Antrag 180/II/2019 Professionell Pflegende - endlich selbstbestimmt!

Wie Pflege in Deutschland organisiert wird, hat sich seit vielen Jahrzenten nicht verändert. Wie professionell Pflegende, also 3-jährig ausgebildete oder studierte Fachkräfte, mitent- scheiden dürfen, ebenfalls nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt innerhalb eines von der Gesetzgebung festgelegten Rahmens fest, welche Leistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Zudem hat er Aufgaben im Bereich des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen, vertragszahnärztlichen und stationären medizinischen Versorgung. Da sind aktuell vor allem Kos- tenträger*innen und Kostenerbringer*innen hauptverantwortlich, also der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Professionell Pflegende sind im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht abgebildet. Das ist mitunter ein Grund für den miserablen, unterentwickelten Zustand der professionellen Pflege in Deutschland. Während in den meisten anderen europäischen Ländern professionell Pflegende als „Health Professionals“ angesehen werden und wie selbstverständlich in Entscheidungen, die das Gesundheits- bzw. Pflegesystem betreffen, miteinbezogen werden, sind sie hierzulande den Ärzt*innen unterstellt, haben kein klares Aufgabenprofil und wer- den regelmäßig überhört.

 

Wir brauchen eine Stimme für professionell Pflegende. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich der starken Ärzt*innenlobby entgegen zu stellen und auf Augenhöhe zu verhandeln. Denn nichts anderes als das hat die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen (ca. 1,2 Mio) sich verdient.

 

Diese Stimme ist die Pflegeberufekammer. Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die stellvertretend für den Staat Interessen der Gesellschaft bzw. der Bevölkerung übernehmen. Im Gegenzug verpflichten sich Professionell Pflegende, ihre Aufgaben ge- wissenhaft und verantwortungsvoll durchzuführen und regelmäßig an Fortbildungen teil- zunehmen. Somit ist das oberste Ziel einer Pflegeberufekammer die Sicherstellung einer sachgerechten, professionellen Pflege für die Bürger*innen. Mit einer Pflegeberufekammer würden Pflegende selbst definieren, was eigentlich vorbehaltende Tätigkeiten von profes- sionell Pflegenden sind und ihren Beruf weiterentwickeln. Die Mitglieder bestimmen die Arbeit der Pflegekammer. Alle Mitglieder haben alle fünf Jahre die Wahl und entsenden Vertreter*innen in die Vertreter*innenversammlung. Diese ist das höchste Gremium der Kammer, wählt den Vorstand, trifft Richtungsentscheidungen und hat die Hoheit über sämtliche Kammeraktivitäten. Die inhaltliche Arbeit der Landespflegekammer Rheinland- Pfalz findet z.B. vor allem in Ausschüssen und Arbeitsgruppen statt. Während die Ausschüsse durch die Vertreter*innenversammlung gewählt und legitimiert sein müssen, ist die Mitarbeit in vielen Arbeitsgruppen für alle Mitglieder offen und sehr erwünscht.

 

In Berlin wurde zwischen November 2014 und März 2015 eine Befragung von 1200 Pflegekräften durchgeführt. Das zentrale Ergebnis der repräsentativen Befragung zur Akzeptanz einer Pflegekammer lautete, dass sich die Mehrheit der Pflegefachpersonen in Berlin (58,8 %) für die Einrichtung einer Pflegekammer aussprach. Zusätzlich dazu werden verkammerte Berufe in der Öffentlichkeit und in der politischen Landschaft verstärkt und vor allem vereint wahrgenommen. Dies würde die Wertschätzung erhöhen und die pflegerische Expertise in die Gesetzgebung und politische Diskussion mit einbringen, in Form ei- ner Bundespflegekammer im Gemeinsamen Bundesausschuss.

 

Die größten Gegner*innen der Pflegeberufekammer sind die Gewerkschaften, vor allem ver.di. Die Argumente, die vor allem hervorgebracht werden, sind die Pflichtmitgliedschaft und die Beitragsordnung. Doch wie soll die Pflegeberufekammer eine Berufsgruppe organisieren, Aufgaben definieren und sie fortbilden, wenn nicht alle Berufsangehörigen Mitglied sind? Was die Beitragsordnung angeht, so ist der Mitgliedsbeitrag selbstverständlich am Bruttoeinkommen bemessen, oft 0,4 – 1 % des Bruttoeinkommens, also teilweise sogar unter den Beitragssätzen für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft. Es ist unverständlich, warum ver.di so gegen die Pflegeberufekammer mobilisiert, wird sie doch in keinster Weise von deren Existenz bedroht. Die Pflegeberufekammer erhebt nicht den Anspruch, die Aufgaben der Gewerkschaft zu übernehmen, so ist eine Koexistenz zwingend weiterhin notwendig, um den Beschäftigten in der Pflege ein allumfassend gutes Arbeitsumfeld zu garantieren. Die Errichtung eines Versorgungswerks für Pflegefachkräfte ist nicht erforderlich. Wo landesrechtlich geboten, stärken Pflegeberufekammern die öffentlichen Sozialversicherungen durch gesetzlichen Ausschluss der berufsständigen Versorgung.

 

Wir fordern:
– die sofortige Einrichtung einer Pflegeberufekammer in Berlin
– eine umfassende Informationskampagne des Senats für alle Pflegenden, welche über die Vorteile und Verpflichtungen durch eine Pflegeberufekammer aufklärt

 

Empfehlung der Antragskommission:
zurückgezogen