Archive

Antrag 144/I/2022 Platzverweis für Menschen ohne Obdach – Verdrängung aus dem öffentlichen Raum verhindern

17.05.2022

Sowohl Landes- als auch Bundespolizei haben die Befugnis Platzverweise auszustellen. Die entsprechenden Gesetze werden auch in der besonderen Situation von Menschen ohne Obdach angewendet. Hier kann alleine die Anwesenheit dieser Menschen als Störung deklariert werden. Menschen ohne Obdach sollen nicht im öffentlichen Raum sichtbar sein. Dabei gehören Obdach- und Wohnungslosigkeit zu dieser Gesellschaft und sind Ergebnis unsozialer Politik und Strukturen. Das unsichtbar machen dieses Faktes ändert daran nichts.

 

Ein Platzverweis gegen Menschen ohne Obdach ist keine Maßnahme zur Bewahrung der öffentlichen Ordnung. Es ist die Vertreibung von Menschen auch von Orten an denen sie sich eingerichtet haben, weil sie sonst kein Zuhause haben. Kältebusse und ähnliche Angebote der Sozialhilfen verlassen sich darauf, Menschen ohne Obdach an gewissen öffentlichen Plätzen anzutreffen. Diese lokale Gebundenheit ist Voraussetzung um ein Vertrauensverhältnis zwischen Menschen ohne Obdach und Sozialarbeiter*innen aufzubauen, und Menschen adäquat, gerade im Winter, versorgen zu können. Erst wenn die Betroffenen Helfer*innen und staatlichen Strukturen vertrauen können, sind sie gewillt weitergehende Hilfeleistungen (wie eine psychosoziale Betreuung) in Anspruch zu nehmen. Wenn nun Menschen ohne Obdach ihrer bekannten Plätze vertrieben werden, geschieht das vermeintlich zum Schutz der Allgemeinheit und der öffentlichen Ordnung. Dafür werden die Menschen ohne Obdach aber ihrem primären Bezugsort verwiesen. Ein fester Ort bietet mehr Sicherheit für Obdach- und Wohnungslose marginalisierter Gruppen z.B. durch Gruppenstrukturen. Durch den Platzverweis kann es zum Aufbrechen dieser kommen und dadurch zu noch größerer Gefährdung. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen kann ein Platzverweis und die damit einhergehende negative Erfahrungen mit der Polizei Vertrauen zerstören und Desorientierung hervorrufen. Das kann ein enormer Rückschlag in der Reintegration dieser Menschen sein.

 

Deshalb sollte ein Platzverweis nie ohne Beachtung der besonderen Hilfsbedürftigkeit von Menschen ohne Obdach verhängt werden und nie nur auf Grund ihrer Obdachlosigkeit. Ihnen muss sofort beispielweise ein alternativer Aufenthaltsort angeboten werden. Dies sollte ein Platz in einem kommunalen Hilfsprogramm (Housing First oder Notunterkunft) sein. Wir müssen die Menschen von der Straße holen und zumindest in gut ausgestattete, sichere Notunterkünfte – idealerweise aber in eigene Wohnungen – bringen. Was nicht hilft ist, sie von einem Platz zum nächsten zu scheuchen.

 

Das Unterlassen von Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach muss eingebettet werden in eine nachhaltige Strategie gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Die Jusos haben sich bereits auf dem Bundeskongress 2021 umfänglich zu einem solidarischen Umgang mit Menschen ohne Obdach bekannt. Obdachlosigkeit ist für uns ein systemisches Problem und nicht das Versagen Einzelner. Deshalb fordern wir die Stärkung und die weitreichende Finanzierung des Projekts Housing First und eine Entspannung des Wohnungsmarktes. Wohnungslosigkeit muss präventiv und akut mit psychosozialer und individueller Unterstützung Betroffener begegnet werden.

 

Das ist eine Strategie gegen Obdachlosigkeit, simple Platzverweise sind es nicht. Deshalb fordern wir die Normierung einer entsprechenden Erweiterung der entsprechenden Gesetze (Bund: §30  BPolG, Land: §29 ASOG) dahingehend, dass Platzverweise gegen Menschen ohne Obdach aus Gründen ihrer Obdachlosigkeit nur noch ausgesprochen werden dürfen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen, erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Obdachlosen oder einer anderen Person oder für Sachen von bedeutendem Wert unerlässlich ist. Jeden Menschen ohne Obdach, gegen den ein Platzverweis ausgesprochen wird, soll unverzüglich ein alternativer Aufenthaltsort in Form eines Platzes in einem Hilfsprogramm gegen Wohnungslosigkeit angeboten werden.

 

Wir fordern deshalb eine entsprechende Erweiterung des § 30 des Polizeigesetzes, um einen Passus zum Verfahren mit Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach.

Antrag 143/I/2022 Kein Platzverweis für Menschen ohne Obdach - Verdrängung aus dem öffentlichen Raum verhindern

17.05.2022

Die sozialdemokratischen Mitglieder des AGH und des Senats werden aufgefordert, eine Erweiterung von §29 des Polizeigesetzes vorzunehmen, um der besonderen Schutzbedürftigkeit von Menschen ohne Obdach Rechnung zu tragen.

 

Dabei ist sicherzustellen, dass weder die bloße Anwesenheit von Menschen ohne Obdach für die Erteilung eines Platzverweises herangezogen wird noch Platzverweise ohne Verweise auf Hilfs- und Unterbringungsangebot ausgesprochen werden.

Antrag 193/I/2022 Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit zur Unterstützung von Obdachlo-sen und Menschen mit Suchtkrankheiten in Berlin

17.05.2022

Die sozialdemokratische Fraktion im Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Mitglieder der Landesregierung Berlins werden aufgefordert, gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sowie den Berliner Bezirken eine Evaluation der aufsuchenden Sozialarbeit vorzunehmen. Hierbei sollen die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüft und mögliche Schwachstellen offengelegt werden.

 

Diese Evaluation soll enthalten:

  • den Dialog mit Sozialträgern zu suchen und gemeinsam mit ihnen Bedarfe der aufsuchenden Sozialarbeit zu prüfen
  • zu untersuchen, wie aufsuchende Sozialarbeit in besonders von Obdachlosigkeit betroffenen Orten, wie dem Kottbusser Tor, dem Görlitzer Park oder dem Bahnhofs Zoo, eingesetzt wird

 

Je nach Bedarf sind weitere Mittel zur Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit zur Verfügung zu stellen und im Gespräch mit den betroffenen Bezirken und den Sozialträgern diese vor Ort umzusetzen. Wir halten weiterhin am Konzept „Housing First“ fest.

Antrag 194/I/2022 Wirksame Strategien gegen Einsamkeit - Einsamkeit als Problem einer modernen Großstadt begreifen

17.05.2022

Wir fordern, dass sich die Berliner Senat umfassend mit der Entwicklung des Einsamkeitsempfindens in der Bevölkerung in Berlin auseinanderzusetzt und hierauf aufbauend unter Beteiligung der Senior*innenvertretungen, der Freiwilligenagenturen, der Kassenärztlichen Vereinigungen, Initiativen von Pflegenden Angehörigen, Migrant*innenselbstorganisationen und weitere relevante Akteure der Zivilgesellschaft eine gesamtstädtische Strategie gegen Einsamkeit entwickelt mit dem Ziel, die aktive Teilhabe von Einsamkeit betroffener Personen in Berlin zu fördern. Dazu fordern wir eine Gesamtstrategie, die die Bekämpfung und Prävention von Einsamkeit und sozialer Isolation formuliert, ihre Umsetzung begleitet, evaluiert und steuert. Die Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen sollen dabei unterstützend eingebunden werden. Im Idealfall entwickelt sich so ein Erfahrungsaustausch zwischen Senat, Wissenschaft und Aktiver Zivilgesellschaft, die so gemeinsam an einer Strategie arbeiten können.

 

Die SPD Fraktion auf Landesebene und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden ersucht zu prüfen, inwiefern die Sozialämter in Kooperation mit der Universität Hamburg aufbauend auf den Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Lebenszufriedenheit eine eigene Befragung der Berliner Bevölkerung (angelehnt an LISA II und die vorhandenen Datenbestände) durchführen kann mit dem Ziel, Erkenntnisse über das Einsamkeitsempfinden in den Sozialräumen zu erhalten.

 

Die Steuerung der Gesamtstrategie könnte über einen Beauftragten oder eine Abteilungsleitung (ähnlich der Integrationsbeauftragten) ablaufen, der in der Senatskanzlei angebunden ist und die gesamtstädtische Strategie bündelt und überwacht.

 

Der gesamtstädtische Aktionsplan soll in weite Teile der Zivilgesellschaft und auch des Wirtschaftslebens hineinwirken und durch gezielte Aktionstage, wie z.B. einen „Tag der Einsamkeit“ und Social Days unterstützt werden.

 

Besonders von Einsamkeit betroffen sind Menschen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund (insb. ältere Frauen), Pflegebedürftige, pflegende Angehörige und Personen in den 30ern. Für diese bedarf es geeigneter Gemeinschaftsangebote in Stadtteilzentren, Bibliotheken etc. gegen deren erhöhtes Einsamkeitsempfinden.

 

Es soll geprüft werden, inwiefern Träger aus der Migrationsarbeit mit Projekten beauftragt werden können, die über den Peer to Peer Ansatz (anlehnend an die Konzeption der Stadtteilmütter) ältere Menschen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund begleitet und unterstützen, um die Teilhabe von älteren Menschen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund zu fördern und Vereinsamung vorzubeugen.

 

Die Angebote in den Bezirken sollen auf einer Homepage gebündelt werden und über Sozialämter, Jobcenter und Bürgerämter verteilt werden.

Dabei soll es Mitarbeiter*innen der Bundesministerien, des Senates und weiterer bezirklicher Behörden ermöglicht werden Zeit für bürgerschaftliches Engagement in Initiativen zur Bekämpfung der Einsamkeit einzubringen, durch Lohnausgleich.

Weiter fordern wir die Bestrebungen auf Bundesebene zu unterstützen und weitere Großstädte bei der Umsetzung von Strategien gegen Einsamkeitsempfindungen finanziell auszustatten.

Antrag 195/I/2022 Gerechtigkeit für jüdische Zuwanderer im Rentenrecht - Härtefond einrichten

17.05.2022

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages und der Bundesregierung auf, dass der – seit der 19. Wahlperiode geplante und im Koalitionsvertrag versprochene – Fond zur Abmilderung von Härtefällen für jüdische Kontingentflüchtlinge endlich umgesetzt wird.