Antrag 74/I/2023 Betroffenen eine Stimme geben und endlich zu internationaler guter Praxis aufschließen

Status:
Annahme

Beschwerdemechanismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch Entwicklungszusammenarbeit einrichten und menschenrechtlich ausgestalten

 

Dass auch Vorhabern der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unbeabsichtigte massive negative Folgen für die Bevölkerung in den Partnerländern haben können, zeigten nicht zuletzt die Vorwürfe rund um die Naturschutzgebiets-Finanzierung in der DR Kongo (s.u.a. Antwort auf Kleine Anfrage, BT-Drs. 19/27414): Die Anrainer-Bevölkerung war schwersten Menschenrechtsverletzungen durch die Parkwächter der unterstützten Naturschutzbehörde ausgesetzt. Die beteiligte deutsche Entwicklungszusammenarbeit (BMZ/KfW) erfuhr hierdurch erst durch eine britische NGO.

 

Damit Betroffene in solchen Fällen sich direkt an die entsprechenden Entwicklungsgeber wenden können und ihre Beschwerden in einem transparenten Verfahren vorbringen können, haben internationale und zunehmend bilaterale Geber (ua Weltbank, Europäische Investitionsbank, EBRD, UNDP, Green Climate Fund, Japan, Frankreich, USA, Nordische Staaten) internationale Beschwerdemechanismen für Betroffene eingerichtet.

 

Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Mechanismen mit Blick auf Zugänglichkeit, Verfahren, Transparenz orientiert sich dabei inzwischen an den erprobten Kriterien der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Nr. 31). Der erste deutsche Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020 verpflichtet demententsprechend auch die entwicklungspolitischen Durchführer (S.15). In Deutschland haben die DEG und zuletzt die Internationale Klimaschutzinitiative –  letztere unter sozialdemokratischer Leitung ! –  entsprechende menschenrechtlich ausgestaltete Mechanismen etabliert.

 

Das BMZ hat zwar bereits 2011 in seinem Menschenrechtskonzept einen entsprechenden Prüfauftrag formuliert. Ein Ergebnis soll nun 2023 veröffentlicht werden. Es reicht dabei nicht, wenn das BMZ einfach auf die bestehenden Mechanismen von GIZ und KfW Entwicklungsbank verweist, denn diese sind nicht entsprechend der menschenrechtlichen Vorgaben ausgestaltet.

 

Die deutsche Entwicklungspolitik muss endlich zu internationaler guter Praxis aufschliessen und ihre extraterritoriale menschenrechtliche Verantwortung wahrnehmen.

 

Wir fordern daher von der Leitung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den Mitgliedern der SPD-Bundestagsfraktion

1) die entwicklungspolitischen Durchführungsorganisationen zunächst dazu zu verpflichten, dem BMZ ohne Aufforderung vollständig, regelmäßig und zeitnah Bericht zu erstatten, welche Beschwerden eingehen und wie diese bearbeitet werden,

 

2) verbindliche Vorgaben für die Verfahren und Ausgestaltung entwicklungspolitischer Beschwerdemechanismen insbesondere von GIZ und KfW (wie auch der anderen Durchführungsorganisationen BGR und PTB)  zu machen, die den menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entsprechen (insbesondere Leitprinzip 31),

 

3) ein Gremium im BMZ einzusetzen, dass diese Mechanismen monitort und

 

a) unabhängig ist von den operativen Strukturen der entwicklungspolitischen Durchführungsorganisationen (institutionelle Ausgestaltung),

b) fachliche Expertise hinzuziehen kann, die über entsprechende Beschwerdemechanismusexpertise verfügen (Expertise und Budget)

c) eine Überprüfung nicht nur der rechtliche Ausgestaltung, sondern auch der tatsächlichen Umsetzung vornehmen kann (robustes Monitoring)

d) ein Mandat hat, den Umsetzungsorganisationen bei Feststellung von Mängeln verbindliche Vorgaben zur Verbesserung der Verfahren machen zu können (Wahrnehmung der staatlichen Menschenrechtsverpflichtung)

e) die Ergebnisse seiner Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich macht (Webseite mit Berichten oä)  (Transparenz)

f) dem Bundestag regelmäßig Bericht erstattet (Rechenschaftslegung).

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Beschwerdemechanismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch Entwicklungszusammenarbeit einrichten und menschenrechtlich ausgestalten

 

Dass auch Vorhabern der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unbeabsichtigte massive negative Folgen für die Bevölkerung in den Partnerländern haben können, zeigten nicht zuletzt die Vorwürfe rund um die Naturschutzgebiets-Finanzierung in der DR Kongo (s.u.a. Antwort auf Kleine Anfrage, BT-Drs. 19/27414): Die Anrainer-Bevölkerung war schwersten Menschenrechtsverletzungen durch die Parkwächter der unterstützten Naturschutzbehörde ausgesetzt. Die beteiligte deutsche Entwicklungszusammenarbeit (BMZ/KfW) erfuhr hierdurch erst durch eine britische NGO.

 

Damit Betroffene in solchen Fällen sich direkt an die entsprechenden Entwicklungsgeber wenden können und ihre Beschwerden in einem transparenten Verfahren vorbringen können, haben internationale und zunehmend bilaterale Geber (ua Weltbank, Europäische Investitionsbank, EBRD, UNDP, Green Climate Fund, Japan, Frankreich, USA, Nordische Staaten) internationale Beschwerdemechanismen für Betroffene eingerichtet.

 

Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Mechanismen mit Blick auf Zugänglichkeit, Verfahren, Transparenz orientiert sich dabei inzwischen an den erprobten Kriterien der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Nr. 31). Der erste deutsche Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020 verpflichtet demententsprechend auch die entwicklungspolitischen Durchführer (S.15). In Deutschland haben die DEG und zuletzt die Internationale Klimaschutzinitiative –  letztere unter sozialdemokratischer Leitung ! –  entsprechende menschenrechtlich ausgestaltete Mechanismen etabliert.

 

Das BMZ hat zwar bereits 2011 in seinem Menschenrechtskonzept einen entsprechenden Prüfauftrag formuliert. Ein Ergebnis soll nun 2023 veröffentlicht werden. Es reicht dabei nicht, wenn das BMZ einfach auf die bestehenden Mechanismen von GIZ und KfW Entwicklungsbank verweist, denn diese sind nicht entsprechend der menschenrechtlichen Vorgaben ausgestaltet.

 

Die deutsche Entwicklungspolitik muss endlich zu internationaler guter Praxis aufschliessen und ihre extraterritoriale menschenrechtliche Verantwortung wahrnehmen.

 

Wir fordern daher von der Leitung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den Mitgliedern der SPD-Bundestagsfraktion

1) die entwicklungspolitischen Durchführungsorganisationen zunächst dazu zu verpflichten, dem BMZ ohne Aufforderung vollständig, regelmäßig und zeitnah Bericht zu erstatten, welche Beschwerden eingehen und wie diese bearbeitet werden,

 

2) verbindliche Vorgaben für die Verfahren und Ausgestaltung entwicklungspolitischer Beschwerdemechanismen insbesondere von GIZ und KfW (wie auch der anderen Durchführungsorganisationen BGR und PTB)  zu machen, die den menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entsprechen (insbesondere Leitprinzip 31),

 

3) ein Gremium im BMZ einzusetzen, dass diese Mechanismen monitort und

 

a) unabhängig ist von den operativen Strukturen der entwicklungspolitischen Durchführungsorganisationen (institutionelle Ausgestaltung),

b) fachliche Expertise hinzuziehen kann, die über entsprechende Beschwerdemechanismusexpertise verfügen (Expertise und Budget)

c) eine Überprüfung nicht nur der rechtliche Ausgestaltung, sondern auch der tatsächlichen Umsetzung vornehmen kann (robustes Monitoring)

d) ein Mandat hat, den Umsetzungsorganisationen bei Feststellung von Mängeln verbindliche Vorgaben zur Verbesserung der Verfahren machen zu können (Wahrnehmung der staatlichen Menschenrechtsverpflichtung)

e) die Ergebnisse seiner Arbeit der Öffentlichkeit zugänglich macht (Webseite mit Berichten oä)  (Transparenz)

f) dem Bundestag regelmäßig Bericht erstattet (Rechenschaftslegung).

 

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme Landesgruppe 2024:

Mit dem Führungswechsel im BMZ hat sich auch die Herangehensweise an koloniale Kontinuitäten und den richtigen Umgang mit diesen grundlegend verändert.

In dem Papier zur feministischen Entwicklungspolitik des BMZ werden Koloniale Kontinuitäten konkret benannt und Strategien zum Umgang entworfen. Auch die Themen Beschwerdemecha-nismen und Monitoring werden explizit behandelt.

Darüber hinaus der Verweis auf die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Linken vom 23.11.2022 „Finanzierung von Naturschutzgebieten durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit“, veröffentlicht am 21.12.2022:

„Konflikte können in verschiedenster Ausprägung und Form in und um Schutzgebiete auftreten. Die Aushandlung von Interessens- bzw. Nutzungskonflikten ist grundsätzlich ein wesentlicher Aspekt der Einrichtung und Verwaltung von Schutzgebieten. Eine wesentliche Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb die Unterstützung der Partner bei Aushandlungsprozessen und der partizipativen Erarbeitung von Lösungen, um Schutz und nachhaltige Nutzung in Einklang zu bringen. Die Bundesregierung und ihre Durchführungs-organisationen erhalten regelmäßig und über verschiedene Wege Informationen über aktuelle Entwicklungen vor Ort, darunter auch Berichte und Vorwürfe möglicher sowie früherer Konflikte und Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise im grenzüberschreitenden Schutzgebiet Malawi-Sambia, im Ngorongo Distrikt in Tansania, im Pendjaripark in Benin, im grenzüberschreitenden Park W Benin-Burkina Faso-Niger, im Bardyia Nationalpark in Nepal und im Kahuzi-Biega Nationalpark in der DR Kongo.“

Und

„Um negative Auswirkungen auf Menschenrechte in der Umsetzung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit im Schutzgebietsmanagement zu verhindern, wenden die staatlichen Durchführungsorganisationen im Rahmen des Auftragsmanagements strukturierte Safeguard-Mechanismen auf der Basis international anerkannter Umwelt- und Sozialstandards an. Die Analyse möglicher negativer Wirkungen von Projektaktivitäten sowie speziell entwickelte Maßnahmen zu Prävention und Umgang mit Konflikten werden systematisch in die Projektkonzeption integriert. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen sowie – so weit nicht vorhanden – die verlässliche Einrichtung unabhängiger Beschwerdemechanismen. So hat die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) beispielsweise 2022 zusätzlich einen unabhängigen Beschwerdemechanismus als Anlauf-stelle für Menschen eingerichtet, die durch IKI-Projekte (potenziell) negative soziale und/oder umweltbezogene Folgen erleiden. Dieser Mechanismus soll auch dazu dienen, den Missbrauch von Haushaltsmitteln oder Repressalien im Zusammenhang mit Äußerungen zu IKI-Vorhaben zu melden. Durch diese Maßnahmen ermöglicht die Bundesregierung eine möglichst frühzeitige Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen. Weitere präventive Maß-nahmen umfassen menschenrechtssensible Aus- und Fortbildung von Schutzgebietspersonal, die Erstellung von Menschenrechtsstrategien sowie Due Diligence-Studien zu Umwelt-, Sozial und Sicherheitsaspekten sowie Sensibilisierungsmaßnahmen, deren Umsetzung mit den Projektpartnern vertraglich vereinbart wird.“

Sowie

„Die Bundesregierung nimmt Hinweise bzw. Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der von ihr geförderten Vorhaben sehr ernst und geht ihnen konsequent nach. Zu den vertraglichen Verpflichtungen der Durchführungsorganisationen und Projektträger gehört die umgehende Berichterstattung von besonderen Vorkommnissen, deren strukturierte Aufarbeitung sowie das Einleiten von Korrektivmaßnahmen. Bei Kenntnis über mögliche Menschenrechtsverletzungen werden die Partner entsprechend kontaktiert, eine umgehende, entschiedene Aufarbeitung sowie Korrektivmaßnahmen eingefordert und nach-verfolgt. Diese sind kontext- und fallabhängig, können aber unter anderem die Anpassung von Einsatz- und Verhaltensvorschriften für staatliche Wildhüter und gemeindebasierte Naturschützer, Trainings zu menschenrechtlichen Standards, die Entwicklung von Beschwerdemechanismen sowie ein Aussetzen von Zahlungen oder den Abbruch des Vorhabens umfassen.“

Beschluss des BPT 2023:

Überweisung an SPD-Bundestagsfraktion
Überweisungs-PDF: