Antrag 307/II/2022 Schutz vor unberechtigten Eigenbedarfskündigungen und vor Verdrängung in der Innenstadt

Status:
Annahme

1. Allein in Berlin wurden in den letzten 10 Jahren über 100.000 Wohnungen in Mietshäusern in Eigentumswohnungen umgewandelt. Dies bedeutet, dass im Schnitt demnächst jährlich ca. 10.000 Wohnungen allein in Berlin aus der geltende Kündigungssperrfrist von 10 Jahren fallen. Hier droht vor allem in Berlin eine soziale Katastrophe und Verdrängungswelle in den vor allem betroffenen Innenstadtkiezen durch Eigenbedarfskündigungen.

 

2. Der Berliner Senat wird deswegen aufgefordert, im Bundesrat eine Reform des Rechts der Eigenbedarfskündigungen auf den Weg zu bringen, die mindestens folgende Punkte enthält:

 

  • Die mögliche Kündigungssperrfrist wird, falls rechtlich möglich auch für bestehende Mietverträge, um 10 Jahre auf 20 Jahre verlängert, da ansonsten eine massive Zunahme der Wohnungslosigkeit durch Eigenbedarfskündigungen in Städten wie Berlin droht.
  • Der Tatbestand des Eigenbedarfs wird konkretisiert und enger gefasst werden. Der Kreis der begünstigten Personen ist auf nahe Familienangehörige zu begrenzen.
  • Eigenbedarf kann nur vorliegen, wenn die gekündigte Wohnung ständig, dauerhaft und ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden soll. Dabei muss das Eigenbedarfsinteresse über das Ende der Kündigungsfrist hinaus fortbestehen.
  • Mieter*innen werden in Härtefällen besonders geschützt, und zwar wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, wie z.B. Alter, Erkrankungen und Kinder in der Schule oder Kita oder falls nachweislich kein gleichwertiger Wohnraum in der Nachbarschaft gefunden werden kann.
  • Umzugskosten für die Mieter*innen, die ausziehen müssen, werden im Falle einer berechtigen Eigenbedarfskündigung zukünftig der*die Eigentümer*in tragen.
  • Es wird ein Register der Eigenbedarfskündigungen eingeführt. Bei jeder ausgesprochenen und vollzogenen Eigenbedarfskündigung muss der Nachweis der Registrierung vorlegen. So wird ausgeschlossen, dass eine Kündigung spekulativ erfolgt.
  • In das Register werden auch der Einzug und der Auszug im Zeitraum von 5 Jahren des*derjenigen, der*die gekündigt hat, eingetragen. Wenn ein Auszug frühzeitiger erfolgt, muss durch den*die Eigentümer*in nachgewiesen werden, dass kein Missbrauch vorliegt.
  • Missbräuchliche Eigenbedarfskündigungen werden einen angemessenen Schadensersatz für die verdrängten Mieter*innen zur Folge haben, die die i.d.R. stark erhöhten neuen Mietkosten der ehemaligen Mieter*innen angemessen abbilden.
  • Missbräuchliche Eigenbedarfskündigungen werden weiterhin als Ordnungswidrigkeit mit hohen Bußgeldern belegt.
  • Es wird sichergestellt, dass öffentlich einsehbar ist, ob und wann Mietshäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt worden sind, damit Mieter*innen zu jeder Zeit wissen, welche Schutzfristen gelten (Öffnung Grundbuch oder eigenes Kataster)

 

3. Der Berliner Senat wird aufgefordert, von Eigenbedarfskündigung betroffenen Mieter*innen bevorrechtigt Zugang zu kommunalen Wohnungen und Wohnungen mit Belegungsbindung zu geben, so wie früher sog. „Sanierungsbetroffene“ vorrangig in Berlin mit Ersatzwohnraum versorgt wurden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Stellungnahme(n):
Stellungnahme Senat 2024:

Maßnahmen zur Verbesserung des Kündigungsschutzes müssen dringend auf Bundesebene umgesetzt werden. Der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen auf Bundesebene sieht jedoch lediglich eine Verbesserung des Kündigungsschutzes bei Zahlungsverzug vor. Es fehlen die notwendigen Mehrheiten im Bundestag, um Änderungen beim Kündigungsschutz bei Eigenbedarf durchzusetzen. Deshalb setzt der Senat alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ein, um Mieterinnen und Mieter vor Eigenbedarfskündigungen zu schützen: Mit dem Erlass der Umwandlungsverordnung gemäß § 250 des Baugesetzbuches durch den Senat im August 2021 ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in ganz Berlin nur noch in den im Baugesetzbuch definierten Ausnahmefällen zulässig. Der Senat hat bereits im Juni 2023 die Kündigungsschutzklausel verlängert, wonach für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und die erste Veräußerung weiterhin eine maximale Kündigungssperrfrist von zehn Jahren gilt. Auch wenn die zehnjährige Kündigungssperrfrist abgelaufen ist, kann man einer Eigenbedarfskündigung aufgrund eines Härtefalls widersprechen. Gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch liegt ein Härtefall dann vor, wenn die Kündigung und der Umzug für den Mieterhaushalt auch unter Würdigung der Interessen des Vermietenden unzumutbar sind.
Überweisungs-PDF: