Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten „Frauenberufe“ der Welt. Trotz der elementaren Bedeutung dieses Berufs für die Gesellschaft haben Hebammen mit vielen Ungerechtigkeiten zu kämpfen: Sie werden zum Beispiel vergleichsweise niedrig vergütet trotz ihrer hohen Verantwortung für die Gebärenden und die Kinder. Hebammen fehlt es auch an Entscheidungsmacht während des Geburtsprozesses, da sie in Kliniken in der Hierarchie weit unter den Ärzt*innen angesiedelt sind. So dürfen sie viele Entscheidungen nicht selbstständig treffen, obwohl sie die Kompetenz dazu hätten, und müssen Ärzt*innen konsultieren. Meistens sind Hebammen für mehrere Geburten gleichzeitig verantwortlich und können dadurch keine persönliche und zeitintensive Betreuung garantieren, die während der Geburt so wichtig wäre. Diese Faktoren stellen alle einzeln, aber vor allem gemeinsam, eine enorme Belastung dar, die zu Burn-Out führen kann. Viele Hebammen erwägen, den Beruf ganz hinter sich zu lassen. In Deutschland herrscht bereits ein Hebammennotstand und Gebärende müssen um eine Betreuung bangen.
Ohne eine gerechte Behandlung von Hebammen und eine armutssichere Bezahlung kann keine professionelle und selbstbestimmte Geburt gewährleistet werden.
Ohne gute Arbeitsbedingungen für Hebammen kein selbstbestimmtes Gebären
Gebärende sollen selber entscheiden können, wie und wo sie gebären wollen. Selbstbestimmung im Geburtsprozess ist essentiell für einen gesunden und angenehmen Geburtsprozess und die Beziehung von Eltern und Kind. Diese Selbstbestimmung scheitert häufig schon an der Wahl des Geburtsorts. Theoretisch ist es das Recht der Gebärenden zu entscheiden, wo das Kind zur Welt kommen soll; praktisch ist dies dank Hebammennotstand häufig nicht möglich. Es gibt schlicht nicht überall genügend Hebammen, um schwangere Menschen vor Ort zu betreuen. Diese Notlage wird vor allem dadurch verschärft, dass ein Großteil der Hebammen ihren Beruf aufgrund der hohen Belastungen nicht in Vollzeit ausüben kann. Dabei ist dieses Problem auf keinen Fall nur eines im ländlichen Raum: Im bundesweiten Vergleich befindet sich Berlin auf dem vorletzten Platz, was die Verfügbarkeit einer Hebamme für das Wochenbett – also die Betreuung der Eltern durch die Hebamme während der ersten Wochen nach Geburt – angeht. Junge Eltern profitieren daher zu häufig nicht von der Expertise, die Hebammen ihnen bieten könnten.
Eine flächendeckend und ausreichend verfügbare Betreuung ist wichtig, damit werdende Eltern mit der Verantwortung wichtiger Entscheidungen bezüglich des Geburtsprozesses nicht alleine gelassen werden. Denn eine rein informative Aufklärung reicht oftmals nicht aus; geburtsmedizinische Entscheidungen müssen von Fachpersonal begleitet werden. Dafür braucht es eine funktionierende und vertrauensvolle Care-Beziehung zwischen werdenden Eltern und Hebamme. Das ökonomisierte Geburtshilfesystem verhindert oft flächendeckende Möglichkeiten funktionierender Care-Beziehungen. Daher ist es dringend nötig, dass sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern, damit alle Personen so gebären können, wie sie wollen.
Akademisierung des Hebammenberufs
Mit dem 2020 beschlossenen Hebammengesetz, das einer EU-Richtlinie zur Angleichung der Standards der Geburtshilfe in Europa folgt, wird der Hebammenberuf bis 2027 vollständig akademisiert sein. Angehende Hebammen müssen daher von nun an zur Berufsvorbereitung ein Studium der Geburtshilfe abschließen. Wir unterstützen diese Entwicklung. Die Vorteile der Akademisierung liegen hierbei in der Aufwertung des Hebammenberufs, einem bundesweit einheitlichen Lehrplan und die damit einhergehende überall gleichwertige Wissensvermittlung und einer Berufsausbildung auf höchstem Niveau. Außerdem befähigt eine akademische Ausbildungen Hebammen dazu, selbst akademisch tätig zu werden.
In der Akademisierung der Geburtshilfe liegt daher die große Chance, Abläufe und Probleme des Berufs in einem institutionellen Rahmen aus der Perspektive der Hebammen zu analysieren und dadurch aktiv auf die Verbesserung der Geburtserfahrung von innen heraus hinzuwirken. Wir fordern in diesem Kontext vor allem Studien in Bezug auf Rassismus während der Geburt und den Umgang mit BIPoC-Gebärenden, sowie alternative Geburtsabläufe.
Verbesserung der Qualität der Ausbildung
Gute Arbeit kann nur gelingen mit einer guten Ausbildung. Momentan sind die meisten Kreißsäle so knapp besetzt, dass Studierende der Geburtshilfe während ihrer Praxiseinsätze nicht adäquat betreut und angeleitet werden können. Um eine gute Qualität der Ausbildung von Hebammen bzw. des praktischen Teils des Studiums zu garantieren, muss daher dafür gesorgt werden, dass flächendeckend ausreichend Praxisanleiter*innen in Kreißsälen zur Verfügung stehen. Wir fordern diesbezüglich die Schaffung von finanziellen Anreizen und niedrigschwellige Fortbildungen.
Folgen aus der Akademisierung auf die Arbeitsrealität der Hebammen
Aus der Akademisierung des Hebammenberufs kann sich konkret die Gesundheit aller Gebärenden verbessern: Durch fehlende Forschung müssen sich Hebammen in manchen Fällen auf ihr (oftmals richtiges) Bauchgefühl verlassen. Durch Forschung könnten sich Hebammen auf konkretes evidenzbasiertes Wissen stützen und demnach handeln. Dies führt auch zu einer Aufwertung des Hebammenberufs, da sich Hebammen auf ihre wissenschaftliche Ausbildung berufen können und so korrekterweise auf eine Stufe mit den anderen Berufsständen (insbesondere Ärzt*innen) in Kliniken gestellt werden. Die Entscheidungsverantwortung von Hebammen sollte so auch gestärkt werden, was Handlungsabläufe während des Geburtsprozess langfristig vereinfachen würde.
Wir fordern daher mehr Kompetenzen und mehr Entscheidungsverantwortung für Hebammen. Dies muss mit mehr Unterstützung für Hebammen einhergehen: Mehr Verantwortungslast bedeutet auch, dass mehr Assistenz im Kreißsaal notwendig ist, um die Hebammen zu entlasten. Wir fordern daher mehr assistierendes Personal im Kreißsaal wie administrative Hilfskräfte oder Reinigungspersonal.
Erwerb des nachträglichen Bachelorabschlusses
Während wir die Akademisierung der Hebammenausbildung begrüßen, geht daraus die Gefahr einer Spaltung des Berufs hervor. Ungleichheiten darf es innerhalb des Berufszweiges auf keinen Fall geben; eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter studierten und ausgebildeten Hebammen ist nicht akzeptabel. Unterschiedliche Bezahlungsstandards darf es unter keinen Umständen geben, auch die Flexibilität und Mobilität, die der standardisierte Abschluss bietet, muss allen Hebammen zugutekommen.
Um der Entstehung von Ungleichheiten zwischen verschiedenen Generationen an Hebammen entgegenzuwirken, braucht es daher flächendeckend Angebote für ausgebildete Hebammen, um nachträglich einen Bachelorabschluss zu erwerben.
Wir fordern daher ein Modell der Weiterbildung und der nachträglichen Aneignung des Bachelorabschlusses für bereits etablierte Hebammen wie das Hochschulsystem in der Schweiz es vorsieht: Der nachträgliche Erwerb eines akademischen Abschlusses ist für Hebammen in der Schweiz seit 2009 möglich. Um sich für den nachträglichen Bachelorabschluss zu qualifizieren, müssen schweizerische ausgebildete Hebammen mindestens zwei Jahre Berufspraxis vorweisen können. Zudem müssen sie ein Nachdiplom im Umfang von zehn ECTS an einer Hochschule erwerben.
Angelehnt an dieses System fordern wir für die Bundesrepublik eine Regelung zum niedrigschwelligen Erwerb des nachträglichen Bachelorabschlusses. Ausgebildete Hebammen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung sollen demnach nach dem Bestehen von Modulen aus dem Komplex des wissenschaftlichen Arbeitens im Umfang von mindestens zehn ECTS an einer staatlich anerkannten Hochschule den Bachelorabschluss nachträglich erreichen.
Ökonomisierung der Geburtshilfe: Das DRG-System muss weg
Deutsche Kliniken rechnen über das Diagnosis-Related-Groups-System (DRG) ab. Dabei werden Patient*innen nach bestimmten Parametern (u. a. Diagnose, Prozeduren, Alter, Geschlecht, Verweildauer, Entlassungsart) in diagnosebezogene Fallgruppen eingeteilt. Die Klinik erhält dann pro Patient*in eine bestimmte begrenzte Fallpauschale. Besonders lohnend ist es hierbei für Kliniken möglichst viele Fälle abzurechnen, bei denen möglichst viele Interventionen vom Klinikpersonal durchgeführt wurden (z. B. Ultraschall, Röntgen, Verabreichung von Medizin, operative Eingriffe).
Geburten, die mit wenig Eingreifen der Hebammen (d. h. interventionsarm) und über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden, sind hierbei ein Minusgeschäft. Das Fallpauschalensystem setzt Hebammen unter Druck, möglichst viele Geburten in möglichst kurzer Zeit durchzuführen. Anstatt den natürlichen Prozessen einer Geburt Zeit zu geben, werden so Interventionen während der Geburt gefördert und öfter als notwendig eingesetzt, weil sie die Dauer der einzelnen Geburt verkürzen sollen und die Fallpauschale erhöhen. Zu diesen Interventionen gehören z. B. die künstliche Einleitung der Geburt, die Verabreichung von wehenfördernden oder schmerzlindernden Mitteln, vaginaloperativen Geburtsbeendigungen und Kaiserschnitte, die sich häufig in Form von Interventionskaskaden wechselseitig bedingen und jeweils weitere Interventionen nach sich ziehen.
Das hat neben dem immensen Druck für die Hebammen auch zur Folge, dass Gebärende während der Geburt verstärktem Stress ausgesetzt sind, oft das Gefühl haben nicht selbstbestimmt gebären zu können und Gewalterfahrungen unter der Geburt erleiden.
Geburten, die kapitalistischen Effizienzansprüchen genügen müssen, sind zutiefst unwürdig für Gebärende und Hebammen und haben z. T. verheerende mentale wie physische Folgen für Gebärende und sind damit nicht tolerierbar.
Das DRG- bzw. Fallpauschalensystem muss abgeschafft werden. Stattdessen muss eine Krankenhausfinanzierung eingeführt werden, die bedarfs- und qualitätsorientiert ist. Das neue System muss die individuelle Berechnung der erbrachten Leistungen und des zeitlichen Aufwands ermöglichen, damit auch zeitintensive Tätigkeiten, wie interventionsarme Geburten, entsprechend vergütet werden können. Gesundheitsversorgung gehört in die öffentliche Hand. Krankenhäuser sollten staatlich statt privat und profitorientiert betrieben werden.
Haftpflichtproblematik
Alle Tätigkeiten, die Hebammen durchführen, müssen versichert sein, denn sollten während der Geburt Fehler passieren und Gebärende oder Babys zu Schaden kommen, müssen deren Nachbehandlungen bezahlt werden. Das sind Kosten, die eine Hebamme selbst nicht stemmen kann. Eine Haftpflichtversicherung ist daher zwingend erforderlich. Durch die Nachhaftung, die noch bis zu 30 Jahre nach der stattgefundenen Geburt greift, benötigen sie einen Versicherungsschutz, der jeden möglichen Geburtsschaden abdeckt. Durch die lange Verjährungsfrist kann es passieren, dass die Hebamme erst im Rentenalter davon betroffen ist. Dadurch entsteht eine unkalkulierbare Kostensituation. Während angestellte Hebammen im Regelfall über ihr Arbeitsstelle versichert sind, müssen freiberufliche Hebammen diese Versicherung selbst organisieren.
Nachdem Deutschlands freiberufliche Hebammen jahrelang unter den rapide steigenden Versicherungssummen gelitten und eine politische Lösung gefordert haben, wurde durch eine Gruppenversicherung Abhilfe geschaffen. Der Gruppenversicherungsvertrag zwischen dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und dem auf dem Markt verfügbaren Versicherungskonsortium wurde kürzlich bis 2024 verlängert. Die Deckungssumme der Gruppenversicherung wurde 2020 zudem mit Blick auf die steigenden Kosten bei schweren Geburtsschäden auf 12,5 Millionen Euro angehoben.
Gruppenversicherung
Die Gruppenversicherung beschreibt eine Art der Versicherung, bei der eine Gruppe von Personen gemeinsam einen Versicherungsvertrag gegen ein bestimmtes Risiko abschließt. Freiberufliche Hebammen sind so über den DHV gegen Geburtsfehler und -schäden versichert.
Ein großer Vorteil der Gruppenversicherungen ist, dass Hebammen nun nicht mehr selbst haften, sondern über den Verband abgesichert sind. Finanzielle Entlastung bringt diese Regelung allerdings nur bedingt.
Sicherstellungszuschlag
Was jedoch eine echte Erleichterung der finanziellen Lage freiberuflicher Hebammen mit sich bringt, ist der Sicherstellungszuschlag. So erhalten Hebammen, die die notwendigen Qualitätsanforderungen erfüllen, auf Antrag einen Sicherstellungszuschlag ausgezahlt, der die Last der Haftpflichtversicherung lindern soll. Die Qualitätsanforderungen sehen hierbei vor, dass Hebammen jährlich mindestens vier Geburten betreuen; die Anforderungen sind also niedrigschwellig gehalten.
Etablierte Hebammen sind somit in großen Teilen von der finanziellen Last der Haftpflichtversicherung befreit; nur für Berufseinsteiger*innen stellt diese weiterhin ein Problem da, denn der Sicherstellungszuschlag kann nach frühestens sechs Monaten beantragt werden. Den Versicherungsbeitrag für die ersten sechs Monate der Arbeitszeit, welcher gut und gerne mehrere tausend Euro beträgt, muss die junge Hebamme selbst vorstrecken, was weiterhin eine Hürde darstellt. Hier besteht Nachbesserungsbedarf.
Auch die Abzüge, die Krankenkassen vom Sicherstellungszuschlag einziehen können, stellen weiterhin ein Problem da. Die Differenz zwischen dem ausbezahlten Sicherstellungszuschlag und der realen Haftpflichtprämie müssen freiberufliche Hebammen aus eigener Tasche zahlen.
Es bedarf daher einer Entbürokratisierung des Sicherstellungszuschlags, um vor allem berufseinsteigende Hebammen zu entlasten, sowie einer staatlichen Kostenübernahme der Differenz zwischen dem ausgezahlten Sicherstellungszuschlag und der tatsächlichen Haftpflichtprämie.
Geburtshilfe darf kein finanzielles Risiko für Hebammen sein!
Arbeitslast der Hebammen
Die Betreuung, die Hebammen in Versorgungseinrichtungen leisten, ist äußerst anspruchsvoll. In Deutschland ist es gängige Praxis, dass Hebammen mehrere Gebärende gleichzeitig bei der Geburt betreuen müssen. Dies ist mit hohem mentalen und physischen Stress verbunden. Nicht nur für die Hebammen, sondern ebenfalls für die Gebärenden. Die Zielsetzung, während des gesamten Geburtsprozesses eine Hebamme an der Seite zu haben, ist im Alltag allzu oft nicht realistisch. Eine deutschlandweite Umfrage aus dem Jahr 2015 ergab, dass fast die Hälfte der 1700 befragten Hebammen sich um drei (!) Geburten gleichzeitig kümmert. Aktuellere Zahlen aus dem Jahr 2017 liegen für Sachsen vor. Danach können 17,5 % der Hebammen tatsächlich eine Eins-zu-Eins-Betreuung gewährleisten, während mehr als 50 % mindestens zwei Geburten gleichzeitig betreuen müssen.
Der Hebammenmangel in Kliniken wurde bereits vor vielen Jahren von den Hebammenverbänden angeprangert und macht sich jetzt verstärkt bemerkbar. Um diesen Mangel zu beheben, ist es erforderlich die Arbeitsbelastung der Hebammen zu reduzieren, sodass der Beruf attraktiv ist und auch bleibt.
Für Gebärende ist die Geburt ein prägendes Erlebnis. Eine bestmögliche Betreuung vor, während und nach der Geburt kann nur durch nicht überlastete Hebammen erreicht werden. Dies steht im Interesse aller beteiligten Personen.
Der Koalitionsvertrag sieht eine Eins-zu-Eins-Betreuung während der Geburt vor. Wir fordern die rasche Umsetzung. Dies ist bei weitem kein utopisches Ziel. Das Vereinigte Königreich hat beispielsweise eine Eins-zu-Eins-Betreuung gesetzlich verankert und ihre Geburtshilfe darauf ausgerichtet. Hierfür muss es eine Refinanzierung der Kosten bis zu einer Erreichung des Eins-zu-Eins-Ziels geben. Konkret, ist es erforderlich, dass die Kosten für die Aufstockung erforderlicher Voll- und Teilzeit-Beschäftigter vom Bund getragen werden.
Zusätzlich zu der Umsetzung der Eins-zu-Eins-Betreuung müssen die Daten über die aktuell existierenden Betreuungsschlüssel durch die Versorgungsunternehmen transparent gemacht werden. Dies führt zu einem Informationsgewinn für Hebammen und gibt somit eine weitere Argumentationsgrundlage für die Verbesserung der existierenden Arbeitsbedingungen. Zusätzlich gibt es den Versorgungsunternehmen selbst Transparenz über die eigene Situation in den Kreißsälen.
Diese Forderung ist ein Schritt in die Richtung der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Hebammen und der Verbesserung der Geburten. Langfristig ist eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems erforderlich.
Forderungen
Die aktuellen Probleme für Hebammen sind groß, die Corona-Situation hat dies noch einmal deutlich vor Augen geführt. Die Zukunft muss den Hebammen die Möglichkeit geben, ihren gewählten Beruf ausüben zu können, ohne Existenzängste zu haben oder mentale oder physische Belastungen zu verspüren. Ihre Kompetenzen liegen in der Begleitung Gebärender vor, während und nach der Geburt und die Ausübung dessen muss ermöglicht werden.
Daher fordern wir konkret:
- Hebammengeleitete Studien zur Verbesserung der Geburtserfahrung
- Eine stärkere Förderung von Praxisanleiter*innen in Kreißsälen
- Das niedrigschwellige Angebot zum Erwerb eines nachträglichen Bachelorabschlusses
- Die Abschaffung des DRG- bzw. Fallpauschalensystems und Einführung einer Krankenhausfinanzierung, die bedarfs- und qualitätsorientiert ist
- Maßnahmen zur Transparenz über aktuelle Betreuungsschlüssel in Kreißsälen
- Die Entbürokratisierung des Sicherstellungsszuschlags
- Eine Verminderung der Arbeitslast von Hebammen, v. a. durch eine flächendeckende Aufstockung an Stellen und durch eine verstärkte Förderung von Hilfspersonal in Kreißsälen
- Die Eins-zu-Eins Betreuung für jede Geburt
Stellungnahme ASF zum überwiesenen Antrag 120/I/2022
Ersetzungsantrag zum Antrag 120/I/2022 (Jusos LDK)
abgestimmt mit: Jusos (Antragsstellerinnen) und AGS
Hebammennotstand bekämpfen: Faire Arbeitsbedingungen für Hebammen
Der Landesparteitag möge beschließen:
Der Bundesparteitag möge beschließen:
In Deutschland herrscht ein flächendeckender Hebammennotstand. Nicht nur im ländlichen Raum müssen Gebärende um eine Betreuung im Kreißsaal, bei Geburten in Geburtshäusern, aber auch bei der Vor- und Nachsorge bangen. Im bundesweiten Vergleich befindet sich Berlin auf dem vorletzten Platz, was die Verfügbarkeit einer Hebamme für das Wochenbett angeht. Nicht selten werden Hochschwangere mit Wehen von einem Kreißsaal zum nächsten verwiesen, weil es keine Kapazitäten mehr gibt. Die aktuellen Probleme für Hebammen und damit für die Familien sind groß, die Corona-Situation hat wie ein Brennglas gewirkt. Viele Hebammen überlegen ihren Beruf aufzugeben.
Ohne faire Arbeitsbedingungen für Hebammen und eine armutssichere Bezahlung kann es keine professionelle und selbstbestimmte Geburt geben.
Ohne gute Arbeitsbedingungen für Hebammen kein selbstbestimmtes Gebären
Gebärende sollen selber entscheiden können, wie und wo sie gebären wollen. In der Realität scheitert dies häufig schon an der Wahl des Geburtsorts. Es gibt schlicht nicht überall genügend Hebammen. Diese Notlage wird vor allem dadurch verschärft, dass ein Großteil der Hebammen ihren Beruf aufgrund der hohen Belastungen in Teilzeit ausübt (fast 80 Prozent!).
Die aktuelle Situation birgt erhebliche Risiken für die Gesundheit von Gebärenden. Eine flächendeckende und ausreichend verfügbare Betreuung ist darüber hinaus wichtig, damit werdende Eltern mit der Verantwortung wichtiger Entscheidungen bezüglich des Geburtsprozesses nicht alleine gelassen werden. Geburtsmedizinische Entscheidungen müssen von Fachpersonal begleitet werden. Das ökonomisierte Geburtshilfesystem verhindert oft flächendeckende Möglichkeiten funktionierender und vertrauensvoller Care-Beziehungen zwischen Hebamme und werdenden Eltern. Daher ist es dringend nötig, dass sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern.
Arbeitslast der Hebammen
Die Betreuung, die Hebammen leisten, ist äußerst anspruchsvoll. In Deutschland ist es gängige Praxis, dass Hebammen, trotz der im Dezember 2020 beschlossenen S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“, die eine Eins-zu-Eins Betreuung unter der Geburt vorsieht, mehrere Gebärende gleichzeitig bei der Geburt betreuen müssen. Dies ist mit einem hohen mentalen und physischen Stress verbunden. Die Zielsetzung, während des gesamten Geburtsprozesses eine Hebamme an der Seite zu haben, ist im Alltag allzu oft nicht möglich. Das muss sich ändern. Hierfür ist u.a. eine rasche Aufstockung erforderlicher Voll- und Teilzeitstellen notwendig
Darüber hinaus fordern wir finanzielle Mittel für eine flächendeckende Aufstockung von Hilfspersonal in Kreißsälen.
Schnellstmögliche Abkehr vom DRG-System in der Geburtshilfe
Geburten, die mit wenig Eingreifen der Hebammen (d. h. interventionsarm) und über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden, sind aktuell noch ein Minusgeschäft. Das sogenannte DRG-Fallpauschalensystem setzt Hebammen unter Druck, möglichst viele Geburten in möglichst kurzer Zeit durchzuführen. Dies führt u.a. auch zu Intervention, wie vaginaloperativen Geburtsbeendigungen und Kaiserschnitten, die zum Teil vermeidbar sind. Hebammen stehen unter immensem Druck und auch Gebärende sind während der Geburt verstärktem Stress ausgesetzt und das Risiko steigt, dass Gebärende Gewalt unter der Geburt erfahren.
Wir fordern daher die schnelle Umsetzung, der von uns als SPD bereits beschlossenen Abkehr vom DRG-System – auch in der Geburtshilfe.
Geburtshilfe darf kein finanzielles Risiko für Hebammen sein!
Alle Hebammen müssen haftpflichtversichert sein. Bei angestellten Hebammen übernimmt das der Arbeitgeber, freiberufliche Hebammen müssen dies jedoch selbst tun. Das sind enorme Kosten, die durch die Beantragung eines Sicherstellungszuschlags abgemildert werden können. Dieser ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, wie beispielsweise die Betreuung von mindestens vier Geburten jährlich, was Berufseinsteiger*innen (noch) nicht erfüllen können. Es bedarf daher einer Entbürokratisierung des Sicherstellungszuschlags, um vor allem berufseinsteigende Hebammen zu entlasten, sowie einer staatlichen Kostenübernahme der Differenz zwischen dem ausgezahlten Sicherstellungszuschlag und der tatsächlichen Haftpflichtprämie.
Akademisierung des Hebammenberufs: Ausbau berufsbegleitender Studienplätze für den Erwerb des nachträglichen Bachelorabschlusses
Mit dem 2020 beschlossenen Hebammengesetz wird der Hebammenberuf bis 2027 vollständig akademisiert sein. Angehende Hebammen müssen daher von nun an zur Berufsvorbereitung ein Studium der Geburtshilfe abschließen.
In der Akademisierung der Geburtshilfe liegt die Chance, Abläufe und Probleme des Berufs in aus der Perspektive der Hebammen zu analysieren und zu verbessern. Wir fordern in diesem Kontext vor allem Studien in Bezug auf Rassismus während der Geburt und den Umgang mit BIPoC-Gebärenden, sowie alternative Geburtsabläufe.
Momentan sind die meisten Kreißsäle so knapp besetzt, dass Studierende der Geburtshilfe während ihrer Praxiseinsätze nicht adäquat betreut und angeleitet werden können. Um eine gute Qualität des praktischen Teils zu garantieren, muss dafür gesorgt werden, dass flächendeckend ausreichend Praxisanleiter*innen in Kreißsälen zur Verfügung stehen. Wir fordern diesbezüglich die Schaffung von finanziellen Anreizen und niedrigschwellige Fortbildungen.
Zugleich geht mit der Akademisierung der Hebammenausbildung die Gefahr einer Spaltung des Berufszweigs hervor: eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter studierten und ausgebildeten Hebammen ist nicht akzeptabel. Unterschiedliche Bezahlungsstandards darf es unter keinen Umständen geben.
Um der Entstehung von Ungleichheiten entgegenzuwirken, braucht es daher flächendeckend Angebote für ausgebildete Hebammen, um nachträglich berufsbegleitend einen Bachelorabschluss zu erwerben. Derzeit gibt es jährlich lediglich eine Hand voll dieser Nachgraduierungsplätze in Berlin. Der Bund wird aufgefordert Gelder bereitzustellen, um die Länder bei der Schaffung des Angebots finanziell zu unterstützen.
Daher fordern wir konkret:
- Eine Eins-zu-Eins Betreuung für jede Geburt
- Verminderung der Arbeitslast von Hebammen, v. a. durch eine flächendeckende Aufstockung an Stellen und durch eine verstärkte Förderung von Hilfspersonal (wie z.B. Reinigungspersonal) in Kreißsälen
- Schnellstmögliche Abkehr vom DRG-System in der Geburtshilfe
- Sicherstellungszuschlag auch für Berufseinsteiger*innen
- Stärkere methodische wie finanzielle Förderung von Praxisanleiter*innen in Kreißsälen
- flächendeckendes und niedrigschwelliges Angebot an berufsbegleitenden Weiterqualifizierungsangebot
Begründung:
Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten „Frauenberufe“ der Welt. Trotz der elementaren Bedeutung dieses Berufs für die Gesellschaft haben Hebammen mit vielen Ungerechtigkeiten zu kämpfen: Sie werden zum Beispiel vergleichsweise niedrig vergütet trotz ihrer hohen Verantwortung für die Gebärenden und die Kinder. Hebammen fehlt es auch an Entscheidungsmacht während des Geburtsprozesses, da sie in Kliniken in der Hierarchie weit unter den Ärzt*innen angesiedelt sind. So dürfen sie viele Entscheidungen nicht selbstständig treffen, obwohl sie die Kompetenz dazu hätten, und müssen Ärzt*innen konsultieren. Meistens sind Hebammen für mehrere Geburten gleichzeitig verantwortlich und können dadurch keine persönliche und zeitintensive Betreuung garantieren, die während der Geburt so wichtig wäre. Diese Faktoren stellen alle einzeln, aber vor allem gemeinsam, eine enorme Belastung dar. Viele Hebammen erwägen, den Beruf ganz hinter sich zu lassen.
Der Hebammenmangel in Kliniken wurde bereits vor vielen Jahren von den Hebammenverbänden angeprangert und macht sich jetzt verstärkt bemerkbar. Um diesen Mangel zu beheben, ist es erforderlich die Arbeitsbelastung der Hebammen zu reduzieren, sodass der Beruf attraktiv ist und auch bleibt.
Für Gebärende und deren Partner*innen ist die Geburt ein prägendes Erlebnis. Eine bestmögliche Betreuung vor, während und nach der Geburt kann nur durch nicht überlastete Hebammen erreicht werden. Dies steht im Interesse aller beteiligten Personen.
Akademisierung des Hebammenberufs
Mit dem 2020 beschlossenen Hebammengesetz, das einer EU-Richtlinie zur Angleichung der Standards der Geburtshilfe in Europa folgt, wird der Hebammenberuf bis 2027 vollständig akademisiert sein. Angehende Hebammen müssen daher von nun an zur Berufsvorbereitung ein Studium der Geburtshilfe abschließen. Die Vorteile der Akademisierung liegen hierbei in der Aufwertung des Hebammenberufs, einem bundesweit einheitlichen Lehrplan und die damit einhergehende überall gleichwertige Wissensvermittlung und einer Berufsausbildung auf höchstem Niveau. Außerdem befähigt eine akademische Ausbildungen Hebammen dazu, selbst akademisch tätig zu werden.
In der Akademisierung der Geburtshilfe liegt daher die große Chance, Abläufe und Probleme des Berufs in einem institutionellen Rahmen aus der Perspektive der Hebammen zu analysieren und dadurch aktiv auf die Verbesserung der Geburtserfahrung von innen heraus hinzuwirken. Wir fordern in diesem Kontext vor allem Studien in Bezug auf Rassismus während der Geburt und den Umgang mit BIPoC-Gebärenden, sowie alternative Geburtsabläufe.
Aus der Akademisierung des Hebammenberufs kann sich auch konkret die Gesundheit aller Gebärenden verbessern:
Durch fehlende Forschung müssen sich Hebammen in manchen Fällen auf ihr (oftmals richtiges) Bauchgefühl verlassen. Durch Forschung könnten sich Hebammen auf konkretes evidenzbasiertes Wissen stützen und demnach handeln. Dies führt auch zu einer Aufwertung des Hebammenberufs, da sich Hebammen auf ihre wissenschaftliche Ausbildung berufen können und so korrekterweise auf eine Stufe mit den anderen Berufsständen (insbesondere Ärzt*innen) in Kliniken gestellt werden. Die Entscheidungsverantwortung von Hebammen sollte so auch gestärkt werden, was Handlungsabläufe während des Geburtsprozess langfristig vereinfachen würde.
Haftpflichtproblematik
Alle Tätigkeiten, die Hebammen durchführen, müssen versichert sein, denn sollten während der Geburt Fehler passieren und Gebärende oder Babys zu Schaden kommen, müssen deren Nachbehandlungen bezahlt werden. Das sind Kosten, die eine Hebamme selbst nicht stemmen kann. Eine Haftpflichtversicherung ist daher zwingend erforderlich. Durch die Nachhaftung, die noch bis zu 30 Jahre nach der stattgefundenen Geburt greift, benötigen sie einen Versicherungsschutz, der jeden möglichen Geburtsschaden abdeckt. Durch die lange Verjährungsfrist kann es passieren, dass die Hebamme erst im Rentenalter davon betroffen ist. Dadurch entsteht eine unkalkulierbare Kostensituation. Während angestellte Hebammen im Regelfall über ihr Arbeitsstelle versichert sind, müssen freiberufliche Hebammen diese Versicherung selbst organisieren.
Nachdem Deutschlands freiberufliche Hebammen jahrelang unter den rapide steigenden Versicherungssummen gelitten und eine politische Lösung gefordert haben, wurde durch eine Gruppenversicherung Abhilfe geschaffen.
Der Gruppenversicherungsvertrag zwischen dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und dem auf dem Markt verfügbaren Versicherungskonsortium wurde kürzlich bis 2024 verlängert. Die Deckungssumme der Gruppenversicherung wurde 2020 zudem mit Blick auf die steigenden Kosten bei schweren Geburtsschäden auf 12,5 Millionen Euro angehoben.
Gruppenversicherung
Die Gruppenversicherung beschreibt eine Art der Versicherung, bei der eine Gruppe von Personen gemeinsam einen Versicherungsvertrag gegen ein bestimmtes Risiko abschließt. Freiberufliche Hebammen sind so über den DHV gegen Geburtsfehler und -schäden versichert.
Ein großer Vorteil der Gruppenversicherungen ist, dass Hebammen nun nicht mehr selbst haften, sondern über den Verband abgesichert sind. Finanzielle Entlastung bringt diese Regelung allerdings nur bedingt.
Sicherstellungszuschlag
Was jedoch eine echte Erleichterung der finanziellen Lage freiberuflicher Hebammen mit sich bringt, ist der Sicherstellungszuschlag. So erhalten Hebammen, die die notwendigen Qualitätsanforderungen erfüllen, auf Antrag einen Sicherstellungszuschlag ausgezahlt, der die Last der Haftpflichtversicherung lindern soll. Die Qualitätsanforderungen sehen hierbei vor, dass Hebammen jährlich mindestens vier Geburten betreuen; die Anforderungen sind also niedrigschwellig gehalten.
Etablierte Hebammen sind somit in großen Teilen von der finanziellen Last der Haftpflichtversicherung befreit; nur für Berufseinsteiger*innen stellt diese weiterhin ein Problem da, denn der Sicherstellungszuschlag kann nach frühestens sechs Monaten beantragt werden. Den Versicherungsbeitrag für die ersten sechs Monate der Arbeitszeit, welcher gut und gerne mehrere tausend Euro beträgt, muss die junge Hebamme selbst vorstrecken, was weiterhin eine Hürde darstellt. Hier besteht Nachbesserungsbedarf.
Auch die Abzüge, die Krankenkassen vom Sicherstellungszuschlag einziehen können, stellen weiterhin ein Problem da. Die Differenz zwischen dem ausbezahlten Sicherstellungszuschlag und der realen Haftpflichtprämie müssen freiberufliche Hebammen aus eigener Tasche zahlen.
Es bedarf daher einer Entbürokratisierung des Sicherstellungszuschlags, um vor allem berufseinsteigende Hebammen zu entlasten, sowie einer staatlichen Kostenübernahme der Differenz zwischen dem ausgezahlten Sicherstellungszuschlag und der tatsächlichen Haftpflichtprämie.
Geburtshilfe darf kein finanzielles Risiko für Hebammen sein!
In Deutschland herrscht ein flächendeckender Hebammennotstand. Nicht nur im ländlichen Raum müssen Gebärende um eine Betreuung im Kreißsaal, bei Geburten in Geburtshäusern, aber auch bei der Vor- und Nachsorge bangen. Im bundesweiten Vergleich befindet sich Berlin auf dem vorletzten Platz, was die Verfügbarkeit einer Hebamme für das Wochenbett angeht. Nicht selten werden Hochschwangere mit Wehen von einem Kreißsaal zum nächsten verwiesen, weil es keine Kapazitäten mehr gibt. Die aktuellen Probleme für Hebammen und damit für die Familien sind groß, die Corona-Situation hat wie ein Brennglas gewirkt. Viele Hebammen überlegen ihren Beruf aufzugeben.
Ohne faire Arbeitsbedingungen für Hebammen und eine armutssichere Bezahlung kann es keine professionelle und selbstbestimmte Geburt geben.
Ohne gute Arbeitsbedingungen für Hebammen kein selbstbestimmtes Gebären
Gebärende sollen selber entscheiden können, wie und wo sie gebären wollen. In der Realität scheitert dies häufig schon an der Wahl des Geburtsorts. Es gibt schlicht nicht überall genügend Hebammen. Diese Notlage wird vor allem dadurch verschärft, dass ein Großteil der Hebammen ihren Beruf aufgrund der hohen Belastungen in Teilzeit ausübt (fast 80 Prozent!).
Die aktuelle Situation birgt erhebliche Risiken für die Gesundheit von Gebärenden. Eine flächendeckende und ausreichend verfügbare Betreuung ist darüber hinaus wichtig, damit werdende Eltern mit der Verantwortung wichtiger Entscheidungen bezüglich des Geburtsprozesses nicht alleine gelassen werden. Geburtsmedizinische Entscheidungen müssen von Fachpersonal begleitet werden. Das ökonomisierte Geburtshilfesystem verhindert oft flächendeckende Möglichkeiten funktionierender und vertrauensvoller Care-Beziehungen zwischen Hebamme und werdenden Eltern. Daher ist es dringend nötig, dass sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern.
Arbeitslast der Hebammen
Die Betreuung, die Hebammen leisten, ist äußerst anspruchsvoll. In Deutschland ist es gängige Praxis, dass Hebammen, trotz der im Dezember 2020 beschlossenen S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“, die eine Eins-zu-Eins Betreuung unter der Geburt vorsieht, mehrere Gebärende gleichzeitig bei der Geburt betreuen müssen. Dies ist mit einem hohen mentalen und physischen Stress verbunden. Die Zielsetzung, während des gesamten Geburtsprozesses eine Hebamme an der Seite zu haben, ist im Alltag allzu oft nicht möglich. Das muss sich ändern. Hierfür ist u.a. eine rasche Aufstockung erforderlicher Voll- und Teilzeitstellen notwendig.
Darüber hinaus fordern wir finanzielle Mittel für eine flächendeckende Aufstockung von Hilfspersonal in Kreißsälen.
Schnellstmögliche Abkehr vom DRG-System in der Geburtshilfe
Geburten, die mit wenig Eingreifen der Hebammen (d. h. interventionsarm) und über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden, sind aktuell noch ein Minusgeschäft. Das sogenannte DRG-Fallpauschalensystem setzt Hebammen unter Druck, möglichst viele Geburten in möglichst kurzer Zeit durchzuführen. Dies führt u.a. auch zu Intervention, wie vaginaloperativen Geburtsbeendigungen und Kaiserschnitten, die zum Teil vermeidbar sind. Hebammen stehen unter immensem Druck und auch Gebärende sind während der Geburt verstärktem Stress ausgesetzt und das Risiko steigt, dass Gebärende Gewalt unter der Geburt erfahren.
Wir fordern daher die schnelle Umsetzung, der von uns als SPD bereits beschlossenen Abkehr vom DRG-System – auch in der Geburtshilfe.
Geburtshilfe darf kein finanzielles Risiko für Hebammen sein!
Alle Hebammen müssen haftpflichtversichert sein. Bei angestellten Hebammen übernimmt das der Arbeitgeber, freiberufliche Hebammen müssen dies jedoch selbst tun. Das sind enorme Kosten, die durch die Beantragung eines Sicherstellungszuschlags abgemildert werden können. Dieser ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, wie beispielsweise die Betreuung von mindestens vier Geburten jährlich, was Berufseinsteiger*innen (noch) nicht erfüllen können. Es bedarf daher einer Entbürokratisierung des Sicherstellungszuschlags, um vor allem berufseinsteigende Hebammen zu entlasten, sowie einer staatlichen Kostenübernahme der Differenz zwischen dem ausgezahlten Sicherstellungszuschlag und der tatsächlichen Haftpflichtprämie.
Akademisierung des Hebammenberufs: Ausbau berufsbegleitender Studienplätze für den Erwerb des nachträglichen Bachelorabschlusses
Mit dem 2020 beschlossenen Hebammengesetz wird der Hebammenberuf bis 2027 vollständig akademisiert sein. Angehende Hebammen müssen daher von nun an zur Berufsvorbereitung ein Studium der Geburtshilfe abschließen.
In der Akademisierung der Geburtshilfe liegt die Chance, Abläufe und Probleme des Berufs in aus der Perspektive der Hebammen zu analysieren und zu verbessern. Wir fordern in diesem Kontext vor allem Studien in Bezug auf Rassismus während der Geburt und den Umgang mit BIPoC-Gebärenden, sowie alternative Geburtsabläufe.
Momentan sind die meisten Kreißsäle so knapp besetzt, dass Studierende der Geburtshilfe während ihrer Praxiseinsätze nicht adäquat betreut und angeleitet werden können. Um eine gute Qualität des praktischen Teils zu garantieren, muss dafür gesorgt werden, dass flächendeckend ausreichend Praxisanleiter*innen in Kreißsälen zur Verfügung stehen. Wir fordern diesbezüglich die Schaffung von finanziellen Anreizen und niedrigschwellige Fortbildungen.
Zugleich geht mit der Akademisierung der Hebammenausbildung die Gefahr einer Spaltung des Berufszweigs hervor: eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter studierten und ausgebildeten Hebammen ist nicht akzeptabel. Unterschiedliche Bezahlungsstandards darf es unter keinen Umständen geben.
Um der Entstehung von Ungleichheiten entgegenzuwirken, braucht es daher flächendeckend Angebote für ausgebildete Hebammen, um nachträglich berufsbegleitend einen Bachelorabschluss zu erwerben. Derzeit gibt es jährlich lediglich eine Hand voll dieser Nachgraduierungsplätze in Berlin. Der Bund wird aufgefordert Gelder bereitzustellen, um die Länder bei der Schaffung des Angebots finanziell zu unterstützen.
Daher fordern wir konkret:
- Eine Eins-zu-Eins Betreuung für jede Geburt
- Verminderung der Arbeitslast von Hebammen, v. a. durch eine flächendeckende Aufstockung an Stellen und durch eine verstärkte Förderung von Hilfspersonal (wie z.B. Reinigungspersonal) in Kreißsälen
- Schnellstmögliche Abkehr vom DRG-System in der Geburtshilfe
- Sicherstellungszuschlag auch für Berufseinsteiger*innen
- Stärkere methodische wie finanzielle Förderung von Praxisanleiter*innen in Kreißsälen
- flächendeckendes und niedrigschwelliges Angebot an berufsbegleitenden Weiterqualifizierungsangebot