Antrag 144/I/2022 Platzverweis für Menschen ohne Obdach – Verdrängung aus dem öffentlichen Raum verhindern

Status:
Erledigt

Sowohl Landes- als auch Bundespolizei haben die Befugnis Platzverweise auszustellen. Die entsprechenden Gesetze werden auch in der besonderen Situation von Menschen ohne Obdach angewendet. Hier kann alleine die Anwesenheit dieser Menschen als Störung deklariert werden. Menschen ohne Obdach sollen nicht im öffentlichen Raum sichtbar sein. Dabei gehören Obdach- und Wohnungslosigkeit zu dieser Gesellschaft und sind Ergebnis unsozialer Politik und Strukturen. Das unsichtbar machen dieses Faktes ändert daran nichts.

 

Ein Platzverweis gegen Menschen ohne Obdach ist keine Maßnahme zur Bewahrung der öffentlichen Ordnung. Es ist die Vertreibung von Menschen auch von Orten an denen sie sich eingerichtet haben, weil sie sonst kein Zuhause haben. Kältebusse und ähnliche Angebote der Sozialhilfen verlassen sich darauf, Menschen ohne Obdach an gewissen öffentlichen Plätzen anzutreffen. Diese lokale Gebundenheit ist Voraussetzung um ein Vertrauensverhältnis zwischen Menschen ohne Obdach und Sozialarbeiter*innen aufzubauen, und Menschen adäquat, gerade im Winter, versorgen zu können. Erst wenn die Betroffenen Helfer*innen und staatlichen Strukturen vertrauen können, sind sie gewillt weitergehende Hilfeleistungen (wie eine psychosoziale Betreuung) in Anspruch zu nehmen. Wenn nun Menschen ohne Obdach ihrer bekannten Plätze vertrieben werden, geschieht das vermeintlich zum Schutz der Allgemeinheit und der öffentlichen Ordnung. Dafür werden die Menschen ohne Obdach aber ihrem primären Bezugsort verwiesen. Ein fester Ort bietet mehr Sicherheit für Obdach- und Wohnungslose marginalisierter Gruppen z.B. durch Gruppenstrukturen. Durch den Platzverweis kann es zum Aufbrechen dieser kommen und dadurch zu noch größerer Gefährdung. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen kann ein Platzverweis und die damit einhergehende negative Erfahrungen mit der Polizei Vertrauen zerstören und Desorientierung hervorrufen. Das kann ein enormer Rückschlag in der Reintegration dieser Menschen sein.

 

Deshalb sollte ein Platzverweis nie ohne Beachtung der besonderen Hilfsbedürftigkeit von Menschen ohne Obdach verhängt werden und nie nur auf Grund ihrer Obdachlosigkeit. Ihnen muss sofort beispielweise ein alternativer Aufenthaltsort angeboten werden. Dies sollte ein Platz in einem kommunalen Hilfsprogramm (Housing First oder Notunterkunft) sein. Wir müssen die Menschen von der Straße holen und zumindest in gut ausgestattete, sichere Notunterkünfte – idealerweise aber in eigene Wohnungen – bringen. Was nicht hilft ist, sie von einem Platz zum nächsten zu scheuchen.

 

Das Unterlassen von Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach muss eingebettet werden in eine nachhaltige Strategie gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Die Jusos haben sich bereits auf dem Bundeskongress 2021 umfänglich zu einem solidarischen Umgang mit Menschen ohne Obdach bekannt. Obdachlosigkeit ist für uns ein systemisches Problem und nicht das Versagen Einzelner. Deshalb fordern wir die Stärkung und die weitreichende Finanzierung des Projekts Housing First und eine Entspannung des Wohnungsmarktes. Wohnungslosigkeit muss präventiv und akut mit psychosozialer und individueller Unterstützung Betroffener begegnet werden.

 

Das ist eine Strategie gegen Obdachlosigkeit, simple Platzverweise sind es nicht. Deshalb fordern wir die Normierung einer entsprechenden Erweiterung der entsprechenden Gesetze (Bund: §30  BPolG, Land: §29 ASOG) dahingehend, dass Platzverweise gegen Menschen ohne Obdach aus Gründen ihrer Obdachlosigkeit nur noch ausgesprochen werden dürfen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen, erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Obdachlosen oder einer anderen Person oder für Sachen von bedeutendem Wert unerlässlich ist. Jeden Menschen ohne Obdach, gegen den ein Platzverweis ausgesprochen wird, soll unverzüglich ein alternativer Aufenthaltsort in Form eines Platzes in einem Hilfsprogramm gegen Wohnungslosigkeit angeboten werden.

 

Wir fordern deshalb eine entsprechende Erweiterung des § 30 des Polizeigesetzes, um einen Passus zum Verfahren mit Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 143/I/2022 (Konsens)