Es wird viel über die Themen Sexarbeit und Prostitution diskutiert. Die Diskussion ist häufig aufgeladen und hat gesellschaftliche und politische Implikationen. Gleichzeitig wissen wir relativ wenig über das Feld, über das gesprochen wird. Alleine zur Zusammensetzung von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution ist sehr wenig bekannt. Noch heute werden in der Debatte Schätzungen zur Anzahl von Sexarbeiter*innen aus den 1980er Jahren verwendet, die nie wissenschaftlich belegt werden konnten. Neuere, seriöse Hochrechnungen existieren nicht. Das liegt auf der einen Seite am schwierigen Zugang zum Feld (sowohl auf Seiten der Forschenden, als auch auf Seiten der Akteur*innen in der Sexarbeit) und auf der anderen Seite an der fehlenden Finanzierung großangelegter Studien. Unterstützungsbedarfe Was wir allerdings aus den Beratungsstellen wissen ist, dass Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution eine Vielzahl von Hürden und komplexer Herausforderungen begegnen können. Das betrifft beispielsweise die Bereiche Gesundheitsversorgung, Steuern und Finanzen, Wohnen und Aufenthaltsrecht. Um echte Unterstützung in diesen und weiteren Fragen bieten zu können, ist der Aufbau von Vertrauen und eine zuverlässige Struktur unerlässlich. Es gibt einzelne (teils auf Zeit geförderte) Projekte, die diese wichtige Arbeit angehen. Aber nicht in jedem Bundesland gibt es etablierte Fachberatungsstellen, die als Anlaufpunkt bekannt sind und im Zweifelsfall an die passenden Projekte oder Stellen verweisen können. Ohne diese fest verankerten Anlaufpunkte, ist es schwierig, einen vertrauensvollen Kontakt herzustellen. Insbesondere der Umstieg in berufliche Alternativen, sollte dieser durch Sexarbeiter*innen gewünscht sein, braucht Zeit und kann viel Frustration mit sich bringen. Aber auch andere Unterstützungsprozesse bauen auf einer langfristigen Zusammenarbeit und einem funktionierenden Zugang der Beratungsstellen ins Feld auf. Weitere Gründe für die Schwierigkeiten für Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution liegen im Kontakt mit Behörden. Hier können ihnen Unwissen über Ausgangslagen und Bedarfe sowie Stigmatisierung begegnen. Ansprechpersonen, die Klient*innen ernst nehmen, auf ihre Bedarfe eingehen und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, sind aber unerlässlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages auf, sich für folgende Punkte einzusetzen:
- Finanzierung einer umfassend ausgestatteten wissenschaftlichen Dunkefeldstudie. Diese ist notwendig für eine gesellschaftspolitische Debatte, die sich an Tatsachen und der Lebensrealität von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution orientiert und die eine konstruktive Haltung zu dem Feld ermöglicht. Betrachtet werden sollen unter Anderem: die Größe und Zusammensetzung des Feldes „sexuelle Dienstleistungen“, die Lebensrealitäten von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution, ○ Hürden im Umgang mit Behörden und beim Umstieg sowie das Nachfrageverhalten von Sexkäufer*innen.
- den Aufbau von fest verankerten Fachberatungsstellen in den Bundesländern. Diese müssen gut mit den Behörden vernetzt sein und brauchen feste Ansprechpersonen beispielsweise in den JobCentern, sodass Fachwissen weitergegeben und Klient*innen zuverlässig vermittelt werden können, ohne Angst zu haben, auf Unverständnis oder weitere Stigmatisierung zu stoßen. Schulungsangebote durch die Fachberatungsstellen für Behördenmitarbeitende sollen zusätzlich Barrieren abbauen.
Zwang
Neben der selbstbestimmten Sexarbeit, gibt es auch Menschen die nicht freiwillig in der Prostitution sind. Zwangsprostitution beinhaltet sowohl Fälle in denen Menschen durch Abhängigkeitsbeziehungen und/oder Gewalt zur Prostitution gebracht werden, als auch solche Fälle in denen Betroffene zunächst mit dem Anbieten von sexuellen Dienstleistungen einverstanden waren, aber über die Umstände der Arbeit getäuscht wurden. Über die Hälfte der Ermittlungsverfahren im Bereich der Zwangsprostitution wird durch polizeiliche Kontrollen eingeleitet, die unabhängig von der Meldung durch Betroffene stattfinden. Täter nutzen die vulnerable Lage Betroffener aus, um sie in dem Zwangsverhältnis zu halten. Dabei spielen auch aufenthaltsrechtliche Illegalisierung und Sprachbarrieren eine Rolle. Betroffene, die sich in Abhängigkeitsbeziehungen zu den Tätern befinden und verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sind, brauchen ein funktionierendes Auffangnetz und zuverlässige Hilfe. Neben den Unterstützungsstrukturen für Sexarbeiter*innen fordern wir im Bereich Zwangsprostitution
- mehrsprachige Informationskampagnen zum Erkennen von Zwangsprostitution, zu Ausstiegswegen und zu konkreten Handlungsmöglichkeiten und Hilfsangeboten.
- niedrigschwellige Beratungs- und Therapieangebote für Betroffene, um das Erlebte aufzuarbeiten und bei dem Ausstieg aus dem Zwangsverhältnis begleitet zu werden.
- einen wirklichen Schutz der Betroffenen durch Polizei und Rechtspflege. Es muss bedarfsgerechte Zeugenschutzprogramme für Opfer geben, die gegen ihre Zuhälter und Menschenhändler aussagen. Darüber hinaus müssen illegalisierte Betroffene, wie im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen, unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen
Es wird viel über die Themen Sexarbeit und Prostitution diskutiert. Die Diskussion ist häufig aufgeladen und hat gesellschaftliche und politische Implikationen. Gleichzeitig wissen wir relativ wenig über das Feld, über das gesprochen wird. Alleine zur Zusammensetzung von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution ist sehr wenig bekannt. Noch heute werden in der Debatte Schätzungen zur Anzahl von Sexarbeiter*innen aus den 1980er Jahren verwendet, die nie wissenschaftlich belegt werden konnten. Neuere, seriöse Hochrechnungen existieren nicht. Das liegt auf der einen Seite am schwierigen Zugang zum Feld (sowohl auf Seiten der Forschenden, als auch auf Seiten der Akteur*innen in der Sexarbeit) und auf der anderen Seite an der fehlenden Finanzierung großangelegter Studien. Unterstützungsbedarfe Was wir allerdings aus den Beratungsstellen wissen ist, dass Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution eine Vielzahl von Hürden und komplexer Herausforderungen begegnen können. Das betrifft beispielsweise die Bereiche Gesundheitsversorgung, Steuern und Finanzen, Wohnen und Aufenthaltsrecht. Um echte Unterstützung in diesen und weiteren Fragen bieten zu können, ist der Aufbau von Vertrauen und eine zuverlässige Struktur unerlässlich. Es gibt einzelne (teils auf Zeit geförderte) Projekte, die diese wichtige Arbeit angehen. Aber nicht in jedem Bundesland gibt es etablierte Fachberatungsstellen, die als Anlaufpunkt bekannt sind und im Zweifelsfall an die passenden Projekte oder Stellen verweisen können. Ohne diese fest verankerten Anlaufpunkte, ist es schwierig, einen vertrauensvollen Kontakt herzustellen. Insbesondere der Umstieg in berufliche Alternativen, sollte dieser durch Sexarbeiter*innen gewünscht sein, braucht Zeit und kann viel Frustration mit sich bringen. Aber auch andere Unterstützungsprozesse bauen auf einer langfristigen Zusammenarbeit und einem funktionierenden Zugang der Beratungsstellen ins Feld auf. Weitere Gründe für die Schwierigkeiten für Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution liegen im Kontakt mit Behörden. Hier können ihnen Unwissen über Ausgangslagen und Bedarfe sowie Stigmatisierung begegnen. Ansprechpersonen, die Klient*innen ernst nehmen, auf ihre Bedarfe eingehen und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, sind aber unerlässlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages auf, sich für folgende Punkte einzusetzen:
- Finanzierung einer umfassend ausgestatteten wissenschaftlichen Dunkefeldstudie. Diese ist notwendig für eine gesellschaftspolitische Debatte, die sich an Tatsachen und der Lebensrealität von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution orientiert und die eine konstruktive Haltung zu dem Feld ermöglicht. Betrachtet werden sollen unter Anderem: die Größe und Zusammensetzung des Feldes „sexuelle Dienstleistungen“, die Lebensrealitäten von Sexarbeiter*innen und Menschen in der Prostitution, ○ Hürden im Umgang mit Behörden und beim Umstieg sowie das Nachfrageverhalten von Sexkäufer*innen.
- den Aufbau von fest verankerten Fachberatungsstellen in den Bundesländern. Diese müssen gut mit den Behörden vernetzt sein und brauchen feste Ansprechpersonen beispielsweise in den JobCentern, sodass Fachwissen weitergegeben und Klient*innen zuverlässig vermittelt werden können, ohne Angst zu haben, auf Unverständnis oder weitere Stigmatisierung zu stoßen. Schulungsangebote durch die Fachberatungsstellen für Behördenmitarbeitende sollen zusätzlich Barrieren abbauen.
Zwang
Neben der selbstbestimmten Sexarbeit, gibt es auch Menschen die nicht freiwillig in der Prostitution sind. Zwangsprostitution beinhaltet sowohl Fälle in denen Menschen durch Abhängigkeitsbeziehungen und/oder Gewalt zur Prostitution gebracht werden, als auch solche Fälle in denen Betroffene zunächst mit dem Anbieten von sexuellen Dienstleistungen einverstanden waren, aber über die Umstände der Arbeit getäuscht wurden. Über die Hälfte der Ermittlungsverfahren im Bereich der Zwangsprostitution wird durch polizeiliche Kontrollen eingeleitet, die unabhängig von der Meldung durch Betroffene stattfinden. Täter nutzen die vulnerable Lage Betroffener aus, um sie in dem Zwangsverhältnis zu halten. Dabei spielen auch aufenthaltsrechtliche Illegalisierung und Sprachbarrieren eine Rolle. Betroffene, die sich in Abhängigkeitsbeziehungen zu den Tätern befinden und verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sind, brauchen ein funktionierendes Auffangnetz und zuverlässige Hilfe. Neben den Unterstützungsstrukturen für Sexarbeiter*innen fordern wir im Bereich Zwangsprostitution
- mehrsprachige Informationskampagnen zum Erkennen von Zwangsprostitution, zu Ausstiegswegen und zu konkreten Handlungsmöglichkeiten und Hilfsangeboten.
- niedrigschwellige Beratungs- und Therapieangebote für Betroffene, um das Erlebte aufzuarbeiten und bei dem Ausstieg aus dem Zwangsverhältnis begleitet zu werden.
- einen wirklichen Schutz der Betroffenen durch Polizei und Rechtspflege. Es muss bedarfsgerechte Zeugenschutzprogramme für Opfer geben, die gegen ihre Zuhälter und Menschenhändler aussagen. Darüber hinaus müssen illegalisierte Betroffene, wie im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen, unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen