Im Jahr 2021 gab es rund 100.000 vollzeitbeschäftige Arbeitnehmer*innen, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen haben. Das SGB II wirkt in diesem Fall wie eine Lohnsubvention, denn trotz Vollzeitbeschäftigung ist das zu berücksichtigenden Einkommen der Arbeitnehmer*innen nicht ausreichend, um ihr Existenzminimum zu sichern. Diese Leistungsempfänger*innen werden Ergänzer*innen oder erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte genannt.
Ein Grund dafür, dass es Ergänzer*innen gibt, ist, dass Arbeitgeber*innen nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zahlen. Damit nutzen Arbeitgeber*innen die oftmals prekäre Lage der Arbeitnehmer*innen aus sowie ihre Unwissenheit über das deutsche Arbeitsrecht und Mindestlohngesetz.
Wenn der Mindestlohn nicht zum Leben reicht, muss hingeschaut werden. Denn der Staat darf nicht die rechtswidrigen Machenschaften gewisser Arbeitgeber*innen aus Steuermitteln subventionieren, sondern er muss dafür Sorge tragen, dass das Mindestlohngesetz eingehalten wird.
Forderung:
- Wir fordern, dass die Kompetenzen der Jobcenter schnellstmöglich ausgeweitet werden und eine umfassende Arbeitsrechtsberatung für Arbeitnehmer*innen anbieten. Hierfür sollten ausreichend zusätzliche personelle und finanzielle Mittel für Jobcenter bereitgestellt werden.
- Wir fordern, dass bei Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch durch berufstätige, erwerbsfähige und potentiell hilfebedürftige Personen (Ergänzer*innen), die Leistungssachbearbeitung des Jobcenters von Amts wegen, das heißt verpflichtend, bei Antrag auf Ergänzung die Arbeitsverträge prüft und die tatsächlichen Umstände der Arbeitsverhältnisse abfragt. Das umfasst insbesondere: 1. Vereinbarung der wöchentlichen Arbeitszeit, 2. faktische Arbeitszeit, 3. Auszahlung von Überstunden, 4. Einhaltung des Mindestlohns, 5. angemessene Vergütung. Dies soll unabhängig des Kriteriums des Vermögens, sondern ausschließlich anhand des Kriteriums des zu berücksichtigenden Einkommens vorgenommen werden. Ergibt die Überprüfung den Verdacht, dass das monatliche Arbeitsentgelt geteilt durch die faktische monatliche Durchschnittsarbeitszeit kleiner als der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn ist, ist dieser Umstand unter Angabe der Arbeitgeber*innen unverzüglich der zuständigen Stelle beim Zoll nach §14 Mindestlohngesetz zu melden. Dabei soll es nicht darum gehen, Arbeitnehmende für die rechtswidrigen Machenschaften ihrer Arbeitgebenden zu bestrafen. Die Ergebnisse der Abfragen dürfen keine negativen Konsequenzen für Arbeitnehmer*innen haben.