Überfüllte Notaufnahmen, lange Wartezeiten, zu wenig Personal. So sieht aktuell die Notfallversorgung in Berlin aus. 38 Rettungsstellen in den Berliner Kliniken versorgen die akuten Notfälle der Berliner*innen. Im Berliner Krankenhausplan von 2016 heißt es, dass die Inanspruchnahme der Notfallversorgung kontinuierlich zunehme. So stiegen die Alarmierungszahlen von Rettungsmitteln der Berliner Feuerwehr von 2008 bis 2013 um 16 Prozent. Auch die Notaufnahmen verzeichnen steigende Patient*innenkontakte (Zunahme von 2008 bis 2012 um 19 Prozent).
Allerdings werden nicht nur die Notaufnahmen stärker besucht, auch Praxisärzt*innen haben mehr denn je zu tun: Im Jahr 2016 habe man 31 Millionen Behandlungsfälle abgerechnet, 2006 waren es noch 23 Millionen – eine Steigerung um 35 Prozent. Die Hauptstadt wächst immer weiter, die Versorgung kommt nicht hinterher. Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, die jeweils eigenständig organisiert sind: der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die bestehenden Strukturen orientieren sich nur unzureichend an den Bedürfnissen der Patient*innen. Die vermehrte Nutzung von medizinischer Versorgung in Kombination mit den demografischen Entwicklungen verlangen jedoch nach Reformen in Struktur und Organisation der Notfallversorgung, an vielen Stellen sind die Prozesse nicht optimal, wodurch alles noch länger dauert.
Falsche Patient*innen am falschen Ort?
Viele Patient*innen, die in Notaufnahmen behandelt werden, müssen dort gar nicht behandelt werden. Oft reicht eine hausärztliche Konsultation bei Alltagsbeschwerden, sie binden aber oft Ressourcen am Krankenhaus, die für eingelieferte Akut-Kranke und Schwerverletzte benötigt werden.
Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine sogenannte „Rettungsstellen-Gebühr“ erhoben wird. Sanktionen jeder Art sind nicht angebracht, wenn es um den Zugang zu medizinischer Notfallversorgung geht. Wir brauchen neue Ansätze. Oberstes Ziel muss es sein, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und ihnen aufzuzeigen, welche Alternativen wir bereits zu dem Besuch der Notaufnahme haben. Der ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung beispielsweise soll die Notaufnahmen in der Stadt entlasten – wird allerdings wenig genutzt und ist nicht ausreichend bekannt. Er hilft Menschen bei Erkrankungen, mit denen diese normalerweise eine*n Ärzt*in in einer Praxis aufsuchen würden, deren Behandlung aber aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Werktag warten kann. Eine Studie der Charité aus dem Jahr 2016 zeigte auf, dass Patient*innen „mehrheitlich (59 %) Notfallstrukturen der KV nutzen [würden], wenn sie vorhanden und bekannt wären. Allerdings kannten 55 % der Befragten den KV-Notdienst nicht.“
Ein weiterer Ansatz sind die sogenannten Portalpraxen. Außerhalb der Sprechstundenzeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen versorgen Vertragsärzt*innen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Patient*innen, bei denen keine akute Behandlungsdringlichkeit besteht – angebunden an die Räumlichkeiten der Notaufnahmen. Eine Überweisung zur weiteren Diagnostik in das Krankenhaus, wenn nötig, ist wie in ambulanten Praxen möglich. Akute Notfälle werden selbstverständlich weiterhin durch das Klinikpersonal versorgt. Die erste Portalpraxis wurde 2016 am Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn in Betrieb genommen. Aktuell existieren 11 Portalpraxen, darunter auch spezialisierte Portalpraxen für Kinder und Jugendmedizin. Weitere Praxen sind aufgrund des Erfolges geplant.
Chronisch überlastete Notaufnahmen
Wie in so ziemlich jedem Bereich in der Gesundheitsversorgung herrscht natürlich auch in Notaufnahmen ein Personalmangel, der Patient*innen, Ärzt*innen und Pflegende gefährdet und an die Grenzen ihrer Belastungsgrenzen bringt. Um dieses Problem zu lösen, muss die Erhöhung der Versorgungsqualität sowie der Effizienz im Vordergrund stehen. Wie aus einem Positionspapier des GKV (Gesetzliche Krankenkassen Vereinigung) Spitzenverbands zu entnehmen, sollen durch die Konzentration der Notfallversorgung von schwerwiegenden Erkrankungen und Verletzungen in hochspezialisierten Krankenhäusern Ressourcen und Expertise gebündelt werden, sodass die Patientinnen und Patienten von erfahrenem Personal behandelt werden und die Überlebenschancen steigen. Die spezialisierten Krankenhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte Notfälle regelmäßig versorgen, erfahrenes Fachpersonal vorhalten und zeitnah eine geeignete Diagnostik und Therapie einleiten können. Die Einbindung der Rettungsdienste spielt dabei eine wichtige Rolle, eine engere Verzahnung ist dringend notwendig.
Gleichzeitig müssen die Notaufnahmen in Berlin an die Bedürfnisse der Berliner*innen angepasst werden. So ist eine bessere Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal und eine räumliche und technische Modernisierung dringend notwendig. Patient*innen benötigen einfach zu findende Notaufnahmen, die barrierefrei bei jeder Wetterlage zugänglich sind. Das Personal der Notaufnahmen benötigt die Ausstattung mit modernsten Geräten und ausreichend Material, um die Menschen zu versorgen. Räumlichkeiten zur Erholung sind ebenfalls bei der Modernisierung zu bedenken. Zusätzlich dazu muss das Personal regelmäßig fortgebildet werden, um die Versorgung auf wissenschaftlich hohem Niveau zu gewährleisten.
Das Mitte 2018 vom gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene Stufenkonzept zur Neuordnung der Notaufnahmen verstärkt die Bündelung der Fachexpertise in Kompetenzzentren. Durch dieses Konzept werden drei Stufen der Notfallversorgung geschaffen. Je größer oder schwerwiegender der Notfall, werden Notaufnahmen der entsprechenden Notfallstufen von den Rettungsdiensten angefahren. Ein ähnliches Konzept ist in der Versorgung von schwersten Brandverletzungen bereits etabliert und findet sich in den Fachabteilungen des Unfallkrankenhauses Berlin wieder. Die Bereitstellung von maximal versorgenden Notaufnahmen ist aus regionaler Sicht und auch medizinisch-pflegerischer Sicht nicht sinnvoll. Daher bietet das Stufenkonzept die Möglichkeit, dass die breite Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann und gleichzeitig keine Zeit verloren geht, wenn die Rettungsdienste die falsche Notaufnahme anfahren.
Die weitere Digitalisierung der Rettungsdienste ist dringend erforderlich. Berlin geht mit dem System IVENA einen ersten Schritt, aber das reicht noch nicht. Bereits im Krankenwagen kann mit der Diagnostik begonnen werden, jedoch müssen diese Daten auch ins Krankenhaus gelangen. Eine über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg vernetzte Notfallinfrastruktur ist dringend geboten und rettet Leben.
Neuordnung des Finanzierungskonzepts
Dazu bedarf es auch neuer Ansätze zur Finanzierung der Notaufnahmen. Bisher zahlen die Krankenkassen ein Pauschalbetrag für die Diagnose – egal ob die*der Behandelte diese in einer Praxis erhält oder in der Notaufnahme. Im Gegenzug muss die Klinik jedoch ein ungleich höheres dieses Betrages ausgeben, um die Abläufe der Notaufnahme sicherzustellen. Nicht dringliche Behandlungen belasten daher die Kliniken finanziell. Ein neues Finanzierungsmodell zur Notfallversorgung ist daher parallel zum Ausbau der Portalpraxen dringend notwendig. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass niedergelassene Ärzt*innen weniger Geld für ihre Behandlungen erhalten. Im Gegenteil sollten Anreize geschaffen werden, Bereitschaftszeiten einzurichten und die Praxen für Patient*innen mit geringfügigen Beschwerden auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte es für niedergelassene Ärzt*innen attraktiver werden, sich zur*m Notfall- und Akutmediziner*in weiterbilden zu lassen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Einrichtungen zur Rettung von Leben, den Grundgedanken der Krankenhausfinanzierung folgen müssen. Jeder Mensch hat es verdient, dass es durch die beste Einrichtung und dem nötigen Personal gerettet wird. Daher wäre, im Sinne der dualistischen Finanzierung, dringend geboten, dass das Land Berlin seine Investitionen in die Ausstattung der Notaufnahmen und angeschlossenen diagnostischen Einrichtungen erhöht und auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Weiterhin muss das Personal kostenneutral durch die Krankenversicherungen finanziert werden. Pauschalbeträge können die Aufwendungen für einen individuellen Notfall nicht adäquat abbilden. Daher ist es geboten, dass sämtliche Maßnahmen, die medizinisch-pflegerisch indiziert sind, von der Krankenversicherung getragen werden.
Wir fordern daher:
- Die Reformierung der Finanzierung von Notaufnahmen
- Regelmäßig verpflichtende Weiterbildungen für das an der Notfallversorgung beteiligte Personal
- Ausbau von Portalpraxen mit kostendeckender Finanzierung durch die kassenärztliche Vereinigung und mit verlässlichen Öffnungszeiten, zu denen keine praxisärztliche Versorgung mehr gewährleistet ist
- eine Imagekampagne für den Bereitschaftsdienst der KV (116 117) mit dem Ziel, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und die Rettungsdienste zu entlasten
- eine bessere Ausstattung der Notaufnahmen und Zentralisierung der Notfallversorgung
- Die kassenärztliche Vereinigung muss Anreize schaffen, um die Sprechzeiten niedergelassener Hausärzt*innen im allgemeinen auszuweiten und ggf. Bereitschaftszeiten einzurichten und neue Praxen zu eröffnen
- Die Erhöhung der Krankenhausinvestitionen durch das Land Berlin, um den Investitionsstau innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen, und ein Sonderinvestitionsprogramm zur Modernisierung der Notaufnahmen
- Die Modernisierung der Einsatzfahrzeuge der Berliner Feuerwehr und anderer Dienstleister
Wir fordern:
- Die Reformierung der Finanzierung von Notaufnahmen
- Regelmäßig verpflichtende Weiterbildungen für das an der Notfallversorgung beteiligte Personal
- Ausbau von Portalpraxen mit kostendeckender Finanzierung durch die kassenärztliche Vereinigung und mit verlässlichen Öffnungszeiten, zu denen keine praxisärztliche Versorgung mehr gewährleistet ist
- eine Imagekampagne für den Bereitschaftsdienst der KV (116 117) mit dem Ziel, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und die Rettungsdienste zu entlasten
- eine bessere Ausstattung der Notaufnahmen und Zentralisierung der Notfallversorgung
- Die kassenärztliche Vereinigung muss Anreize schaffen, um die Sprechzeiten niedergelassener Hausärzt*innen im allgemeinen auszuweiten und ggf. Bereitschaftszeiten einzurichten und neue Praxen zu eröffnen
- Die Erhöhung der Krankenhausinvestitionen durch das Land Berlin, um den Investitionsstau innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen, und ein Sonderinvestitionsprogramm zur Modernisierung der Notaufnahmen
- Die Modernisierung der Einsatzfahrzeuge der Berliner Feuerwehr und anderer Dienstleister
Überfüllte Notaufnahmen, lange Wartezeiten, zu wenig Personal. So sieht aktuell die Notfallversorgung in Berlin aus. 38 Rettungsstellen in den Berliner Kliniken versorgen die akuten Notfälle der Berliner*innen. Im Berliner Krankenhausplan von 2016 heißt es, dass die Inanspruchnahme der Notfallversorgung kontinuierlich zunehme. So stiegen die Alarmierungszahlen von Rettungsmitteln der Berliner Feuerwehr von 2008 bis 2013 um 16 Prozent. Auch die Notaufnahmen verzeichnen steigende Patient*innenkontakte (Zunahme von 2008 bis 2012 um 19 Prozent).
Allerdings werden nicht nur die Notaufnahmen stärker besucht, auch Praxisärzt*innen haben mehr denn je zu tun: Im Jahr 2016 habe man 31 Millionen Behandlungsfälle abgerechnet, 2006 waren es noch 23 Millionen – eine Steigerung um 35 Prozent. Die Hauptstadt wächst immer weiter, die Versorgung kommt nicht hinterher. Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, die jeweils eigenständig organisiert sind: der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die bestehenden Strukturen orientieren sich nur unzureichend an den Bedürfnissen der Patient*innen. Die vermehrte Nutzung von medizinischer Versorgung in Kombination mit den demografischen Entwicklungen verlangen jedoch nach Reformen in Struktur und Organisation der Notfallversorgung, an vielen Stellen sind die Prozesse nicht optimal, wodurch alles noch länger dauert.
Falsche Patient*innen am falschen Ort?
Viele Patient*innen, die in Notaufnahmen behandelt werden, müssen dort gar nicht behandelt werden. Oft reicht eine hausärztliche Konsultation bei Alltagsbeschwerden, sie binden aber oft Ressourcen am Krankenhaus, die für eingelieferte Akut-Kranke und Schwerverletzte benötigt werden.
Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine sogenannte „Rettungsstellen-Gebühr“ erhoben wird. Sanktionen jeder Art sind nicht angebracht, wenn es um den Zugang zu medizinischer Notfallversorgung geht. Wir brauchen neue Ansätze. Oberstes Ziel muss es sein, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und ihnen aufzuzeigen, welche Alternativen wir bereits zu dem Besuch der Notaufnahme haben. Der ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung beispielsweise soll die Notaufnahmen in der Stadt entlasten – wird allerdings wenig genutzt und ist nicht ausreichend bekannt. Er hilft Menschen bei Erkrankungen, mit denen diese normalerweise eine*n Ärzt*in in einer Praxis aufsuchen würden, deren Behandlung aber aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Werktag warten kann. Eine Studie der Charité aus dem Jahr 2016 zeigte auf, dass Patient*innen „mehrheitlich (59 %) Notfallstrukturen der KV nutzen [würden], wenn sie vorhanden und bekannt wären. Allerdings kannten 55 % der Befragten den KV-Notdienst nicht.“
Ein weiterer Ansatz sind die sogenannten Portalpraxen. Außerhalb der Sprechstundenzeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen versorgen Vertragsärzt*innen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Patient*innen, bei denen keine akute Behandlungsdringlichkeit besteht – angebunden an die Räumlichkeiten der Notaufnahmen. Eine Überweisung zur weiteren Diagnostik in das Krankenhaus, wenn nötig, ist wie in ambulanten Praxen möglich. Akute Notfälle werden selbstverständlich weiterhin durch das Klinikpersonal versorgt. Die erste Portalpraxis wurde 2016 am Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn in Betrieb genommen. Aktuell existieren 11 Portalpraxen, darunter auch spezialisierte Portalpraxen für Kinder und Jugendmedizin. Weitere Praxen sind aufgrund des Erfolges geplant.
Chronisch überlastete Notaufnahmen
Wie in so ziemlich jedem Bereich in der Gesundheitsversorgung herrscht natürlich auch in Notaufnahmen ein Personalmangel, der Patient*innen, Ärzt*innen und Pflegende gefährdet und an die Grenzen ihrer Belastungsgrenzen bringt. Um dieses Problem zu lösen, muss die Erhöhung der Versorgungsqualität sowie der Effizienz im Vordergrund stehen. Wie aus einem Positionspapier des GKV (Gesetzliche Krankenkassen Vereinigung) Spitzenverbands zu entnehmen, sollen durch die Konzentration der Notfallversorgung von schwerwiegenden Erkrankungen und Verletzungen in hochspezialisierten Krankenhäusern Ressourcen und Expertise gebündelt werden, sodass die Patientinnen und Patienten von erfahrenem Personal behandelt werden und die Überlebenschancen steigen. Die spezialisierten Krankenhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte Notfälle regelmäßig versorgen, erfahrenes Fachpersonal vorhalten und zeitnah eine geeignete Diagnostik und Therapie einleiten können. Die Einbindung der Rettungsdienste spielt dabei eine wichtige Rolle, eine engere Verzahnung ist dringend notwendig.
Gleichzeitig müssen die Notaufnahmen in Berlin an die Bedürfnisse der Berliner*innen angepasst werden. So ist eine bessere Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal und eine räumliche und technische Modernisierung dringend notwendig. Patient*innen benötigen einfach zu findende Notaufnahmen, die barrierefrei bei jeder Wetterlage zugänglich sind. Das Personal der Notaufnahmen benötigt die Ausstattung mit modernsten Geräten und ausreichend Material, um die Menschen zu versorgen. Räumlichkeiten zur Erholung sind ebenfalls bei der Modernisierung zu bedenken. Zusätzlich dazu muss das Personal regelmäßig fortgebildet werden, um die Versorgung auf wissenschaftlich hohem Niveau zu gewährleisten.
Das Mitte 2018 vom gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene Stufenkonzept zur Neuordnung der Notaufnahmen verstärkt die Bündelung der Fachexpertise in Kompetenzzentren. Durch dieses Konzept werden drei Stufen der Notfallversorgung geschaffen. Je größer oder schwerwiegender der Notfall, werden Notaufnahmen der entsprechenden Notfallstufen von den Rettungsdiensten angefahren. Ein ähnliches Konzept ist in der Versorgung von schwersten Brandverletzungen bereits etabliert und findet sich in den Fachabteilungen des Unfallkrankenhauses Berlin wieder. Die Bereitstellung von maximal versorgenden Notaufnahmen ist aus regionaler Sicht und auch medizinisch-pflegerischer Sicht nicht sinnvoll. Daher bietet das Stufenkonzept die Möglichkeit, dass die breite Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann und gleichzeitig keine Zeit verloren geht, wenn die Rettungsdienste die falsche Notaufnahme anfahren.
Die weitere Digitalisierung der Rettungsdienste ist dringend erforderlich. Berlin geht mit dem System IVENA einen ersten Schritt, aber das reicht noch nicht. Bereits im Krankenwagen kann mit der Diagnostik begonnen werden, jedoch müssen diese Daten auch ins Krankenhaus gelangen. Eine über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg vernetzte Notfallinfrastruktur ist dringend geboten und rettet Leben.
Neuordnung des Finanzierungskonzepts
Dazu bedarf es auch neuer Ansätze zur Finanzierung der Notaufnahmen. Bisher zahlen die Krankenkassen ein Pauschalbetrag für die Diagnose – egal ob die*der Behandelte diese in einer Praxis erhält oder in der Notaufnahme. Im Gegenzug muss die Klinik jedoch ein ungleich höheres dieses Betrages ausgeben, um die Abläufe der Notaufnahme sicherzustellen. Nicht dringliche Behandlungen belasten daher die Kliniken finanziell. Ein neues Finanzierungsmodell zur Notfallversorgung ist daher parallel zum Ausbau der Portalpraxen dringend notwendig. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass niedergelassene Ärzt*innen weniger Geld für ihre Behandlungen erhalten. Im Gegenteil sollten Anreize geschaffen werden, Bereitschaftszeiten einzurichten und die Praxen für Patient*innen mit geringfügigen Beschwerden auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte es für niedergelassene Ärzt*innen attraktiver werden, sich zur*m Notfall- und Akutmediziner*in weiterbilden zu lassen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Einrichtungen zur Rettung von Leben, den Grundgedanken der Krankenhausfinanzierung folgen müssen. Jeder Mensch hat es verdient, dass es durch die beste Einrichtung und dem nötigen Personal gerettet wird. Daher wäre, im Sinne der dualistischen Finanzierung, dringend geboten, dass das Land Berlin seine Investitionen in die Ausstattung der Notaufnahmen und angeschlossenen diagnostischen Einrichtungen erhöht und auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Weiterhin muss das Personal kostenneutral durch die Krankenversicherungen finanziert werden. Pauschalbeträge können die Aufwendungen für einen individuellen Notfall nicht adäquat abbilden. Daher ist es geboten, dass sämtliche Maßnahmen, die medizinisch-pflegerisch indiziert sind, von der Krankenversicherung getragen werden.
Wir fordern:
- Die Reformierung der Finanzierung von Notaufnahmen
- Regelmäßig verpflichtende Weiterbildungen für das an der Notfallversorgung beteiligte Personal
- Ausbau von Portalpraxen mit kostendeckender Finanzierung durch die kassenärztliche Vereinigung und mit verlässlichen Öffnungszeiten, zu denen keine praxisärztliche Versorgung mehr gewährleistet ist
- eine Imagekampagne für den Bereitschaftsdienst der KV (116 117) mit dem Ziel, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und die Rettungsdienste zu entlasten
- eine bessere Ausstattung der Notaufnahmen und Zentralisierung der Notfallversorgung
- Die kassenärztliche Vereinigung muss Anreize schaffen, um die Sprechzeiten niedergelassener Hausärzt*innen im allgemeinen auszuweiten und ggf. Bereitschaftszeiten einzurichten und neue Praxen zu eröffnen
- Die Erhöhung der Krankenhausinvestitionen durch das Land Berlin, um den Investitionsstau innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen, und ein Sonderinvestitionsprogramm zur Modernisierung der Notaufnahmen
- Die Modernisierung der Einsatzfahrzeuge der Berliner Feuerwehr und anderer Dienstleister
Überfüllte Notaufnahmen, lange Wartezeiten, zu wenig Personal. So sieht aktuell die Notfallversorgung in Berlin aus. 38 Rettungsstellen in den Berliner Kliniken versorgen die akuten Notfälle der Berliner*innen. Im Berliner Krankenhausplan von 2016 heißt es, dass die Inanspruchnahme der Notfallversorgung kontinuierlich zunehme. So stiegen die Alarmierungszahlen von Rettungsmitteln der Berliner Feuerwehr von 2008 bis 2013 um 16 Prozent. Auch die Notaufnahmen verzeichnen steigende Patient*innenkontakte (Zunahme von 2008 bis 2012 um 19 Prozent).
Allerdings werden nicht nur die Notaufnahmen stärker besucht, auch Praxisärzt*innen haben mehr denn je zu tun: Im Jahr 2016 habe man 31 Millionen Behandlungsfälle abgerechnet, 2006 waren es noch 23 Millionen – eine Steigerung um 35 Prozent. Die Hauptstadt wächst immer weiter, die Versorgung kommt nicht hinterher. Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, die jeweils eigenständig organisiert sind: der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die bestehenden Strukturen orientieren sich nur unzureichend an den Bedürfnissen der Patient*innen. Die vermehrte Nutzung von medizinischer Versorgung in Kombination mit den demografischen Entwicklungen verlangen jedoch nach Reformen in Struktur und Organisation der Notfallversorgung, an vielen Stellen sind die Prozesse nicht optimal, wodurch alles noch länger dauert.
Falsche Patient*innen am falschen Ort?
Viele Patient*innen, die in Notaufnahmen behandelt werden, müssen dort gar nicht behandelt werden. Oft reicht eine hausärztliche Konsultation bei Alltagsbeschwerden, sie binden aber oft Ressourcen am Krankenhaus, die für eingelieferte Akut-Kranke und Schwerverletzte benötigt werden.
Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine sogenannte „Rettungsstellen-Gebühr“ erhoben wird. Sanktionen jeder Art sind nicht angebracht, wenn es um den Zugang zu medizinischer Notfallversorgung geht. Wir brauchen neue Ansätze. Oberstes Ziel muss es sein, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und ihnen aufzuzeigen, welche Alternativen wir bereits zu dem Besuch der Notaufnahme haben. Der ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung beispielsweise soll die Notaufnahmen in der Stadt entlasten – wird allerdings wenig genutzt und ist nicht ausreichend bekannt. Er hilft Menschen bei Erkrankungen, mit denen diese normalerweise eine*n Ärzt*in in einer Praxis aufsuchen würden, deren Behandlung aber aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Werktag warten kann. Eine Studie der Charité aus dem Jahr 2016 zeigte auf, dass Patient*innen „mehrheitlich (59 %) Notfallstrukturen der KV nutzen [würden], wenn sie vorhanden und bekannt wären. Allerdings kannten 55 % der Befragten den KV-Notdienst nicht.“
Ein weiterer Ansatz sind die sogenannten Portalpraxen. Außerhalb der Sprechstundenzeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen versorgen Vertragsärzt*innen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Patient*innen, bei denen keine akute Behandlungsdringlichkeit besteht – angebunden an die Räumlichkeiten der Notaufnahmen. Eine Überweisung zur weiteren Diagnostik in das Krankenhaus, wenn nötig, ist wie in ambulanten Praxen möglich. Akute Notfälle werden selbstverständlich weiterhin durch das Klinikpersonal versorgt. Die erste Portalpraxis wurde 2016 am Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn in Betrieb genommen. Aktuell existieren 11 Portalpraxen, darunter auch spezialisierte Portalpraxen für Kinder und Jugendmedizin. Weitere Praxen sind aufgrund des Erfolges geplant.
Chronisch überlastete Notaufnahmen
Wie in so ziemlich jedem Bereich in der Gesundheitsversorgung herrscht natürlich auch in Notaufnahmen ein Personalmangel, der Patient*innen, Ärzt*innen und Pflegende gefährdet und an die Grenzen ihrer Belastungsgrenzen bringt. Um dieses Problem zu lösen, muss die Erhöhung der Versorgungsqualität sowie der Effizienz im Vordergrund stehen. Wie aus einem Positionspapier des GKV (Gesetzliche Krankenkassen Vereinigung) Spitzenverbands zu entnehmen, sollen durch die Konzentration der Notfallversorgung von schwerwiegenden Erkrankungen und Verletzungen in hochspezialisierten Krankenhäusern Ressourcen und Expertise gebündelt werden, sodass die Patientinnen und Patienten von erfahrenem Personal behandelt werden und die Überlebenschancen steigen. Die spezialisierten Krankenhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte Notfälle regelmäßig versorgen, erfahrenes Fachpersonal vorhalten und zeitnah eine geeignete Diagnostik und Therapie einleiten können. Die Einbindung der Rettungsdienste spielt dabei eine wichtige Rolle, eine engere Verzahnung ist dringend notwendig.
Gleichzeitig müssen die Notaufnahmen in Berlin an die Bedürfnisse der Berliner*innen angepasst werden. So ist eine bessere Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal und eine räumliche und technische Modernisierung dringend notwendig. Patient*innen benötigen einfach zu findende Notaufnahmen, die barrierefrei bei jeder Wetterlage zugänglich sind. Das Personal der Notaufnahmen benötigt die Ausstattung mit modernsten Geräten und ausreichend Material, um die Menschen zu versorgen. Räumlichkeiten zur Erholung sind ebenfalls bei der Modernisierung zu bedenken. Zusätzlich dazu muss das Personal regelmäßig fortgebildet werden, um die Versorgung auf wissenschaftlich hohem Niveau zu gewährleisten.
Das Mitte 2018 vom gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene Stufenkonzept zur Neuordnung der Notaufnahmen verstärkt die Bündelung der Fachexpertise in Kompetenzzentren. Durch dieses Konzept werden drei Stufen der Notfallversorgung geschaffen. Je größer oder schwerwiegender der Notfall, werden Notaufnahmen der entsprechenden Notfallstufen von den Rettungsdiensten angefahren. Ein ähnliches Konzept ist in der Versorgung von schwersten Brandverletzungen bereits etabliert und findet sich in den Fachabteilungen des Unfallkrankenhauses Berlin wieder. Die Bereitstellung von maximal versorgenden Notaufnahmen ist aus regionaler Sicht und auch medizinisch-pflegerischer Sicht nicht sinnvoll. Daher bietet das Stufenkonzept die Möglichkeit, dass die breite Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann und gleichzeitig keine Zeit verloren geht, wenn die Rettungsdienste die falsche Notaufnahme anfahren.
Die weitere Digitalisierung der Rettungsdienste ist dringend erforderlich. Berlin geht mit dem System IVENA einen ersten Schritt, aber das reicht noch nicht. Bereits im Krankenwagen kann mit der Diagnostik begonnen werden, jedoch müssen diese Daten auch ins Krankenhaus gelangen. Eine über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg vernetzte Notfallinfrastruktur ist dringend geboten und rettet Leben.
Neuordnung des Finanzierungskonzepts
Dazu bedarf es auch neuer Ansätze zur Finanzierung der Notaufnahmen. Bisher zahlen die Krankenkassen ein Pauschalbetrag für die Diagnose – egal ob die*der Behandelte diese in einer Praxis erhält oder in der Notaufnahme. Im Gegenzug muss die Klinik jedoch ein ungleich höheres dieses Betrages ausgeben, um die Abläufe der Notaufnahme sicherzustellen. Nicht dringliche Behandlungen belasten daher die Kliniken finanziell. Ein neues Finanzierungsmodell zur Notfallversorgung ist daher parallel zum Ausbau der Portalpraxen dringend notwendig. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass niedergelassene Ärzt*innen weniger Geld für ihre Behandlungen erhalten. Im Gegenteil sollten Anreize geschaffen werden, Bereitschaftszeiten einzurichten und die Praxen für Patient*innen mit geringfügigen Beschwerden auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte es für niedergelassene Ärzt*innen attraktiver werden, sich zur*m Notfall- und Akutmediziner*in weiterbilden zu lassen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Einrichtungen zur Rettung von Leben, den Grundgedanken der Krankenhausfinanzierung folgen müssen. Jeder Mensch hat es verdient, dass es durch die beste Einrichtung und dem nötigen Personal gerettet wird. Daher wäre, im Sinne der dualistischen Finanzierung, dringend geboten, dass das Land Berlin seine Investitionen in die Ausstattung der Notaufnahmen und angeschlossenen diagnostischen Einrichtungen erhöht und auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Weiterhin muss das Personal kostenneutral durch die Krankenversicherungen finanziert werden. Pauschalbeträge können die Aufwendungen für einen individuellen Notfall nicht adäquat abbilden. Daher ist es geboten, dass sämtliche Maßnahmen, die medizinisch-pflegerisch indiziert sind, von der Krankenversicherung getragen werden.