinden sich seit einigen Jahren nicht nur vollausgebildete bzw. mit der Lehrbefähigung ausgewiesene Pädagog*innen, sondern Quereinsteiger*innen oder Lehrkräfte ohne Lehrbefähigung. Für die Einstellung zum aktuellen Schuljahr bedeutete das, dass unter den 2700 neuen Lehrkräften 1000 voll ausgebildete Lehrkräfte waren. Bei den übrigen handelte es sich um sehr unterschiedliche Arten von Quereinsteiger*innen, die derzeit noch fortgebildet oder länger eingearbeitet werden müssen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es im Falle einer Wiedereinführung der Verbeamtung zu zwei grundsätzlichen Problemen kommen wird. Erstens können tausende Berliner Lehrkräfte aufgrund ihrer körperlichen Verfasstheit, ihres Alters oder mangels Erfüllung anderer berufsqualifizierender Voraussetzungen nicht verbeamtet werden – ungeachtet ihrer seit Jahren geleisteten Arbeit. Eine Verbeamtungswelle würde ihnen das Gefühl einer Zwei-Klassen-Hierarchie am Arbeitsplatz geben, aus der sie wegen äußerer Faktoren nicht herauskommen können. Dieses Ohnmachtsgefühl darf eine sozialdemokratische Bildungs- und Arbeitspolitik nicht zulassen!
Zweitens gefährdet die Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrkräften das Solidarprinzip. Der Grund dafür liegt vor allem in der finanziellen Sonderstellung im Bereich der Sozialleistungen von verbeamteten Lehrkräften. Diese erhalten im Krankheitsfall ihr volles Gehalt über die gesamte Dauer, was auch die Zahlung über mehrere Jahre bedeuten kann. Für die angestellten Lehrkräfte gelten dagegen die in anderen Berufen greifenden Regelungen, wonach im Krankheitsfall der*die Arbeitgeber*in sechs Wochen lang das Gehalt weiterzahlen muss. Danach gibt es Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse, das mit Einbußen in der Lohnhöhe in einem Zeitraum für dieselbe Erkrankung bis zu 78 Wochen ausgezahlt wird. Diese Benachteiligung bei gesundheitlichen Problemen dürfen wir genauso wenig hinnehmen. Die Angleichung der Nettobezüge für angestellte Lehrkräfte wollen wir umsetzen und dazu den im Tarifvertrag möglichen Rahmen für eine Zulage nutzen. Doch die finanzielle Komponente reicht uns allein nicht aus. Daher streben wir unbefristete Arbeitsverträge an, wodurch der gesicherte Arbeitsplatz auch für angestellte Lehrkräfte ausnahmslos umgesetzt wird. Mit diesen Maßnahmen stärken wir gleichzeitig tarifliche Arbeitsverhältnisse unter Wahrung weitreichender Arbeitnehmer*innen-Rechte (z.B. Streikrecht). Die Verbeamtung stellt für uns aus diesem Grund einen Rückschritt dar. Für uns sind Mitbestimmung und Meinungsäußerung wesentliche Grundvoraussetzungen einer gelingenden freien Gesellschaft. Die Verbeamtung jedoch verfolgt ein antiquiertes und hierarchisches Verständnis vom Arbeitsverhältnis. Dem zugrunde liegt eine Treuepflicht zwischen Dienstherr*in und Beamt*in, wodurch die konkrete Tätigkeit in den Hintergrund rückt und im wesentlichen nur die Amtsverleihung zählt. Dem daraus erwachsenen Prinzip der Nichtbeteiligung an gemeinschaftlichen Aufgaben gilt es entgegenzuwirken, denn das Alimentationsprinzip (Versorgung von Beamten) bezieht sich eben pauschal auf das verliehene Amt und nimmt diese Lehrkräfte aus der Verpflichtung, ihren Anteil für das Gemeinwohl beizusteuern.
Ganz konkret würde die Herauslösung und Bevorzugung von bestimmten Teilen innerhalb einer Berufsgruppe zu Unmut, Frust und Unverständnis bei denjenigen führen, die nicht davon profitieren. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit darf nie nur ein Mantra bleiben, sondern braucht praktische Umsetzung. Nicht zuletzt bedeutet die ursozialdemokratische Forderung nach gleicher Entlohnung für gleiche Arbeit auch gleiche Verpflichtungen für das soziale Gefüge – besonders am Arbeitsplatz.
Doch nicht nur die aktuelle Beschäftigungssituation gilt es mit hinreichenden Maßnahmen für angestellte Lehrkräfte zu verbessern, sondern auch Berlin als Ausbildungsstandort attraktiver zu gestalten. Denn die Praxiserfahrung zählt zu den wichtigsten Momenten in der Lehramtsausbildung. Gerade hier müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die die Lebenssituation von Einsteiger*innen berücksichtigt und ihnen einen angemessenen Einstieg ins Berufsfeld ermöglicht. Das bedeutet: Lebensentwürfe individuell zu berücksichtigen. Die Möglichkeit eines Referendariats in Teilzeit stellt dabei einen wichtigen, wenn auch nicht konsequent zu Ende gedachten Schritt dar. Obwohl es die Möglichkeit seitens des Landes Berlin gibt, den Vorbereitungsdienst in Teilzeit zu absolvieren, bestehen noch immer Ungleichheiten. Zwar ist ein Teilzeit-Referendariat möglich, jedoch nur im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. D.h. dass eine Teilzeitbeschäftigung für “Beamte auf Widerruf” nicht gestattet wird, da beamtenrechtliche Vorschriften dem entgegenstehen. So können Bewerber*innen in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis beschäftigt werden, sind dann aber voll sozialversicherungspflichtig und letztlich finanziell schlechter gestellt. Darüber hinaus erhalten sie eine reduzierte Unterhaltsbeihilfe von 75% des regulären Betrags. Gerade hier sollte eine Veränderung geschaffen werden, um Betroffenen eine maßgebliche Unterstützung zu ermöglichen. Das bedeutet einerseits die Anhebung der Beiträge des Vorbereitungsdienst in Teilzeit auf das Niveau der Vollzeit und andererseits die vollständige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch das Land Berlin.
Insgesamt werden wir den Übergang von Studienabschluss zu Referendariat bis hin zum Jobeinstieg stärker begleiten und geeignete Maßnahmen einführen, um lange Wartezeiten zwischen den einzelnen Stationen zu verhindern sowie intensive Beratungsmöglichkeiten zu schaffen. Da bislang keine aussagekräftigen Zahlen darüber vorliegen, wie viele Absolvent*innen vor oder nach dem Referendariat einen Wechsel an eine andere Schule in einem anderen Bundesland vornehmen, werden wir eine landesweite Befragung durchführen. Diese soll genauere Erkenntnisse liefern, welche Intentionen dem Wechsel jeweils zugrunde gelegen haben. Mithilfe dieser Befragung soll evaluiert werden, welche Intentionen einem Wechsel zugrunde liegen und inwiefern dieser durch die Möglichkeiten auf Verbeamtung in anderen Bundesländern beeinflusst wird. Unabhängig davon streben wir eine strategische Zusammenarbeit mit Brandenburg an, um über Wege zur erfolgreichen sowie nachhaltigen Lösung des Lehrkräftemangels zu beraten und konkrete Schritte zeitnah festzulegen.
Die Verbeamtung ist kein probates Mittel zur Lösung des Lehrkräftemangels. Selbst in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg fehlt es an ausgebildeten Lehrer*innen. Ein Aktionismus, der die Verbeamtung in Berlin aufgrund des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bundesländern heranzieht, verliert jedoch langfristig. Denn anstatt das Thema Verbeamtung weiter als Allheilmittel zu postulieren, sollten wir andere Hebel betätigten, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Diese liegen jedoch weniger in der finanziellen Ausgestaltung, als an einer bundesweiten Strategie zur Verbesserung des Arbeitsplatzes Schule unter Berücksichtigung von Guter Arbeit für die gesamte Bandbreite des pädagogischen Personals.
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Aktion | Seite | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
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Annahme | Ä-1 zum Antrag 121/I/2019 | 210 | 9, 70 |
Streiche in Antrag 121/I/2019 die
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Die SPD Berlin möchte die Situation für die Lehrkräfte an den Schulen im Land verbessern und wird dem Lehrkräftemangel mit nachhaltigen Maßnahmen begegnen, um den Lehrer*innen-Beruf attraktiver zu gestalten.
Hierfür bedarf es vielschichtiger Lösungsansätze, die die Lebenswirklichkeit von Ausbildung über Berufseinstieg bis zum Übergang ins Rentenalter stärker in den Blick nehmen.
Grundsätzlich ist für uns Bildung der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben; deshalb messen wir der schulischen Bildung im Land Berlin einen hohen Stellenwert bei und arbeiten daran, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für gelingende Lehr- und Lernprozesse zu ermöglichen.
Auch um die Komplexität der aktuellen Situation anzuerkennen, wollen wir einen ganzheitlichen Blick vornehmen, der die aktuellen Strukturen verbessert. Die von uns gewählten Maßnahmen werden mitunter erst mittel- bis langfristig Wirkung entfalten. Jedoch treibt uns eine grundlegende Verbesserung der Situationen vieler engagierter Lehrkräfte und Pädagog*innen an, sodass wir jetzt handeln und einer nachhaltigen Bildungspolitik ohne politische Schnellschüsse Ausdruck verleihen. Im Nachfolgenden skizzieren wir Möglichkeiten, die angespannte Situation der Lehrkräfteentwicklung im Land Berlin zu verbessern, welche zugleich Ausdruck unseres Strebens nach einer sozial gerechteren Gesellschaft sind.
Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie des Senats in Berlin auf,
- sich für Gehaltssteigerungen der angestellten Lehrkräfte unter Prüfung einer im Rahmen des geltenden Tarifvertrags möglichen Zulage von bis zu 20% einzusetzen. Perspektivisch muss der durchschnittliche Nettolohn für neueingestellte Berliner Lehrkräfte deutlich über dem Nettolohn im Bundesvergleich liegen
- die Anwärter*innenbezüge für die Zeit des Vorbereitungsdienstes finanziell spürbar zu erhöhen, mindestens jedoch an die Bezüge im Land Brandenburg anzugleichen
- sich dafür einzusetzen, dass das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei vollausgebildeten Lehrkräften Regelfall wird
- eine aussagekräftige Untersuchung anzustoßen, aus der hervorgeht, wie viele Lehramtsabsolvent*innen nicht in den Berliner Schuldienst gehen und ggf. welche Beweggründe hinter diesem Entschluss stehen
- sich für eine Entlastung der derzeitigen Pflichtstunden einzusetzen und im Austausch mit der GEW und pädagogischen Mitarbeiter*innen Maßnahmen zu entwickeln
- eine landesweite Untersuchung zu Motiven für einen Wechsel in andere Bundesländer vor und nach dem Referendariat durchzuführen
- die Lohnzahlungen des Vorbereitungsdienstes in Teilzeit auf das Niveau der Vollzeit anzuheben sowie vollständige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch das Land Berlin zu gewährleisten
- sich für eine deutliche Reduzierung der Wochenarbeitsstunden für Lehrer*innen – insbesondere in korrekturlastigen Fächern einzusetzen