Antrag 100/II/2022 Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? (Teil 2) Keine Übervorteilung für Entsandte!

Status:
Überweisung

Damit Entwicklungszusammenarbeit auf global gerechte Verhältnisse hinarbeiten kann, muss sie zuerst  ihre eigenen Strukturen neudenken. Denn diese  manifestieren koloniale und rassistische Verhältnisse: Wie wir bereits mit dem Antrag 35/I/2022 „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Für gerechtere Arbeitsstrukturen in der Entwicklungszusammenarbeit“ festgestellt haben, sind vor allem die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeiter*innen mit deutschem Arbeitsvertrag und lokalen Beschäftigten unverhältnismäßig unterschiedlich- zum Nachteil der lokal Beschäftigten. Erfolgreich hat die SPD Berlin auf dem Landesparteitag im Juni 2022 ein umfangreiches Maßnahmenpaket an die Bundestagsfraktion weitergeleitet, dass die Situation lokal Beschäftigter maßgeblich verbessern wird, z.B. durch transparente Gehaltsstrukturen, effektiveren Versicherungsschutz und den Zugang zu leitenden Positionen.

 

Allerdings deckt diese Beschlusslage nur eine Seite der Medaille ab- die in vielen Fällen überhöhte Bezahlung von entsandten Mitarbeitenden mit deutschem Arbeitsvertrag wird nicht miteinbezogen. Inwiefern die Entlohnung von Entsandten überhöht sein kann, zeigt das Beispiel Tunesien: Dort verdient eine nationale Arbeitskraft an deutschen Organisationen oder Institutionen 700 bis 900 Euro, während deutsche Entsandte mit Gehalt und Auslandszuschlägen auf ca. 6500 Euro netto kommen. Das ist auch für vergleichbare Tätigkeiten, die in Deutschland ausgeführt werden ein eher hoch einzustufendes Gehalt. Bedenkt man dann noch die niedrigeren Lebenshaltungskosten in Tunesien und den Mietzuschuss, der 80 Prozent oder mehr der Miete der*s Entsandten deckt, wird die Unverhältnismäßigkeit noch evidenter. Das lädt zu villenartigen Residenzen ein, obwohl eine Dreizimmerwohnung in einem auch bei Expats beliebten Stadtteil der Hauptstadt Tunis auch für 250 Euro pro Monat gemietet werden kann. Der Mietkostenzuschuss läuft nicht nur Gefahr die lokalen Mietpreise in die Höhe zu treiben, sondern hat auch Auswirkungen auf den deutschen ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt: Der Mietzuschuss in Kombination mit dem üppigen Gehalt laden viele Entsandte dazu ein, eine Wohnung in Deutschland zu halten und leer stehen zu lassen.

 

Aus diesem Grund muss sich die SPD, die die Regierungsverantwortung im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hat fragen:

 

Ist die entsandte Arbeitskraft, die noch dazu nicht die Expertise über den nationalen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Kontext hat, wirklich mehr als sechsmal so viel wert wie eine lokale Arbeitskraft? Wir denken eindeutig nein!

Deswegen fordern wir:

  • Eine Neubewertung und Anpassung der Auslandszuschläge durch das AA und das BMZ unter Einbeziehung der Differenz der Lebenshaltungskosten in Deutschland und im Entsendeland. Auslandszuschläge sollen nicht einen überdurchschnittlichen Lebensstil finanzieren, sondern einen angemessenen Standard gewährleisten. Die familiäre Situation der entsandten Person muss in der Berechnung des Auslandszuschlages einbezogen werden.
  • Besonders der Mietkostenzuschuss muss an dieser Stelle hinterfragt und neu bewertet werden zumal er eine Gentrifizierung und den Anstieg der lokalen Mietpreise im Globalen Süden nach sich ziehen kann. Besonders eklatant ist dies in Situationen der Fragilität oder nach Naturkatastrophen, wo externe Fachkräfte den lokalen Wohnmarkt zerstören durch einen exponentiellen Anstieg der Mietpreise.
  • Dabei sollten selbstverständlich erhöhte  Mietkosten, die  durch die Notwendigkeit von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ( z.B.Gated Communities) in Ländern mit erhöhter Gefahreneinstufung durch das Auswärtige Amt entstehen, weiterhin übernommen werden.

 

Mit diesen Maßnahmen kann einerseits  der extremen Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz in der Entwicklungszusammenarbeit, die mehr als deutlich gegen den Grundsatz “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!” geht, effektiv entgegengewirkt werden. Das macht die Entwicklungsarbeit glaubwürdiger, weil sie so ihre Arbeitsweise so an eines ihrer Hauptanliegen, globale Gerechtigkeit zu schaffen, anpasst. Auf der anderen Seite adressiert die Abschaffung des Mietkostenzuschusses, der in Deutschland zu unnötigem Leerstand von Wohnraum und im globalen Süden den lokalen Wohnungsmarkt in vielen Fällen zu überzogenen Preissteigerungen führt, adressiert.

Empfehlung der Antragskommission:
Zurücküberweisung an FA I zur Überarbeitung und Klarstellung (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Überarbeitete Fassung des FA I » Votum Antragskommission: Zurücküberweisung an FA I zur Überarbeitung und Klarstellung

 

 

Damit Entwicklungszusammenarbeit auf global gerechte Verhältnisse hinarbeiten kann, muss sie zuerst ihre eigenen Strukturen neudenken. Denn in diesen manifestieren sich koloniale und rassistische Verhältnisse: Wie wir bereits mit dem Antrag 35/I/2022 „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Für gerechtere Arbeitsstrukturen in der Entwicklungszusammenarbeit“ festgestellt haben, bleiben die Vergütung und arbeitsrechtliche Schutzstandards für lokale Fachkräfte in den Partnerländern teilweise um Längen hinter den Standards für ihre deutschen Kolleg*innen zurück. Die SPD Berlin hat auf dem Landesparteitag im Juni 2022 ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, das die Situation lokal Beschäftigter maßgeblich verbessern wird, z.B. durch transparente Gehaltsstrukturen, effektiveren Versicherungsschutz und den Zugang zu leitenden Positionen.

 

Allerdings deckt diese Beschlusslage nur eine Seite der Medaille ab – die in vielen Fällen überhöhte Bezahlung von entsandten Mitarbeitenden der deutschen Bundesministerien (z.B. AA, BMZ, BMUV o.ä.) wird nicht miteinbezogen. Inwiefern die Entlohnung von solchen Entsandten überhöht sein kann, zeigt das Beispiel Tunesien: Dort verdient eine nationale Arbeitskraft an deutschen Organisationen oder Institutionen 700 bis 900 Euro, während Entsandte von deutschen Bundesministerien, mit Gehalt und Auslandszuschlägen auf ca. 6500 Euro netto kommen. Das ist auch für vergleichbare Tätigkeiten, die in Deutschland ausgeführt werden, ein eher hoch einzustufendes Gehalt. Bedenkt man dann noch die niedrigeren Lebenshaltungskosten in Tunesien und den Mietzuschuss, der 80 Prozent oder mehr der Miete der*s Entsandten deckt, wird die Unverhältnismäßigkeit noch evidenter. Das lädt zu villenartigen Residenzen ein, obwohl eine Dreizimmerwohnung in einem auch bei Expats beliebten Stadtteil der Hauptstadt Tunis auch für 250 Euro pro Monat gemietet werden kann. Der Mietkostenzuschuss läuft nicht nur Gefahr, die lokalen Mietpreise in die Höhe zu treiben, sondern hat auch Auswirkungen auf den deutschen ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt: Der Mietzuschuss in Kombination mit dem üppigen Gehalt laden viele Entsandte deutscher Bundesministerien dazu ein, eine Wohnung in Deutschland zu halten und leer stehen zu lassen.

 

Aus diesem Grund muss sich die SPD, die Regierungsverantwortung unter anderem im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat, fragen:

Ist die entsandte Arbeitskraft, die noch dazu nicht die Expertise über den nationalen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Kontext hat, wirklich mehr als sechsmal so viel wert wie eine lokale Arbeitskraft? Wir denken: eindeutig nein!

 

Deswegen fordern wir:

  • Eine Neubewertung und Anpassung der Auslandszuschläge für Beschäftigte der deutschen Bundesministerien durch das AA und das BMZ unter Einbeziehung der Differenz der Lebenshaltungskosten in Deutschland und im Entsendeland. Diese Auslandszuschläge sollen nicht einen überdurchschnittlichen Lebensstil finanzieren, sondern einen angemessenen Standard gewährleisten. Die familiäre Situation der entsandten Person muss in der Berechnung des Auslandszuschlages einbezogen werden.
  • Besonders der Mietkostenzuschuss muss an dieser Stelle hinterfragt und neu bewertet werden, zumal er eine Gentrifizierung und den Anstieg der lokalen Mietpreise im Globalen Süden nach sich ziehen kann. Besonders eklatant ist dies in Situationen der Fragilität oder nach Naturkatastrophen, wo externe Fachkräfte den lokalen Wohnmarkt zerstören durch einen exponentiellen Anstieg der Mietpreise, der Expatriates Vorzug zu Wohnraum vor der lokalen oft armen und von Katastrophen betroffenen Bevölkerung gibt.
  • Dabei sollten selbstverständlich erhöhte Mietkosten, die durch die Notwendigkeit von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen (z.B. Gated Communities) in Ländern mit erhöhter Gefahreneinstufung durch das Auswärtige Amt entstehen, weiterhin übernommen werden.

 

Begründung

Mit diesen Maßnahmen kann einerseits der extremen Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz in der Entwicklungszusammenarbeit, die mehr als deutlich gegen den Grundsatz “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!” geht, effektiv entgegengewirkt werden. Das macht die Entwicklungsarbeit glaubwürdiger, weil sie so ihre Arbeitsweise so an eines ihrer Hauptanliegen, globale Gerechtigkeit zu schaffen, anpasst. Auf der anderen Seite adressiert die Neuregulierung des Mietkostenzuschusses einen Trend, der in Deutschland zu unnötigem Leerstand von Wohnraum und im globalen Süden beim lokalen Wohnungsmarkt in vielen Fällen zu überzogenen Preissteigerungen führt.

Überweisungs-PDF: