Die Arbeitssituation der Beschäftigten von Lieferdiensten wie Gorillas, Getir und Co ist prekär. Während bei Gorillas und Flink die Gründung von Betriebsräten blockiert wird, ist die Umsetzung des Gerichtsurteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.2021 zur Bereitstellung von Arbeitshandys und Fahrrädern als notwendige Arbeitsmittel bei Lieferando ins Stocken geraten. Laut der Initiative Fairwork konnten nur fünf der zwölf Plattformen nachweisen, dass Ihren Arbeitenden ausreichender Schutz vor arbeitsbedingten Risiken und eine finanzielle Absicherung im Fall von Krankheit und Verletzung geboten wird.
Die Maximalarbeitszeiten werden nicht eingehalten, Arbeiter*innen werden fristlos gekündigt, weil sie für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt haben oder Rider*innen müssen trotz Orkan und Unwetter ihre Arbeit verrichten, obwohl der Betrieb laut Berufsgenossenschaft, bei diesen Bedingungen längst hätte eingestellt werden müssen.
Dazu kommt, dass Streiken für bessere Arbeitsbedingungen zwar das Grundrecht eines*r jeden Arbeitnehmer*in in Deutschland ist, aber nur, wenn dieser Streik auch gewerkschaftlich organisiert ist. Das Problem bei den Beschäftigten der Lebensmittel-Lieferdienste wie Gorillas, Flink oder Getir ist jedoch, dass sie keiner Gewerkschaft angehörig sind, die die Streiks gewerkschaftlich übernehmen würde. Dadurch bleibt ihnen dann nur der wilde Streik, welcher jedoch verboten ist.
Durch die Arbeitsbedingungen, wie das alleinige Fahren und nur kurzen bis keinen Aufenthaltszeiten in der jeweiligen Zweigstelle wird die Vernetzung unter den Arbeitnehmer*innen allerdings deutlich erschwert. Auch die Gewerkschaften stehen vor den Herausforderungen, die Rider*innen für die gewerkschaftliche Arbeit zu begeistern, besonders da dies meist mit Repressionen seitens der Plattformen einhergeht. Dennoch konnte die NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) mit Rider*innen bereits erste Erfolge, vor allem vor Gericht, erzielen.
Das Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) hat bereits mehrmals Verstöße gegen u.a. das Arbeitszeitgesetz geahndet. Das Problem ist nur hierbei, dass diese Kontrollen zu selten stattfinden, denn die Kalkulation der Unternehmen ist auf die Bestrafungsmechanismen ausgelegt und im Moment ist es aufgrund der geringen Kontrollen und daraus resultierenden Strafen günstiger für die Unternehmen, nichts zu machen und die Gesetze nicht einzuhalten.
Daher fordern wir:
- Die Schaffung von objektiven Kontrollmomenten zur Gewährleistung des Arbeitsschutzes und der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer*innen. Dazu gehören höhere Strafen und mehr Kontrollen durch das zuständige Amt für Arbeitsschutz sowie die Schaffung von Observationsstellen, die die Einhaltung von Arbeitsrechten kontrollieren. Zudem müssen bei Unwetter und Arbeitsgefahren klare Parameter geschaffen werden, wann der Betrieb eingestellt werden muss (unter Lohnfortzahlung), sodass zumindest auch später bei Kontrollen im Nachhinein objektiv nachvollziehbar ist, wann der Betrieb nicht eingestellt wurde und das geahndet werden kann.
- Die Schaffung von öffentlichen Schlichtungsstellen, die für die Durchsetzung der Rechte der Arbeitnehmer*innen bei Lieferdiensten zuständig sind. Da die einheitliche gewerkschaftliche Vertretung der Beschäftigten der Lieferdienste im Moment nicht funktioniert, bedarf es der Schaffung einheitlicher Schlichtungsstellen, die sich für die Rechte der Arbeitnehmer*innen einsetzen.
- Langfristig sollte die Vertretung jedoch durch die Gewerkschaften gewährleistet werden, weshalb eng mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet werden muss, um den Organisationsgrad schnellstmöglich zu erhöhen und die Gewerkschaften an die neuen Herausforderungen der Vertretung durch die Plattform-Unternehmen anzupassen.