Antrag 175/II/2022 Öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren und stärken

Status:
Annahme

Wir, die SPD Berlin, sehen im nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen und bewusst dezentral organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine unverzichtbare Säule für eine unabhängige und kritische Berichterstattung sowie für ein breites und vielfältiges Unterhaltungsangebot.

 

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖRR) im Allgemeinen und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) im Speziellen sind in unserer Medienlandschaft für den Erhalt und die Stärkung unseres demokratischen Gemeinwesens von immenser Bedeutung.

 

Die überwiegende Finanzierung mittels Gebühren durch Bürger*innen, Unternehmen und Institutionen sorgt für eine weitgehend von kommerziellen Werbe- und sonstigen Interessen unabhängige Programmgestaltung. Gleichzeitig privilegiert dieses System den ÖRR und dessen Mitarbeitende gegenüber anderen Medienmachenden.

 

Wir sind daher enttäuscht und entsetzt über die Instinkt- und Maßlosigkeit, mit der Verantwortliche innerhalb des RBB offenbar mit den Gebühren der Öffentlichkeit umgegangen sind. Dieses Verhalten schädigt den ÖRR. Die eingeleiteten personellen Konsequenzen sind richtig. Es bedarf aber weiterer Maßnahmen.

 

Reformen beim ÖRR müssen dazu geeignet sein, die Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten auszubauen, das Mitspracherecht der Mitarbeitenden und Medienschaffenden zu verbessern, die Programmqualität zu erhöhen und Transparenz über die Arbeitsabläufe und Programmgestaltung zu verbessern. Die Staatsferne ist dabei unbedingt zu garantieren.

 

Wir sehen daher mit großer Sorge, dass konservative Parteien den ÖRR als politischen Spielball entdeckt haben, Journalist*innen in ihrer Tätigkeit bis hin zum Sprachgebrauch einschränken wollen und damit den gefährlichen Weg autokratischer Regime einschlagen. Wir werden uns dem entgegenstellen! Wir stehen für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.

 

Wir fordern, dass das Berliner Abgeordnetenhaus und der Senat sich dafür einsetzen, dass

 

  • der Verwaltungsrat des rbb mit einer höheren Beteiligung der Beschäftigten inkl. Stimmrecht reformiert und neu besetzt wird,
  • die Aufsichtsgremien, insbesondere der Verwaltungs- und der Rundfunkrat, personell und finanziell von qualifizierten hauptamtlichen Mitarbeiter*innen besser unterstützt werden, damit diese ihre Aufsichtsfunktion adäquat wahrnehmen können,
  • die Mitspracherechte der Beschäftigten, insbesondere auch der freien Mitarbeiter*innen in den Gremien des rbb gestärkt werden, indem sie z.B. auch bei Sitzungen der Geschäftsleitung teilnehmen dürfen,
  • der Verwaltungsrat und die Mitarbeitendenvertretung inkl. der freien Mitarbeitenden mindestens einmal jährlich dem Rundfunkrat über Arbeit und Perspektiven des rbb berichten müssen,
  • Vergütungsvereinbarungen der rbb-Beschäftigten hin zu stärkeren tarifrechtlichen Regelungen auch für freie Mitarbeitende verbessert werden und intransparente Bonus-Zahlungen für Geschäftsleitung und Intendanz abgeschafft werden, eine Vergütungsobergrenze für Intendanz und Geschäftsleitung eingeführt wird.
  • Einkommensabhängig soll auch verstärkt die vollständige Befreiung vom Rundfunkbeitrag für Personen mit niedrigem Einkommen ermöglicht werden.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Stellungnahme(n):
Stellungnahme Senat 2024:

Zu diesem Antrag kann keine Stellungnahme seitens des Senats abgegeben werden, da dieser keinem SPD-geführten Ressort zuzuordnen ist.

Stellungnahme AH-Fraktion 2024:

Der Skandal um den RBB hat das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dramatische Weise beschädigt. Akzeptanz und Vertrauen sind aber entscheidend, damit die Rundfunkanstalten und Sender ihrem Auftrag nach Informationsversorgung zur Meinungsbildung nachkommen. Dass eine Reihe politischer Parteien und anderer Akteure den Rundfunkbeitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infragestellt oder die Medienstaatsverträge kündigen will, weist die Agh.-Fraktion der SPD entschieden zurück. Demokratie, Rechtsstaat und Pluralität werden maßgeblich vom staatsfern beauftragten öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch neutrale Berichterstattung oder Wissensvermittlung gerade in einer Zeit sichergestellt, in der Desinformationen, Falscherzählungen und Hass zu Faktoren der öffentlichen Debatte geworden sind. Die Agh.-Fraktion hat zwei Staatsverträge zur Frage bestätigt, den 4. Medienstaatsvertrag aller Bundesländer und den RBB-Staatsvertrag. Beide Staatsverträge enthalten Transparenzregelungen, Veröffentlichungspflichten u.a. von den Bezügen von Intendanten und Direktoren, Compliance-Standards, die die Einführung von unabhängigen Compliance-Beauftragten und Ombudspersonen vorsehen, Vorgaben, wie Aufsichtsgremien mit Expertise ausgestattet und organisatorisch mit Geschäftsstellen gestärkt werden und Regeln zum Schutz vor Interessenkonflikten in den Aufsichtsgremien.
Überweisungs-PDF: