Antrag 62/II/2024 Gegen die Wiedereinführung der Dienst- und Wehrpflicht – Für ein Recht auf einen Freiwilligendienst!

Status:
Nicht abgestimmt

Wir leben in einer Zeit und einer Welt des Umbruchs und einer Zäsur. Sei es die geopolitische Lage, die sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine grundlegend verändert hat, die globale Klimakrise, die unsere Existenz bedroht, oder der massive Rechtsruck in unserer Gesellschaft – wir befinden uns an einem entscheidenden Wendepunkt. Diese tiefgreifenden Veränderungen spüren wir alle, vor allem im Alltag: bei den steigenden Lebensmittelpreisen, der endlosen und frustrierenden Wohnungssuche oder dem Gefühl der Unsicherheit, die unser Leben zunehmend prägen. Für uns junge Menschen bedeutet diese Welt vor allem eines: Sorge um unsere Zukunft. Dennoch kommen aus der Politik kaum Antworten auf unsere Zukunftsängste.

 

Im Gegenteil: Statt Verantwortung zu übernehmen und sich mit den drängenden Fragen der Zeit auseinanderzusetzen, wird oft reflexartig die junge Generation in die Pflicht genommen – nicht selten begleitet von haltlosen Vorwürfen, wir seien faul oder desinteressiert. Besonders deutlich wird dies in der aktuellen Debatte um die Wiedereinführung einer Wehr- bzw. Dienstpflicht. Anstatt einen öffentlichen Diskurs zu führen, der sich auf eine adäquate Ausstattung der Bundeswehr mit den notwendigen materiellen Ressourcen oder dem Ausbau des sozialen Sektors konzentriert, wird zunehmend das Narrativ verbreitet, nur die Wiedereinführung der Wehrpflicht könne die  Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sichern.

 

Wir als Jusos und Vertreter*innen der jungen Generation sagen ganz klar: Nein – die Lösung der aktuellen Verteidigungsprobleme und jahrzehntelanger Mangelwirtschaft im Gesundheits- und Sozialbereich liegt nicht in einer zusätzlichen Belastung für uns junge Menschen. Wir lehnen die Wiedereinführung jeglicher Dienstpflichten weiterhin entschieden ab und fordern stattdessen echte, zukunftsorientierte Lösungen, die unsere Sicherheit und unsere Zukunft gleichermaßen im Blick haben. Insbesondere lehnen wir den Ansatz der Zwangsverpflichtung strikt ab – stattdessen müssen Wahlmöglichkeiten geschaffen werden, die jungen Menschen echte Optionen bieten. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der die Lasten gerecht verteilt sind und die Verantwortung nicht einseitig auf die Schultern der jungen Generation abgewälzt wird.

 

Da war doch was…

Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht ist nicht neu. In Deutschland bestand die Wehrpflicht von 1956 bis 2011. Im Verteidigungsfall wären Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren einberufen worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland entmilitarisiert und hatte zunächst keine eigene Armee. Erst die Spannungen des Kalten Krieges führten zur Gründung der Bundeswehr 1955 und zur Einführung der Wehrpflicht ein Jahr später, trotz starker Kritik von Kirchen und Gewerkschaften.

Der Grundwehrdienst dauerte anfangs zwölf Monate, wurde dann auf 18 Monate verlängert und schließlich erneut verkürzt. Vor der Aussetzung 2011 betrug die Dienstzeit sechs Monate. Männer, die den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigerten, mussten einen Ersatzdienst, den Zivildienst, leisten, der ebenfalls 2011 eingestellt wurde und im Bundesfreiwilligendienst aufging.

Auch wenn die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, bedeutet das nicht, dass diese abgeschafft worden ist. Diese ruht nun über 10 Jahre und kann jederzeit mit einer einfachen Mehrheit wieder eingesetzt werden.

 

Aktuelle Pläne

Wegen der geringen Bedrohungslage wurde die Bundeswehr mit dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 stark verkleinert und in ihrer Struktur angepasst. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Jahre 2022 hat sich aber nun die Sicherheitslage in ganz Europa verändert. Mit einem Mal bekam die Wehrfähigkeit der Bundeswehr wieder mehr öffentliches Interessen. Stimmen wurden laut, dass die Bundeswehr wieder wehrfähig und für den Verteidigungsfall aufgerüstet werden müsse. Dies wurde durch die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr im Februar, wenige Tage nach Kriegsbeginn, deutlich.

 

Aus diesem Grund forderten viele Politiker*innen, wie der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen im sozialen Bereich, sowie die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Hierzu wurden im Juni 2024 Pläne vorgestellt: Nach dem schwedischen Vorbild soll die Bundeswehr Briefe zur Abfrage von Fitness, Eignung und genereller Motivation an alle Männer eines Jahrgangs, die 18 werden, schicken. Diese Briefe müssen verpflichtend von ihnen ausgefüllt und zurückgeschickt werden. Frauen desselben Alters sollen auch einen solchen Brief erhalten, müssten diesen aber nicht verpflichtend ausfüllen. Nach den Plänen des Verteidigungsministers sollen so ein Teil der jungen Männer zur Musterung eingeladen werden. Von den gemusterten jungen Männern sollen dann im ersten Jahr rund 5.000 junge Männer einen freiwilligen Wehrdienst leisten.

 

FINTA können sich ebenfalls einer Musterung unterziehen lassen. Genommen werden aber dann, nach Angaben des Verteidigungsministeriums, nur „die Geeignetsten und Motiviertesten“. Die Zahl der Rekrut*innen soll dann jährlich aufs Neue festgelegt werden. Diese Form der neuen Wehrpflicht solle mit einer einfachgesetzlichen Änderung noch in dieser Legislatur eingeführt werden. Die Wehrpflichtigen können sich dann entscheiden, ob sie einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder einen Wehrdienst leisten wollen, der auf bis zu 23 Monate verlängert werden kann. Denjenigen, die sich über sechs Monate hinaus verpflichten, bietet die Bundeswehr Weiterqualifizierungsmöglichkeiten.  Wer Wehrdienst geleistet hat, soll anschließend in die Reserve grundbeordert werden und die Möglichkeit erhalten, jährlich zu trainieren. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall würde dann die Reserve für die Gesamtverteidigung zur Verfügung stehen. Auch wenn es hier erstmal nur um die Verpflichtung zur Beantwortung eines Fragebogens geht, wurde bei der Vorstellung dieser Pläne klar gemacht, dass es langfristig das Ziel sei, die Wehr- und Dienstpflicht wieder einzuführen.  Auch die CDU fordert mit ihrem „Gesellschaftsjahr“ und ihrer „Kontingent-Wehrpflicht“, dass mehr junge Menschen verpflichtet werden sollen, in der Gesellschaft bzw. in der Bundeswehr einen Dienst zu leisten. Beides hat sie auf Parteitagen beschlossen und in ihrem Grundsatzprogramm niedergeschrieben.

 

Ablehnung der aktuellen Pläne

Wer früher aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe ablehnte, hatte zwei Möglichkeiten, die Wehrpflicht zu umgehen: Einerseits durch Verweigerung und durch das Ableisten eines Wehrersatzdienstes, dem Zivildienst. Dieser wurde mit dem Aussetzen der Wehrpflicht in den Bundesfreiwilligendienst überführt. Andererseits konnten Westdeutsche bis zur deutschen Wiedervereinigung auch die “neutrale Zone” West-Berlins nutzen, da diese aufgrund der alliierten Vorbehaltsrechte von der Wehrpflicht ausgenommen war.

 

Viele Westdeutsche zogen nach Berlin, um dem Militärdienst zu entgehen, auch wenn dies nicht immer ohne Konsequenzen blieb, insbesondere, wenn sie sich erst nach Erhalt des Einberufungsbefehls absetzten. Die Polizei suchte dann die Flüchtigen per Haftbefehl. Man wurde also für die Verweigerung kriminalisiert!

 

Heute gibt es jedoch keine solche „neutrale Zone“ mehr. Es ist noch nicht klar, was mit den Leuten passiert, die den neuen Wehrdienst bzw. die Dienstpflicht verweigern! Obwohl die Diskussion darüber noch nicht abgeschlossen ist, könnten sich unter Umständen historische Parallelen wiederholen.

 

Eine Wehr- oder Dienstpflicht birgt außerdem zahlreiche Nachteile, die sowohl die individuelle Freiheit als auch die gesellschaftliche Entwicklung beeinträchtigen können. Eine verpflichtende Einberufung zur Wehr- oder Dienstpflicht stellt eine unverhältnismäßige Bevormundung junger Menschen dar, die ihre eigenen Lebensentscheidungen treffen sollten.

 

Zudem kann eine Wehr- oder Dienstpflicht zu einer erheblichen Belastung für die betroffenen jungen Menschen führen. Viele von ihnen befinden sich in einer entscheidenden Phase ihres Lebens, in der sie ihre berufliche Ausbildung oder ihr Studium beginnen wollen bzw. sich gerade befinden. Eine Zwangsverpflichtung unterbricht diesen Lebensweg oft abrupt und kann zu langfristigen Nachteilen führen, wie etwa Verzögerungen im Bildungsweg oder im Eintritt ins Berufsleben. Dies kann nicht nur die individuelle Karriereentwicklung behindern, sondern auch wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen, die sich auf das gesamte Leben der Betroffenen auswirken.

 

Darüber hinaus besteht bei einer Dienstpflicht die Gefahr, dass sie soziale Ungerechtigkeiten verstärkt. Während einige junge Menschen möglicherweise die Ressourcen und Netzwerke haben, um eine Dienstpflicht zu umgehen oder die Nachteile abzufedern, werden andere unverhältnismäßig stark belastet. Dies kann insbesondere für junge Menschen aus marginalisierten Gruppen gelten, die weniger Möglichkeiten haben, sich gegen eine solche Verpflichtung zu wehren oder Alternativen zu finden. Dadurch könnte eine Wehr- oder Dienstpflicht bestehende soziale Ungleichheiten weiter verschärfen.

 

Ein weiteres Argument gegen eine Wehr- oder Dienstpflicht ist die potenzielle Ineffizienz und Verschwendung von Ressourcen. Die Zwangsverpflichtung einer großen Anzahl junger Menschen kann dazu führen, dass sie in Tätigkeiten eingesetzt werden, die nicht ihren Fähigkeiten oder Interessen entsprechen. Dies kann nicht nur zu Frustration und Unzufriedenheit bei den Betroffenen führen, sondern auch dazu, dass das volle Potenzial der jungen Generation nicht ausgeschöpft wird. Stattdessen könnten sie in Positionen eingesetzt werden, in denen ihre Talente und Fähigkeiten besser genutzt werden könnten, was sowohl den Einzelnen als auch der Gesellschaft insgesamt zugutekommen würde. Des Weiteren fehlt es der Bundeswehr schon jetzt an ausreichender Infrastruktur und an genügend Material für den Regelbetrieb.

 

Schließlich besteht die Gefahr, dass eine Wehr- oder Dienstpflicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger*innen belastet. Wenn junge Menschen gezwungen werden, einen Dienst zu leisten, den sie nicht freiwillig gewählt haben, kann dies zu einer weiteren Entfremdung vom Staat und zu einem Verlust an Vertrauen in die politischen Institutionen führen. Diese Entfremdung könnte langfristig negative Auswirkungen auf das gesellschaftliche Engagement und die politische Beteiligung haben, da junge Menschen das Gefühl haben könnten, dass ihre Rechte und Freiheiten nicht respektiert werden.

 

Außerdem sehen wir noch ein weiteres Problem. Viele junge Menschen gehen nicht zur Bundeswehr, weil das Image sie abschreckt: Rechte, rassistische und diskriminierende Strukturen sind an der Tagesordnung. Dagegen wird kaum Initiative ergriffen. Die Bundeswehr soll einen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln. Gerade in der Bundeswehr muss gewährleistet werden, dass die Bundesrepublik nicht durch Rechte von unten ausgehöhlt wird. Politische Bildungsprogramme dürfen hier nicht dem Rotstift zum Opfer fallen. Die Stärkung der politischen Bildung ist notwendig, um die Demokratie zu schützen und zu fördern. Es geht hier nicht um eine Grundsatzdebatte über die Bundeswehr oder die NATO, sondern um konkrete Maßnahmen, um die Bundeswehr zu reformieren und in die Gesellschaft zu integrieren. Nur durch gezielte Maßnahmen können wir sicherstellen, dass die Bundeswehr ein Ort der Vielfalt und des Respekts wird.

 

Freiwilligendienste stärken!

Wir fordern, statt einer Verpflichtung für junge Menschen, ein gesetzliches Recht auf einen Freiwilligendienst herzustellen, um sicherzustellen, dass jede*r die Möglichkeit hat, sich freiwillig zu engagieren, ohne dazu gezwungen zu werden. Dies würde die Motivation und die gesellschaftliche Akzeptanz des Dienstes in der Bundeswehr und anderen sozialen Bereichen erhöhen.

 

Ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst könnte einen wichtigen Beitrag zur Förderung von sozialem Engagement und gesellschaftlichem Zusammenhalt leisten. Ein solcher Anspruch würde sicherstellen, dass alle jungen Menschen – unabhängig von ihrer sozialen oder finanziellen Situation – die Möglichkeit haben, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Dies ist besonders wichtig, da Freiwilligendienste oft der erste Schritt für junge Menschen sind, um Verantwortung zu übernehmen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und ihre berufliche Orientierung zu schärfen.

 

Statistiken zeigen, dass das Interesse an Freiwilligendiensten groß ist: Im Jahr 2021 nahmen über 90.000 junge Menschen an verschiedenen Freiwilligendiensten wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) teil. Allerdings sind die Plätze begrenzt, und viele Interessierte gehen leer aus. Ein Rechtsanspruch würde diese Nachfrage besser decken und gleichzeitig sicherstellen, dass der Zugang zu Freiwilligendiensten nicht von finanziellen Barrieren oder bürokratischen Hürden behindert wird.

 

Anders als eine Dienstpflicht, die mit Zwang und Sanktionen verbunden ist, fördert ein Rechtsanspruch die Motivation und das freiwillige Engagement. Junge Menschen entscheiden sich aus eigenem Antrieb für einen Freiwilligendienst, was zu einem höheren Maß an Zufriedenheit und Engagement führt. Studien zeigen, dass freiwillige Tätigkeiten nachhaltiger und effektiver sind, wenn sie auf eigenen Wunsch und Interesse basieren. Eine Dienstpflicht könnte hingegen dazu führen, dass der Dienst als bloße Pflichtübung wahrgenommen wird, was den Raum für innovative Ansätze und kreatives Engagement stark einschränken würde.

 

Ein weiterer Vorteil eines Rechtsanspruchs gegenüber einer Dienstpflicht liegt in der Flexibilität und Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten. Freiwilligendienste bieten eine breite Palette an Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen wie Soziales, Umweltschutz, Kultur und Bildung. Diese Vielfalt ermöglicht es jungen Menschen, ihre individuellen Interessen und Stärken einzubringen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die sowohl persönlich als auch beruflich von großem Nutzen sind. Eine Dienstpflicht hingegen würde zwangsläufig zu einer Standardisierung und Vereinheitlichung führen, die den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten junger Menschen nicht gerecht wird.

 

Ein Rechtsanspruch stärkt außerdem das Vertrauen in die demokratischen Institutionen, indem er auf Freiwilligkeit und Mitbestimmung setzt. Anstatt junge Menschen zu bevormunden und ihnen Verpflichtungen aufzuerlegen, die sie möglicherweise nicht wollen, gibt ein Rechtsanspruch ihnen die Möglichkeit, aktiv und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilzuhaben. Dies fördert nicht nur das individuelle Verantwortungsbewusstsein, sondern auch die Identifikation mit der demokratischen Gesellschaftsordnung.

Allerdings reicht ein gesetzlicher Anspruch allein nicht aus, um das gesellschaftliche Engagement nachhaltig zu stärken. Obwohl das Interesse an Freiwilligendiensten groß ist, nimmt die Nachfrage ab. Dies liegt an zahlreichen Hürden, die potenzielle Teilnehmer*innen abschrecken. Um den Freiwilligendienst attraktiver zu machen, sind zusätzliche Mittel erforderlich, da die Barrieren oft zu hoch sind und Planungssicherheit fehlt. Dafür braucht es eine gesetzliche Verankerung der Mittel, mit Aussetzung der Jährlichkeit.

 

Der Zugang zu Freiwilligendiensten muss allen jungen Menschen gleichermaßen offenstehen und darf weder vom Einkommen der Eltern noch durch diskriminierende Strukturen eingeschränkt werden. Derzeit ist es leider nicht für jede junge Person möglich, an einem Freiwilligendienst teilzunehmen. Die Hindernisse sind vielfältig und reichen von finanziellen Barrieren über bürokratische Hürden bis hin zu Diskriminierungserfahrungen. Besonders für marginalisierte Gruppen stellen diese Bedingungen eine unüberwindbare Herausforderung dar.

 

Wir setzen uns daher dafür ein, dass der Zugang zu Freiwilligendiensten erleichtert wird, indem die Vergütung an die Lebensrealitäten junger Menschen angepasst wird. Konkret bedeutet dies, dass die Vergütung über dem Existenzminimum liegt und den hohen Mietpreisen in Ballungszentren gerecht werden muss. So soll sichergestellt werden, dass alle jungen Menschen, unabhängig von ihrer finanziellen Situation oder sozialen Herkunft, die Möglichkeit haben, sich gesellschaftlich zu engagieren. Dieses Engagement muss auch ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung aus dem Elternhaus möglich sein. Für uns ist es essentiell, dass ein Freiwilligendienst kein Armutsrisiko darstellt.

 

Ein gleichberechtigter Zugang bedeutet auch, dass junge Menschen umfassend über die Möglichkeiten und Vorteile eines Freiwilligendienstes informiert werden. Wir fordern deshalb eine stärkere Verankerung von Beratungsangeboten in Schulen, die gezielt auf die individuellen Bedürfnisse junger Menschen eingehen und sie bei der Bewerbung unterstützen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die bürokratischen Prozesse rund um Freiwilligendienste kein Hindernis darstellen. Wir fordern eine Vereinfachung und Beschleunigung der Bewerbungsverfahren sowie Unterstützung bei bürokratischen Herausforderungen, um den Zugang für alle zu erleichtern.

 

Besonders für junge Menschen aus ländlichen oder strukturschwachen Regionen muss der Zugang zu Freiwilligendiensten verbessert werden. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr Angebote in diesen Regionen geschaffen werden und die Kosten für notwendige Reisen oder einen Umzug an den Ort des Freiwilligendienstes übernommen werden. Zudem sollten, wenn möglich, Mobilitätshilfen und Wohnmöglichkeiten bereitgestellt werden, um die Teilnahme zu ermöglichen oder zu erleichtern.

 

Für marginalisierte Gruppen sind Freiwilligendienste aufgrund von Diskriminierungserfahrungen oft mit größeren Hürden verbunden. Wir fordern daher die Umsetzung inklusiver Programme, die gezielt Jugendliche aus marginalisierten Gruppen ansprechen und unterstützen. Antidiskriminierungsmaßnahmen und -schulungen für Träger und Teilnehmende sind essentiell, um ein offenes und respektvolles Umfeld für alle zu schaffen.

 

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass eine Erhöhung der Teilnehmer*innenzahlen auf 300.000 pro Jahr zusätzlich rund 4,176 Milliarden Euro an Kosten verursachen würde. Dieses Geld würde die Lebenshaltungskosten, Versicherungen, Fahrtkosten, pädagogische Begleitung und Verwaltungskosten abdecken sowie zusätzliche Unterstützung für benachteiligte Menschen bieten. Langfristig würde diese Investition zur Entlastung des sozialen Systems beitragen. Freiwilligendienste fördern die berufliche Integration, reduzieren die Jugendarbeitslosigkeit und tragen zur persönlichen und beruflichen Entwicklung bei, was letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärkt.

 

Für uns ist klar: Einer Verpflichtung werden wir nicht zustimmen. Wir kämpfen lieber für die Rechte junger Menschen! Einen Freiwilligendienst zu leisten, sollte kein Privileg sein!

Zusammenfassend fordern wir also, dass

  • ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst für junge Menschen eingeführt wird,
  • die Vergütung des Freiwilligendienstes auf Mindestlohnniveau
  • es eine stärkere Verankerung von Beratungsangeboten in Schulen, die gezielt auf die individuellen Bedürfnisse junger Menschen eingehen und sie bei der Bewerbung unterstützen gibt,
  • eine Vereinfachung und Beschleunigung der Bewerbungsverfahren sowie Unterstützung bei bürokratischen Herausforderungen stattfindet,
  • das Angebot von Freiwilligendiensten in ländlichen und strukturschwachen Regionen weiter ausgebaut wird und die Kosten für notwendige Reisen oder einen Umzug an den Ort des Freiwilligendienstes übernommen werden,
  • inklusive Programme umgesetzt werden, die gezielt Jugendliche aus marginalisierten Gruppen ansprechen und unterstützen,
  • die erforderlichen Mittel gesetzlich verankert und hierbei von der Jährlichkeit ausgeschlossen werden.
  • Außerdem bekräftigen wir erneut unsere klare Ablehnung einer Dienst- und Wehrpflicht in jeglicher Form und wiederholen unsere Forderung zur Streichung der Reaktivierungsklausel im Grundgesetz.
  • Wir bekräftigen unsere Forderung, dass die Einsatzstellen umgehend, durch Land und Bund gefördert, die Fahrtkosten für den Arbeitsweg ihrer Freiwilligen in Form eines ÖPNV-Tickets übernehmen.