Antrag 109/II/2019 Sexuelle Aufklärung und Strategien gegen sexuelle Diskriminierung in Schule und Lehrkraftaus- und Weiterbildung verankern!

Status:
Annahme

In den vergangenen 10 Jahren haben nicht nur in den Medien Artikel von sexueller Diskriminierung an Berliner Schulen eine traurige Runde gemacht, sondern es existiert auch eine leider noch dünne, aber eindeutige Forschungslage über eine desaströse Situation in unseren Klassenräumen, Lehrer*innenzimmern und Sporthallen.

 

Die beiden wichtigsten Untersuchungen zum Thema „sexuelle Diskriminierung an Berliner Schulen“ haben Ulrich Klocke 2012 und Frederick Schaaf 2016 vorgelegt. Beide resümieren, dass sowohl unter Schüler*innen als auch unter Lehrkräften wenig Wissen über sexuelle Identitäten bestünde, aber viel Interesse zur Weiterbildung vorhanden sei. Wenig Wissen führe besonders bei Lehrkräften zur Verharmlosung des Themas und zur Nichtbeachtung von diskriminierenden Äußerungen. Es mangele außerdem an didaktischen Leitlinien für nahezu alle Unterrichtsfächer, obwohl die „A V 27“ sexuelle Aufklärung zu einem fächerübergreifenden Thema macht. Weder in der universitären Ausbildung, noch im Referendariat, noch in genügend Weiterbildungsangeboten finden sich regelmäßige oder verpflichtende Hilfestellungen für Lehrkräfte zu queeren Themen.

 

Das geht nicht nur auf Kosten der Lehrkräfte, die gerne ihren SuS helfen möchten, sondern vor allem können queere SuS in ihrer Persönlichkeitsentwicklung kaum von Lehrkräften vor Diskriminierung beschützt und unterstützt werden, was nachweislich negative Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit und ihr Erwachsenwerden haben kann.

 

Um die sexuelle Aufklärung und Antidiskriminierungsstrategien an Berliner Schulen zu verbessern, fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats dazu auf,

  1. auf die Berliner Universitäten dahingehend einzuwirken, dass sexuelle Diskriminierung und insbesondere queere Thematiken fest in den Master of Education integriert werden. Dies soll nicht fachübergreifend geschehen, sondern fachspezifisch Vermittlung erfahren.
  2. eine verpflichtende Weiterbildungsmöglichkeit für Lehrkräfte zum Thema „Umgang mit sexueller Diskriminierung“ durch die Senatsverwaltung für Bildung zu schaffen.
  3. eine verpflichtende Verankerung von sexueller Aufklärung und Antidiskriminierung, in den Rahmenlehrplänen und in schulinternen Curricula festzuschreiben. Einen besonderen Stellenwert muss hierbei der Sportunterricht einnehmen, da er mit seiner Körperlichkeit, seinen erzeugten Emotionen und seiner Dynamik eine große Angriffsfläche für Diskriminierung bietet, aber damit auch Potenzial zur Reflektion mit sich bringt.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

In den vergangenen 10 Jahren haben nicht nur in den Medien Artikel von sexueller Diskriminierung an Berliner Schulen eine traurige Runde gemacht, sondern es existiert auch eine leider noch dünne, aber eindeutige Forschungslage über eine desaströse Situation in unseren Klassenräumen, Lehrer*innenzimmern und Sporthallen.

 

Die beiden wichtigsten Untersuchungen zum Thema „sexuelle Diskriminierung an Berliner Schulen“ haben Ulrich Klocke 2012 und Frederick Schaaf 2016 vorgelegt. Beide resümieren, dass sowohl unter Schüler*innen als auch unter Lehrkräften wenig Wissen über sexuelle Identitäten bestünde, aber viel Interesse zur Weiterbildung vorhanden sei. Wenig Wissen führe besonders bei Lehrkräften zur Verharmlosung des Themas und zur Nichtbeachtung von diskriminierenden Äußerungen. Es mangele außerdem an didaktischen Leitlinien für nahezu alle Unterrichtsfächer, obwohl die „A V 27“ sexuelle Aufklärung zu einem fächerübergreifenden Thema macht. Weder in der universitären Ausbildung, noch im Referendariat, noch in genügend Weiterbildungsangeboten finden sich regelmäßige oder verpflichtende Hilfestellungen für Lehrkräfte zu queeren Themen.

 

Das geht nicht nur auf Kosten der Lehrkräfte, die gerne ihren SuS helfen möchten, sondern vor allem können queere SuS in ihrer Persönlichkeitsentwicklung kaum von Lehrkräften vor Diskriminierung beschützt und unterstützt werden, was nachweislich negative Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit und ihr Erwachsenwerden haben kann.

 

Um die sexuelle Aufklärung und Antidiskriminierungsstrategien an Berliner Schulen zu verbessern, fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats dazu auf,

  1. auf die Berliner Universitäten dahingehend einzuwirken, dass sexuelle Diskriminierung und insbesondere queere Thematiken fest in den Master of Education integriert werden. Dies soll nicht fachübergreifend geschehen, sondern fachspezifisch Vermittlung erfahren.
  2. eine verpflichtende Weiterbildungsmöglichkeit für Lehrkräfte zum Thema „Umgang mit sexueller Diskriminierung“ durch die Senatsverwaltung für Bildung zu schaffen.
  3. eine verpflichtende Verankerung von sexueller Aufklärung und Antidiskriminierung, in den Rahmenlehrplänen und in schulinternen Curricula festzuschreiben. Einen besonderen Stellenwert muss hierbei der Sportunterricht einnehmen, da er mit seiner Körperlichkeit, seinen erzeugten Emotionen und seiner Dynamik eine große Angriffsfläche für Diskriminierung bietet, aber damit auch Potenzial zur Reflektion mit sich bringt.

 

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme der AH-Fraktion 2020 (AK II): Auf Antrag der Koalitionsfraktionen wurde der Senat 2018 mit der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Initiative  „Berlintritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV) beauftragt und gebeten einen ressortübergreifenden Maßnahmenplan für die Jahre 2020/2021 zu entwickeln. Dieser umfangreiche Maßnahmenplan schließt auch die Lehrkräftefort- und -weiterbildung als auch die Verankerung von sexueller Aufklärung und Antidiskriminierung in Schule mit ein.   Es erfolgt eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der Qualifizierung von Schlüsselpersonen und pädagogischen Fachkräften – neben u.a. dem Bereich der Schule und Jugendhilfe auch im Feld der Erwachsenenbildung. Insbesondere werden die für den Bereich der Fachkräfteentwicklung verantwortlichen Fortbildungsinstitute weiterhin gendersensible und diskriminierungskritische Angebote vorhalten. Die Fortbildungen für Schlüsselpersonen und pädagogische Fachkräfte werden schwerpunktmäßig von Queerformat - Fachstelle Queere Bildung in den Bereichen Schule und Kinder- und Jugendhilfe aber auch von weiteren Trägern umgesetzt. Die für Führungspersonal im Bereich Schule der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie verpflichtende Diskriminierungskritische Qualifizierung leistet hier ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Im Angebot des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB) sind die Themenfelder Diversity und diskriminierungssensible Jugendhilfekonzeptionell im Angebot verankert. Die Fachstelle Queere Bildung bietet dort ebenfalls mehrere Veranstaltungen im Jahr an. Das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) bietet Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der Modularen Qualifizierung von Schulberater*innen an. Im Jahr 2020 werden Orientierungs- und Handlungsrahmen in Ergänzung des Rahmenlehrplans 1-10 für die übergreifenden Themen Akzeptanz von Vielfalt (Diversity), Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter, Interkulturelle Bildung und Erziehung sowie Sexualerziehung/Bildung zu sexueller Selbstbestimmung fertiggestellt.   Der Senat gewährleistet weiterhin, dass Diversity, darunter auch Diskriminierungskritik sowie eine Pädagogik der Vielfalt, sowohl im Rahmen der Lehramtsstudiengänge als auch während des Vorbereitungsdienstes in den schulpraktischen Seminaren thematisiert werden. Die begonnenen und geplanten Fortbildungen für die Leiter*innen der schulpraktischen Seminare sollen fortgesetzt und auch die Leiter*innen der Fachseminare sollen in die Fortbildung einbezogen werden. In der 1. Phase der Lehrkräfteausbildung wird in Kooperation mit der Freien Universität Berlin untersucht, wie Gender- und Diversity-Kompetenz besser in der Ausbildung von Lehrkräften verankert werden kann. Im Rahmen des Vorbereitungsdienstes wurde eine Arbeitsgruppe aus Leiter*innen Schulpraktischer Seminare jedes Ausbildungsverbundes (umfasst jeweils drei Bezirke) gebildet mit dem Schwerpunktthema „Gender-Diversity-Kompetenz“. Dieses Teamentwickelt und erprobt z. Zt. zwei Wahlbausteine mit dem Arbeitstitel „Gendergerechte Unterrichtsgestaltung“. Perspektivisch soll ein Qualifizierungsangebot für neue Seminarleitungen und Fachseminarleitungen entwickelt werden. Die Ausbildungsmodule und Fachseminarpläne im Vorbereitungsdienst wurden in Bezug auf eine Vertiefung der Gender-Diversity-Kompetenzen überprüft. Die Ergebnisse werden in die Neufassung des Handbuchs zum Vorbereitungsdiensteinfließen. Die Vernetzung mit den für die Lehrkräftebildung zuständigen Universitäten befindet sich im Aufbau.   Die Curricula der Sek II und der beruflichen Bildung werden hinsichtlich der Berücksichtigung der Themen „Bildung zu Akzeptanz von Vielfalt“ und „Sexualerziehung“ geprüft und überarbeitet. Es wird geprüft, wie eine bessere Verzahnung der Angebote zu Antidiskriminierung, Diversity, Intersektionalität, der politischen Bildung und Demokratieerziehung unter Stärkung von bisher unterrepräsentierten Perspektiven/Expertisen erreicht und umgesetzt werden kann. Es werden im Rahmen der Kultusministerkonferenz Bildungsstandards für die Fächer Physik, Chemie und Biologie in der gymnasialen Oberstufe erarbeitet. Nach deren Verabschiedung werden die Rahmenlehrpläne für diese Fächer für Berlin überarbeitet. Dies geschieht in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Bei dieser Überarbeitung beabsichtigt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eine Verankerung der übergreifenden Themen analog zum Rahmenlehrplan 1 - 10. Angestrebt wird, dass sich auch weitere Überarbeitungen von Rahmenlehrplänen anderer Fächer daran orientieren. Die Curricula der beruflichen Bildung werden im Jahr 2020 gesichtet und bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen bei Bedarf überarbeitet.   Der AK II hat einen Antrag mit dem Titel „Weiterentwicklung der Antidiskriminierungsstrategie für Berliner Schulen“ auf den Weg gebracht, der zur Beratung dem AK I vorliegt. Der Antrag sieht vor, aufbauend auf den bisherigen Erfolgen der Einrichtung der Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die Antidiskriminierungsstrategie des Landes Berlin weiter zu stärken und auszubauen. Die Einrichtung einer Unabhängigen Beschwerdestelle beim Polizei- und Bürgerbeauftragten des Berliner Abgeordnetenhauses, die Einrichtung einer Fachstelle für intersektionale Bildung und diskriminierungskritische Schulentwicklung, die Diskriminierungsfreiheit von Berliner Lehr- und Lernmitteln, die Lehrkräfteaus- und -fortbildung zur Vorbereitung von Lehrkräften auf den diskriminierungskritischen und diversitätsorientierten Berufsalltag sowie eine Sozialräumliche Öffnung der Antidiskriminierungsarbeit von Schule. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat im April eine Stelle für eine*n Anti-Mobbing-Beauftragte*n geschaffen und besetzt.  
Überweisungs-PDF: