Ein wichtiges Anliegen der Sozialdemokratie im letzten Wahlkampf war, das Ende von endlosen Kettenduldungen einzuläuten. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb durchgesetzt, „lange in Deutschland lebenden geduldeten Menschen, die sich in die hiesigen Lebensverhältnisse nachhaltig integriert haben, eine Perspektive zu eröffnen“ und „eine neue alters- und stichtagsunabhängige Regelung in das Aufenthaltsgesetz“ einzufügen. Die Union hat dieses Anliegen, wie zuvor auch schon bei anderen rechtlichen Verbesserungen im letzten Jahr, an restriktive politische Maßnahmen geknüpft. Neben der Neubestimmung des Bleiberechts wird nun auch die Aufenthaltsbeendigung mitverhandelt. Hier sehen wir noch erheblichen Diskussions- und Verbesserungsbedarf. Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages auf, die beabsichtigte Abstimmung des Gesetzesentwurfes vor der Sommerpause aufzuschieben oder folgende gravierende Mängel noch vorab zu korrigieren.
Ausschluss der unbegleiteten Minderjährigen vom Bleiberecht für Heranwachsende korrigieren
Reisen unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach ihrem 17. Geburtstag nach Deutschland ein, werden Sie sowohl von der Bleiberechtsregelung für Heranwachsende (§ 25a) als auch von der „Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration“ (§ 25b) ausgeschlossen. Damit wird ihnen die besondere Schutzbedürftigkeit als Minderjährige aberkannt.
Massive Ausweitung von Haftgründen streichen Obwohl die Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 31 Abs. 1 GFK) die Inhaftierung von Schutzsuchenden untersagt, ist diese in Deutschland gängige Praxis. Das geplante Gesetz sieht sogar noch eine Ausweitung vor. Es sieht vor, Schutzsuchende allein aus dem Grund zu inhaftieren, weil sie aus einem anderen Dublin-Staat eingereist sind, bevor dort über ihren Asylantrag entschieden worden ist (§ 2 Abs. 15 Satz 2). Da Deutschland von diesen Staaten umgeben ist, träfe dies den Großteil der Geflüchteten, die unter die Dublin-III-Verordnung fallen. Hierbei würde das Gesetz gegen die Dublin-III-Verordnung selbst verstoßen (§ 28 Abs. 1 der Dublin-III-VO). Außerdem sollen Geflüchtete u.a. inhaftiert werden können, wenn sie ihre Identitätspapiere vernichtet, „eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht“ oder zu ihrer „unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen ‚Schleuser‘ aufgewandt“ haben. All dies seien Anhaltspunkte für „Fluchtgefahr“ – zynischer hätte es der Gesetzgeber kaum formulieren können. Hier drängen sich die Fragen auf: Welche*r Geflüchtete*r reist nicht ohne Identitätspapiere nach Deutschland ein? Wer entscheidet eigentlich darüber, was „eindeutig unstimmige oder falsche Angaben“ sind? Wie sollen Geflüchtete ohne Fluchthelfer*innen nach Europa gelangen, wenn keine legalen Einreisewege bestehen?
Keine schärfere Diskriminierung von Geflüchteten aus den Westbalkanstaaten Nach dem neuen Gesetz soll es möglich sein, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 7) für Geflüchtete zu verhängen, deren Asylantrag nach der „Sicheren-Herkunftsländer“-Regelung abgelehnt wurde. Dabei ist besonders bedenklich, dass in dieser Situation eine Einreise für den gesamten Schengen-Raum gesperrt wäre. Dieses Gesetz führt in seiner Konsequenz dazu, dass Schutzsuchenden aus den als „sicher“ eingestuften Westbalkanstaaten, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, nach pauschaler Ablehnung ihres Asylantrags, auf einem Territorium kleiner als das ehemalige Jugoslawien gefangen sind. Weder auf dem Land- noch über den Seeweg könnten sie die Region noch verlassen. Schon jetzt werden potentielle Schutzsuchende, insbesondere Romnia*Roma, aufgrund des Drucks der EU in manchen dieser Staaten an ihrer Ausreise gehindert. Das neue Gesetz würde diese Diskriminierung rechtlich zementieren.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags dazu auf, diesen Gesetzesentwurf abzulehnen, sollten keine grundlegenden Änderungen vor der Sommerpause vorgenommen werden.
(eingebracht mit den erforderlichen Unterschriften)