Antrag 04/I/2023 Konsequente Aufarbeitung des Wahlergebnisses – SPD Berlin neu ausrichten

Status:
Überweisung

Die Berliner SPD hat bei dieser Wahl ihre Wahlziele nicht erreicht. Wir sind mit gerade 18,4 Prozent auf das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg abgerutscht und haben viele Direktmandate verloren. Die Menschen in Berlin sind mit dem aktuellen politischen Handeln dieser rot-grün-roten Koalition mit ihren wichtigsten Akteur*innen unzufrieden. Das hat diese Wahl klar gezeigt.

 

Besonders in den Innenstadtbezirken und -wahlkreisen sind die Ergebnisse mehr als ernüchternd. Auch in Mitte haben wir bei den vier vergangenen Wahlen kontinuierlich an Zuspruch verloren. Dies ist nicht nur in unserem Bezirk bzw. in Berlin zu beobachten, sondern auch in anderen Großstädten wie etwa Hamburg, Köln und München zu sehen. Dennoch sind die Verluste in ehemaligen sozialdemokratischen Hochburgen sehr schmerzhaft, vor allem weil die SPD dort teilweise hinter den Grünen, der CDU und den Linken auf Platz vier landete und nun nichts anderes als die politische Bedeutungslosigkeit droht – bisher gab es keine ausreichende Diskussion, wie dem begegnet werden kann.

 

Mit einer Strategie, die auch schon bei der Wahl 2021 vor allem auf die Außenbezirke gesetzt hat, haben wir die Menschen der Berliner Innenstadt noch stärker aus den Augen und deshalb auch ihre Stimmen verloren. Mit der gleichen Strategie mussten wir dieses Mal auch in den Außenbezirken große Verluste hinnehmen.

 

Berlin hat zwar viel investiert in den letzten Jahren: neben vielen Entlastungen für Familien, wie kostenlose Kita- und Hortplätze und kostenlosen ÖPNV für Schüler*innen wurde Ende letzten Jahres das größte Entlastungspaket eines Bundeslandes im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg und der Energiekrise auf den Weg gebracht, insbesondere auf Betreiben der SPD. Das war gut, war für die Wahlentscheidung vieler Berliner*innen aber bedauerlicherweise offensichtlich nicht maßgebend. Denn die drängendsten Probleme wurden nur sehr zaghaft angepackt: konsequenter Mieter*innenschutz/ und der erforderliche Bau bezahlbarer Wohnungen, eine in der ganzen Stadt funktionierende Verkehrswende, ein gutes Bildungssystem und eine leistungsfähige Verwaltung. Zudem hat die vielfach unklare Haltung der Berliner Sozialdemokratie und insbesondere der Umgang mit der schlecht organisierten Berlinwahl 2021 dazu geführt, dass viele Menschen kein Vertrauen mehr in die SPD hatten.

 

Die SPD hat den Anspruch, eine Volkspartei zu sein. Das bedeutet, dass wir Politik für die Menschen in der gesamten Stadt machen.

 

Wir sind eine Partei für Jüngere, Ältere, Berliner*innen und Zugezogene. Ein so verengter Wahlkampf, wie wir ihn betreiben, hat keinen Erfolg gebracht und wird auch in Zukunft nicht erfolgreich sein. Deswegen kommt es jetzt darauf an, wieder die Menschen in der gesamten Stadt in den Blick zu nehmen. Es kommt darauf an, die Stärken der SPD als Volkspartei der sozialen Gerechtigkeit zu betonen und zu nutzen.

 

Daher fordern wir:

  • Nach einem solchen Ergebnis darf es ein einfacher “Weiter so” nicht geben. Wenn wir wieder Wahlen gewinnen wollen, dann müssen wir diese Wahl offen und ehrlich auswerten und daraus auch die Schlüsse für die nächsten Wahlen ziehen. Die Bundesebene hat nach der Bundestagswahl 2017 gezeigt, wie es funktionieren kann. Diese inhaltliche Fehleranalyse darf nicht zu Schnellschüssen gelangen, dass konservative Politiken des Wahlgewinners schlicht übernommen werden sollen.
  • Die Taskforce Innenstadt, die nach der Wahl 2021 eingerichtet wurde, konnte unsere Erwartungen mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen leider nicht erfüllen. Wir brauchen eine neue Kommission, besetzt von Expert*innen, die nicht in den Wahlkampf involviert waren und einen unabhängigen Blick haben. Wie auf der Bundesebene bedarf es eines Blickes von außen, um die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten.
  • Nach dieser Wahl brauchen wir einen breiten Beteiligungsprozess über die Zukunft und strategische Ausrichtung der Berliner SPD. Es ist zentral, in diesen Prozess möglichst viele Genoss*innen einzubeziehen und diesen transparent durchzuführen. Daher fordern wir einen Sonderlandesparteitag, damit viele die Möglichkeit haben über die Zukunft der Berliner SPD zu diskutieren.
  • Darüber hinaus brauchen wir eine langfristige sozialdemokratische Perspektive für die politischen Herausforderungen in Metropolen wie Berlin und die Menschen, die dort leben. Wir als Sozialdemokrat*innen müssen wieder stärker an der Seite derjenigen stehen, die sozialdemokratische und progressive Politik brauchen und für eine Stadt des sozialen Zusammenhalts stehen – Menschen mit und ohne Arbeit und Einkommen, Familien, Frauen*, Menschen mit Migrationshintergrund etc. Bei der Aufarbeitung des Wahlergebnisses muss darüber hinaus eine besondere Rolle spielen, dass gerade die jüngere Generation in Berlin kaum noch SPD wählt. Die SPD muss wieder deutlich machen, warum sie die richtige Partei auch für junge Menschen ist. Dabei müssen wir auch jungen Genoss*innen die Bildfläche geben, diese Erzählung in die Gesellschaft zu tragen.
  • Wir wollen eine Koalition in Berlin schließen, mit der wir unsere zentralen politischen Forderungen erreichen können Die Menschen in Berlin erwarten von uns eine funktionierende Koalition. Das bedeutet, dass eine Koalition regiert, die  möglichst große inhaltliche Schnittmengen aufweist und in der zentrale Akteur*innen mehr Mit- als Gegeneinander arbeiten. Wir brauchen eine Koalition, die soziale Politik für die Menschen in Berlin in den Vordergrund stellt. Dies beinhaltet:

 

    1. Für uns als Berliner SPD ist es zentral, an der Seite der Mieter*innen zu stehen. Die immer weiter steigenden Mieten belasten gerade Menschen mit geringem Einkommen überproportional stark. Daher ist für uns der Wohnungsbau für Menschen ohne Einkommen bis zur Mittelschicht und konsequenter Mieter*innenschutz sowie  die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids DW Enteignen, gemäß dem Beschluss des Landesparteitages von entscheidender Bedeutung.
    2. Wir stehen hinter der Mobilitätswende. Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Wir wollen dieses Mobilitätsversprechen von der Berliner Mitte über die Außenbezirke bis ins Umland einlösen. Eine Koalition, die dabei einseitig auf den Autoverkehr setzt und nicht die gesamte Stadt und alle Verkehrsarten im Blick hat, lehnen wir ab. Wir setzen einen Schwerpunkt auf den landesweiten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, um die Lebensqualität in der ganzen Stadt zu verbessern. Eine Koalition, die den 17. Bauabschnitt der A100 bauen will, wird es nicht mit uns geben.
    3. Wir halten am Ziel der kostenfreien Bildung fest – von der Kita bis zur Hochschule. Denn: Alle Kinder brauchen die gleichen Bildungschancen unabhängig vom Wohnort oder Einkommen der Eltern. Seitdem die SPD in Berlin regiert, gehören für Berliner Eltern kostenfreie Kitaplätze, Ganztagsangebote in der Schule, kostenloses Schulmittagessen und die kostenlose BVG-Schülerfahrkarte zur Normalität. Eine Koalition mit Beteiligung der SPD kann es nur geben, wenn an diesem Ziel weitergearbeitet wird.

     

    • Nach der Pandemie und zwei schweren Wahlkämpfen wird es Zeit, die Berliner SPD wieder partizipativer zu gestalten. Leider war es während der Pandemie nicht möglich, uns in gewohnter Form zu treffen. Darunter hat auch das gemeinschaftliche Parteileben gelitten. Das gilt es jetzt wieder auszugleichen. Deswegen braucht es jetzt nach der Wahl neue und breite Diskussions- und Partizipationsprozesse. Perspektivisch ist es zentral, in der Berliner SPD eine Trennung von Amt und Mandat zu erreichen. Die Bundes-SPD hat gezeigt, wie man mit einer solchen Aufteilung Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen sowie Wahlen gewinnen kann. Nur eine starke SPD, bei der sich viele Menschen wiederfinden, gewinnt am Ende wieder Wahlen in Berlin. Daran gilt es jetzt zu arbeiten.
    Empfehlung der Antragskommission:
    Überweisung an Kommission Wahlen-wieder-gewinnen (Konsens)
    Überweisungs-PDF: