Antrag 18/II/2024 Für den Arbeitskampf in Zeiten der Klimakrise - gegen Hitzestress am Arbeitsplatz

Status:
Nicht abgestimmt

Die Auswirkungen der Klimakrise stellen eine wachsende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit und die Arbeitswelt dar, die dringend einen erzwingbaren Mindestschutz und Maßnahmen zur Autonomisierung der Arbeitsweisen erfordert.

 

Bereits 2022 ließen sich mindestens 61.000 Todesfälle in der Europäischen Union auf die Sommerhitze zurückführen. Laut Eurofound sind 23 Prozent der Arbeitnehmer*innen in der EU während mindestens eines Viertels ihrer Arbeitszeit hohen Temperaturen ausgesetzt. In der Landwirtschaft und der Industrie sind es sogar 36 Prozent und im Baugewerbe 38 Prozent, Branchen die in besonderer Weise prekäre Arbeitsverhältnisse, Sozial- und Lohndumping und hohen Einsatz von Zeitarbeit*innen und Wanderarbeitnehmer*innen aufweisen.

 

Neben Beschäftigten in der Landwirtschaft, Industrie und im Baugewerbe sind ebenfalls Beschäftigte des öffentlichen Diensts in kritischen Infrastrukturen wie etwa in der Abfall-, Wasser- und Energiewirtschaft, in Notdiensten und Verkehrssektor am stärksten extremen Klimabedingungen, einschließlich UV-Strahlung, ausgesetzt. Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) warnt vor weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels auf Arbeitnehmer*innen.

 

Arbeitnehmer*innen in Innenräumen, deren Arbeit körperliche Anstrengung erfordert, wie z. B. in Lagern oder an Produktionslinien, werden ebenfalls von steigenden Temperaturen und Luftfeuchtigkeit betroffen. Die Auswirkungen auf die Gesundheit können gravierend sein und von Krämpfen und Ödemen bis hin zum Bewusstseinsverlust und sogar zum Tod reichen.

 

Längerfristige Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit intensiver Hitze beziehen Herz-, Nieren- und Leberschäden sowie chronische Müdigkeit, Schlafstörungen und Unfruchtbarkeit ein. Darüber hinaus kann die Erwärmung psychosoziale Auswirkungen zur Folge haben.

 

Hitze führt zur Ermüdung und zu kognitiver Belastung, die Reizbarkeit oder sogar Gewalt auslösen kann, was wiederum durch Spannungen und Konflikte den Betriebsfrieden stört und negative Multiplikatoreffekte haben kann. Ermüdung erhöht auch das Risiko von Arbeitsunfällen, vor allem weil sie die Konzentration verringert und zu unklaren Entscheidungen führen kann, was eine große Gefahr beim Autofahren oder beim Bedienen von Maschinen darstellt

 

Trotz entsprechenden Empfehlungen aus dem ASR (Arbeitsstättenregeln) gibt es in Deutschland noch nicht ausreichend Maßnahmen. Bisher werden zudem die Arbeitgeber*innen nicht ausreichend bei der Einhaltung von Maßnahmen kontrolliert.

 

Arbeitnehmer*innen im Freien sind ebenfalls bisher vom Schutzbereich einiger europäischer Richtlinien ausgeschlossen. Die am stärksten betroffenen Sektoren sind auch diejenigen, in denen die Prekarität am größten ist. Insbesondere in diesen Sektoren fällt es bereits im Status Quo und im bisher üblichen Geschäft Arbeitnehmer*innen nicht leicht, sich so zu verhalten, dass ihre Gesundheit Vorrang hat.

 

Ein menschengerechter Umgang mit Hitzestress am Arbeitsplatz setzt voraus, dass die Arbeitnehmer*innen unabhängig vom wirtschaftlichen Druck ihre Arbeitszeit und ihre Aufgaben selbst regeln können, so dass sie Ruhezeiten und Arbeit abwechseln und Arbeitsintensität bedarfsgerecht regeln können.

 

Wir fordern daher:

  • eine gesetzliche Höchstlufttemparatur für Arbeit im Freuen von 35 Grad Celsius (33 Grad Celsius bei Menschen im hohen Alter oder Risikogruppen)
  • sollte der*die Arbeitnehmer*in aufgrund der Berufs- und Rollenbezeichnung bzw. damit verbundener Pflichten trotzdem darauf angewiesen sein in der Hitze arbeiten zu müssen (z.B. beim Rettungsdienst), so ist eine Hitzepauschale zu vergüten
  • eine umfassende europäische Richtlinie zur Arbeit bei Hochtemperaturen und Vermeidung von Hitzestress, Erstellung von Aktionsplänen, Frühwarnsystemen und sicheren Arbeits- und Notfallverfahren.
  • einen Ausbau der Verpflichtungen zur Risikobewertung gemäß der europäischen Rahmenrichtlinie von 1989 (89/391/EWG) über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, um Hitzebelastung explizit mit einzubeziehen.
  • dass den Arbeitsaufsichtsbehörden ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um Maßnahmen zur Bekämpfung von Hitzestress pflichtgemäß zu prüfen.
  • Die Beauftragung des Bundesministeriums für Wohnen Stadtentwicklung und Bauwesen mit der Erarbeitung von Richtlinien zur energetischen Gebäudesanierung, welche explizit eine passiv-kühlende, oder zumindest Hitze-abweisende, Bauweise berücksichtigt, um die vermehrte Nutzung Energie-intensiver und Klima-Schädlicher Klimageräte bei steigenden Temperaturen zu vermeiden.

Weitere gesetzliche Maßnahmen zur Einhaltung einer menschengerechten Arbeitsweise während Hitzestress ab 26 Grad:

  • Die Einführung von Hitzepausen oder andere Formen der Arbeitserleichterung zu den wärmsten Stunden am Tag in betroffenen Betrieben. Dabei sind die Beschäftigten sowie ihre gewerkschaftliche und betriebliche Vertretung bei der Einführung solcher Maßnahmen zu beteiligen und zu ermächtigen, bezahlte Pausen durchzusetzen. Dabei sollte die Gesamtarbeitszeit nicht zulasten von Pendler*innen steigen und die Hitzepause nicht von der gesetzlichen Pausenzeiten nach § 4 ArbZG abgezogen werden.
  • Zusätzliche stündliche Arbeitspausen zwischen 11 und 15 Uhr zuzüglich der gesetzlichen Ruhepause für Arbeit im Freien. Dies darf nicht von der Pausenzeit abgezogen werden.
  • Verpflichtende saisonale Anpassung von Schichtplänen, um weitestgehend die wärmsten Stunden am Tag zu vermeiden und die Wärmebelastung für die*den einzelne*n Arbeiternehmer*in zu verringern.
  • Ein Mehr- und Überstundenverbot für Arbeit im Freien an Tagen mit einer prognostizierten durchschnittlichen Tagestemperatur von mehr als 28 Grad.
  • Besondere Kontroll- und Notfallverfahren für isoliertes Arbeiten bzw. Einzelarbeit bei Wärmebelastung und Unterstützung durch Dritte bei Zwischenfällen.
  • Die Bereitstellung von genügend kostenlosem Wasser und Elektrolyten für den Arbeitstag sowie Trinkpausen
  • Die Bereitstellung von bedarfsgerechten, kostenlosen Sonnen- bzw. UV-Schutz (z.B. Zelte, Sonnenmilch, Mützen, abgedunkelte Fenster).
  • Regelmäßige Gesundheitschecks bei längeren Hitzeperioden sowie Hautkrebsvorsorge als verpflichtender Bestandteil der Arbeitsmedizin in relevanten Branchen.
  • Der verpflichtende Einbau von Sonnenschutzverglasungen, reflektierenden Vorrichtungen und Vordächern an Südfenstern bei dem Bau und der Sanierung von Betriebs- und Werksgebäuden.
  • Maßnahmen zur Förderung von Erste Hilfe und Präventivarbeit für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz, um psychosoziale Risiken der Wärmebelastung einzudämmen.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: AfA, FA VII - Wirtschaft und Arbeit (Konsens)