Antrag 159/I/2020 Migrant*innenselbstorganisationen stärken, strukturelle Diskriminierung verhindern!

Status:
Annahme mit Änderungen

Der Innensenator und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport werden aufgefordert, Verfahren durch das Landeskriminalamt (LKA) zur Einstufung von Migrant*innenselbstorganisationen (MSO) als Ausländervereine zu unterbinden und eine missbräuchliche Auslegung des Vereinsgesetzes künftig zu unterlassen.

 

Im August 2019 wurde eine berliner Migrant*innenselbstorganisation, offenbar nicht die einzige, vom LKA Berlin aufgefordert sich als Ausländerverein gem. § 14 Abs. 1 des Vereinsgesetzes anzumelden. Auf die Nachfrage, wie das LKA zu dieser Auffassung kam, wurde telefonisch mitgeteilt, dass das LKA die Namen der Vereinsvorstände der MSO sichtet und je nachdem wie „deutsch“ oder „fremd“ die Namen klingen, geht das LKA davon aus, ob es sich um einen Ausländerverein handelt oder nicht.

 

Ausländervereine sind solche, deren Mitglieder oder Leiter*innen sämtlich oder überwiegend Ausländer*innen sind und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines Mitgliedstaates der EU besitzen. Ausländervereine können zusätzlich einfacher unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden.

 

Migrant*innenselbstorganisationen in Berlin haben eine enorm wichtige gesellschaftliche Funktion, indem sie die Teilhabe und Inklusion vieler ermöglichen und ein fester Ansprechpartner der Politik in den Belangen der Migration und Integration sind. Diese Vereine anhand der Namen der Vorstände zu kategorisieren, ob sie „deutsch“ oder „fremd“ sind, lässt eine Wertschätzung innerhalb der Sicherheitsbehörden für MSO missen und deutet auf strukturellen Rassismus hin.

 

Viele Genoss*innen sind auch in MSO organisiert und verrichten wichtige ehrenamtliche und außerparteiliche Arbeit. Wir stehen für eine Einwanderungsgesellschaft in Deutschland. Zur Stärkung unserer Gesellschaft gehört nicht nur das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft, sondern auch die Bekämpfung von struktureller Diskriminierung und anderen Hürden.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Der Innensenator und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport werden aufgefordert, Verfahren durch das Landeskriminalamt (LKA) zur Einstufung von Migrant*innenselbstorganisationen (MSO) als Ausländervereine zu unterbinden und eine missbräuchliche Auslegung des Vereinsgesetzes künftig zu unterlassen.

Beschluss: Annahme mit Änderungen
Text des Beschlusses:

Der Innensenator und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport werden aufgefordert, Verfahren durch das Landeskriminalamt (LKA) zur Einstufung von Migrant*innenselbstorganisationen (MSO) als Ausländervereine zu unterbinden und eine missbräuchliche Auslegung des Vereinsgesetzes künftig zu unterlassen.

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme des Senats 2022 „Ausländervereine“ sind im Vereinsgesetz legaldefiniert. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG sind dies Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer (Nicht-EU-Staatsangehörige) sind.

Diese unterliegen anders als Vereine von Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten besonderen Pflichten und auf sie sind die besonderen Verbotsgründe des § 14 Abs. 2 VereinsG anwendbar. Ausländervereine haben sich innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Gründung bei der zuständigen Behörde anzumelden (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 VereinsGDV), dies ist im Land Berlin die Polizei Berlin.

Zudem haben Ausländervereine bestimmte Auskunftspflichten gegenüber der zuständigen Behörde (vgl. § 20 VereinsGDV). Bei den genannten Normen handelt es sich um Bundesrecht, das vom Land Berlin zu beachten ist.

Die Unterscheidung zwischen Ausländervereinen und Vereinen von deutschen Staatsangehörigen ist grundgesetzlich vorgegeben. Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Für „Ausländerinnen und Ausländer“ ist diese Freiheit in der sog. allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt. Eine Änderung der aktuellen Handhabe müsste auf Bundesebene erfolgen.
Überweisungs-PDF: