Wir bitten die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, sich für folgende Verbesserungen und Klarstellungen bei der Erarbeitung des im Koalitionsvertrag vorgesehenen Selbstbestimmungsgesetz einzusetzen, für welches Bundesjustiz- und das Bundesfamilienministerium nunmehr Eckpunkte vorgelegt haben:
1. Die Erklärungen zur Änderung von Namen und Geschlechtseintrag sollen perspektivisch an jedem Standesamt abgegeben werden können.
2. Auch Menschen, die ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland leben, müssen das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen können.
3. Auch die Anpassung geschlechtsspezifischer Nachnamen soll in das Selbstbestimmungsgesetz aufgenommen werden. Wenn ein trans* Mensch einen Namen mit geschlechtsspezifischer Endung führt, wie es z.B. in nord- und osteuropäischen Ländern verbreitet ist, würde es andernfalls zu einer sinnwidrigen Diskrepanz zwischen Vor- und Nachnamen kommen.
4. Ergänzend zum Offenbarungsverbot, das mit § 5 TSG bereits Teil der geltenden Rechtslage ist, ist eine ausdrückliche Regelung aufzunehmen, wonach Menschen nach Anpassung von Namen oder Geschlechtseintrag einen gesetzlichen Anspruch gegenüber allen privaten und öffentliche Stellen auf Ausstellung von Dokumenten, Zeugnissen und anderen Bescheinigungen mit den neuen Personendaten haben, auch bei denen 3., in denen sie aufgeführt sind.
5. Sowohl die Sorgeberechtigten als auch das Familiengericht sollen verpflichtet sein, die Wünsche eines minderjährigen Kindes (ab 7 Jahren) bezüglich des eigenen Namens und Geschlechtseintrags vorrangig zu berücksichtigen.
6. Auch bei Minderjährigen zwischen 7 und 14 Jahren ist das Verfahren altersunabhängig so zu gestalten, dass diese die Erklärung zur Änderung von Namen und Geschlechtseintrag selbst abgeben können. Das Standesamt soll von Amts wegen das Familiengericht anrufen, wenn ein*e Minderjährige*r die Anpassung von Namen und Geschlechtseintrag verlangt und die Sorgeberechtigten auch nach Aufforderung durch das Standesamt keine Zustimmung erteilen.
7. Das Familiengericht soll eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung treffen können, wenn die Sorgeberechtigten die Zustimmung zur Anpassung von Namen oder Geschlechtseintrag verweigern. Im familiengerichtlichen Verfahren ist sicherzustellen, dass ein*e Verfahrensbetreuer*in bestellt wird, die mit der Situation und den Bedürfnissen von trans* Menschen vertraut ist.
Das Selbstbestimmungsgesetz soll über die Erleichterungen für die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag hinaus weitere Regelungen enthalten, um die Lebenssituation von trans* Menschen wirksam zu verbessern. Wir fordern deshalb die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung auf, sich für folgende zusätzliche Maßnahmen einzusetzen und diese zeitnah in die Wege zu leiten:
- Um trans* Menschen zu unterstützen und in die Lage zu versetzen, ihr Selbstbestimmungsrecht in Anspruch zu nehmen, ist die in den Eckpunkten vorgesehene Stärkung von Beratungsangeboten besonders wichtig. Insbesondere für Minderjährige sind niedrigschwellige spezialisierte Anlauf- und Beratungsstellen auszubauen, abzusichern oder neu zu schaffen, die diese bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen und während des Verfahrens, das das Selbstbestimmungsgesetz vorsieht, begleiten können. Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine qualifizierte Beratung ist zu prüfen. Weiterhin ist zu prüfen, ob Sorgeberechtigte von trans* Kindern zur Wahrnehmung einer Beratung verpflichtet werden können.
- Wie vom Koalitionsvertrag gefordert müssen die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Das gilt auch für eventuell angeforderte Gutachten. Das Bundesministerium für Gesundheit muss zeitnah ein Konzept vorlegen, mit dem sichergestellt wird, dass trans* Menschen bei entsprechender ärztlicher Empfehlung einen Anspruch auf Kostenübernahme hinsichtlich der Behandlungen haben, die in der einschlägigen S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit“ empfohlen werden, welche unter Federführung der der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung erarbeitet wurde. Ergänzend zu den geschlechtsanpassenden Operationen muss auch die Namensänderung für trans* Menschen beim Standesamt gebührenfrei sein.
- Bezüglich der Teilnahme an Sportveranstaltungen und Wettkämpfen ist sicherzustellen, dass auch durch die Sportorganisationen keine Regelungen getroffen werden, die trans* Sportler*innen ohne sachlichen Grund ausschließen oder benachteiligen.