Das Studium wird gerne als die schönste Zeit des Lebens romantisiert. Freiräume nutzen, sich ausprobieren, über sich hinauswachsen, Erfahrungen sammeln und viel lernen – gerade für das Leben. Was für einige so verlockend klingen mag, ist spätestens seit der Bologna-Reform, durch welche die Hochschulen Student*innen im Zulassungsverfahren selbst auswählen, obwohl dies im Grundgesetz verboten wird, keine Realität mehr. Leistungsdruck und die Ökonomisierung des Studiums nehmen viel Freude. Die Corona-Krise hat der Gesamtsituation noch eine Krone aufgesetzt. Unzählige Studierende haben durch die Kontaktbeschränkungen und Eindämmungsmaßnahmen ihre oftmals ohnehin schlecht bezahlten Studierenden- und Aushilfsjobs verloren. Vor der Pandemie haben circa zwei Drittel ihr Studium mit Nebenjobs finanziert. Da Branchen wie die Gastronomie, in denen häufig Studierende tätig sind, besonders hart getroffen sind, haben viele nun kaum eine Finanzierungsmöglichkeit. Die anfänglichen Geldtöpfe für Studierende wie z. B. durch das Studierendenwerk oder die Studienkredit- Überbrückungshilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, waren viel zu gering und sind schon längst erschöpft. Mit dem Semesterwechsel im Frühjahr 2021 steht die Zahlung des Semesterbeitrages wieder an und noch immer sind viele Studierende in finanzieller Not.
Zwar sind im Vergleich zu Studierenden Auszubildende in deutlich mehr Branchen zu finden, welche unterschiedlich stark von der Pandemie betroffen sind, doch die finanzielle Not droht an vielen Stellen. Durch die Corona-Krise gehen zahlreiche Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit und davon bleiben Auszubildende nicht ausgenommen. In den ersten 30 Tagen der Kurzarbeit wird Auszubildenden die volle Ausbildungsvergütung gezahlt, doch im Anschluss kann der Betrieb auch hier Kurzarbeiter*innengeld beantragen und folglich reduziert sich das Einkommen der Auszubildenden. Eine Alternative ist in einigen Fällen, dass die Ausbildungsverträge geändert werden und eine Abmachung über eine verringerte Stundenanzahl getroffen wird. Die Folge auch hier: weniger Vergütung. Doch die Ausbildungsvergütung ist auch schon vor der Krise in vielen Fällen unzureichend gewesen. Die bestehenden finanziellen Probleme verschärfen sich durch die Corona-Krise zunehmend.
Wir fordern:
- Für die Zeit der Pandemie sollen Bafög und Auzubildendenbeihilfe für alle Studierenden bzw. Auszubildenden geöffnet werden. Diese Zahlung soll als Vollzuschuss, also darlehensfrei, auch rückwirkend für die vergangenen Corona- Semester und -Halbjahre ausgezahlt werden.
- ein Aufstocken der Corona-Hilfen des Landes Berlin um weitere fünf Mio. für Studierende in Not
- Auszubildende vor Kurzarbeit und Kurzarbeiter*innengeld schützen.
- Wir halten weiterhin an unserer Forderung fest, das Bafög und die Mindestausbildungsvergütung so anzuheben, dass Studierende und Auszubildende in Würde davon leben können.
Die finanzielle Not sorgt unter Auszubildenden und Studierenden für zunehmende Unsicherheit und damit verbundene Sorgen sowie psychischen Stress. Gepaart wird dieser Stress mit Zukunftssorgen. Es wurden nicht nur weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen, auch wissen fast 40 Prozent der Azubis selbst im letzten Jahr noch nicht, ob sie übernommen werden können. Selbst wenn es eine Übernahmezusage gibt, werden knapp 30 Prozent der Azubis nur befristet übernommen. Die Situation der Studierenden ist nicht besser. Einige Studierende haben und werden ihr Studium abbrechen bzw. pausieren müssen, um ihr Leben weiterhin finanzieren zu können. Andere versuchen, ihr Studium so gut es geht aufrecht zu erhalten und weiter zu verfolgen. Doch Vorlesungen, Unterricht und Seminare mussten über Nacht mehr schlecht als recht in digitale Formate umgewandelt werden.
Digitale Lehre ist an vielen Unis und berufsbildenden Schulen bisher ein Novum. Studierende bleiben hierbei auf der Strecke. Der Wegfall einiger Module bzw. die Unmöglichkeit, sie anzubieten, verzögert in vielen Fällen den Studienverlaufsplan und somit den Abschluss der Studierenden. Eine Studie in 25 Ländern zeigt, dass über die Hälfte der Studierenden besorgt ist, ihre Studienziele dadurch nicht zu erreichen. Auszubildende haben ähnliche Probleme, da berufsbildende Schulen und ebenso Betriebe häufig nur sehr unzureichend technisch ausgestattet sind, um den Distanzunterricht in gleicher Qualität fortführen zu können. In einigen Fällen entfällt er sogar ganz. Gleiches gilt für die betrieblichen Teile der Ausbildung: Durch Kurzarbeit und den Wegfall von Aufträgen etc. gibt es weniger zu tun und damit auch weniger zu lernen. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass Ausbildungsinhalte nur unzureichend vermittelt werden können und damit der Abschluss gefährdet wird. Neben der fehlenden Vermittlung von Ausbildungsinhalten erhöhen die Kurzarbeit, ähnliche Regelungen oder der Unterrichtsausfall auch die Fehlzeiten. Diese Fehlzeiten wiederum werden für die Abschlussprüfung angerechnet. Übersteigen sie zehn Prozent der Arbeits- und Schulzeit, kann eine Zulassung zur Abschlussprüfung gefährdet sein.
Wir fordern:
- Damit die Ausbildungskrise nicht zur Corona-Krise wird, sollen in den landeseigenen Unternehmen weitere Ausbildungsplätze geschaffen werden. Darüber hinaus sprechen wir uns für eine Ausbildungsgarantie aus
- Die Universitäten bzw. jeweiligen Institute und berufsbildenden Schulen müssen gewährleisten, dass alle Studierenden und Auszubildenden die notwendige technische Ausstattung zur Teilhabe am Unterricht und Studium sowie an den Prüfungen zur Verfügung haben. Dies kann über das Bereitstellen von Endgeräten (Ausleihe von z. B. Laptops) oder die bevorzugte Vergabe von Computerarbeitsplätzen in (Hoch-)Schulgebäuden an bedürftige Azubis bzw. Studierende sichergestellt werden. Hierfür sollen den Hoch- und berufsbildenden Schulen die finanziellen Mittel gestellt werden.
- schnellerer Abfluss der Mittel aus dem DigitalPakt für Berufsschulen und Aufstocken des Technikfonds für die Berliner Hochschulen
- Die berufsbildenden Schulen und Universitäten müssen den Distanzunterricht sicherstellen. Hierzu müssen in der Bildungsstätte die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, sodass Lehrende entweder aus der Bildungsstätte die Lehrinhalte vermitteln können oder ihnen muss die entsprechende Ausstattung gestellt werden, um dies aus dem Homeoffice tun zu können.
- Betriebe, in denen Beschäftigte und Auszubildende mitbestimmen dürfen, investieren mehr in die betriebliche Ausbildung, die Ausstattung und die Übernahme von Auszubildenden. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, wo viele Betriebe sich umstrukturieren, bedarf es an betrieblicher Mitbestimmung. Deshalb fordern wir die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung!
- Fehlzeiten und Ausbildungsversäumnisse, die durch die Folgen der Pandemie wie Kurzarbeit entstehen, dürfen nicht die Zulassung zur Abschlussprüfung gefährden.
Die Unsicherheit und psychische Belastung, die auch durch Einsamkeit ausgelöst wird, werden gerade durch die Prüfungsphasen noch drastischer. Hier herrscht an Universitäten und Hochschulen, aber auch in Ausbildungsbetrieben keine Klarheit. Die Umsetzung der Durchführung der Prüfungsleistungen in den Corona-Semestern erscheint willkürlich: teils online, teils vor Ort, teils gar nicht. Dies birgt nicht nur Unsicherheiten und unnötige Kontaktrisiken bei Präsenzprüfungen, sondern auch diskriminierende Nachteile. Für Auszubildende, die aufgrund einer Vorerkrankung oder aus anderen Gründen in eine Risikogruppe eingestuft werden, gibt es keine klaren Regelungen. Ihre zeitweise Freistellung oder die Ermöglichung von Homeoffice obliegt der individuellen Regelung im Betrieb und erhöht so zunehmend die Unsicherheit und Angst, wie es weiter gehen kann. An manchen Fachbereichen gibt es Alternativen für Studierende aus Risikogruppen, an anderen können sie nur umständlich beantragt werden. Diese Studierenden werden so häufig in die Überlegung getrieben, ob sie eine Prüfung in Präsenz unter einem enormen gesundheitlichen Risiko schreiben oder eine oft benachteiligende alternative Prüfungsform beantragen. Doch nicht nur Studierende aus Risikogruppen müssen sich hier bislang entscheiden. Universitätsleitungen kalkulieren das Risiko einer Infektion und deren Folgen und wägen es gegen die gegebenenfalls fachlichen Vorteile einer Präsenzprüfung ab. Diese Abwägung über die Unversehrtheit des Lebens darf nicht sein.
Nur eine Planung der kommenden Semester und der Prüfungsformate in digitaler Form bietet die nötige Sicherheit, sich auch frühzeitig um eine gelungene Umsetzung zu bemühen und weitere psychische Belastungen einzudämmen.
Wir fordern:
- Landesweit einheitliche Regelungen über Prüfungsanforderungen in Pandemiezeiten, die niemanden benachteiligen (weder durch ein Gesundheitsrisiko noch durch die technische Ausstattung) und berücksichtigen, ob Präsenz-Prüfungen im Verhältnis stehen zu dem Corona-Infektionsrisiko. Diese sollen langfristig planbar und daher, wann immer möglich, in digitaler Form durchgeführt werden. Auch soll es für Lehrkräfte möglich bleiben, auf individuelle Situationen der Studierenden einzugehen, wenn nötig, damit alle die digitalen Semester so gut wie möglich bestreiten können.
- Einheitliche, übergreifende Regelungen, die gleichwertige Prüfungen für alle festlegen, für Studierende und Auszubildende aus Risikogruppen und solche, die mit Menschen aus Risikogruppen zusammenleben. Durch digitale Prüfungsformate kann eine Benachteiligung über das Gesundheitsrisiko ausgeschlossen werden. Sind diese Formate nicht für alle und in großem Umfang umsetzbar, muss eine in Bezug auf Zeit, Vorbereitung und Aufgabenstellung gleichwertige Prüfung gestellt werden.
- Werden (Abschluss-)Prüfungen aufgrund der Coronapandemie verschoben, muss gewährleistet sein, dass das Ausbildungsverhältnis für diesen Zeitraum verlängert wird und so keine Nachteile entstehen. Ebenso darf sich durch den verschobenen Prüfungszeitraum nicht die Zahl der benötigten Fachsemester erhöhen. Ein Ausfall von Prüfungen oder eine langfristige Verschiebung um mehrere Monate oder gar ein Jahr ist unbedingt zu vermeiden und darf nur in Ausnahmefällen erfolgen.
- Eine Verlängerung des Schutzschirms bezüglich der Freiversuchsregelungen für die nächsten Corona-Semester und für alle Wiederholungsprüfungen aus den vorherigen Semestern.
- Die erneute Aussetzung der Regelstudienzeit für weitere Corona-Semester.
Studierende und Auszubildende werden in der Corona-Krise als stille Teilhaber*innen aus dem WG- oder Kinderzimmer nicht gesehen – es ist wichtig, dass wir auch diese in der Krise unterstützen und Sicherheiten geben. Finanzielle Unterstützungen und Sichern eines fairen und planbaren Studierens und der Ausbildung sind erforderlich – Maßnahmen müssen endlich festgezurrt werden.