Antrag 157/II/2022 Kolonialverbrechen nicht unter den Teppich kehren – für eine feministische, dekoloniale Erinnerungskultur in Berlin

Status:
Annahme mit Änderungen

Noch immer tut sich Deutschland schwer mit der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit. Zwar hat die Bundesregierung 2021 nach über 100 Jahren den deutschen Völkermord an den Herero, Nama, Damara und San anerkannt, aber noch immer ist die deutsche Kolonialzeit nicht abschließend aufgearbeitet und ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent.

 

Schließlich wurden Völkermorde nicht nur im heutigen Namibia, sondern auch im heutigen Tansania (z.B. gegen den Maji-Maji-Aufstand) begangen. Zudem fanden zahlreiche grausame völkerrechtswidrige Verbrechen in Kamerun (z.B. mit der ‚Pazifizierung‘ des Binnenlandes), in Togo (durch Ausbeutung und Zerstörung ganzer Orte), im Südpazifik (z.B. mit der Niederschlagung des Sokehs-Aufstand) oder in Kiautschou (z.B. mit der Gewalt gegen den „Boxeraufstand“ / Aufstand der Yihetuan) statt.

 

Anstatt an die Opfer dieser Verbrechen zu erinnern, erinnert Berlins Stadtbild noch immer lieber an die Täter – Der Nachtigal-Platz und der Nettelbeck-Platz (Nachtigal war der Reichskommissar von “Deutsch-Westafrika” und dabei an Verbrechen beteiligt. Nettelbeck war am Sklavenhandel beteiligt und ein Unterstützer des deutschen Kolonialismus) in Mitte sind nur einige Beispiele von vielen.

 

Das ist eine Tatsache, die wir nicht hinnehmen können und fordern daher eine kritische Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialgeschichte im öffentlichen Raum. Gerade Berlin als Hauptstadt des ehemaligen Deutschen kolonialen Reiches und Veranstaltungsort der sogenannten „Kongo- Konferenz“ von 1884/85, bei der die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Weltmächten ausgehandelt wurde, muss seiner historischen Verantwortung gerecht werden. Es darf seine Kriegsverbrechen nicht unter den Teppich kehren, sondern muss an diese im öffentlichen Raum erinnern. Es geht darum, dauerhaft auf den physischen und psychischen Schmerz sowie die lebenslange Traumatisierung von Kriegsopfern allgemein und insbesondere von Frauen und nicht-binären Personen durch sexualisierte Gewalt in Kriegen aufmerksam zu machen. 

 

Denn es waren oftmals Frauen, die während den Verbrechen sexuellen Missbrauch erfahren haben, welche als Sklavinnen ausgebeutet wurden. Dabei ist das Schicksal meist noch weniger im Fokus des allgemeinen und wissenschaftlichen Diskurses. Dieses Schicksal dieser Frauen und queeren Personen in den Kolonien sichtbar zu machen, begreifen wir daher als wichtigen Beitrag einer feministischen, dekolonialen Erinnerungskultur.

 

Daher fordern wir die SPD-Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten und im Senat auf, neben den Umbenennungen der entsprechenden Straßen und Plätze, mehrere dezentrale Denk- und Mahnmale in Berlin umzusetzen. Diese Denk- und Mahnmale sollen vor allem auch die Perspektive von Mädchen, Frauen und nicht-binären Personen aufgreifen, da bisher die koloniale Vergangenheit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive gedacht wird. Diese weiblichen und queeren Perspektiven müssen außerdem bei der Planung des bereits geforderten Zentralen Mahnmals mit Dokumentationszentrum in Berlin mitbedacht werden. An der Gestaltung und Planung dieses zentralen und der weiteren, dezentralen Mahnmale sollten Interessenvertretungen von Betroffenen sowie Organisationen wie Decolonize Berlin beteiligt werden.

 

Doch Denk- und Mahnmäler allein reichen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen feministischen dekolonialen Erinnerungskultur. Diese muss in der Schule beginnen. Doch zurzeit ist es noch nicht mal verpflichtend den deutschen Kolonialismus im Unterricht zu thematisieren. Stattdessen ist dieses Thema ein Wahlmodul, wodurch viele Kinder und Jugendliche die Schule verlassen, ohne überhaupt zu wissen, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat und Verbrechen begangen hat. Es fehlt dadurch ein Verständnis, warum wir in rassistischen Strukturen leben und aufwachsen. Denn diese Strukturen wurden maßgeblich in der Kolonialzeit erbaut.

 

Doch selbst wenn die Völkermorde, Verbrechen und Unterdrückungen in der Kolonialzeit thematisiert werden, wird dies meist nur aus einer männlichen Perspektive mit “männlichen” Quellen getan. Dass Frauen und queere Personen jedoch in der Kolonialzeit Täterinnen, aber vor allem Opfer waren, wird nicht behandelt.

 

Daher fordern wir die SPD Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten auf und im Senat auf, zusätzlich eine Berücksichtigung der deutschen Kolonialvergangenheit – insbesondere aus feministischer Perspektive – im Rahmenlehrplan und der Lehrkräfteausbildung. Denn nur dadurch kann unsere rassistische und patriarchale Geschichte und Gegenwart verstanden werden 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Noch immer tut sich Deutschland schwer mit der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit. Zwar hat die Bundesregierung 2021 nach über 100 Jahren den deutschen Völkermord an den Herero, Nama, Damara und San anerkannt, aber noch immer ist die deutsche Kolonialzeit nicht abschließend aufgearbeitet und ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent.

 

Schließlich wurden Völkermorde nicht nur im heutigen Namibia, sondern auch im heutigen Tansania (z.B. gegen den Maji-Maji-Aufstand) begangen. Zudem fanden zahlreiche grausame völkerrechtswidrige Verbrechen in Kamerun (z.B. mit der ‚Pazifizierung‘ des Binnenlandes), in Togo (durch Ausbeutung und Zerstörung ganzer Orte), im Südpazifik (z.B. mit der Niederschlagung des Sokehs-Aufstand) oder in Kiautschou (z.B. mit der Gewalt gegen den „Boxeraufstand“ / Aufstand der Yihetuan) statt.

 

Anstatt an die Opfer dieser Verbrechen zu erinnern, erinnert Berlins Stadtbild noch immer lieber an die Täter – Der Nachtigal-Platz und der Nettelbeck-Platz (Nachtigal war der Reichskommissar von “Deutsch-Westafrika” und dabei an Verbrechen beteiligt. Nettelbeck war am Sklavenhandel beteiligt und ein Unterstützer des deutschen Kolonialismus) in Mitte sind nur einige Beispiele von vielen.

 

Das ist eine Tatsache, die wir nicht hinnehmen können und fordern daher eine kritische Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialgeschichte im öffentlichen Raum. Gerade Berlin als Hauptstadt des ehemaligen Deutschen kolonialen Reiches und Veranstaltungsort der sogenannten „Kongo- Konferenz“ von 1884/85, bei der die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Weltmächten ausgehandelt wurde, muss seiner historischen Verantwortung gerecht werden. Es darf seine Kriegsverbrechen nicht unter den Teppich kehren, sondern muss an diese im öffentlichen Raum erinnern. Es geht darum, dauerhaft auf den physischen und psychischen Schmerz sowie die lebenslange Traumatisierung von Kriegsopfern allgemein und insbesondere von Frauen und nicht-binären Personen durch sexualisierte Gewalt in Kriegen aufmerksam zu machen. 

 

Denn es waren oftmals Frauen, die während den Verbrechen sexuellen Missbrauch erfahren haben, welche als Sklavinnen ausgebeutet wurden. Dabei ist das Schicksal meist noch weniger im Fokus des allgemeinen und wissenschaftlichen Diskurses. Dieses Schicksal dieser Frauen und queeren Personen in den Kolonien sichtbar zu machen, begreifen wir daher als wichtigen Beitrag einer feministischen, dekolonialen Erinnerungskultur.

 

Wir begrüßen die bisherigen Beschlüsse und werben für verstärkte Bemühungen. 

 

Daher fordern wir die SPD-Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen und im Senat auf, neben den Umbenennungen der entsprechenden Straßen und Plätze, mehrere dezentrale Denk- und Mahnmale in Berlin umzusetzen. Diese Denk- und Mahnmale sollen vor allem auch die Perspektive von Mädchen, Frauen und nicht-binären Personen aufgreifen, da bisher die koloniale Vergangenheit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive gedacht wird. Diese weiblichen und queeren Perspektiven müssen außerdem bei der Planung des bereits geforderten Zentralen Mahnmals mit Dokumentationszentrum in Berlin mitbedacht werden. An der Gestaltung und Planung dieses zentralen und der weiteren, dezentralen Mahnmale sollten Interessenvertretungen von Betroffenen sowie Organisationen wie Decolonize Berlin beteiligt werden.

 

Doch Denk- und Mahnmäler allein reichen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen feministischen dekolonialen Erinnerungskultur. Diese muss in der Schule beginnen. Doch zurzeit ist es noch nicht mal verpflichtend den deutschen Kolonialismus im Unterricht zu thematisieren. Stattdessen ist dieses Thema ein Wahlmodul, wodurch viele Kinder und Jugendliche die Schule verlassen, ohne überhaupt zu wissen, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat und Verbrechen begangen hat. Es fehlt dadurch ein Verständnis, warum wir in rassistischen Strukturen leben und aufwachsen. Denn diese Strukturen wurden maßgeblich in der Kolonialzeit erbaut.

 

Doch selbst wenn die Völkermorde, Verbrechen und Unterdrückungen in der Kolonialzeit thematisiert werden, wird dies meist nur aus einer männlichen Perspektive mit “männlichen” Quellen getan. Dass Frauen und queere Personen jedoch in der Kolonialzeit Täterinnen, aber vor allem Opfer waren, wird nicht behandelt.

 

Daher fordern wir die SPD Mitglieder der SPD-Fraktionen in den in den Bezirksverordnetenversammlungen auf und im Senat auf, zusätzlich eine Berücksichtigung der deutschen Kolonialvergangenheit – insbesondere aus feministischer Perspektive – im Rahmenlehrplan und der Lehrkräfteausbildung. Denn nur dadurch kann unsere rassistische und patriarchale Geschichte und Gegenwart verstanden werden 

Text des Beschlusses:

Noch immer tut sich Deutschland schwer mit der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit. Zwar hat die Bundesregierung 2021 nach über 100 Jahren den deutschen Völkermord an den Herero, Nama, Damara und San anerkannt, aber noch immer ist die deutsche Kolonialzeit nicht abschließend aufgearbeitet und ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent.

Schließlich wurden Völkermorde nicht nur im heutigen Namibia, sondern auch im heutigen Tansania (z.B. gegen den Maji-Maji-Aufstand) begangen. Zudem fanden zahlreiche grausame völkerrechtswidrige Verbrechen in Kamerun (z.B. mit der ‚Pazifizierung‘ des Binnenlandes), in Togo (durch Ausbeutung und Zerstörung ganzer Orte), im Südpazifik (z.B. mit der Niederschlagung des Sokehs-Aufstand) oder in Kiautschou (z.B. mit der Gewalt gegen den „Boxeraufstand“ / Aufstand der Yihetuan) statt.

Anstatt an die Opfer dieser Verbrechen zu erinnern, erinnert Berlins Stadtbild noch immer lieber an die Täter – Der Nachtigal-Platz und der Nettelbeck-Platz (Nachtigal war der Reichskommissar von “Deutsch-Westafrika” und dabei an Verbrechen beteiligt. Nettelbeck war am Sklavenhandel beteiligt und ein Unterstützer des deutschen Kolonialismus) in Mitte sind nur einige Beispiele von vielen.

Das ist eine Tatsache, die wir nicht hinnehmen können und fordern daher eine kritische Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialgeschichte im öffentlichen Raum. Gerade Berlin als Hauptstadt des ehemaligen Deutschen kolonialen Reiches und Veranstaltungsort der sogenannten „Kongo- Konferenz“ von 1884/85, bei der die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Weltmächten ausgehandelt wurde, muss seiner historischen Verantwortung gerecht werden. Es darf seine Kriegsverbrechen nicht unter den Teppich kehren, sondern muss an diese im öffentlichen Raum erinnern. Es geht darum, dauerhaft auf den physischen und psychischen Schmerz sowie die lebenslange Traumatisierung von Kriegsopfern allgemein und insbesondere von Frauen und nicht-binären Personen durch sexualisierte Gewalt in Kriegen aufmerksam zu machen. 

Denn es waren oftmals Frauen, die während den Verbrechen sexuellen Missbrauch erfahren haben, welche als Sklavinnen ausgebeutet wurden. Dabei ist das Schicksal meist noch weniger im Fokus des allgemeinen und wissenschaftlichen Diskurses. Dieses Schicksal dieser Frauen und queeren Personen in den Kolonien sichtbar zu machen, begreifen wir daher als wichtigen Beitrag einer feministischen, dekolonialen Erinnerungskultur.

Wir begrüßen die bisherigen Beschlüsse und werben für verstärkte Bemühungen. 

Daher fordern wir die SPD-Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen und im Senat auf, neben den Umbenennungen der entsprechenden Straßen und Plätze, mehrere dezentrale Denk- und Mahnmale in Berlin umzusetzen. Diese Denk- und Mahnmale sollen vor allem auch die Perspektive von Mädchen, Frauen und nicht-binären Personen aufgreifen, da bisher die koloniale Vergangenheit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive gedacht wird. Diese weiblichen und queeren Perspektiven müssen außerdem bei der Planung des bereits geforderten Zentralen Mahnmals mit Dokumentationszentrum in Berlin mitbedacht werden. An der Gestaltung und Planung dieses zentralen und der weiteren, dezentralen Mahnmale sollten Interessenvertretungen von Betroffenen sowie Organisationen wie Decolonize Berlin beteiligt werden.

Doch Denk- und Mahnmäler allein reichen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen feministischen dekolonialen Erinnerungskultur. Diese muss in der Schule beginnen. Doch zurzeit ist es noch nicht mal verpflichtend den deutschen Kolonialismus im Unterricht zu thematisieren. Stattdessen ist dieses Thema ein Wahlmodul, wodurch viele Kinder und Jugendliche die Schule verlassen, ohne überhaupt zu wissen, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat und Verbrechen begangen hat. Es fehlt dadurch ein Verständnis, warum wir in rassistischen Strukturen leben und aufwachsen. Denn diese Strukturen wurden maßgeblich in der Kolonialzeit erbaut.

Doch selbst wenn die Völkermorde, Verbrechen und Unterdrückungen in der Kolonialzeit thematisiert werden, wird dies meist nur aus einer männlichen Perspektive mit “männlichen” Quellen getan. Dass Frauen und queere Personen jedoch in der Kolonialzeit Täterinnen, aber vor allem Opfer waren, wird nicht behandelt.

Daher fordern wir die SPD Mitglieder der SPD-Fraktionen in den in den Bezirksverordnetenversammlungen auf und im Senat auf, zusätzlich eine Berücksichtigung der deutschen Kolonialvergangenheit – insbesondere aus feministischer Perspektive – im Rahmenlehrplan und der Lehrkräfteausbildung. Denn nur dadurch kann unsere rassistische und patriarchale Geschichte und Gegenwart verstanden werden 

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme Senat 2024:

Erledigt, da es in den Richtlinien der Regierungspolitik heißt: „Der Senat ist sich der historischen Rolle Berlins bewusst und unterstützt alle Formen des Gedenkens und Erinnerns an die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus, an das DDR-Unrecht und die koloniale Vergangenheit.“ sowie: „Der Senat setzt die Entwicklung eines Gedenkorts der Kolonialvergangenheit Berlins fort. Der Senat will Kooperationen mit Kunstschaffenden aus Afrika verstärken. Ebenso sollen die bestehenden Partnerschaften mit Jakarta und mit Windhoek intensiviert werden.“
Überweisungs-PDF: