Antrag 107/I/2024 “Der Tag danach” ist jetzt: für eine menschenrechtsbasierte Rolle der Bundesregierung im Nahost-Konflikt

Status:
Zurückgezogen

Die SPD Bundestagsfraktion möge beschließen:

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, sich für folgende Punkte einzusetzen:

  1. Die Bundesregierung soll sowohl die Hamas als auch die israelische Regierung zu einer sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen in Gaza und der Raketenabschüsse von Gaza auf Israel auffordern.
  2. Die Bundesregierung muss die israelische Regierung dazu auffordern, gemäß der am 26. Januar und am 28. März durch den Internationalen Gerichtshof erlassenen einstweiligen Maßnahmen sofort alle technisch möglichen Maßnahmen zur Herstellung einer ausreichenden humanitären Versorgung Gazas zu unternehmen: die Ermöglichung einer vollständigen Instandsetzung und Betriebsaufnahme von Krankenhäusern, Einfuhrerlaubnis alles notwendigen medizinischen Geräts, die Öffnung aller verfügbaren Grenzübergänge (einschl. Häfen) für humanitäre Lieferungen – auch aus Israel selbst -, eine massive Beschleunigung der zeitraubenden Inspektionen, die multilaterale Erarbeitung und Implementierung eines umfassenden Shelter-Konzepts und die vollumfassende Visaausstellung für humanitäres Personal der VN. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die angemessene Versorgung von Frauen und Kindern in Gaza gelegt werden, die inmitten der humanitären Katastrophe besonders vulnerabel sind. Dies umfasst u.a. die ausreichende Versorgung von Schwangeren und gebärenden Personen. Sollte die israelische Regierung dieser Aufforderung nicht nachkommen, soll die Bundesregierung Konsequenzen für ihre politische und materielle Unterstützung der israelischen Regierung beschließen.
  3. Vor der Vereinbarung und Implementierung eines dauerhaften Waffenstillstandes sind Rüstungsexporte an Israel zu suspendieren.
  4. Die Bundesregierung soll sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass dem Internationalen Komitee des Roten Kreuz (IKRK) vollumfänglicher Zugang zu allen Geiseln der Hamas verschafft wird. Die sofortige Freilassung aller Geiseln muss weiterhin durch die Bundesregierung gefordert werden.
  5. Die Bundesregierung soll sich nachdrücklich öffentlich dafür einsetzen, dass dem IKRK und weiteren entsprechenden (juristischen) Vertreter*innen vollumfänglicher Zugang zu palästinensischen Inhaftierten gewährt wird, sowie, dass deren Grundrechte gewahrt werden.
  6. Die Bundesregierung soll vor dem IStGH einwirken, dass das Gericht und die internationale Gemeinschaft laufende Untersuchungen zu Verbrechen beider Konfliktparteien priorisieren. Hierfür müssen zeitnah ausreichend Mittel bereitgestellt und unbedingte Kooperation seitens der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie der israelischen Regierung eingefordert werden, um zügige und effektive Ermittlungen zu ermöglichen. Aus einer feministischen Perspektive ist hier insbesondere die umfassende Aufklärung und Aufarbeitung berichteter Fälle von sexualisierter Gewalt unabdinglich – allen voran der Verbrechen der Hamas, allerdings auch der Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt an palästinensischen Frauen, Jungen und Männern durch Mitglieder der IDF. Beides braucht ein hohes Maß an Sensibilität und Erfahrung. Aus diesem Grund sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die VN gemeinsam mit Israel ein Ermittler*innenteam zusammenstellt, welches bereits Erfahrungen mit der Aufklärung von Sexualstraftaten in bewaffneten Konflikten hat.
  7. Für die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung soll die Bundesregierung eine proaktivere und nachdrücklichere Rolle als bisher einnehmen. Deshalb sollte sie den Vorschlag von Prof. Meron Mendel einer durch die Bundesregierung (co-)organisierten Konferenz mit allen relevanten Akteuren, einschl. zivilgesellschaftlicher Vertreter*innen, zur Erreichung einer Zwei-Staaten-Lösung ohne Hamas-Beteiligung zeitnah aufgreifen.
  8. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung im Verbund mit gleichgesinnten EU-Mitgliedsstaaten positive (für die palästinensische Seite, im Sinne einer Demokratisierung, Deradikalisierung und Liberalisierung des politischen Systems) sowie negative (für die israelische Seite, im Sinne einer anhaltenden Verweigerung einer politischen Resolution des Konflikts) definieren, die eine bilaterale Anerkennung eines palästinensischen Staates perspektivisch erlauben würden.
  9. Die Bundesregierung soll sich außerdem an der Organisation einer “Gaza Recovery Conference” mit allen relevanten Akteuren beteiligen, welche sich an der bereits ins Leben gerufenen Initiative für die Ukraine orientiert. Für eine funktionierende palästinensische Zivilverwaltung und die Schaffung einer demokratischen, liberalen palästinensischen Gesellschaft fernab von Trauma und Gewalt wird es entschlossenere internationale Unterstützung als bislang benötigen. Deutschland sollte sich hier in Form eines “Marshall-Plans” engagieren, welcher neben finanzieller Unterstützung vor Ort auch im großen Stil Stipendien, Austauschprogramme und Projekte zur Völkerverständigung für die Menschen in Gaza und im Westjordanland bereitstellt.
  10. Die Bundesregierung soll eine unabhängige und transparente Evaluierung des deutschen Handelns und der Fremdwahrnehmung Deutschlands im globalen Süden durchführen, insb. in der MENA-Region. Um langfristig als glaubwürdiger, wertegeleiteter Partner angesehen zu werden, wird es neben Bemühungen der strategischen Kommunikation ein umfassendes Engagement mit der dortigen Zivilgesellschaft benötigen. Diese sollte in Anlehnung an die Leitlinien Feministische Außenpolitik und die Strategie für Feministische Entwicklungszusammenarbeit erfolgen, und von einer weiteren Mittelstreichung für feministische Organisationen absehen, welche sich vor Ort für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.

 

Empfehlung der Antragskommission:
zurückgezogen