Antrag 147/II/2024 Die Bundeswehr hat den Schuss nicht gehört: Für differenziertes Erinnern statt hohler Glorifizierung!

Status:
Nicht abgestimmt

Das öffentliche Gelöbnis am 20. Juli: Kein Raum für unkritisches Heldentum!

Seit 1999 findet jährlich am 20. Juli in Berlin ein öffentliches Gelöbnis der Rekrut*innen der Bundeswehr statt. Die Wahl des Datums auf den Jahrestag des Attentats auf Hitler soll besonders an die Rolle der Militärs bei dem Attentat erinnern und diese den neuen Soldat*innen als Vorbild dienen. Eine differenzierte Einschätzung der einzelnen beteiligten Personen im Rahmen des Gelöbnisses ist nicht zu finden. So gibt es Belege, dass von Stauffenberg 1939 die antisemitische Rassenpolitik der Nationalsozialist*innen befürwortete. Laut Gedenkstätte Deutscher Widerstand gibt es keine Belege dafür, dass der Antisemitismus der Nazis das Motiv von ihm war. Auch von anderen, an dem Attentat beteiligten Militärs, gibt es Belege, dass es nicht der mörderische Antisemitismus war, der sie zum Umdenken bewegt hat. Von Helldorf, der 1930 in die NSDAP eintrat, war Teil von und leitete Gruppen, die jüdische und kommunistische Ärzte eigenmächtig absetzten, indem sie gewaltvoll das entsprechende Krankenhaus stürmten. Von Helldorfs rigoroses Vorgehen gegen die Berliner Jüdinnen*Juden wurde von Goebbels gelobt. Nebe, der vom NS-Regime als einer der Attentäter hingerichtet wurde, erprobte die Tötung von Menschenmassen mit Giftgas, war einer der Verantwortlichen der Euthanasie-Aktion und an mehreren Massenmorden gegen Juden*Jüdinnen, Rom*nja und Kommunist*innen beteiligt. Historiker*innen argumentieren, dass es der Kriegsverlauf und die sich abzeichnende Kriegsniederlage war, der viele der beteiligten Militärs motivierte, den Anschlag auf Hitler zu verüben.

Bei dem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr wird von den Attentätern als Vorbilder gesprochen, ohne zu differenzieren wer zu diesem Personenkreis gehörte, ohne auf die eigentlichen Motive einiger beteiligter Militärs einzugehen oder ihre antisemitische Weltanschauung zu thematisieren und kritisieren. Das Attentat war unumstritten sehr mutig und dem Widerstand gegen das NS-Regime muss gedacht werden. Aber Soldat*innen, die an Massenmorden beteiligt waren, jüdische Menschen terrorisiert haben oder dies guthießen sollten keine Vorbilder für Soldat*innen der Bundeswehr sein.

 

Generalfeldmarschall-Erwin-Rommel-Kaserne: Keine Ehrung für NS-Propagandafigur!

In Augustdorf, NRW gibt es bis heute eine Kaserne, die nach Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt wurde. Sie behielt den Namen auch nach dem neuen Traditionserlass der Bundeswehr aus 2018. Rommel, der Propagandafigur der Nationalsozialist*innen wurde, begrüßte die Machtergreifung der Nazis. Er führte eine Panzerdivision beim Frankreichfeldzug und war Befehlshaber während des Nordafrikafeldzuges der Achsenmächte. Letzterer hat ihm in Deutschland viel Ruhm gebracht, es entstand die Legende eines ritterlich geführten Krieges, des „Gentleman-War“.  Dies entspricht nicht der Wahrheit. Der Feldzug durch Nordafrika war geprägt von rassistischer und antisemitischer Gewalt. Unter dem Kommando von Walther Rauff kam es während des Tunesienfeldzugs zur systematischen Ermordung von Jüdinnen*Juden. Er war Verantwortlicher für die Entwicklung mobiler Gaswagen. Rommel war auch während des Feldzugs in Tunesien Befehlshaber. Die systematische Verfolgung, Entrechtung und Ermordung von nordafrikanischen Jüdinnen*Juden wurde nur durch den Feldzug ermöglicht. Rommels Verbindungen zum Attentat auf Hitler sind nicht eindeutig geklärt.

Trotz dessen ist die Kaserne in Augustdorf nach Erwin Rommel benannt, außerdem sind in Gebäuden in der Kaserne Gemälde von Erwin Rommel in Wehrmachtsuniform zu finden.

 

Geplante Änderung im Traditionserlass: Ehrenhafte Vorbilder statt Rehabilitierung von Ex-Nazis!

Mitte August 2024 plante das Verteidigungsministerium eine Ergänzung im Traditionserlass vorzunehmen. Die 2018 erlassenen Richtlinien besagen ursprünglich, dass die Wehrmacht im Ganzen nicht traditionswürdig sei, einzelne Soldaten der Wehrmacht jedoch Teil des Traditionsgutes der Bundeswehr werden können, wenn sie beteiligt waren am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime. Die geplante Ergänzung sah vor, dass auch die Wehrmachtssoldaten in das Traditionsgut aufgenommen werden können, die nach 1945 am Aufbau der Bundeswehr beteiligt waren. Eine Liste dieser vermeintlich traditionsstiftenden Personen umfasste unter anderem die Person Erich Topp, U-Boot-Kommandant, SS- und NSDAP-Mitglied. Teil der geplanten Ergänzungen war es demnach, in Zukunft auch ehemalige NSDAP-Mitglieder innerhalb der Bundeswehr würdigen zu können. Dass die geplanten Ergänzungen am 14.8.2024 zurückgenommen wurden, begrüßen wir.

Als antimilitaristischer, antifaschistischer Jugendverband halten wir die Würdigung von Wehrmachtssoldaten grundsätzlich für problematisch. Auch die Würdigung von am militärischen Widerstand beteiligten Personen muss deutlich differenzierter stattfinden. Die Bundeswehr hat ein Rechtsextremismusproblem und das Verteidigungsministerium sollte dies nicht noch befeuern, sondern klare Vorbilder nennen. Personen, die NSDAP-Mitglieder waren, das NS-Regime unterstützten und / oder an Kriegsverbrechen beteiligt waren, können keine Vorbilder sein. Bei der Suche nach geeigneten Vorbildern für Bundeswehrsoldat*innen sollte der Blick vermehrt auf Deserteur*innen und sogenannte Kriegsverräter gerichtet werden.

Daher fordern wir:

  • Die Umlegung des jährlichen öffentlichen Gelöbnisses weg vom 20. Juli und somit vom Jahrestag des Stauffenberg-Attentates hin zu einem angemessenen Datum. Grundsätzlich braucht es hinsichtlich des 20. Juli ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, da das Gedenken an das Stauffenberg-Attentat von 1944 keine undifferenzierte Heroisierung von Antisemiten und Rassisten beinhalten darf!
  • Die Redner*innen der Bundeswehr sollen dies kritisch während der Reden und Außenkommunikation hervorheben
  • Die Umbenennung der Generalfeldmarschall-Erwin-Rommel-Kaserne und Entfernung der Gemälde, die Rommel in Wehrmachtsuniform zeigen.
  • Eine größere Sorgfalt bei der Auswahl von traditionsstiftenden und damit als Vorbild präsentierten Personen innerhalb der Bundeswehr: Anstatt darüber nachzudenken, wie das Ansehen ehemaliger NSDAP-Mitglieder und an Kriegsverbrechen beteiligter Wehrmachtssoldaten rehabilitiert werden kann, sollte bspw. das Gedenken an Deserteur*innen ausgeweitet werden.