Antrag 156/II/2014 Ersetzungsantrag zu den Anträgen 136/I/2014, 98/II/2014, 105/II/2014

Lebensumstände verbessern – Solidarisches Berlin mit Flüchtlingen
Alle sozialdemokratischen Mandatsträger auf Bezirks- und Landesebene werden aufgefordert, die Beschlüsse der Berliner SPD zur Berliner möglichst zeitnah umzusetzen:

 

Dezentrale Unterbringung vor Sammelunterkünften
Die Unterbringung von Menschen in Flüchtlingsunterkünften ist stets als Übergangslösung gedacht. Im Interesse aller beteiligten Akteur*innen ist so schnell wie möglich das Ziel, Asylbewerber*innen eine dezentrale Unterbringung zu ermöglichen.

 

Deshalb fordern wir den Senat auf, einen umfassenden „Masterplan zur Unterbringung von Asylbewerber*innen im Land Berlin“ zu entwickeln, der im Detail und auf Grundlage finanzieller Schätzungen vorgibt, wie der Übergang von Wohnen in Sammelunterkünften hin zu dezentralen Wohnmöglichkeiten vom Land Berlin und den Bezirken zu bewerkstelligen und umzusetzen ist. Eine zentrale Rolle zur Ausarbeitung und Umsetzung des Masterplans nehmen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein, die sowohl an der Konzeption beteiligt als auch bei der Umsetzung in die Pflicht genommen werden müssen.

Kurzfristig fordern wir folgende Punkte:

 

  • Mietkosten müssen entsprechend den Regelungen nach SGB XII übernommen werden.
  • Für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) müssen für Asylbewerber*innen und Geduldete die gleichen Kriterien gelten wie für andere Berechtigte.
  • Die Kontingente für Asylbewerber*innen und Geduldete bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften müssen erhöht werden.
  • Der Senat muss einen öffentlichen Appell an alle Vermieter*innen richten, an Asylbewerber*innen zu vermieten.
  • Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit Asylbewerber*innen und Geduldete nicht in Obdachlosigkeit entlassen werden.

 

Menschenwürdige Standards bei Sammelunterkünften einhalten
Da Flüchtlingen in der Praxis leider meist dauerhaft in Sammelunterkünften leben müssen, sind hohe Standards in Bezug auf Lebens- und Wohnbedingungen umso wichtiger. Um diese auf Dauer gewährleisten zu können, müssen die gesetzlichen Qualitätsanforderungen nicht nur eingehalten, sondern auch in regelmäßigen Abständen kontrolliert und verifiziert werden – dazu braucht es ein staatliches Qualitätsmanagement mit Befugnissen zu Sanktionen.
Wir fordern daher, dass zur Überprüfung der Einhaltung der Standards die Betreiber*innen von sämtlichen Flüchtlingsunterkünften im Rahmen einer Qualitätssicherung regelmäßiger, stichprobenartiger und unangekündigten Kontrollen unterworfen sind. Bewohner*innen können Verstöße gegen Standards dort direkt melden. Ein solches Qualitätsmanagement muss niedrigschwellig aufgebaut sein

 

a) Einheitliche Verträge mit Betreibern von Flüchtlingsunterkünften
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats werden aufgefordert, Verträge für Unterkünfte bei freie Trägern und anderen private Heimbetreibern aufzusetzen, die nicht mehr nach Belieben der freien Trägern und privaten Heimbetreibern verhandelbar sind. Alle Verträge sind einheitlich und befristet zu gestalten, damit vergleichbare Qualitätsstandards existieren und effektive, unangekündigte Qualitätskontrollen durch staatliche Stellen bzw. Beanstandungen über die FlüchtlingsfürsprecherInnen an die Ombudsstelle möglich sind. Diesbezüglich dürfen die privaten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften kein Zutrittsverweigerungsrecht haben.

 

b) Familien- und geschlechtergerechte Unterkünfte
Das LaGeSo hat in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Bezirke dafür Sorge zu tragen, dass es in den Flüchtlingsunterkünften eine familien- und geschlechtergerechte Raumaufteilung gibt. Hierzu gehören eine ausreichende Anzahl an nach Geschlechtern getrennten Bädern sowie Familien-, Mutter-Kind-, und Frauenschlafzimmern sowie Kinderzimmer.

 

c) Privatsphäre achten und für Sicherheit sorgen
Private Räume müssen mit einem Schlüssel abschließbar sein und dürfen in Abwesenheit nicht kontrolliert werden.

Besuchsrechte für Ehrenamtliche, Vereine und FlüchtlingsfürsprecherInnen müssen geregelt werden. Ggf. müssen entsprechende Besucherräume geschaffen werden.
Um Missbrauch zu vermeiden und Zugangskontrollen einfach zu gestalten, soll jede/r Heimbewohner/in einen Hausausweis mit Lichtbild erhalten, der zum Einlass berechtigt. Das LaGeSo verteilt diese Hausausweise bereits bei der Zuteilung auf die entsprechenden Heime.

 

Willkommenskultur in der Zivilgesellschaft stärken
Die SPD steht für eine Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen und gegen rassistische Stimmungsmache. Wir begrüßen, dass sich die Zivilgesellschaft zunehmend eigeninitiativ gegen rechte Hassparolen stellt, offen Zivilcourage zeigt und die Arbeit für aufgenommene Flüchtlinge ehrenamtlich unterstützen will.

 

a) Engagement von Bürgerinnen und Bürger vor Ort fördern
Wir möchten diese gesellschaftliche Entwicklung fördern, unterstützen und ihr beratend zur Seite stehen und fordern daher die Einrichtung einer vom Land ausfinanzierten Vollzeitstelle Stelle je Bezirk zur Ehrenamts- und Freiwilligenkoordination im Bereich Flüchtlingsarbeit. Diese sollen ausschließlich dafür zuständig sein, verschiedenen Initiativen ausgewogen zu vernetzen, als Ansprechpartner*innen für Ehrenamtliche und Freiwillige, Flüchtlinge und Unterkunftsmitarbeiter*innen zu fungieren und damit zu ermöglichen, dass die angebotene Hilfe tatsächlich auch bei den Flüchtlingen ankommt.

 

b) Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Institutionen festigen
Die Arbeit der flüchtlingspolitischen Initiativen vor Ort muss anerkannt werden. Ein verbindliches Kooperationsbestreben für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit solchen Initiativen und Betreibern ist ein Prozess, der angestoßen werden kann. In die Vertragsformalitäten muss die Sozialraumorientierung mitaufgenommen werden und muss Bestandteil aller mit den Betreibern von Flüchtlingsheimen abgeschlossenen Verträge sein. Die Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte müssen jährliche Kooperationsvereinbarungen mit Vereinen ggf. Initiativen vor Ort nachweisen. Eine schriftliche Befürwortung der örtlichen Integrationsbeauftragten ggf. Ombudsstelle ist erforderlich.

 

Institutionelle und organisatorische Neuausrichtung der Kommunikationswege

 

a) Ombudsstelle auf Landesebene
Es ist eine im Antrag Nr. 130/I/2014 vom Landesparteitag am 17. Mai 2014 geforderte Ombudsstelle in der Senatsverwaltung anzusiedeln, welche in allen Fragen und Belangen für Flüchtlinge, Ehrenamtliche, FlüchtlingsfürsprecherInnen, SozialarbeiterInnen in Flüchtlingsheimen zur Verfügung steht.

Dieser soll ein effektives Auskunfts- und Antragsrecht auf die entsprechenden Landesbehörden eingeräumt werden, damit sie bei Problemen und Missständen intervenieren und das LaGeSo, den Bezirk und den freien Träger zur Behebung der Missstände auffordern und entsprechende Maßnahmen vorschlagen kann.

 

b) Infobroschüren
Jeder Bezirk stellt den Flüchtlingsheimen Infobroschüren in den o.g. relevanten Sprachen zur Verfügung. Anhand der Broschüren können sich die Flüchtlinge über ihren Bezirk, bürokratische Abläufe, ihre Rechte und Ansprechpartner sowie Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche etc. informieren.

 

c) Einbindung der BürgerInnen
Jeder Bezirk muss rechtzeitig vor, bei und nach der Inbetriebnahme einer Flüchtlingsunterkunft die anliegenden AnwohnerInnen ausreichend informieren, dafür Sorge tragen, dass Ängste genommen werden sowie ein soziales und friedliches Wohnen im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft entsteht. Aufklärungsmaterial wie beispielweise Infobroschüren für die AnwohnerInnen sollten zur Verfügung gestellt werden.

 

Soziale Leistungen und Unterstützung
Darüber hinaus fordern wir die Umsetzung folgender Themen, zu denen wir verschiedenste Beschlüsse in der SPD Berlin gefasst haben:

 

  • Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldete haben ab dem Zeitpunkt ihrer Antragsstellung das Recht, an einem kostenfreien Integrations- und Sprachkurs teilzunehmen.
  • Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldeten sind bei dem Erwerb eines Schulabschlusses zu unterstützen. Alle Asylbewerber*innen und Geduldete, gleich welchen Alters, die eine Schule besuchen, müssen die Möglichkeit haben, neben der Schule noch einen ergänzenden Sprachkurs zu besuchen. Besonders in den Schulferien ist ein entsprechendes Angebot zu schaffen.
  • Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldeten müssen Zugang zu kostenfreier psychologischer, psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfe haben.
  • Die Schilderung der Erlebnisse und Lebensumstände in der Erstbefragung durch die Sachbearbeiter*innen sind ausschlaggebend für die Bewilligung des Asylantrags. Deshalb müssen nach Maßgabe der Möglichkeiten Asylbewerber*innen das Gespräch mit Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen vorbereiten können.
  • Die Ansprüche auf medizinische Versorgung von Asylbewerber*innen und Geduldeten muss denen gesetzlich krankenversicherter Bürger*innen angeglichen werden. Bisher wird nur die Behandlung akuter Erkrankungen und Beschwerden vom Sozialamt übernommen.

 

Bildung
Das LaGeSo muss den Bezirken und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft die notwendigen Daten der (Name, Alter, Sprachkenntnisse, Anzahl) unverzüglich nach Zuweisung zur Verfügung stellen, damit jeder Bezirk der Pflicht nachkommen kann, den ankommenden Flüchtlingskindern im Kita- bzw. schulpflichtigem Alter (bei Flüchtlingen bis zu 21 Jahren) einen Kitaplatz bzw. einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Hierzu sind eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften zur Verfügung zu stellen.
Weiterhin sollen kostenfreie Deutschkurse für Flüchtlinge an den Berliner Volkshochschulen – finanziert vom BAMF – eingerichtet werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Stellungnahme(n):
  Stellungsnahme der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin Die SPD-Fraktion unterstützt die Zielrichtung des Antrags und hat im Abgeordnetenhaus verschiedene Anträge zu den genannten Themen verabschiedet, u.a. die Anträge „Menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Berlin“ und „Qualitätsstandards bei der Flüchtlingsunterbringung sicherstellen“. Die Lebensumstände der Flüchtlinge in Berlin zu verbessern, ist angesichts der Zuzugszahlen eine Herausforderung. Erstes Ziel ist es, die Asylsuchenden vor Obdachlosigkeit zu bewahren und menschenwürdig unterzubringen. Dazu hat der Senat 2015 ein umfangreiches Konzept beschlossen.   Wichtige Maßnahmen sind: Nutzung geeigneter landeseigener Immobilien und Grundstücke zur Schaffung von Unterkünften. Errichtung von standardisierten Gebäuden in Modulbauweise durch das Land Berlin, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die Berlinovo Immobilien Gesellschaft mbH. Schaffung von Unterkünften in Containerbauweise. Bau von Gruppenunterkünften mit Familienwohnungen. Berücksichtigung der Bedarfe besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge (gewaltbetroffene Frauen, LSBTI). Ausbau der Vermittlung von Mietwohnungen an Flüchtlinge. Die Anzahl der Wohnungen von den städtischen Wohnungsunternehmen im Rahmen des Kooperationsvertrags „Wohnungen für Flüchtlinge“ wurde gesteigert.   In der AV Wohnen wurde im November 2015 der pauschale Mietzuschlag für Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, von 10 auf 20 Prozent erhöht. Für jene, die eine neue Wohnung anmieten, wurden die Richtwerte pauschal um 10 Prozent angehoben. Ziel der Regelung ist, sowohl Flüchtlingen als auch Wohnungslosen verstärkt Zugang zu Wohnungen zu verschaffen.   Das Senatskonzept zur Versorgung von Flüchtlingen beinhaltet auch Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Beschwerdemanagements in Einrichtungen.   Die Beteiligung des Wohnumfelds und das Bürgerschaftliche Engagement werden gefördert. Das Netz der Stadtteilzentren wird schrittweise ausgedehnt. Dazu wurden für den Doppelhaushalt 2014/15 weitere 500.000 Euro zur Verfügung gestellt, weitere 600.000 im Haushalt 2016/17. Die in räumlicher Nähe zu den Wohncontainerdörfern liegenden Stadtteilzentren werden zusätzlich unterstützt.   Die Bezirksverwaltungen werden durch jeweils zwei Beschäftigungspositionen verstärkt, um dezentrale Flüchtlingsarbeit zu unterstützen. Für interessierte Bürgerinnen und Bürger, die ehrenamtlich helfen wollen, wurde eine Hotline geschaltet. Freiwilligenmanagement wird als Leistungspflicht in die Betreiberverträge aufgenommen. Im Rahmen des Landesweiten Koordinierungsstabs Flüchtlingsmanagement soll auch die Koordination Ehrenamt sichergestellt werden. Asylsuchende haben einen Anspruch auf notwendige Leistungen der medizinischen Versorgung. Wenn über die Versorgung hinaus ein notwendiger Bedarf an fachärztlicher Versorgung besteht (z.B. psychiatrische Behandlung), werden die betreffenden Asylsuchenden in das Regelsystem vermittelt.   Stellungnahme SenAIF:  Durch tätiges Handeln umgesetzt   Stellungnahme SenFin:  In Bearbeitung. Zur Unterbringung sind größere Anteile am vom Land errichteten Modularbauten und Tempohomes vorgesehen. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bereiten die Schaffung von Wohnraum für Asylsuchende derzeit u.a. durch den Bau von Modularen Bauten vor.   Stellungnahme SenBJW: letzter Abschnitt: Daten für Kinder und Jugendliche aus dem LaGeSo- Kitaangebot für Flüchtlinge- wird sukzessiv umgesetzt