Antrag 92/II/2019 SPD Berlin nimmt die Initiative der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ auf

Status:
Erledigt

Berlin leidet aktuell unter starkem Wohnungsmangel. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren in zunehmendem Maße angespannt. Die Berliner*innen sind derzeit nicht in der Lage, sich am Markt hinreichend mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Die Folge davon sind explodierende Mieten und Bodenpreise.

 

Leider haben die Maßnahmen der letzten Jahre noch keine ausreichenden Verbesserungen mit sich gebracht, weshalb wir zu der Überzeugung gelangt sind, dass mit einem Bündel auch aus neuen Maßnahmen der Wohnungsknappheit zu begegnen ist. Zu einer solchen Bündel gehört u.a. der Neubau von mehr bezahlbaren Wohnungen und dafür sind die notwendigen Personalkapazitäten bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu schaffen. Und auch die Einführung des Mietendeckels ist unabdingbar. Aber wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass die Berliner Sozialdemokratie die Initiative der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ aufnehmen sollte und geeignete Grundstücke und Wohnungsbestände, die sich jetzt in privater Hand befinden, zu rekommunalisieren sind.

 

Wir sind mit der Kampagne deshalb solidarisch. Konkret heißt das, dass wir uns für die Vergesellschaftung der Bestände aller privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3000 Wohnungen im Land Berlin mit Ausnahme von Unternehmen im öffentlichen Eigentum, kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in privater Rechtsform und Beständen in kollektiven Besitz der Mieter*innenschaft einsetzen. Dabei ist die gemeinwirtschaftliche, nicht profitorientierte Verwaltung der Wohnungsbestände anzustreben sowie eine Verwaltung der in Gemeineigentum überführten Bestände unter mehrheitlicher demokratischer Beteiligung von Belegschaft, Mieter*innen und Stadtgesellschaft. Wir wollen, dass Reprivatisierungen per Satzung ausgeschlossen werden und eine Zahlung der Entschädigung deutlich unter Verkehrswert an die betroffenen Wohnungsunternehmen angestrebt wird.

 

Um zu diskutieren, wie eine konkrete Umsetzung aussehen kann, werden wir das Gespräch mit den Vertreter*innen des Volksbegehrens suchen. Unser Ziel ist dabei, zusammen mit der Initiative und unseren Koalitionspartner*innen nach einem gemeinsamen Weg zu suchen, möglichst viele Mietwohnungen dem ungezügelten Wohnungsmarkt zu entziehen.

 

Die Entwicklung auf dem Mietenmarkt sind nicht Ausdruck von Einzelfällen sondern von strukturellen Problemen, denen auch strukturell zu begegnen ist. Alle bisherigen Maßnahmen haben nicht die gewünschten Konsequenzen gebracht. Deshalb halten wir es für richtig, nunmehr neue Maßnahmen zu ergreifen.

 

Ausgehend von der den Sozialstaat gegenwärtig akut gefährdenden Wohnungsnot (nicht nur in Berlin) geht es bei der Frage der Vergesellschaftung von Wohnraum nicht allein um eine wohnngspolitische Detailfrage, sondern um die Frage der grundlegenden Ausgestaltung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Wir halten an der Zielsetzung des Demokratischen Sozialismus fest. „Sie verlangt eine Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte für alle Menschen garantiert sind, alle Menschen ein Leben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, also in sozialer und menschlicher Sicherheit führen können.“ (Hamburger SPD-Grundsatzprogramm 2007, S. 16). Im Berliner SPD-Grundsatzprogramm von 1989 war dieser Grundgedanke unseres Programms konkretisiert worden: „Die bürgerlichen Revolutionen der Neuzeit haben Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mehr beschworen als verwirklicht. Deshalb hat die Arbeiterbewegung die Ideale dieser Revolutionen eingeklagt: Eine solidarische Gesellschaft mit gleicher Freiheit für alle Menschen. Es ist ihre historische Grunderfahrung, dass Reparaturen am Kapitalismus nicht genügen. Eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ist nötig.“ (Berliner Programm 1989, geänderte Fassung 1998, S. 8)

 

In diesem Sinne ist die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung um das Volksbegehren unter der Zielorientierung zu führen, das Grundrecht auf Wohnen wenigstens partiell der Sphäre spekulativer Kapitalverwertung zu entziehen, um es zu sichern. Das Grundgesetz hält mit den Artikeln 14 und 15 ausdrücklich diesen Weg offen.

Das gültige Hamburger SPD-Grundsatzprogramm von 2007 fordert: „Wohnraum darf nicht zum Spekulationsobjekt werden.“ (Hamburger Programm, S. 34)

Aus diesem Grunde unterstützt die SPD das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.

Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware! Das ist der politische Kern der Auseinandersetzung, um den es bei diesem Volksbegehren geht.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 304/II/2019