Antrag 138/II/2018 Urbane Sicherheit

Status:
Erledigt

1. Sicherheit für die Stadtgesellschaft

Berlin wächst dynamisch und steuert schon in den kommenden Jahren auf vier Millionen Einwohner zu. Weltoffenheit und Vielfalt zeichnen Berlin aus und machen die Stadt attraktiv. Menschen aus über 150 Nationen leben hier bereits zusammen. Ihre soziale und persönliche Sicherheit zu gewährleisten gehört zu den wichtigsten Herausforderungen einer verantwortungsvollen Stadtpolitik und ist damit eine zentrale Aufgabe der Berliner Sozialdemokratie.

 

Die Menschen in unserer Stadt befinden sich in verschiedensten Lebenssituationen und setzen sich unterschiedlichste Ziele. Sie müssen auf ein sicheres Umfeld vertrauen können. Viele Menschen, die zu uns kommen, suchen einen Platz, sich niederzulassen, sich eine Existenz aufzubauen und selbstbestimmt zu leben.

 

Berlin steht wie gegenwärtig keine zweite Stadt für diese Entwicklung. Voraussetzung für ein Gelingen ist dabei, dass die Menschen ihr Leben verlässlich planen können, weil sie in dieser Stadt soziale und persönliche Sicherheit finden – egal, ob sie für ihren Aufenthalt nur an einige Wochen oder aber an Jahrzehnte denken.

 

Mit dem Wachstum der Stadt gehen die Herausforderungen Hand in Hand. Quartiere entwickeln sich unterschiedlich. Was gestern eine einfache Wohngegend war, wird in atemberaubender Geschwindigkeit hip und begehrt – und teuer. Dadurch treten aber auch Ungleichheiten viel stärker zu Tage als bisher. Die Räume zum Ausweichen werden kleiner. Der Druck auf diese Quartiere steigt und mit dem Druck die Verteilungskämpfe und die soziale Desintegration, die irgendwann auch zu offenen sozialen Spannungen, zu Gewalt und zu Kriminalität und damit im Ergebnis zu einer sozial-räumlichen Polarisierung führen. Unter einem solchen Prozess leiden vor allem diejenigen, die selbst am wenigsten für ihre Sicherheit aufbieten können. Sicherheit darf aber nicht vom Einkommen und Vermögen abhängen, sondern muss für alle gleichermaßen gewährleistet sein.

 

2. Die beiden Säulen der urbanen Sicherheit

Urbane Sicherheit bedeutet mehr als nur den unmittelbaren Schutz vor Kriminalität und Gewalt einerseits und mehr als nur die soziale Absicherung des Existenzminimums andererseits. Sie bedeutet vielmehr, zu fairen und verlässlichen Bedingungen für die eigene Existenz sorgen und friedlich und ohne Angst in unserer Stadt leben zu können.

 

Soziale Sicherheit

Nicht jeder Lebensentwurf geht auf, nicht jeder verläuft linear und ohne Brüche. Die Gründe, warum Menschen auf die Unterstützung des Staats angewiesen sind, sind vielfältig. Das kann sich im Bedarf von Transferleistungen äußern, aber auch in der Inanspruchnahme von Hilfseinrichtungen oder anderen Unterstützungsangeboten. Sie bieten soziale Sicherheit und sind deshalb unersetzlich. Soziale Sicherheit entsteht aber auch durch Regeln, die dem Schutz vor Willkür und wirtschaftlicher Übermacht dienen,  wo Menschen von anderen abhängig sind. Diese Situation kann bei einem Arbeits- oder Auftragsverhältnis ebenso entstehen wie bei einem Mietverhältnis. Dass „der Markt mehr hergibt“, darf  nicht der Maßstab sein. Für uns steht der gesellschaftliche Zusammenhalt im Mittelpunkt.

Um an der Gesellschaft unserer Stadt wirklich teilhaben zu können, sind zwei Voraussetzungen unerlässlich: Eine sichere wirtschaftliche Existenzgrundlage und ein angemessener Wohnraum. In Arbeitslosigkeit oder  Obdachlosigkeit ist eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft kaum möglich.

 

Persönliche Sicherheit

Wir alle wollen  in Berlin sicher sein vor Gewalt und Kriminalität – zuhause, auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit, im öffentlichen Raum. Dafür müssen wir klare Regeln für unser Zusammenleben normieren und ihre Einhaltung konsequent durchsetzen. Zu einem effektiven Rechtsstaat gehören eine gut aufgestellte Polizei – mit einer entsprechenden Einsatzstruktur – und einer ebenso gut aufgestellten Justiz, die handlungsfähig sind und ihre Bediensteten gut bezahlen. Sie gewährleisten, dass wir friedlich und sicher in unserer Stadtgesellschaft zusammenleben. Hierzu leisten ebenso die Berliner Feuerwehr, die  freiwillige Feuerwehr und die Rettungsdienste einen wichtigen Beitrag.

 

Kriminalität, Gewalt und Extremismus haben ihren Ursprung oft in sozialen Schieflagen. Dort müssen wir ansetzen und dafür sorgen, dass Menschen eine stabile Grundlage für ihr Leben in einem sicheren und sozialen Umfeld entwickeln können. Wo jemand nicht das Glück hat, von einer intakten Familie umgeben zu sein oder wenigstens in Kindergarten und Schule Anerkennung und Selbstvertrauen gewinnen zu können, müssen andere Einrichtungen Werte für ein friedliches Zusammenleben vermitteln. Damit schaffen wir auch unter schwierigen Voraussetzungen eine wirksame Prävention gegen ein Abdriften an die Ränder der Gesellschaft.

 

Persönliche Sicherheit setzt sowohl auf die konsequente Einhaltung und Durchsetzung der Regeln als auch auf Prävention  und Resozialisierung in Falle des Scheiterns.

Wir wollen die Ursachen  von Kriminalität, Gewalt und Extremismus beseitigen und Menschen einen sicheren Ort zum Leben geben, den sie selbst gestalten können, und sie nicht sich selbst überlassen – wir wollen eine integrierte und nachhaltige Sicherheitspolitik. Die persönliche Sicherheit im Sinne eines umfassenden Schutzes der Menschen vor kriminellen und extremistischen Bedrohungen und die soziale Sicherheit im Sinne eines stabilen Lebensumfelds, das ein selbstbestimmtes Leben und die Sicherung der eigenen Existenz ermöglichen, sind  die tragenden Säulen der urbanen Sicherheit.

 

3. Soziale Sicherheit

 

3.1 Gute Arbeit – das Fundament für eine sichere Existenz

Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren beim Abbau der Arbeitslosigkeit hervorragend entwickelt. Wir leben aber in einer Beschäftigungswelt, in der sich die Arbeitsverhältnisse immer häufiger verändern und oft nur unsichere Zukunftsaussichten bieten. Sei es, dass nicht mehr wirklich klar ist, wer Arbeit- oder auch nur Auftraggeber ist – und damit am Ende für die geleistete Arbeit aufkommt. Sei es, dass die Risiken der Tätigkeit einseitig auf den Ausführenden lasten und die eigentlichen Nutznießer nur am Profit partizipieren. Die Arbeitswelt in einer Millionenstadt ist eine andere als die in einem Flächenland. Die Anonymität der Metropole begünstigt hier leider allzu oft die schwarzen Schafe. Flächendeckende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-verhältnisse werden daher nur mit einem konsequenten Einsatz gegen Schwarzarbeit, gegen ein Unterlaufen des Mindestlohngesetzes und des Arbeitsschutzes sowie gegen Insolvenzbetrug durch eine eng zusammenarbeitende Verwaltung und hochspezialisierte Kräfte von Polizei, Zoll und Steuerfahndung zu erreichen sein.

 

Über allem muss jedoch auch ein übergreifender Konsens der Stadtgesellschaft stehen: Wer eine Leistung erbringt, hat Anspruch auf eine faire Entlohnung, gleich ob abhängig beschäftigt oder selbständig. Und: Wer sich an die Regeln hält, darf am Ende nicht „der Dumme“ sein, denn auch Wettbewerb fußt auf dem Grundgedanken von Fairness.

 

Bei den Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst und bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand geht Berlin bereits mit gutem Beispiel voran: So fallen z. B. bei den bislang besonders betroffenen Hochschulen die lange Zeit üblichen sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen  weg und treten ordentliche Dauerarbeitsverhältnisse an ihre Stelle. Denn unfreiwillige Beschränkungen auf Teilzeit und die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen schaffen – nicht nur im Hochschulbereich – ein Gefühl der Unsicherheit und wirken sich damit in vielen Fällen negativ auf die Lebensplanung aus.

 

Auch die Anhebung der Besoldung und Vergütung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes schreitet nach langen Jahren des  Sparens wieder voran. Wir wollen in dieser Legislaturperiode den Durchschnitt aller Bundesländer erreichen, um ihnen die gebotene Anerkennung und Wertschätzung für ihre Arbeit zu geben und um weiter – auch gegenüber dem Bund – wettbewerbsfähig zu sein. Dazu gehören auch attraktivere Arbeits- und Gehaltsbedingungen, die eine gute Balance von Beruf und Familie ermöglichen. Nicht nur der öffentliche Dienst unmittelbar, sondern auch alle, die für das Land Berlin in anderer Weise tätig werden, sollen diese Standards einhalten. Mindestlohn, Tariftreue, Arbeitsschutz und Steuerehrlichkeit sind bereits Vergabevoraussetzungen bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge in Berlin.

 

Unsere Anstrengungen für  soziale Sicherheit durch gute Arbeit  werden an dieser Stelle aber nicht enden. Trotz der guten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt werden manche Menschen nicht ohne Hilfe in den regulären Arbeitsmarkt eintreten können. Ihnen wollen wir eine Alternative zur Langzeitarbeitslosigkeit bieten:

 

Mit dem solidarischen Grundeinkommen schaffen wir ein völlig neues Instrument im Rahmen des Sozialsystems. Bis heute wird Langzeitarbeitslosigkeit zu oft nur verwaltet und führt  Arbeitslosengeld II in seiner gegenwärtigen Form zu oft nicht, wie erhofft, in den regulären Arbeitsmarkt, sondern zu prekärer Beschäftigung, Leiharbeit, grundlos befristeten Zeitarbeitsverträgen und schlecht oder gar nicht bezahlten Praktika. In Berlin sind aktuell fast 46.000 Menschen als langzeitarbeitslos registriert. Diesen Menschen eine Perspektive zu bieten, ist unser Ziel. Sie erhalten mit dem solidarischen Grundeinkommen soziale Sicherheit durch fair bezahlte Arbeit für Tätigkeiten in stadtgesellschaftlich relevanten Feldern, die mit den Beschäftigten des Landes Berlin bislang nicht abgedeckt werden. Gute Arbeit, existenzsichernd und sozial anerkannt, verbinden wir mit dem Organisieren gesellschaftlich notwendiger Tätigkeiten. So können in Zukunft verschiedene wichtige Dienstleistungen auch für Menschen erbracht werden, die sie zwar benötigen, bisher aber nicht bezahlen können.

 

Wir wollen mit der Einführung des solidarischen Grundeinkommens einen neuen Standard an sozialer Sicherheit erreichen, Arbeitsangebote mit Arbeitsuchenden zusammenbringen und Übergänge in den Arbeitsmarkt verbessern. Unser Ziel sind sozialversicherungspflichtige, unbefristete, freiwillig abgeschlossene Arbeitsverhältnisse auf Tarifbasis, deren Vergütung mindestens dem Mindestlohn entspricht. Die dafür erforderlichen Stellen werden durch die bezirklichen und die landeseigenen Unternehmen oder durch freie Träger im Auftrag des Landes geschaffen und angeboten. In Kombination mit der Bürgerversicherung entwickeln wir so eine echte und dauerhafte Absicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Altersarmut.

 

Auch denjenigen, die als Migrantinnen und Migranten seit vielen Jahren hier arbeiten, eine Ausbildung machen oder studieren und straffrei leben, soll eine dauerhafte Bleibeperspektive eröffnet werden.

 

3.2 Wohnraum – eine Lebensgrundlage

Immer häufiger können Menschen trotz ihrer Arbeit die Wohnung aufgrund steigender Mieten nicht mehr bezahlen oder suchen verzweifelt nach einer  bezahlbaren Wohnung. Diese Entwicklung müssen wir stoppen.

 

Verantwortungsvolle Politik muss erkennen, dass Menschen bezahlbare Wohnungen als sicheren Lebensraum für sich und ihre Familien benötigen und dass ihr Zuzug bzw. ihr Verbleib auch das wirtschaftliche Wachstum der Stadt und damit unseren Wohlstand entscheidend mitbestimmt. Für sie müssen wir Preistreibereien und Verdrängung durch Spekulationskäufe mit wirksamem Mieterschutz und einer funktionierenden Mietpreisbremse entgegentreten, vor allem aber auch in großem Umfang mit den städtischen Wohnungsgesellschaften neue Wohnungen bauen. Darüber hinaus unterstützen wir Menschen, die in Gruppen, ob als Genossenschaften oder in anderen Zusammenschlüssen, selbst Wohnraum für viele schaffen wollen.

 

Berlin benötigt dringend 30.000 neu gebaute Wohnungen. Dabei ist klar: Wohnungsbau braucht Zeit. Bereits in der letzten Legislaturperiode ist eine Vielzahl genehmigter Bauvorhaben auf den Weg gebracht worden. Dies reicht indessen nicht aus. Auch die aktuelle Projektierung und Genehmigung von Neubau muss mit der sich immer weiter dynamisierenden Nachfrage Wohnungssuchender Schritt halten, um den gestiegenen Bedarf decken zu können. Ihr Bau ist zwischen den Koalitionspartnern fest vereinbart; spätestens in der Mitte der Legislaturperiode muss sich zeigen, dass dieser realisiert wird.

 

Die eigene Wohnung ist der Rückzugsort und Lebensmittelpunkt der Menschen in der Stadtgesellschaft. Zu wissen, dass sie mit ihrer Familie eine sichere Basis haben, von der aus sie am Stadtleben teilhaben können, ist von unschätzbarem Wert. Eine große Rolle spielt dabei, in welchem Umfeld sich der Wohnort befindet: „Können unsere Kinder hier auf eine gute Schule gehen? Finden wir für sie einen Platz in einer erreichbaren Kita? Habe ich die Möglichkeit, in der Nähe einzukaufen, mit dem ÖPNV zur Arbeit zu kommen, und eine Nachbarschaft, in der ich auf Dauer gerne und sicher lebe?“ Diese Fragen stellen sich Menschen, wenn sie sich die Quartiere ansehen, in denen ihnen eine Wohnung angeboten wird. Mit entsprechender Planung, die dies berücksichtigt, machen wir Stadtviertel attraktiv für Menschen. Dazu gehört auch die kreative und attraktive Bebauung in der Innenstadt, die vorhandene Strukturen berücksichtigt und Widerstände gegen eine Bebauung im Dialog mit den Anwohnern überwindet.

 

3.3. Bildung, Kinder und Familie – sicher in die Zukunft

Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen sichere Lebensbedingungen und eine sichere Umgebung. Nur so haben sie faire Chancen auf selbstbestimmte Lebensentscheidungen genauso wie auf eine gelingende Alltagsbewältigung auf der Grundlage eines wachsenden Selbstvertrauens. Sie haben dabei Anspruch auf Schutz und Hilfe – ein Anspruch, der sich an die Eltern, die Erzieherinnen und Erzieher, die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch an alle anderen Menschen in ihrem Umfeld richtet.

 

Bis eine Erwerbstätigkeit es jungen Menschen erlaubt, auf eigenen Beinen zu stehen, bleiben Bildung und Familie die zentralen Schlüssel, eine individuelle Grundlage für soziale Sicherheit zu schaffen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Gebührenfreiheit unserer Bildungseinrichtungen, denn der Bildungserfolg darf nicht von der sozialen Herkunft abhängen. Von der Kita bis zu Hochschule ist Bildung in Berlin heute beitragsfrei und für alle zugänglich. Damit bestehen in unserer Stadtgesellschaft gleiche Bildungschancen, die auch tatsächlich erfolgreich genutzt werden können. Dafür wollen wir das Bewusstsein schärfen, die eigenen Chancen durch Bildung  als Grundlage für ein erfolgreiches und selbstbestimmtes Leben für alle erkennbar zu machen.

 

Beitragsfreiheit allein kann diese Voraussetzungen aber nicht schaffen. Daher investiert Berlin bereits in großem Umfang in Schulsanierung und Ganztagsbetreuung – Gebiete, auf denen unsere Stadt bereits heute bundesweit führend ist. Digitalisierung und Inklusion, interkulturelle Öffnung und auch eine praxisnahe Berufs- und Studienorientierung sind ebenfalls ein fester Bestandteil der Schulkonzepte.

 

Kinder und Jugendliche werden häufig zu Opfern von Gewalt. Ob im Kontext der Schule und anderen Bildungseinrichtungen, während der Ausbildung oder sogar im nachbarschaftlichen bzw. familiären Umfeld durch die eigenen Eltern oder andere nahestehende Personen. Das beeinflusst in vielen Fällen auch ihr späteres Verhalten als Erwachsene im Hinblick auf eigene Gewaltanwendung. Alle Bildungseinrichtungen müssen daher immer auch Schutzraum sein, in dem Angst und Gewaltausübung, gleich von welcher Seite, keinen Platz haben. Mit dieser Sicherheit entsteht das Bewusstsein, dass Gewaltausübung nicht selbstverständlich ist und auch niemals sein soll. Wir werden daher u. a. das neue Berliner Programm gegen Gewalt an Schulen finanziell stärken, um Gewaltprävention, die Beteiligung von Schülern und Eltern an der Schulentwicklung und Demokratiepädagogik zu fördern.

 

Der größte Risikofaktor für Kinder und Jugendliche beim Heranwachsen ist jedoch unverändert Armut. Sie zwingt oft zum Verbleib in einer gewaltbelasteten Umgebung, sie hält von der Wahrnehmung der vorhandenen Bildungschancen ab, sie motiviert zur Nachahmung gewaltbereiten Handelns und sie führt häufig genug zu einem schleichenden Abgleiten in die Kriminalität. Berlin setzt diesen Entwicklungen gezielt ein Programm zur Reduzierung von Kinderarmut mit verschiedenen Maßnahmen in allen Politikbereichen entgegen. Diese reichen von der „Frühen Hilfe“ rund um die Geburt über die Stadtteilmütter, das flächendeckende Kita-Angebot, die verlässlichen Ganztagsschulen und die freie Jugendarbeit bis zu den Jugendberufsagenturen. Dabei werden vor allem Alleinerziehende und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Eltern durch leistungsfähige Anlaufstellen unterstützt. Schließlich treten wir auf der Bundesebene für eine allgemeine Kindergrundsicherung ein.

 

4. Persönliche Sicherheit

 

4.1. Urbane Polizei- und Sicherheitsarbeit

Ohne klare Regeln gibt es keine funktionierende Gemeinschaft. Daher setzen wir uns für die konsequente Einhaltung gesellschaftlicher Regeln in der gesamten Stadt ein. Dies ist nicht nur eine Aufgabe der Polizei und der Justiz, sondern auch der Stadtgesellschaft insgesamt.

 

Die Bedrohung durch Gewaltkriminalität und Eigentumsdelikte ist  für viele Menschen verstörend. Opfer solcher Straftaten zu werden oder gar geworden zu sein, ist hoch belastend. Diese Bedrohung, ausgehend vor allem durch die sog. organisierte Kriminalität, stellt aktuell die größte Gefahr für die persönliche Sicherheit im urbanen Umfeld dar.

 

Kriminelle arabische Clans, Rockergruppen und reisende  Banden haben    – nicht nur in Berlin –  zu lange zu wenig Widerstand seitens des Rechtsstaats und der Stadtgesellschaft erfahren. Mit Drogenhandel, Korruption, Schutzgelderpressung, Geldwäsche, Glücksspiel, Menschenhandel, Steuerhinterziehung, Raub- und Eigentumsdelikten haben sie vielen Menschen und der Allgemeinheit insgesamt geschadet und illegales Vermögen an sich gebracht, das sie  in den regulären Wirtschaftskreislauf einschleusen wollen. Das dürfen wir nicht dulden. Daher werden wir die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte  personell und materiell aufstocken, um den  Verfolgungsdruck auf die Täterinnen und Täter deutlich zu erhöhen. Zudem werden wir weitere Maßnahmen prüfen, um entsprechende kriminelle Strukturen aufzubrechen.

 

Zu einer erfolgreichen Gefahrenabwehr gehört eine gute Ausstattung. Hier ist seit Antritt der neuen SPD-geführten Koalition bereits wichtiges geleistet worden, angefangen bei der massiven Erhöhung der Ausbildungszahlen für den Polizeivollzugsdienst wie auch bei der Beschaffung modernster Ausrüstung und Logistik und der viel engeren Verzahnung der einzelnen Sicherheitsbehörden beim Informationsaustausch. Eingeschlossen werden müssen hier jedoch auch weitere Möglichkeiten der Informationsgewinnung und der Beweissicherung. Das betrifft unter anderem die partielle und temporäre Einführung von Videoüberwachung an kriminalitäts-belasteten Orten. Die Menschen in der Stadt erwarten zu Recht, dass Straftaten im öffentlichen Raum wo immer möglich verhindert werden oder zumindest erleichtert aufgeklärt werden können.

 

Die hoheitlichen Aufgaben müssen wieder verstärkt vom Staat selbst hoheitlich in eigener Verantwortung die Hand genommen werden, die Privatisierung von Sicherheit – auch im Bereich der Sicherung der Liegenschaften – ist auf lediglich ergänzende Leistungen zurück zu führen und zu beschränken.

 

Eine weitere Bedrohung der persönlichen Sicherheit ist der Extremismus, denn er ist Vorbote und Wegbereiter des Terrorismus – ganz gleich ob rechtsextremistisch, linksextremistisch, islamistisch oder anderweit religiös bzw. weltanschaulich motiviert. Der unübersehbar zunehmende Rechtsextremismus – wie ihn auch der NSU Terror gezeigt hat – muss unnachgiebig entgegen getreten und bekämpft werden.

 

Berlin hat dies im Dezember 2016 durch den verheerendsten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in furchtbarer Weise erfahren müssen. Daraus müssen wir  Konsequenzen für die innere Sicherheit ableiten: Wir wissen, dass eine 100%ige Sicherheit vor Terroranschlägen in einer Stadt, in der wir in Freiheit leben wollen, nicht garantiert werden kann. Eine flächendeckende staatliche Überwachung der Menschen ist aber weder machbar noch wünschenswert. Aber wir müssen alles tun, um die Sicherheit in Freiheit so gut wie möglich zu gewährleisten. Daher werden wir den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden weiter  intensivieren und effektiver gestalten. Das gilt auch für ressortübergreifende Zusammenarbeit. Gleichzeitig müssen die gesetzlichen Grundlagen konsequent genutzt werden, um Extremisten möglichst frühzeitig zu erkennen  und gegen Gefährder frühzeitig vorzugehen. Soweit dies rechtlich möglich ist, sollten ausländische Gefährder – nach einem rechtsstaatlichen Verfahren – in ihre Heimatländer abgeschoben werden.  Hierzu brauchen die Sicherheitsbehörden weitreichende Möglichkeiten, um Informationen über die Szene zu erlangen und um in ihre Strukturen vorzudringen, um eventuelle Anschlagspläne zu vereiteln. Alle damit verbundenen Verfahren, vor allem  im asyl- und ausländerrechtlichen Bereich, werden wir beschleunigen. Im Justizvollzug müssen verstärkt Deradikalisierungsprogramme initiiert und verstärkt werden.

 

Auch allgemeine Sicherheitsbelange, vor allem im öffentlichen Raum, werden wir weiter mit hoher Priorität verfolgen. Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Grünanlagen, an Bahnhöfen und im Straßenverkehr ist eine wichtige  Voraussetzung dafür, dass Menschen sich in unserer Stadt „frei“ bewegen  können. Wir dulden keine „rechtsfreien Räume“ in der Stadt und gehen konsequent gegen Straftäter und Extremisten vor. Dies ist nur mit entsprechender personeller Präsenz zu erreichen –  das haben vor allem die Erfahrungen der vergangenen fünfzehn Jahre mit den zunehmend personalfreien Bahnhöfen im Nahverkehr deutlich gemacht. Daher wollen wir, dass auch U- und S-Bahnhöfe mit Personal besetzt sind und wir setzen uns dafür ein, die Fußstreifen der Polizei wieder verstärkt in der gesamten Stadt einzusetzen, um eine hohe Präsenz und Akzeptanz im öffentlichen Raum zu schaffen. Hierzu gehört auch eine städtebauliche Kriminalprävention, wie beispielsweise eine bessere Beleuchtung, die Schaffung von Sichtachsen, etc.

 

Aber auch die klassischen Regelverstöße im Straßenverkehr, Autorennen und Gewaltdelikte  müssen konsequent geahndet werden. Unterhalb der Ebene der Sicherheitsbehörden des Landes werden wir auch die Ordnungskräfte der Bezirke stärken. Dazu gehört, dass bestimmte Beschränkungen auf den Prüfstand gestellt und ggf. angepasst werden. So kann beispielsweise  der Einsatz der Ordnungsämter „rund um die Uhr“ ggf. für mehr Sicherheit beitragen, weil diese  gegen Verwahrlosung und Vermüllung an vielen Orten vorgehen können.

 

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung ist aber auch die konsequente Verfolgung und Verurteilung der Straftäterinnen und Straftätern mit der zeitnahen Verhängung empfindlicher Strafen und mit einem wirkungsvollen Haftvollzugswesen. Die Einstellung von Strafverfahren aufgrund unzureichender Personalausstattungen in Polizei und Justiz untergraben das Vertrauen in den Rechtsstaat.  Besonderes bei Wiederholungs- bzw. Mehrfachtäter und vor allem bei Intensivtätern sind zeitnahe und konsequente Sanktionen geboten. Die teilweise bestehende Tendenz, Strafverfahren eher einzustellen als anzuklagen, Strafen eher zur Bewährung auszusetzen oder die Freiheitsstrafe bereits nach sehr kurzer Zeit im offenen Vollzug zu vollziehen, ist für die Opfer nicht nachvollziehbar und trägt vor allem bei Wiederholungstätern nicht dazu bei, das Vertrauen in die Sicherheit und den Rechtsstaat zu stärken. Neue Konzepte wie der Staatsanwalt für den Ort und beschleunigte Strafverfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden werden auf die gesamte Stadt ausgedehnt. Zugleich bedarf es vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Straftäterinnen und Straftätern vielfältiger Angebote und Hilfen zu schnellen Resozialisierung, um deren Einsicht  zu wecken, dass sie selbst sich ändern müssen, um nicht mehr straffällig zu werden. Gelingt es, diese Einsicht zu wecken, ist das dafür aufgebrachte Geld gut angelegt und mit einem unmittelbaren Sicherheitsgewinn verbunden.

 

Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist der Zugriff auf das Vermögen von Täterinnen und Tätern. Denn mit diesem Geld dringen sie sonst in den legalen Wirtschaftskreislauf ein, ohne dabei im Geringsten ihre eigene Haltung zu Gewalt, Illegalität und Betrug zu verändern. Teil dieser Geldwäschebekämpfung ist für uns die Einrichtung eines zentralen bundesweiten Immobilienregisters. Ein Ziel, dass wir in diesem Zusammenhang weiter verfolgen werden, ist die Beweislastumkehr. Liegen tatsächliche konkrete Anhaltspunkte für illegal erworbenes Vermögen vor, muss der Betroffene  die Hinweise entkräften und im Zweifel nachweisen, dass sein Vermögen nicht aus Straftaten stammt.

 

Die Wirtschafts-, Steuer- und Cyberkriminalität bedeuten ebenso große Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie meist hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Daher werden wir auch gegen die „White Collar“ – Kriminelle entschiedener vorgehen. Das schließt eine Verschärfung der Manager- und Unternehmenshaftung mit ein.

 

Verbrechen darf sich nicht lohnen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Zugriff der Justiz auf illegal erworbenes Vermögen hat die SPD auf Bundesebene bereits geschaffen. Dieser Zugriff muss nun schnell und effektiv erfolgen.

 

4.2 Prävention – gut und „sicher“ angelegtes Geld

Wir sehen, dass sich die sozial-räumliche Entwicklung der einzelnen Quartiere unserer Stadt auch in unterschiedlicher Gewalt- und Kriminalitätsbelastung widerspiegelt. So unterscheidet sich die Sicherheitslage in den randstädtischen Großsiedlungen von der in den exklusiven Innenstadtquartieren. Das führt zu unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich der Präventionsarbeit vor Ort.

 

Dabei liegt eine erfolgreiche Prävention in den Händen vieler Akteure. So haben quartierbezogene Maßnahmen die Nachbarschaften und den Stadtteil zum Ausgangspunkt. Die Bündelung vorhandener Ressourcen, Kontakte in verschiedene Milieus, Projektarbeit und konkrete Einzelfallbetreuung können häufig auch mit Hilfe gewachsener zivilgesellschaftlicher Strukturen, Vereinen und Initiativen vor Ort organisiert werden, ohne dass jedes Mal zuerst eine Behörde eingreifen muss. Dies hilft sicherzustellen, dass auch in Quartieren mit geringeren sozialen Ressourcen und mit ausgeprägten sozialen Konflikten  Sicherheit für den einzelnen gewährleistet wird.

 

Ein zentraler Akteur des Gesamtkonzepts für eine wirksame Prävention ist und bleibt jedoch auch weiterhin die Polizei. Mit den Präventionsbeauftragten der Polizeiabschnitte, den Arbeitsgebieten interkulturelle Aufgaben (AGIA) der Direktionen und mit der Zentralstelle für Prävention beim Landeskriminalamt leistet die Polizei einen entscheidenden Beitrag zur Prävention, u. a. durch die Zusammenarbeit mit Schulen, Vereinen, Flüchtlingsunterkünften, Quartiersmanagement, Kirchen, Moschee-Vereinen und anderen Einrichtungen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrung werden laufend ausgewertet und die Arbeitsweise den sich verändernden Bedingungen stetig angepasst. Perspektivisch wird aus dieser auf Bündnisarbeit ausgerichteten Präventionsstrategie und den zunächst einzelräumlich wirkenden Präventionsansätzen daher ein Gesamtkonzept zur Gewaltprävention entwickelt.

 

Eine wichtige strategische Entwicklung verläuft parallel zu diesem Prozess. In einer vielfältigen Stadtgesellschaft wie der unseren ergeben sich für die Handlungsfähigkeit wie auch für die Akzeptanz der Polizei enorme Vorteile, wenn sich diese Vielfalt auch in ihrer personellen Zusammensetzung selbst widerspiegelt. Das betrifft alle Facetten, darunter vor allem auch Alter, Herkunft und Geschlecht. Diese Vielfalt werden wir daher weiter fördern, ohne dabei jedoch von den gegenwärtig bestehenden hohen Anforderungen an die Bewerberinnen und Bewerber abzuweichen.

 

4.3 Eine demokratische Kultur schafft Sicherheit

Unser Grundsatz, „mehr Demokratie wagen“ und Demokratie auch zu leben, bleibt unser Leitbild. Daran vermag kein Extremismus oder Fanatismus etwas zu ändern. Auch bei völliger Aufgabe der Freiheit gäbe es keine absolute Sicherheit und wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen. Wir werden sie mit rechtsstaatlichen Mitteln verteidigen. Und wir werden zeigen, dass unser Rechtsstaat unsere Freiheit verteidigen kann.

 

Unsere Demokratie braucht eine Kultur des gleichen Respekts für alle Menschen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit werden wir niemals dulden, denn sie setzt auf Verunsicherung der Betroffenen und auf Ausgrenzung durch Diskriminierung und Herabwürdigung. Deshalb bauen wir auch das Landesprogramm „Demokratie, Vielfalt, Respekt – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ deutlich weiter aus.

 

Mit dem Berliner Landesprogramm zur Radikalisierungsprävention reagieren wir auf die spezifischen Gefahren islamistischer Radikalisierung vor allem junger Menschen. Methodisch wichtig ist dabei die Aufklärung über propagandistische Vorgehensweisen und Rekrutierungsmethoden radikaler Gruppierungen und die Folgen von Radikalisierung, insbesondere der Ausreise in Krisengebiete und der Teilnahme an Kampfhandlungen. Für Menschen, die alle diese Schwellen bereits überschritten haben, wollen wir weiter Programme zur Deradikalisierung fördern.

 

Demokratisches Verständnis öffnet den Weg zu einer gewaltfreien Gesellschaft. Aber Sicherheit ist mehr als die Abwesenheit von Gewalt.

 

Die Berliner SPD steht für die urbane Sicherheit, denn nur eine Stadt, die die soziale und persönliche Sicherheit in Einklang bringt, ist eine solidarische Stadtgesellschaft.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 02.1/II/2018 in der Fassung der Antragskommission (Konsens)