Antrag 157/I/2015 Kein Haushalt ist geschlechtsneutral! Gender Budgeting endlich auch auf Bundesebene umsetzen

Status:
Erledigt

Diverse rechtliche Grundlagen sollen die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen und in der Verwaltung in Deutschland sicherstellen. Wenn es aber darum geht, die ungleichen Verteilung von Ressourcen, die maßgeblich Geschlechterungleichheit prägen, systematisch zu bekämpfen, stellt sich die Bundesregierung leider seit Jahren quer. Gemeint ist die Umsetzung einer geschlechtergerechten Haushaltspolitik.

 

Haushaltspolitik bildet die politische Prioritätensetzung ab. Aber haushaltpolitische Entscheidungen wirken nicht auf alle gleich. Und vor allem gibt es keinen geschlechterneutralen Haushalt.

 

Ein Paradebeispiel für geschlechterungerechte Haushaltspolitik sind die Konjunkturpakete I und II. Hier wurden vor allem männlich dominierte Wirtschaftsbereiche unterstützt, während weiblich dominierte Bereiche fast vollständig außen vor gelassen wurden. Während die Automobilindustrie und Handwerksbetriebe von steuerfinanzierten  Investitionsanreizen profitierte,  ging der als nicht “systemrelevante“ und weiblich dominierte Dienstleistungssektor gänzlich leer aus. Die Aufzählung lässt sich weiter fortführen. Umfangreiche Gender-Budget-Analysen konnten hier aufzeigen, wie staatliche Umverteilung zu Ungunsten von Frauen* stattfand.  Hierbei ist für uns klar, dass wir eine Konzentration der Geschlechter auf verschiedene Segmente des Arbeitsmarktes, das heißt „weiblich“/„männlich“ dominierte Branchen, ablehnen und versuchen, dem entgegen zu wirken.

 

Es finden sich viele weitere Beispiele: Gibt es zum Beispiel Einsparungen und fehlende Investitionen im Pflegebereich betrifft es hier vor allem Frauen*, weil diese im Durchschnitt immer noch mehrheitlich die unbezahlte Betreuungsarbeit leisten, wenn angehörige gepflegt werden müssen. Die so ins Private verlagerte Care- und Reproduktionsarbeit ist ein Grund für den Gender-Pay-Gap – also die Einkommenslücke von 22% zwischen Männern und Frauen.

 

Diese geschlechterungerechte Haushaltpolitik gilt es zu verhindern. Dies kann sehr gut mit Hilfe von genderbezogenen Folgenabschätzungen, Wirkungsanalysen und Evaluationen im Haushaltskreislauf geschehen – kurz: durch Gender Budgeting. Diese etablierten Analyseinstrumente werden systematisch in den Haushaltsprozess integriert und decken so versteckte Verteilungswirkungen auf, die eines der Geschlechter benachteiligt. Auf kommunaler und Landesebene, wenn gleich nicht flächendeckend, wird Gender Budgeting bereits erfolgreich umgesetzt. Das Land Berlin und etliche seiner Bezirke sind hier Voreiterinnen.

 

Nur auf der Bundesebene wird die Einführung von Gender Budgeting konsequent ignoriert. Eine 2006 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie prüfte umfangreich Ansatzpunkte, konkrete Instrumente des Gender Budgeting im Bundehaushalt einzusetzen. Allein der politische Wille der Regierung fehlte, diese umzusetzen. Seit dem hat sich an dieser Position nicht geändert. Auf eine kleine Anfrage der Grünen 2012 im Bundestag antwortete man: “Nach Auffassung der Bundesregierung schreibt jedoch der Bundeshaushalt selbst weder geschlechtsspezifische Rollen- und Aufgabenverteilungen vor, noch ändert er diese“ – diese Art von Haltung ignoriert einen großen Bestand an etablierter Forschung, die eben genau jene Zusammenhänge zwischen ressourcenwirksamen Entscheidungen und gender-bezogener Benachteiligung aufgedeckt und analysiert hat. Neben der politischen Tatlosigkeit der Bundesregierung, macht die vom BMFSFJ in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie auch die männerdominierte Leitungsebene der Verwaltung in den Bundesministerien für die Blockadehaltung verantwortlich. Besonders bemerkenswert ist dabei auch die Tatsache, dass Gender Budgeting als wirksames Instrument im Rahmen von Good Governance-Programmen in der Entwicklungszusammenarbeit vom BMZ gefördert und propagiert wird. Nur auf die Umsetzung vor der eigenen Haustür wird verzichtet – das ist Doppelmoral!

 

Wir können nicht darauf warten, dass das Entgeltgleichheitsgesetz, die Quote für Frauen* in Führungspositionen oder andere einzelne (sicher auch gute) Maßnahmen aus dem Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend irgendwann dazu führen, dass Ressourcen nicht mehr geschlechterungerecht verteilt werden. Wir müssen auch die Mittel nutzen, die in der Haushaltspolitik zur Verfügung stünden, würde man sie denn einsetzen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, Gender Budgeting endlich fest in den Bundeshaushalt zu integrieren und gesetzlich festzuschreiben. Eine umfassende der Mitarbeiter*innen ist hierzu unerlässlich. Die Machbarkeitsstudie hat hier Wege und Instrumente aufgezeigt, wie eine wirkungsvolle Umsetzung auf der Bundesebene aussehen kann. Es muss nur noch umgesetzt werden.

Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)