Antrag 128/II/2024 Linke Politik auch bei Gegenwind - stabil stehen gegen Rechte Raumnahme

Status:
Nicht abgestimmt

Unsere Gesellschaft erlebt gegenwärtig eine beängstigende Gegenwart von rechten Gedankenguts in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Seien es die jüngsten Europawahlergebnisse der AfD, die Störungsaktion von Faschist*innen beim CSD oder das Entstehen einer neuen rechtsextremen Jugendkultur: Rechtsextreme Akteur*innen fühlen sich im Aufwind und versuchen, einen größer werdenden Raum in unserer Gesellschaft einzunehmen. Während Konservative bis hin zu Teilen der SPD annehmen, dass sie durch eine Übernahme rechter Narrative politischen Erfolg erzielen, stellen wir uns dieser Raumnahme von Rechts entgegen. Die beste Antwort auf schlechte Politik von rechts ist gute Politik von links! Wenn sich rechtsextreme Jugendgruppen wieder organisieren, sich zum Kampfsport treffen und linke Orte und Aktivist*innen angreifen, trotzen wir dem Gegenwind und kämpfen weiterhin für eine sozialistische und solidarische Gesellschaft. Denn der Kampf für diese Gesellschaft ist für uns die tatsächliche Antwort gegen Rechte Narrative.

 

Intersektionaler Antifaschismus

Wir betrachten den Kampf gegen Rechts intersektional. Die Unterdrückungs- und Diskriminierungsmechanismen in unserer Gesellschaft sind vielfältig und verstärken sich gegenseitig. Demzufolge dürfen sie nicht als isolierte Probleme oder Einzelfälle betrachtet werden. Antisemitische Straftaten, rassistische Ausschreitungen, misogyne Strukturen und andere Formen von Diskriminierung und Gewalt geschehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind explizites Ergebnis eines rechtsextremen Weltbildes, das gesellschaftlich verfängt und Wurzeln schlägt. Der Kampf gegen Rechts ist für uns also gleichermaßen ein Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit und weitere Diskriminierungsformen.

Zudem stehen wir solidarisch an der Seite diskriminierter Gruppen und Betroffener rechter Gewalt. Viel zu oft werden Opfer rechtsextremer Straftaten nicht als solche anerkannt und ein rechtsextremes, geschweige denn ein politisches, Motiv wird immer noch viel zu häufig geleugnet. Auch hier fehlt es an einem intersektionalen Verständnis in der Justiz- und Aufklärungsarbeit. Darüber hinaus ist der Schutz von vulnerablen Gruppen zentral. Zu häufig werden die Taten als Einzelfälle bagatellisiert, Zusammenhänge nicht erkannt oder auf vermeintliche psychische Krankheiten verwiesen, statt eine Rechtsradikale Gesinnung als Tatmotiv anzuerkennen. Dies verhindert nicht nur einen umfassenden Kampf gegen Rechts, der verschiedenen Taten als zusammenhängend begreift, sondern diffamiert auch Menschen mit psychischen Erkrankungen, indem es sie in die Nähe von Rechtsexetremist*innen stellt. Menschen, die Ziel von rechter Gewalt und Diskriminierung sind, brauchen Schutzräume und es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, entsprechende Möglichkeiten zur Selbstorganisation, Solidarisierung und Vernetzung sicherzustellen und den Widerstand gegen rechte Ideologien und Gewalt auf allen Ebenen zu ermöglichen.

Der Kampf gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ist integraler Bestandteil antifaschistischer Arbeit und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Von 2022 auf 2023 haben sich antisemitische Straftaten verdoppelt und auch im ersten Halbjahr 2024 ist ein Anstieg antisemitischer Gewalt zu verzeichnen. Dem Versuch der Vereinnahmung des Diskurses rund um den gesellschaftlichen Antisemitismus von konservativer und rechter Seite stellen wir uns entschieden entgegen und verurteilen die bewusste populistische Scharfmache und Hetze gegen Muslim*innen und als muslimisch gelesene Personen in Folge des 07. Oktobers 2023 und des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, ebenso wie wir Angriffe auf Jüdinnen*Juden seit dem 7. Oktober verurteilen. Im Rahmen des zivilgesellschaftlichen Lagebildes antimuslimischer Rassismus für das Jahr 2023 wurden knapp 2000 Fälle im Zusammenhang mit antimuslimischem Rassismus dokumentiert, was einem Anstieg von rund 114 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

All das zeigt, dass eine eindimensionale antifaschistische Strategie weder nachhaltig ist, noch verhindert sie die Reproduktion von eben jener Mehrfach-Diskriminierung. Unser Anspruch eines intersektionalen Antifaschismus erfordert es, dass wir unsere eigenen Strukturen und Strategien immer wieder kritisch hinterfragen und uns dafür einsetzten, dass dieses Prinzip nicht nur Teil unserer Diskursräume bleibt, sondern gesamtgesellschaftliche Anknüpfungspunkte bildet und sich auch in konkreter Politik widerspiegelt.

Wir fordern:

  • die klare Benennung von durch rechte Ideologien motivierte Straftaten als rechte Gewalt.
  • die Förderung und den Ausbau queerer Projekte und die Sicherstellung von queeren Schutzräumen.
  • die Erhaltung und Entstehung linker Jugendclubs, als wichtiges und demokratieförderndes Angebot für junge und linke Diskursräume.
  • eine intersektionale Schwerpunktsetzung bei Anlaufstellen rechter Gewalt, um der Gefahr einer Individualisierung rechter Gewalt zu begegnen.
  • die Förderung und Finanzierung von Bildungs- und Aufklärungsprojekten, die sich gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus einsetzen.
  • Eine intensivere Parteienbildung und kritische Auseinandersetzung sowie Einordnung der Werte und Geschichte von Parteien und Parteiprogrammen in den Schulen. Dies muss jahrgangsübergreifend vor jeder Bundestagswahl und auch zusätzlich zum schulischen Politikunterricht gewährleistet sein.
  • die Förderung und Finanzierung von marginalisiertem Leben, durch Unterstützung der Gemeinden, Vereine und Initiativen, um sie als sichtbaren Teil der Stadtgesellschaft zu stärken.

 

Kampf gegen die AfD

Rechte Narrative sind breit in der Gesellschaft verankert und treten nicht als Randphänomene oder Einzelfälle auf. Sie durchziehen gesellschaftliche Schichten, Berufsfelder und die verschiedensten Gruppierungen. Studien zeigen, dass diese Narrative nicht neu sind, sondern bereits seit vielen Jahrzehnten in der Gesellschaft breit vertreten werden. Durch die Gründung der AfD und der damit einhergehenden ständigen Präsenz rechten Gedankenguts im öffentlichen Diskurs haben sich diese Meinungen lediglich artikuliert, verstärkt und in politische Macht übersetzt. Deutlich wird dies nicht nur in Verschiebungen dessen, was in Diskussionen gesellschaftlich als “Meinungen” akzeptiert wird, oder in tätlichen Angriffen auf marginalisierte Gruppen oder linke Gruppierungen und Projekte. Es zeigt sich ebenso in den hohen Zustimmungswerten für die AfD in Umfragen und bei den letzten Wahlen. Mit 11,6% bei der Europawahl in Berlin wurde die AfD die viertstärkste Partei, nur knapp hinter der SPD. In Marzahn-Hellersdorf (25,3%), Lichtenberg (17,5%) und Treptow-Köpenick (17,3%) wurde sie sogar stärkste Kraft. Über alle Altersgruppen hinweg schafft es die AfD Wähler*innen zu motivieren. Für uns ist klar: Faschismus, Rassismus und Antisemitismus sind keine Meinungen. Wer die AfD wählt, macht sich mitschuldig.

Nicht erst die Recherchen des journalistischen Kollektivs „Correctiv” Anfang Januar 2024 machen deutlich, welche Gefahr von der AfD und ihrer Gefolgschaft ausgeht. Schon lange sorgen rechte und rechtsextreme Kräfte für eine aktive Gefahr für vor allem marginalisierte Gruppen. Die Partei ruft aktiv zur Gewalt gegen alle auf, die nicht in ihr rassistisches, antisemitisches, sexistisches und queerfeindliches Weltbild passen. Beispiele hierfür gibt es viele.

Auch wenn ein Parteiverbot das rechte Gedankengut nicht verschwinden lässt, so bleibt es trotzdem ein wichtiges Mittel, um zu verhindern, dass der parlamentarische Arm des Faschismus in Deutschland erneut an die Macht gelangt. Parteien gelten nach Artikel 21 Abs. 2 GG als verfassungswidrig, wenn ihre Ziele oder das Verhalten ihrer Anhänger darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die AfD versucht systematisch, durch Hintergrundstrukturen, grundlegende Prinzipien unserer Verfassung und die Achtung der Menschenrechte abzuschaffen und kämpft gegen demokratische Strukturen, indem sie politische Gegner*innen diffamiert oder abschaffen will. Erst Anfang August 2024 hat Tino Chrupalla, der Bundesvorsitzende der AfD, bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen gesagt, „diese SPD [sei] endgültig für den Schafott geeignet“. Das Schafott diente bis ins 18. Jahrhundert der öffentlichen Enthauptung. Die logische Konsequenz aus einem solchen Verhalten und solchen Forderungen ist demnach ein Verbotsverfahren. Ein solches darf allerdings nicht, wie beim NPD-Verbotsverfahren, daran scheitern, dass sogenannte V-Leute des Verfassungsschutzes noch in Strukturen der AfD stecken. Gleichzeitig wissen wir auch, dass Spuren rechter Kräfte im Verfassungsschutz tief verankert sind. Strukturen und die Rolle des Verfassungsschutzes müssen daher kritisch betrachtet werden.

Das Verbotsverfahren mit dem Ergebnis eines Parteiverbots kann einige Zeit dauern. Bis dahin bleibt die AfD in Verwaltungen und Parlamenten bestehen und an demokratischen Prozessen beteiligt. Es muss für Demokrat*innen selbstverständlich sein, dass auf keiner Ebene – von der Kommune bis ins Europäische Parlament – mit der AfD zusammengearbeitet werden darf. In allen SPD- und Juso-Gliederungen müssen hierfür Unvereinbarkeitsbeschlüsse herbeigeführt werden, um diese Haltung zu untermauern.

Gleiches müssen wir ebenso von unseren Zählgemeinschafts- und Koalitionspartner*innen einfordern. Während die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD eigentlich per Parteitagsbeschluss ausgeschlossen hat, werden hier Stimmen deutlicher, die eine solche Zusammenarbeit für notwendig halten. In einer Forsa-Umfrage im August 2024 gaben 45% der über 1000 befragten CDU-Mitglieder an, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht auszuschließen. Das ist erschreckend. Es muss klar sein: Wer mit der AfD kooperiert, sich mit ihr Mehrheiten beschafft, von ihr in Ämter heben lässt oder ihre Anliegen unterstützt, kann nicht mit uns zusammenarbeiten. Solche Dammbrüche müssen das Ende von Koalitionen bedeuten. Alle demokratischen Parteien sind in der Pflicht, sich für unsere Demokratie einzusetzen und den aufsteigenden Faschismus zu bekämpfen. Das Mindeste hierfür ist, jegliche Zusammenarbeit und Legitimierung der AfD zu unterlassen.

Daher fordern wir:

  • Vereinsverbote für Vorfeldorganisationen der AfD sowie nahestehende Stiftungen
  • die Prüfung eines Antrages auf ein Verbot der AfD gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vorzubereiten und beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

 

Gegen Rechts im Internet

Besondere Sorge bereitet uns die Mobilisierung von jungen Menschen durch rechte Influencer*innen in den Sozialen Medien, insbesondere TikTok. Waren vor wenigen Jahren junge Menschen noch in der Regel progressiv eingestellt, erleben wir nun, dass rechts sein wieder cool geworden ist. Nicht selten treffen wir auf Minderjährige mit einem nahezu geschlossenen Rechten Weltbild. Während unsere Argumente komplex sind und häufig nicht in 30 Sekunden erklärt werden können, haben AfD-nahe Influencer*innen keine Probleme, ihr rechtes Weltbild in 30 Sekunden zu packen. Wir sehen hier das Risiko einer breiten Mobilisierung junger Menschen von Rechts, da beim Konsum rechter Inhalte auf Social Media andere Inhalte sehr schnell nicht mehr angezeigt werden. Als Jugendverband sehen wir es als unsere besondere Aufgabe, hier Aufklärungsarbeit zu leisten und ein demokratisches, inklusives Weltbild zu vermitteln.

 

Gegen Rechts in der ganzen Stadt

Berlin gilt weithin als linke, diverse, queere und offene Stadt. Aber auch in unserer Stadt gibt es Rechtsextremismus, rechte Gewalt und strukturelle Diskriminierungen, die auf rechten Narrativen beruhen. Durch die Wahlergebnisse der AfD fühlen sich viele rechte und rechtsextreme Personen bestätigt und treten verstärkt auch im öffentlichen Raum auf. Oft treten sie dabei in sichtbaren Gruppen auf, um Menschen einzuschüchtern. Dabei kommt es immer wieder zu verbalen und tätlichen Angriffen. Nicht alle diese Angriffe werden angezeigt – auch weil die Betroffen selbst teilweise schon Diskriminierung durch die Polizei erlebt haben.

Die Registerstellen, die verbale und körperliche Angriffe, sowie rechtsextreme Symbolik im öffentlichen Raum erfassen, sind hier eine wichtige Stelle, um das Ausmaß rechter Gewalt deutlich zu machen. Das Berliner Register, das in jedem Bezirk aktiv ist und aus öffentlichen Fördergeldern mitfinanziert wird, ist allerdings immer wieder Shitstorms von rechts ausgesetzt. Das Ziel dieser Kampagnen ist es, die Arbeit des Registers zu verhindern und somit rechte Gewalt jeder Form unsichtbar zu machen. Das darf nicht zugelassen werden.

Rechte Gewalt kann viele Formen haben, die auch in den verschiedenen Berliner Bezirken unterschiedlich auftreten können. Die rechtsextreme Kleinstpartei, der Dritte Weg, trainiert beispielsweise in Pankow in einer vom Bezirk bereitgestellten Halle Kampfsport, aber auch in Lichtenberg und Treptow-Köpenick gab es bereits größere Kampfsporttrainings. In Reinickendorf gibt es aufgrund der dort ansässigen AfD-Bundesparteizentrale regelmäßige Veranstaltungen mit Parteiprominenz der rechtsextremen Partei. Dies sind nur Beispiele, die illustrieren, dass rechte Gewalt und rechte Umtriebe ein gesamtstädtisches Problem sind, die sich aber lokal unterschiedlich zeigen können.

Wir sind solidarisch mit allen Antifaschist*innen, die sich diesen und anderen rechten Aktionen regelmäßig in den Weg stellen und unterstützen unsere Genoss*innen vor Ort. Dieser Antifaschismus auf der Straße muss allerdings stärker von praktischem Antifaschismus in den Bezirksverordnetenversammlungen und im Abgeordnetenhaus unterstützt werden. Dass Rechtsextreme in bezirklichen Sportstätten Kampfsport trainieren können, ist nicht akzeptabel.

In der aktuellen politischen Debatte werden Forderungen für einen entschiedenen Kampf gegen rechts schnell mit einer reflexartigen Gleichsetzung von Rechtsextremismus und ‚Linksextremismus‘ quittiert. Diese Reaktion ist nicht nur falsch, sie ist auch gefährlich. Über 1000 Rechtsextremist*innen werden aktuell mit Haftbefehl gesucht, über 100 von ihnen wegen Gewalttaten. 2022 wurde eine größere Gruppe rechtsextremer Reichsbürger*innen festgenommen, die konkrete Anschlag- und Umsturzpläne hatten. Eine der Festgenommenen saß mal für die AfD im Bundestag. Nach Angaben des Verfassungsschutzes, der nicht für ein konsequentes oder hartes Vorgehen gegen Rechts bekannt ist, gab es 2023 25.660 rechtsextremistische Straftaten, also mehr als 70 pro Tag. Die Anschläge von Halle, Hanau oder München hatten alle einen rechtsextremen Hintergrund. Die Täter und Anschläge waren keine Einzelfälle. Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für eine freie Gesellschaft. Das muss sich in politischen Maßnahmen endlich widerspiegeln, die zielgenau die verschiedenen Aspekte und Formen rechter Gewalt umfassen.

Daher fordern wir:

  • die Sicherstellung der Ausfinanzierung des Berliner Registers,
  • einen Maßnahmenkatalog des Abgeordnetenhauses spezifisch gegen die verschiedenen Ausprägungen rechte Gewalt und
  • den Ausschluss rechtsextremer Gruppen von der Nutzung öffentlicher Gebäude, Sportstätten und Grundstücken.

 

Gemeinsam Kämpfen – Voneinander Lernen

Rechtsextremismus ist und bleibt ein gemeinsames Problem aller demokratischen Akteur*innen in Ost und West. Nur gemeinsam können wir in allen Bereichen des öffentlichen Raumes gegen Rechts einstehen.

Gleichzeitig erkennen wir an, dass sich die Präsenz rechter Narrative sowie rechter Gewalt im öffentlichen Raum in Ost und West unterscheidet. Dies ist nicht auf eine besondere Anfälligkeit der ostdeutschen Bevölkerung für rechtes Gedankengut, sondern auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen. Der Infrastrukturverlust und die Erfahrungen in der Nachwendezeit, aber auch die Homogenität der Bevölkerung in der DDR und der Umgang der DDR mit den Vertragsarbeiter*innen sind zu nennen. Dazu zählt aber auch die gezielte Raumnahme durch westdeutsche rechtsextreme Akteur*innen in den 90ern und den 2010er Jahren. Das mangelnde Problembewusstsein handelnder Akteur*innen in Politik und Gesellschaft insbesondere in der CDU in den 90ern und bis heute, sowie Verharmlosungsstrategien jener Akteur*innen.

Die Folge dieser Situation ist das sich rechte Hegemonieräume entwickeln konnten und durch mangelnde Aufarbeitung von rassistischen Angriffen in den Baseballschlägerjahren, dem Versagen bei der Verfolgung des NSU sich diese Entwicklung bis heute fortgesetzt hat.

Die immer wieder von Populismus und rassistischen Vorurteilen getriebene Debatte um Geflüchtete und das Asylrecht nach 2015 haben, wie auch schon in den 90ern ein Resonanzraum gefunden in denen sie zur Legitimierung von Gewalt herangezogen werden.

Die Betroffenen dieser rechten Hegemoniestrategie sind BIPoCs, migrantisierte und queere Personen und FINTA*s, denn rechte Hegemonieräume sind weiße, cis-männliche Räume. Aber auch linke und antifaschistisch engagierte Menschen sind in diesen Räumen stark gefährdet. Ihnen allen gilt unsere Solidarität.

Während der Kampf gegen Rechts immer und überall geführt werden muss, erkennen wir dennoch, dass er in Ostdeutschland verstärkt mit körperlicher Gewalt verbunden ist. Dies gilt auch für die ehemaligen Berliner Ostbezirke im Vergleich mit den Westbezirken. Wir erkennen die unterschiedlichen Intensitäten des Kampfes gegen Rechts in Ost und West an und stellen uns diesem gemeinsam. Dabei hören wir einander zu und lernen von den Erfahrungen anderer.

 

Das S in SPD muss auch wieder für stabil stehen

Wir wissen, dass der Rechtsruck nicht nur eine Herausforderung für demokratische Kräfte, sondern lebensbedrohlich für viele Menschen ist. Seit Jahren müssen wir aber sehen, dass auch unsere eigene Partei zwar gerne auf Demos und Social Media Lippenbekenntnisse abgibt, die SPD sei die Brandmauer gegen Rechts, die seit 1863 Antifaschismus lebt. Zu Antifaschismus gehört für uns aber auch dazu, sich rechter Politik, wie Asylrechtsverschärfungen, entgegenzustellen, anstatt sie mitzutragen oder gar selber voranzubringen.

Auch die SPD steht nicht immer stabil, wenn es um den Kampf gegen Rechts geht. Die Gleichsetzung von Rechtsextremismus und ‚Linksextremismus‘ findet auch in Teilen der SPD immer wieder statt. Dass auch die Letzte Generation, die friedlich demonstriert, immer wieder in den Kontext von ‚Linksextremismus‘ gerückt wird, während rechtsextreme Terrorist*innen Menschen ermorden und konkrete Umsturzpläne für die Errichtung eines rechten Staates haben, zeigt, wie unpassend diese Gleichsetzung insbesondere in der Sozialdemokratie ist.

Die Übernahme rechter Narrativen, vor allem in der Migrations- und Asylpolitik, ist auch in der SPD immer mehrheitsfähiger geworden. Abschiebefantasien statt humaner Geflüchtetenpolitik basierend auf dem universellen Menschenrecht für Asyl gilt oft als SPD-Position. Aus unserer Sicht ist das nicht vereinbar mit der Grundidee der Sozialdemokratie. Auch wenn die Gesellschaft und gesellschaftliche Mehrheiten vermeintlich nach rechts abdriften, darf die SPD diesen nicht hinterherlaufen, sondern muss stabil gegen rechte Narrative stehen und stattdessen positive linke Zukunftsideen formulieren. Dazu gehört die Verteidigung des Rechts auf Asyl und der Widerspruch gegen menschenfeindliche Politik, wie Asylverfahren an der EU-Außengrenze.

Menschen, die von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischem Rassismus, Queerfeindlichkeit und jeder Art von Diskriminierung betroffen sind, müssen wissen, dass die SPD an ihrer Seite im Kampf gegen diese strukturellen Diskriminierungen steht. Menschen, die von Diskriminierungen betroffen sind, sind vom politischen und gesellschaftlichen Rechtsruck in besonderem Maße betroffen. Allerdings gibt es auch in der SPD immer wieder rassistische Debatten, nicht nur über das Asylrecht, sondern auch beispielsweise über antimuslimischen Rassismus, die Menschen ihre Diskriminierungserfahrungen absprechen. Hier braucht es klare Haltungen und Schulungen für Funktions- und Mandatsträger*innen unserer Partei, die sich mit verschiedenen Diskriminierungsformen auseinandersetzen.

Wir fordern daher:

  • keine Gleichsetzung von Rechtsextremismus mit ‚Linksextremismus‘ durch Sozialdemokrat*innen,
  • keine Übernahme rechter Narrativen durch die SPD,
  • sowie Schulungen für Funktions- und Mandatsträger*innen der SPD zu verschiedenen Diskriminierungsformen und Intersektionalität. Dies soll in Form von Workshops, Veranstaltungen und Kampagnen geschehen. Wir setzen uns dafür ein, dass insbesondere auch Antisemitismusprävention einen festen Platz in unserer politischen Bildungsarbeit einnimmt.

Die SPD darf sich auch in Wahlkämpfen nicht darauf ausruhen, „gegen Rechts” zu sein. Es braucht eine linke Sozialpolitik, eine mutige Umverteilungspolitik, die diejenigen in unserer Gesellschaft in den Fokus rückt, die am schlechtesten gestellt sind. Die Politik der SPD muss die Ängste und Sorgen der Menschen begreifen und ihnen mit Lösungen begegnen, statt Gruppierungen gegeneinander auszuspielen. Das Recht auf ein gutes Leben muss für alle gelten, uneingeschränkt.

 

Kämpfe kämpfen Hand in Hand

Die SPD hat in den vergangenen Jahren nicht nur das Vertrauen vieler linker und insbesondere auch junger Menschen verspielt, sondern auch die Hoffnungen und Zuversichtlichkeit vieler Bündnisse und Organisationen, insbesondere mit dem Eintritt in eine CDU-geführte Koalition in Berlin. Wir müssen feststellen, dass die SPD und auch wir Jusos nicht mehr automatischer Bündnispartner*innen von vielen stadtpolitischen und gewerkschaftlichen Bewegungen sind. Dabei ist es unser aller Aufgabe, das verlorengegangene Vertrauen zurückzuholen und mit ihnen zusammen unsere Stadt gerechter zu machen. Die Zusammenarbeit in Bündnissen erweitert dabei nicht nur unsere Arbeit um Perspektiven, die wir sonst nicht abbilden, sie ist auch notwendig für eine langfristige gesellschaftliche Veränderung. Diese Veränderung kann nicht nur durch parlamentarische Arbeit gelingen, sie muss auch auf der Straße und in der Breite der Gesellschaft ankommen und von einer breiten Masse getragen werden.

Gleichzeitig erkennen wir an, dass Parlamentarismus träge ist und noch nie als Wunderwaffen gegen erstarkenden Faschismus funktioniert hat. In unserer aktuellen Situation brauchen wir eine starke und einsatzbereite Antifa-Bewegung aus allen Teilen der Gesellschaft, wie sie sich beispielsweise in Essen gegen den jüngsten Parteitag der AfD formiert hatte. Wir unterstützen friedlichen Ungehorsam gegen Rechtsextreme, bspw. in Form von Sitzblockaden.  Wir fördern die nötigen Fähigkeiten für die Durchführung und Planung solcher Aktionen des zivilen Ungehorsams in unseren eigenen Reihen, wo wir können.  Politik wird nicht nur in Parlamenten gemacht, sondern auch auf der Straße. Dies ist schon immer Kern unserer Doppelstrategie gewesen.

Dafür dürfen wir nicht abwarten, dass sich Bündnisse und Initiativen an uns wenden, sondern müssen gezielt auf sie zugehen. Viele Genoss*innen sind bereits in Bündnissen und Initiativen aktiv. Diese Kontakte zu nutzen und weiter auszubauen ist und bleibt dabei nicht nur Aufgabe von Vorständen und Beauftragten, sondern muss durch die ganze Partei getragen werden. Das gilt ganz besonders auch für antifaschistische Bündnisse, deren wichtige Arbeit viel zu oft gesellschaftlich kleingeredet oder sogar kriminalisiert wird.

Die Bündnisarbeit der SPD muss dabei auf verschiedenen Säulen aufgebaut werden. Erstens: Die Partei sowie ihre AGen als solche können Teil von Bündnissen sein, diese finanziell wie organisatorisch unterstützen und als Teil dieses Bündnisses Veranstaltungen und etwa Demonstrationen mit organisieren. Hierfür werden aktive Mitglieder oder Vorstandsmitglieder als Vertretungen der Organisation in die Bündnisse entsandt. Die Teilnahme an solchen Bündnissen und Demonstrationen darf aber nicht dazu führen, dass die SPD sich als Partei profilieren will und etwa mit Fahnen in den Vordergrund drängt. Zweitens: Mitglieder der Partei oder der AGen können als weiteres Engagement, neben ihrem Parteiehrenamt, Mitglieder in Vereinen, Initiativen und Bündnissen sein und hier die Werte des demokratischen Sozialismus vertreten. Diese Form der Mitarbeit ist oft niedrigschwelliger und dient eher dem Vertrauensaufbau über Einzelpersonen zu Bündnissen und Gruppierungen, deren Vertrauen die SPD als Partei verspielt hat. Gleichzeitig stellt sie ein wichtiges Standbein für unsere politische Arbeit dar, da sie eine Diversifizierung von Engagement ermöglicht und so Perspektiven einbringt, die uns sonst fehlen würden. Sie kann lokaler erfolgen und so Probleme auf anderen Ebenen adressieren. Außerdem ermöglicht sie, die Arbeitslast auf mehrere Schultern zu verteilen und trägt dazu bei, dass etwa die antifaschistische Arbeit als grundlegende Aufgabe der Sozialdemokratie begriffen wird. Drittens: Insbesondere unsere Mandatsträger*innen haben die Aufgabe, den aktiven Austausch und die Zusammenarbeit mit linken Parteien nicht einschlafen zu lassen und gemeinsam auch auf parlamentarischer Ebene diese antifaschistischen Bündnisse und den gemeinsamen Kampf gegen Rechts auch über Koalitionsgrenzen hinweg weiterzuführen.

Wir fordern daher:

  • die Erarbeitung einer Bündnisstrategie der SPD unter Einbeziehung relevanter AGen, die in verschiedenen Bündnissen vertreten sind
  • eine Übersicht über die Bündnisse, in denen die SPD als Partei vertreten ist,
  • eine zentrale und niedrigschwellige Übersicht über Bündnisse und Initiativen, bei denen sich auch Basismitglieder engagieren können, inklusive möglicher Ansprechpersonen und
  • keine Zusammenarbeit mit der AfD – ob auf Bezirks-, Landes- oder Bundesebene.