Die Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Friedensprozess mit dem kurdischen Teil seiner Bevölkerung und der PKK beendet und ihr erneut den Kampf erklärt. Mittlerweile geht sie soweit neben Luftschlägen eine Bodeninvasion in die kurdischen Gebiete des Nordirak zu starten. Diese Schritte können nur mit innenpolitischen Erwägungen seitens des Staatspräsidenten, seines Ministerpräsidenten und der regierenden AKP erklärt werden. Sie wollen sich für die jetzt anstehenden Neuwahlen, die Stimmen der Nationalisten zur erneuten absoluten Mehrheit in der großen Volksversammlung sichern.
Dieser zynische und gefährliche Plan verlangt unsere entschiedene Ablehnung und unseren entschiedenen Einsatz, die Waffen von Türkinnen und Türken gegen Kurdinnen und Kurden zum Schweigen zu bringen. Die europäische Union, deren Mitglied die türkische Republik nach wie vor werden will und vor allem die NATO, in der die Türkei schon Mitglied ist, sollten ein besonderes Interesse haben ihren Einfluss geltend zu machen.
Ein zentraler Punkt in den Beitrittsverhandlungen mit der türkischen Republik, ist immer die Frage der Anerkennung und der Schutz der Minderheitenrechte in der Türkei gewesen. Das Beharren auf diese, für den europäischen Wertekanon essentiellen Garantie, hat zu zahlreichen positiven Reformen und ersten Schritten beider Seiten aufeinander zu geführt. Wenn die Europäische Union sich auf die Fahnen schreibt, mit dem Durchsetzen unserer Werte von Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz von Menschenrechten, positives in ihrem Einflussgebiet innerhalb und außerhalb der Union zu bewirken, darf sie dies nicht aufs Spiel setzen, wenn sich die Türkei vermeintlich auch dem Kampf gegen den so genannten IS verschrieben hat.
Der innertürkische Konflikt schwächt einen der wenigen und unbeugsamen Kämpferinnen und Kämpfer gegen den so genannten „Islamischen Staat“. Die PKK, die ihre Kräfte für diesen Kampf im Norden des Irak konzentriert, ist dadurch nicht nur gezwungen ihre Kräfte auf zwei „Fronten“ aufzuteilen, sondern wird gleichzeitig durch die Luftschläge der türkischen Luftwaffe empfindlich in ihrem Vorhaben im Nordirak geschwächt. Da uns allen aber an einem Erfolg im Kampf gegen den so genannten IS liegt, kann die vornehmliche Strategie von EU und NATO daher nur lauten, die Waffen innerhalb der Türkei und die Luftschläge gegen Stellungen der PKK zum Schweigen zu bringen. Es liegt auch an den beiden Institutionen ihren Einfluss geltend zu machen und die beiden im Konflikt beteiligten Parteien zur erneuten Waffenruhe zu bewegen. Nur wenn die PKK und die türkische Regierung ihre gegeneinander erhobenen Waffen nieder legen, hat die Welt wieder entschlossene Gegnerinnen und Gegner des so genannten „Islamischen Staats“.