Die im Antragsbuch sowie auf dieser Seite mit (K) gekennzeichneten Empfehlungen der Antragskommission wurden im Konsens ausgesprochen. Der Landesparteitag stimmt diese mit (K) gekennzeichneten Anträge en bloc ab.
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Antrag 109/II/2015 Konsensliste
24.10.2015Antrag 108/II/2015 Studentisches Wohnen: sozialer Wohnungsbau nur mit dem Studentenwerk
23.10.2015Die Zahl der Student*innen ist in den letzten Jahren nicht nur im Bundesdurchschnitt, sondern auch in Berlin deutlich angestiegen. Im Wintersemester 2014/15 waren 171.274 Student*innen an den Berliner Hochschulen eingeschrieben. Das sind ca. 5000 Student*innen mehr als im Vorjahr. Von den im Wintersemester 2013/14 eingeschriebenen Student*innen waren rund ein Drittel im ersten Fachsemester. Im Vergleich zur Erhebung von 2009 ist dies ein Anstieg von Studienanfänger*innen im ersten Fachsemester von mehr als 13.000. Ein Rückgang ist nicht abzusehen. Die Stadt gilt weiterhin für viele Menschen als ein beliebter Wohnort während der individuellen Studienphase. Student*innenfreundlichem Wohnen als faktische Voraussetzung für eine freie Wahl des Studienorts ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und vom Senat zu gewährleisten.
Um in Berlin als Student*in leben zu können, werden laut Umfrage des Studentenwerkes derzeit im Durchschnitt 921 Euro monatlich benötigt. Davon fließt der weitaus größte Teil mit durchschnittlich 321 Euro/Monat in die Miete. Somit müssen Student*innen in Berlin fast ein Drittel der im Vergleich zu anderen Wohnorten Deutschlands hohen Lebenserhaltungskosten in den zu zahlenden Mietzins entrichten.
In den kommenden Jahren wird die allgemeine Bevölkerungszahl Berlins weiter wachsen. Der bis dato prognostizierte Zuzug von 40.000 Menschen pro Jahr ist dabei noch eine Zahl, welche sich an unteren Zuzugsprognosen orientiert und dementsprechend niedrig angesetzt ist. Eine Stadt wie Berlin lebt vom Zuzug und wir begrüßen es, dass Berlin weiterhin attraktive Metropole für Viele ist. Um allen Menschen in unserer Stadt gutes Wohnen zu ermöglichen, muss der Senat verstärkt soziale Wohnungsbauprojekte fördern. Dabei dürfen jedoch Student*innen nicht als Teil einer homogenen Masse mit einkommensstarkem Hintergrund gesehen werden, die in der Lage sind, sich ihre Studien- und Wohnsituation einiges Kosten zu lassen und 500 Euro teure Mieten stillschweigend hinnehmen. Geringe oder keine Einkommen, wenig oder kein BAföG räumen Student*innen auf dem Wohnungsmarkt lediglich eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit ein, die eine gesonderte Förderung seitens des Senats erforderlich macht.
Trotz der steigenden Student*innenzahlen brechen derzeit im Bundesdurchschnitt ein Drittel der an der Universität eingeschriebenen Student*innen ihr Studium ab. Die zunehmenden Studienabrecher*innenzahlen lassen sich auch auf die steigende finanzielle Belastung der Student*innen zurückführen. Verkürzte Regelstudienzeiten und überfüllte Stundenpläne lassen berufliche Tätigkeiten neben dem Studium zur kaum tragbaren Belastung werden. Wenn die Mieten weiterhin steigen, werden zudem potentielle Neustudent*innen, die oftmals kein oder verhältnismäßig wenig BAföG bekommen, schon vor der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt. Dies betrifft vor allem jene junge Menschen, die aus einkommensschwachen Haushalten stammen. Denn alle Student*innen müssen auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt mit anderen Gruppen, deren Liquidität aus Sicht der Vermieter*innen gesichert erscheint, konkurrieren. Dabei verlieren jene, die kein finanzielles Polster der Eltern in der Rückhand vorweisen können den Konkurrenzkampf. Folglich trägt ein für Student*innen weitestgehend faktisch geschlossener Wohnungsmarkt zur Bestärkung der Relation zwischen der finanziellen Situation des familiären Hintergrundes und dem gewählten Bildungsweg bei. Sozialdemokratische Politik muss der sozialen Selektion im Bildungssystem wirksame Instrumente entgegenstellen – sozialer Wohnungsbau, der sich nachhaltig an Student*innen richtet, muss eines davon sein. Denn nur studentischer Wohnungsbau, welcher im Bau und bei der Vermietung den Student*innen nachhaltig zugutekommt, ermöglicht den selbstbestimmten, frei gewählten und elternunabhängigen Zugang zu Bildung.
Besondere Vorsicht ist hinsichtlich des Verhältnisses zu anderen einkommensschwachen Gruppen geboten. Die Konkurrenz verschiedener einkommensschwacher Gruppen auf dem Wohnungsmarkt untereinander lehnen wir entschieden ab. Fernziel kann daher nur die flächendeckende Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sein.
Am BAföG-Satz orientierter Wohnungsbau – faire Mieten für Studis
Einzig das Studentenwerk Berlin orientiert sich beim Bau von Wohnheimplätzen und bei der Vermietung dieser am BAföG-Satz. Derzeit stehen 2000 Menschen auf der Warteliste des Studentenwerkes in der Hoffnung rechtzeitig einen Wohnheimplatz erlangen zu können. Bis zum Beginn des Wintersemesters werden bis zu 500 weitere Wartende erwartet. Für die allermeisten Student*innen bleibt als einzige Möglichkeit, auf die privaten Wohnungsbaugesellschaften, sowie privatrechtliche Wohnungsbaugesellschaften, die entweder in städtischem Eigentum stehen oder die innerhalb von städtischen Kooperationen arbeiten, auszuweichen. Wenn dabei eine Miete von über der am BAföG-Satz orientierten Wohnpauschale von 224 Euro pro Monat (ab Oktober 2016 250 Euro pro Monat) zur Normalität wird, dann ist soziale Selektion eine direkte Folge der Berliner Wohnraumpolitik.
Selbst bei den Wohnungsbaugesellschaften in städtischem Eigentum belaufen sich die Quadratmeterpreise auf ca. 5 Euro/qm für eine Fläche von 10-12 qm (laut GESOBAU AG). Das derzeit günstigste Mietobjekt der GESOBAU AG erzeugt einen Mietzins von ca. 280 Euro monatlich. Selbst solche mit der im Bafög-Satz angesetzten Pauschale nicht vereinbare Angebote stehen nur einem Bruchteil der Suchenden offen. Eine Großzahl an Student*innen sieht sich gezwungen auf private Anbieter*innen zurückzugreifen. Besonders aus dem Ausland Suchende sind auf möblierte Mietobjekte angewiesen. Für ein WG-Zimmer von 11 qm wird bei Vorreiter*innen unter den privaten Anbieter*innen ein Mietzins von mindestens ca. 380 Euro/Monat fällig. Ein Mietzins, welcher weit entfernt von der BAföG-Wohnpauschale liegt, entspricht in keiner Weise unseren Vorstellungen von fairer Wohnungsvermietung für Student*innen.
Anfang 2013 wurde dem Studentenwerk Berlin die Schaffung von 5000 neuen Wohnheimplätzen von Klaus Wowereit versprochen. Daraufhin liefen die Planungen zum konkreten Vorgang an. Mit dem Argument der fehlenden Kreditwürdigkeit des Studentenwerks Berlin wurde der Auftrag jedoch kurzfristig wieder entzogen. Die Tatsache, dass andernorts in Deutschland (wie beispielsweise in München) das Studentenwerk als kreditwürdig gilt, zeigt, dass es sich hierbei um eine politische Frage und somit um eine Frage des Wollens, anstatt einer Frage des Könnens handelt. Die zugesicherten 5000 Wohnmöglichkeiten werden nun zu über 50 Prozent von Wohnbaugesellschaften in städtischem Eigentum gebaut. Der Mietzins wird bis zu 400 Euro/Monat betragen.
Mieten bis zu 400 oder 500 Euro tragen entgegen öffentlicher Darstellung eben genau nicht zu einem Student*innen-freundlichen Wohnraummarkt bei. Sie sind mit dem Lebensalltag und der Finanzierungsrealität der großen Mehrheit von Student*innen nicht vereinbar.
Nur der am BAföG-Satz orientierte Ausbau studentischen Wohnraums kann die soziale Selektion eingrenzen, Mieten von bis zu 400 oder 500 Euro reproduzieren soziale Selektion dagegen nur. Der studentische Wohnungsbau in Berlin ohne die Beteiligung des Studentenwerks Berlin ist daher nicht zielführend. Die stetig wachsenden Wartelisten für Wohnheimplätze sprechen zudem für eine Beteiligung des Studentenwerks Berlin am Ausbau von studentischem Wohnraum.
Ausbau von studentischem Wohnraum als dauerhaftes Ergebnis
Während das Studentenwerk Berlin Wohnraum ausschließlich an Menschen im Hochschulkontext zur Verfügung stellt, sind die 5000 weiteren Wohnraummöglichkeiten durch private und privatrechtliche Wohnungsbaugesellschaften von keiner dauerhaften Natur. Student*innen, die ihren Studienabschluss erreicht haben, können in den Wohnungen bleiben. Die Verpflichtung zur Bereitstellung von Wohnraum für Student*innen an anderer Stelle, um den Verlust auszugleichen, ist nicht vorgesehen. Den privaten Wohnungsbaugesellschaften gelingt es so, die Mieten nach einem Ablauf von 5-7 Jahren nach Errichtung wieder zu erhöhen, während sich die Wohnungssuche für die stetig steigende Zahl an Berliner Student*innen auch zukünftig erschweren wird. Die versprochenen 5000 Wohnungen für Student*innen werden somit zum scheinblütigen Erfolg.
Ein Abreißen des Zulaufs von Studienanfänger*innen ist für Berlin erfreulicherweise nicht zu erwarten. Dies verlangt einen nachhaltigen Ausbau des studentischen Wohnraums.
Einmal geschaffener studentischer Wohnungsbau muss von dauerhafter Natur sein und darf nicht in späteren Jahren in einfache Mietverhältnisse (ohne Hochschulkontext) umgewandelt werden. Lediglich das Studentenwerk Berlin sichert den angebotenen Wohnraum der Student*innenschaft zu.
Demokratische Legitimation – Studis müssen Mitspracherecht haben
Die Student*innenschaften jeder Hochschule im Land können Vertreter*innen bestimmen, die unmittelbar in die Entscheidungsarbeit des Studentenwerks Berlin eingebunden sind. Das Studentenwerk Berlin ist folglich die einzige Akteurin auf dem Wohnungsmarkt, über die Student*innen in Form von repräsentativen Vertreter*innen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Somit bindet das Studentenwerk Berlin nicht nur die Zielgruppe unmittelbar ein und ermöglicht den studentischen Vertreter*innen Mängel zu artikulieren und Lösungen zu realisieren. Sondern es genießt darüber hinaus durch die Einbindung in die studentische Selbstverwaltung als einzige Akteurin demokratische Legitimation.
Die Beschränkung der Kompetenz des Studentenwerks Berlin auf die Vermietung und Modernisierung ausschließlich vorhandener Wohnungen geht mit einer umfassenden Verkürzung des Mitspracherechts der Student*innenschaften einher. Die Bereitstellung von studentischem Wohnraum ist von zentralem Interesse für die gesamte Berliner Student*innenschaft. Die mangelnde Versorgung auf diesem Gebiet betrifft nicht nur einerseits jede Person, die sich im Verlauf eines Studiums befindet sondern affektiert darüber hinaus auch abstrakt die Struktur des freien Zugangs zu universitärer und hochschulischer Bildung. Konkrete Anzeichen der sozialen Selektion können primär von den Studierenden vor Ort erfasst werden, was die sozialdemokratische Relevanz der Beteiligung von Student*innen in Wohnraumfragen weiterhin unterstreicht. Das Mitspracherecht von Student*innen auf diesem Gebiet ist folglich auf jeder Ebene von Relevanz. Die Versorgung mit studentischem Wohnraum wird daher zum thematischen Annex zum Hochschulbetrieb. Die Verlagerung des Wohnungsbaus heraus aus dem Bereich der studentischen Einflussnahme stellt einen nicht tragbaren Eingriff in das Konzept des demokratischen Hochschulbetriebs dar.
Der notwendige Ausbau von studentischem Wohnraum ist ausschließlich unter Einbeziehung der Student*innenschaften denkbar. Das Studentenwerk Berlin ist die einzige Akteurin, die diesem Anspruch gerecht werden kann.
Wohnraum für Studis international denken
Berlin genießt das Profil einer weltoffenen, vielfältigen und pluralistischen Stadt. Kultureller, politischer und sozialer Austausch wird wesentlich durch das Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher Herkunft erzeugt. Primärer Umschlagspunkt hierzu sind die Hochschulen, die ihren Standort hier haben. Ein Studium im Ausland ist generell mit hohen Kosten verbunden und steht nur einer kleinen Gruppe an Privilegierten offen. Gerade sich aus dem Ausland auf Wohnraummöglichkeiten Bewerbende sind auf offen zugängliche, bezahlbare Wohnungsangebote angewiesen. Auch solchen Internationalen Student*innen kann das Studentenwerk Berlin nicht genügend Wohnraumplätze zur Verfügung stellen. In Folge der Distanz zum zukünftigen Studien- und Wohnort sind internationale Student*innen teuren Angeboten privater Wohnbaugesellschaften in besonderem Maße ausgeliefert. Die vielschichtige Horizonterweiterung, die ein Auslandsstudium bewirken kann, steht hier in besonders auffälliger Abhängigkeit zu den finanziellen Möglichkeiten des elterlichen Haushaltes. Soziale Selektion wird hier besonders deutlich und widerspricht der sozialdemokratischen Ausrichtung der SPD.
Als Sozialdemokrat*innen setzen wir uns aktiv für den Hochschulzugang für Geflüchtete in Berlin ein. Auch in diesem Kontext können wir eine große Menge an Menschen willkommen heißen. Die Verwebung von bezahlbarem studentischem Wohnraum mit der lebenserhaltenden Existenzgrundlage wird in diesem Zusammenhang besonders deutlich. Uneingeschränkter Hochschulzugang für Geflüchtete muss auch die faktischen Voraussetzungen zur Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums umfassen. 5000 weitere Wohnungen für Student*innen reichen für die erwarteten Studienanfänger*innen der kommenden Semester nicht aus. Darüber hinaus ist es essentiell, dass der zu erwartende Zuzug an Geflüchteten in die Berechnung des Bedarfs an studentischem Wohnraum integriert wird. Die Bewältigung von Mieten von bis zu 400 oder 500 Euro für Geflüchtete sind undenkbar. Ein Mangel an bezahlbarem studentischem Wohnraum darf nicht zur faktischen Hürde für den Hochschulzugang werden.
Bildung ist ein Menschenrecht und der Zugang hierzu darf internationalen Student*innen sowie Geflüchteten nicht durch faktische Hürden, wie der Mangel an bezahlbarem studentischem Wohnraum eine ist, erschwert oder verhindert werden.
Daher fordern wir:
- Eine deckende Versorgung von Student*innen mit studentischem Wohnraum – mindestens aber den Ausbau um 5.000 weitere Wohnmöglichkeiten bis 2020 beziehungsweise weitere 10.000 bis 2025. Diesen 5.000 bzw. 10.000 zusätzlichen Wohnmöglichkeiten wird dabei lediglich die Wirkung als untere Grenze des Mindestbedarfs zuteil, die in der Summe auf den tatsächlichen Bedarf auszuweiten ist. Die unabhängig von dieser Forderung bereits bewilligten 5.000 Wohnheimplätze sollen hingegen so schnell wie möglich errichtet und zur Verfügung gestellt werden.
- Die Verpflichtung der Anbieter*innen von studentischem Wohnraum zur Orientierung des angesetzten Mietzinses am BAföG-Satz, sodass der Mietzins von Student*innenwohnungen die im BAföG-Satz angesetzte Wohnungspauschale nicht überschreiten darf.
- Die Verpflichtung des Senats und anderer Entscheidungsträger*innen zum nachhaltigen Ausbau von studentischem Wohnraum. Wohnungen die im Rahmen von Subventionen des Ausbaus studentischer Wohnmöglichkeiten errichtet wurden, müssen Student*innen dauerhaft zur Verfügung gestellt werden. Wohnungen, in denen ehemalige Student*innen nach Erhalt des Studienabschlusses weiterhin wohnen möchten, müssen durch vergleichbare Ersatzobjekte, die ausschließlich Student*innen zur Verfügung stehen, ersetzt werden.
- Der Berliner Senat hat in Fragen des studentischen Wohnbaus das Studentenwerk Berlins als primäre Verhandlungspartnerin anzuerkennen. Dem Studentenwerk Berlin ist die Kreditfähigkeit zuzusprechen.
- Den Einsatz für den Erhalt des studentischen Mitspracherechts in Fragen des Ausbaus von studentischem Wohnraums. Die Student*innenschaft ist unmittelbar in die Bedarfsanalyse und den Umsetzungsprozess von Wohnbaufragen zu integrieren.
- Ein transparentes Bewerbungsverfahren zum Erhalt eines Wohnheimplatzes, aus dem ersichtlich ist, in welchem Arbeitsschritt sich die Unterlagen des*der Bewerber*in gerade befinden und welchen Status die Bewerbung gerade hat.
- In die Bedarfsberechnung sind auch zu erwartende Anstiege an suchenden Geflüchteten, die an einer Berliner Hochschule studieren werden, zu integrieren. Zudem sollen Modellprojekten zum gemeinsamen Wohnen von Geflüchteten, Student*innen und Auszubildenden eingerichtet werden.
- Der Mangel an bezahlbaren studentischen Wohnraum ist auch als faktische Hürde für den Hochschulzugang für Geflüchtete bzw. des Zugangs zum Auslandsstudium für internationale Student*innen zu reflektieren und zu beseitigen.
- Der Berliner Senat wird aufgefordert, sich für eine weitreichende Beteiligung am Modellvorhaben nachhaltiges Wohnen für Student*innen und Auszubildende des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit einzusetzen.
Antrag 107/II/2015 Gegen wachsende Ungleichheit, für mehr soziale Gerechtigkeit
16.10.2015Nicht erst kurz vor der Bundestagswahl 2017, sondern schon jetzt muss die Partei im Dialog mit den Mitgliedern und den Wählerinnen und Wählern glaubwürdig erklären: Wir wollen als führende Regierungspartei einen Politikwechsel durchsetzen, um das dramatische Anwachsen der Ungleichheit zu stoppen, wodurch sowohl der soziale Zusammenhalt als auch die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet wird. Wir wollen mehr Gerechtigkeit wagen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und der wachsenden Politikverdrossenheit der Wählerinnen und Wähler entgegenzuwirken.
Der Landesparteitag der SPD Berlin ist besorgt: Die Bemühungen führender SPD-Politikerinnen und SPD-Politiker, sich vom „linken“ Wahlprogramm 2013 zu distanzieren, insbesondere von der Forderungen nach höheren Steuern für Superreiche zur Finanzierung dringender Zukunftsinvestitionen, werden keine verlorenen Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen, sondern die Wahlchancen der SPD noch weiter verschlechtern. Daher lehnt der Landesparteitagauch das vom Parteipräsidium beschlossene Impulspapier „Starke Ideen für Deutschland 2025“ als Grundlage für die Diskussion über das Wahlprogramm 2017 als kontraproduktiv ab, da es inhaltlich für ein „Weiter so mit Merkel!“ plädiert. Insbesondere die Distanzierung von den steuerpolitischen Forderungen der SPD von 2013 zeigt, dass die SPD keine politische Alternative zu CDU/CSU anbieten, sondern die Politik der Union übernehmen will: „Eine alte Trennungslinie zwischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und Konservativen“ bei der Frage nach den Mitteln zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben existiere nicht mehr. Anders als die SPD früher Antworten die „Starken Ideen“ auf diese Frage: „Die SPD ist gut beraten, die Antwort darauf nicht vorschnell mit dem Ruf nach höheren Schulden oder höheren Steuern zu geben.“
Diese Antwort ist für die SPD diffamierend, weil sie im Klartext bedeutet: Als es diese Trennungslinie 2013 noch gab, hatten die Konservativen gegen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Recht. Denn diese (CDU/CSU, FDP, AFD) waren „gut beraten“, als sie höhere Steuern ablehnten, während SPD, Grüne und LINKE nicht „gut beraten“ waren, weil sie „vorschnell“ nach höheren Steuern riefen und daher die Wahl verloren haben. Beim Thema unzureichende Investitionen sehen die „Starken Ideen“ nur das Problem, dass sich die privaten Investoren zu sehr zurückhalten. Und zur Lösung dieses Problems erinnern sie an eine Wunderwaffe aus dem Nachlass der verblichenen FDP: „Die innere Öffnung unserer Gesellschaft für die Chancen der Zukunft bedarf höherer Akzeptanz und besserer Anreize für solche Investitionen. Bürokratieabbau ist dafür ein wichtiger Schritt.“ (S. 23)
Während die „Starken Ideen“ akute Probleme, wie wachsende Ungleichheit, private und öffentliche Armut, ignorieren, malen sie das Bild einer heilen Welt nie gekannten Wohlstands und fragen nur: „Wie sichern und schaffen wir auch in Zukunft Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt?“ (S. 2) Aber sie stellen nicht einmal die Frage: Wie können wir in naher Zukunft den heute in Armut lebenden 12, 5 Millionen Menschen helfen, dass sie wieder bescheiden am sozialen, kulturellen und politischen Leben teilnehmen können und sich nicht mehr ausgegrenzt fühlen? Das Papier wendet sich nur an die, die im Wohlstand leben und verspricht ihnen: Diesen Wohlstand wird die SPD gegen alle künftig drohenden Gefahren erfolgreich verteidigen.
Da die grundsätzliche Tendenz und Richtung dieses Papiers einen radikalen Bruch mit den Grundforderungen und Grundwerten der SPD bedeutet und ihren „Markenkern der sozialen Gerechtigkeit“ unkenntlich macht, fordert die SPD alle Gremien und Mitglieder der SPD auf, dieses Papier als für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unzumutbar zurückzuweisen.
Als „Grundlage für eine breite Diskussion über die Zukunft unseres Landes“ (Starke Ideen“, S. 1) unterstützen wir sowohl das Wahlprogramm von 2013 als auch das vom Landesvorstand der SPD Schleswig-Holstein am 1. Juni 2015 beschlossene Diskussionspapier „DIE ZEIT IST REIF: MEHR GERECHTIGKEIT WAGEN – POSITIONEN DER SPD SCHLESWIG-HOLSTEIN FÜR EINE GERECHTE POLITIK“
Dieses Diskussionspapier distanziert sich nicht vom „linken“ Wahlprogramm 2013, rückt nicht „in die Mitte“, klammert nicht die akuten Gegenwartsprobleme aus, benennt die konkreten Gegenwartsaufgaben, und damit die Probleme, die in der Zivilgesellschaft und in der Partei diskutiert werden. Es macht konkrete Vorschläge für die Lösung dieser Probleme und verschweigt nicht die Tatsache, dass dafür höhere Steuereinnahmen notwendig sind. Und es macht die „soziale Gerechtigkeit“ sichtbar zum „Markenkern“ der SPD.
Der Landesparteitag bzw. der Bundesparteitag fordert alle Gremien und Mitglieder der SPD auf, für ein Wahlprogramm zu arbeiten, das klar als Alternative zur Politik von CDU/CSU erkennbar ist, als glaubwürdiges Bekenntnis für einen Politikwechsel in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit, gegen zunehmende Ungleichheit und Armut.
Mit einem solchen Programm, verbunden mit der realistischen Machtperspektive Rot-Rot-Grün, kann die SPD im glaubwürdigen Dialog mit den stärker gewordenen Initiativen und Organisationen der kritischen Zivilgesellschaft jene Wechselstimmung erzeugen, die 2017 den notwendigen Politikwechsel möglich macht.
Antrag 106/II/2015 Hitzeschutz in der Stadt - „Stadtentwicklungsplan Klima“ (STEP) zügig umsetzen
16.10.2015Die sozialdemokratischen Mitglieder der Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, der Bezirksämter und des Berliner Senats werden aufgefordert, den seit 2011 vorliegenden „Stadtentwicklungsplan Klima“ durch gesetzliche Regelungen und konkrete Maßnahmen verstärkt in die Praxis umzusetzen und konkret in die Stadtplanung aufzunehmen. Die SPD-Mitglieder im Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, sich für eine regelmäßige Berichterstattung zum Fortschritt bei der Klimaanpassung in Berlin einzusetzen.
Antrag 105/II/2015 Girokonto für alle!
16.10.2015Wir fordern, dass alle Menschen in Deutschland, unabhängig von ihrer Herkunft, für ihre gesellschaftliche Teilhabe diskriminierungsfrei ein Recht auf ein Girokonto erhalten und den Banken und Sparkassen Rechtssicherheit gegeben wird.
Nur mit einem Girokonto wird die Existenz am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Kein Konto bedeutet keine Teilhabe. Die Folgen eines fehlenden Girokontos sind dramatisch. Kein Girokonto bedeutet: kein legaler Arbeitsplatz (Anreiz für Schwarzarbeit), keine eigene Wohnung, keine Mitgliedschaft in einem Verein, Probleme beim Erhalt von überweisungsgebundenen Sozialleistungen und so weiter.
Wir unterstützen die „Zahlungskontenrichtlinie zum diskriminierungsfreien Zugang zu einem Bankkonto“ der EU und fordern die schnellstmögliche Umsetzung in nationales Recht mit folgenden Rahmenbedingungen:
- Gesetzlicher Kontrahierungszwang (Vertragsverpflichtung) zur Girokonteneröffnung für alle in Deutschland tätigen Banken und Sparkassen
- Aufenthaltsgestattungen und Duldungsbescheinigungen müssen die Voraussetzungen für eine Bankkontoeröffnung nach dem Geldwäschegesetz erfüllen
- Keine diskriminierenden Preise für die Kontoführung
- Freie Wahl des Kreditinstitutes
- Beaufsichtigung und Kontrolle der Einhaltung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Aktuelle Situation:
- Menschen, die durch ihre Duldung in Deutschland lediglich über Duldungsbescheinigungen verfügen oder durch die noch andauernde Prüfung ihres Erstantrages nur eine Aufenthaltsgestattung erhalten, besitzen häufig keinen gültigen amtlichen Ausweis mit Lichtbild. Nach dem Geldwäschegesetz (GWG) ist ein gültiger amtlicher Ausweis mit Lichtbild für eine Kontoeröffnung zwingend notwendig. Die Banken und Sparkassen genießen keine Rechtssicherheit und riskieren Verstöße gegen das Geldwäschegesetz.
- Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis besitzen durch den Reisepass für Flüchtlinge den gültigen amtlichen Ausweis mit Lichtbild, welcher eine Kontoeröffnung nach dem Geldwäschegesetz ermöglicht. Es gibt für die Banken und Sparkassen jedoch keine gesetzliche Pflicht zur Kontoeröffnung. 1995 wurde von der Deutschen Kreditwirtschaft lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditinstitute definiert. Durch das ertragsschwache Girokontogeschäft mit zugewanderten Menschen verweigert ein Großteil der Banken trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung die diskriminierungsfreie Kontoeröffnung.