Archive

Antrag 184/I/2019 Anmeldung und Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in den Standesämtern Berlin

23.02.2019

Die SPD-Stadträte, die SPD-BVV-Mitglieder in den Bezirken, die SPD-Senatorinnen und SPD-Senatoren sowie die SPD-Abgeordneten des Abgeordnetenhauses von Berlin werden aufgefordert sich in ihren jeweiligen Bezirken dafür einzusetzen, dass die Standesbeamt*innen Schulungen in Hinblick auf den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren erhalten. Dabei sollte ihnen vermittelt werden, wie sie ohne (sprachliche) Stolperfallen die Anmeldung und die Trauung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren durchführen. Zusätzlich sollten alle (PC-basierten) Formulare, Urkunden etc. umgehend in den Verwaltungen geändert werden, um einen reibungslosen und diskriminierungsfreien Ablauf sicherstellen zu können.

 

Weiterhin wird der Senat zu Berlin aufgefordert einen Bericht in welchem erläutert wird, welche Maßnahmen bereits vollzogen wurden bzw. in Planung sind sowie verdeutlicht wird, wo noch Bedarf besteht.

Antrag 125/I/2019 Schulen in die Pflicht nehmen - Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen.

22.02.2019

Jedes vierte bis fünfte Mädchen* und jeder achte bis zehnte Junge* ist von sexualisierter Gewalt betroffen – erschreckende Zahlen. Die Dunkelziffer ist noch sehr viel höher. Wie viel sexualisierte Gewalt tatsächlich stattfindet ist deshalb schwer zu sagen. Die Zahlen, die vorliegen, beruhen auf Schätzungen. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Taten von Cis-Männern (Mit dem Begriff Cis werden die Menschen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) begangen werden. Missbrauch beginnt meist schon vor dem eigentlichen Straftatbestand, diese Übergriffe können häufig nicht geahndet bzw. verurteilt werden.

 

Obwohl von sexualisierter Gewalt gesprochen wird, ist diese klar von Sexualität abzugrenzen. Den Tätern*innen geht es in den allermeisten Fällen um die Befriedigung eigener Machtbedürfnisse. Sie nutzen ihre Position von Überlegenheit und die Abhängigkeit des Opfers aus. Kinder und Jugendliche sind in besonderem Maße gefährdet, da sie grenzüberschreitendes oder gar übergriffiges Verhalten unter Umständen gar nicht richtig einordnen können. Täter*innen entwickeln Strategien, um Kindern und Jugendlichen nahe zu kommen (Grooming). Dabei manipulieren sie die Bezugspersonen der Opfer, das Opfer selbst und Situationen, in denen Übergriffe stattfinden, werden heruntergespielt. Häufig wird dem Kind oder dem Jugendlichen im Missbrauchsfall gedroht, um ein Stillschweigen zu erzwingen und einer Meldung vorzubeugen. In vielen Fällen wird dies als „besonderes Geheimnis“ kommuniziert. In der Summe der Manipulationen, die strategisch von Täter*innen angewendet werden, fühlt sich das Opfer allein, Bezugspersonen wird misstraut und die Hürde sich zu offenbaren steigt ins Unermessliche. Wenn nun noch bedacht wird, wie häufig Betroffenen von Übergriffen und sexuellem Missbrauch nicht geglaubt wird, zeigt sich die enorme Bedeutsamkeit von gut ausgebildeten und sensibilisierten Fachkräften. Wichtig zu betonen ist, dass der Begriff sexualisierte Gewalt nicht nur Vergewaltigungen/sexuellen Missbrauch beschreibt, sondern jegliche sexualisierte Handlung (körperlich und psychisch), die gegen den Willen der betroffenen Person ausgeführt wird und deren Intimsphäre verletzt.

 

Ein weiterer wichtiger Faktor der sexualisierten Gewalt, ist die Häufigkeit des Vergehens. Die Wiederholungsgefahr ist extrem hoch, weshalb eine schnelle, sensible und wohl überlegte Intervention entscheidend ist.

 

Sexualisierter Missbrauch kann bei den Betroffenen zu extremer psychischer und physiologischer Belastung führen. Die Wahrscheinlichkeit danach an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden ist extrem hoch. Da Kinder und Jugendliche sich noch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung befinden, kommt es häufig zu einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung.

 

Betroffenenschutzverbände weisen immer wieder darauf hin, wie schwierig für Betroffene von sexualisierter Gewalt der Umgang mit dem Erlebten nach der Tat ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass v. a. durch die Justiz versucht wird, die Perspektive, Motivation und Beweggründe von Täter*innen zu verstehen und letztlich zu verurteilen. Was aber passiert nach einer Verurteilung mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt?

 

Betroffene von sexualisierter Gewalt tragen ein Stigma mit sich. Wenn sie von ihren Erlebnissen erzählen, wird ihnen oft nicht geglaubt oder sie werden nicht ernst genommen. Pädagogische sensibilisierte Fachkräfte könnten als Anwält*innen der Betroffenen fungieren und dafür sorgen, dass ihnen der Schutz zukommt, der ihnen zusteht!

 

Oftmals steht zu Beginn ein Austesten des*der Täter*in des grenzüberschreitenden Verhaltens, bevor es dann zu weiteren übergriffigen und missbräuchlichen Handlungen kommt. Solches Verhalten durch den*die Täter*in kann als Versehen gedeutet werden, obwohl der*die Täter*in dies gezielt und nicht zufällig einsetzt.  Verunsicherung wird somit geschaffen und Vertrauen erschüttert. Allgemein unterscheidet man zwischen Grenzverletzung, sexuellem Übergriff und Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Grenzverletzungen sind gekennzeichnet durch ein einmaliges oder seltenes unangemessenes Verhalten. Sie können aus Gedankenlosigkeit oder Versehen passieren und lassen sich nicht vollständig vermeiden. Doch scheinbar unabsichtliche Grenzverletzungen können hierbei ein Vortasten zu tatsächlichen Übergriffen sein. Den Unterschied macht nicht nur das persönliche Erleben der Betroffenen, sondern in diesem Fall die dahinterliegende Absicht des Täters. Ist diese Absicht vorhanden, ist eine Grenzverletzung keine Grenzverletzung mehr, sondern ein sexueller Übergriff. Es gilt daher vorab geschulte Mitarbeiter*innen dafür zu sensibilisieren.

 

Immer wieder herrscht Rat- und Hilflosigkeit, wenn es um sexualisierte Gewalt und Missbrauch geht. Initiativen wie „Schulen gegen sexualisierte Gewalt“ o.ä., haben in den letzten Jahren zu mehr Sensibilität aufgerufen. Es gibt diverse Handlungsempfehlungen, die präventiv ansetzen, um eine gewisse Sensibilität für das Thema zu schaffen. Allerdings sind dies meist nur Empfehlungen. Es gibt präventive Ansätze und Empfehlungen, z.B. vom paritätischen Wohlfahrtsverband oder vom Runden Tisch gegen sexualisierte Gewalt oder dem Unabhängigen Beauftragten zu Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs.  Wir erachten es als sinnvoll, diese Empfehlungen verpflichtend in die Schulen zu integrieren, da es nicht allein an der Initiative der Schulleitung und Lehrkräften liegen bleiben soll, ob solche Maßnahmen umgesetzt werden oder nicht. Sexualisierte Gewalt ist und bleibt ein akutes Thema, bei dem Prävention von außerordentlicher Bedeutung ist.

 

Schulen haben nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern müssen auch einen Schutzraum für Kinder und Jugendliche bieten und dies deutlich signalisieren, indem im Unterricht thematisiert wird, was schon als grenzüberschreitendes Verhalten gewertet werden kann, wie man sich selbstbewusst zur Wehr setzt und an wen man sich wenden kann.

 

Zu betonen ist aber: Eine Verantwortungsübertragung Richtung Kind oder Jugendliche ist leicht, jedoch tragen die Erwachsenen in jedem Fall die Verantwortung zum Schutz derer. Andernfalls können durch eine solche Haltung Scham und Schuldgefühle bei Opfern sexualisierter Gewalt wachsen. Die Stärkung von Kindern und Jugendlichen ist wichtig, jedoch sind die Erwachsenen für die Sicherheit verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass pädagogische Fach- und Lehrkräfte, bei nicht Ernst nehmen dieser Verantwortung, dazu beitragen, Gewalt zu ermöglichen.

 

Deshalb fordern wir:

Prävention von sexualisierter Gewalt muss in jeder Schule Berlins stattfinden.

Dazu gehört:

  1. Fortbildungen für alle Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen an den Grund- und weiterführenden Schulen. Diese sollen von Fachberatungsstellen angeboten werden. Die Fortbildungen sollen über sexualisierten Missbrauch und Handlungen informieren, verpflichtend für das gesamte Schulpersonal sein und wiederholt angeboten werden. Außerdem muss jede Lehrkraft in Berlin eine Teilnahme an solch einem Seminar nachweisen können. Die Fortbildung muss mindestens alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Die Finanzierung erfolgt über den Senat.
  2. An jeder Schule muss ein Präventionskonzept, ein Handlungsleitfaden zur Intervention sowie Verhaltensregeln für Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Dieses Konzept soll mit Hilfe einer Fachberatungsstelle entwickelt werden. Dazu gehören auch Präventionsbeauftragte und externe, unabhängige Anlaufstellen bzw. Ansprechpartner*innen. Dies impliziert, dass jede Schule in Berlin mit einer Beratungsstelle einen Kooperationsvertrag hat und pädagogische Fachkräfte, Kinder und Jugendliche auch immer eine kostenlose Hotline dieser Beratungsstelle anonym anrufen können bzw. diese Beratungsstelle jederzeit aufsuchen können.
  3. Eine feste Verankerung der Null-Toleranz-Grenze bei sexualisierter Gewalt in den Schulregeln, die ebenfalls einen Passus zu übergriffigem Verhalten beinhalten sollen. Diese Regeln sollen gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Danach sollen sie überall – auch in einfacher Sprache – zugänglich sein und auch an Tagen der offenen Tür kommuniziert werden.
  4. Einstellungsverfahren: Das bisherige verpflichtende erweiterte Führungszeugnis ist nicht ausreichend, da viele der Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht werden. Hier fordern wir, dass schon im Einstellungsgespräch auf das Präventionskonzept Bezug genommen wird. Klare Regeln der Schule sollen verdeutlicht werden. Dabei sollen in einer Zusatzvereinbarung des Arbeitsvertrags nochmal genaue Vereinbarungen getroffen werden, wie die Schule im Falle von Verstoß handelt.
  5. Beschwerdemanagement: Damit die Regeln verbindlich anerkannt werden, muss es transparente und niedrigschwellige Instanzen geben, die für ihre Einhaltung sorgen. Natürlich ist jede Lehrkraft dazu angehalten, aufmerksam zu sein. Zusätzlich muss es jedoch noch Vertrauenspersonen innerhalb der Schule geben. Deshalb sollen gemischtgeschlechtliche Sozialarbeiter*innen an jeder Schule geschaffen werden. Lehrkräfte, die in verschiedenen Jahrgangsstufen tätig sind, die von Seiten der Schüler*innen in einer geheimen Wahl gewählt werden, sollen als Vertrauenspersonen die vertrauensvolle Anbindung der Schüler*innen an die Sozialarbeiter*innen zusätzlich unterstützen. Diese Personen erhalten nochmals ein extra Briefing von Beratungsstellen.
  6. Regelmäßig soll im Rahmen eines Elternabends auf dieses Thema eingegangen werden.
  7. Es muss ein Konzept erarbeitet werden verpflichtende Präventionsangebote an Schulen mindestens einmal in der Schulkarriere zu etablieren. Hierfür kann sich am Konzept der Drogenprävention orientiert werden. Solche Angebote müssen vielfältig sein und sich den Schülerinnen anpassen. Zu solchen Angeboten können Projekttage, der Besuch einer Präventionsstelle oder der Besuch von Expertinnen oder Betroffenen zählen.

 

 

Die einzuführenden Maßnahmen gelten auch für Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen). Die Aufsicht über das Schulwesen in Deutschland obliegt der Hoheit der Länder, somit kann das Land Berlin eigenständig über die Genehmigungs-, Anerkennungs- und Betriebsbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft entscheiden.

Antrag 83/I/2019 Landeseigene Wohnungsunternehmen ermöglichen günstige Kitaräume für Kita Eigenbetriebe

22.02.2019

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Landesregierung, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass in Neubauten oder in Räumlichkeiten der Landeseigenen Wohnungsunternehmen für vergleichsweise günstigen Mieten Flächen für Kitaplätze für die jeweiligen zuständigen Kita-Eigenbetriebe zur Verfügung gestellt werden. Dieses Vorhaben ist schnellst möglichst umzusetzen, da aktuell viel Wohnraum geschaffen wird. Im Sinne einer Berliner sozialdemokratischen Strategie der Rekommunalisierung, sollten diese Plätze an die Kita-Eigenbetriebe gehen können und somit in öffentlicher Hand betrieben werde. Hierzu müssen die Mieten der landeseigenen Wohnungsunternehmen für die Räumlichkeiten jedoch gesenkt werden. Entsprechende Regelungen und Finanzierungshilfen durch das Land sollen mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen festgelegt werden.

Antrag 214/I/2019 Den Umweltverbund ÖPNV-Fahrrad zum Leben erwecken

22.02.2019

Die sozialdemokratischen Mitglieder des AGH und des Senats von Berlin werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Folgendes umgesetzt wird:

Faktisch gibt es zurzeit in der S-Bahn keine Unterscheidung durch Nutzer*innen zwischen Waggons mit Gepäckabteilung und den normalen Waggons. Deshalb sollen folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

  1. Öffentlichkeitskampagne zur Nutzung der mit dem „Fahrrad“ gekennzeichneten Waggons, verbunden mit der Werbung für den Umweltverbund.
  2. Anbringung von Regeln im Waggon, die die Bevorrechtigung der Personengruppen (Fahrräder, Kinderwagen, Rollstuhlfahrer*innen), welche mit den Zeichen benannt werden, klar stellt.
  3. Durch geeignete Markierungen anzeigen, wo sich die Sonderbereiche befinden.

 

 

Antrag 121/I/2019 Verbeamtung von Lehrkräften ist kein Allheilmittel

22.02.2019

Die SPD Berlin möchte die Situation für die Lehrkräfte an den Schulen im Land verbessern und wird dem Lehrkräftemangel mit nachhaltigen Maßnahmen begegnen, um den Lehrer*innen-Beruf attraktiver zu gestalten.

 

Hierfür bedarf es vielschichtiger Lösungsansätze, die die Lebenswirklichkeit von Ausbildung über Berufseinstieg bis zum Übergang ins Rentenalter stärker in den Blick nehmen. Wir sehen die aktuelle Debatte um die Wiedereinführung einer Verbeamtung von Lehrkräften kritisch, da diese Maßnahme das Lehrkräftedefizit nicht lösen wird und darüber hinaus zu zusätzlichen Problemen führt.

 

Grundsätzlich ist für uns Bildung der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben; deshalb messen wir der schulischen Bildung im Land Berlin einen hohen Stellenwert bei und arbeiten daran, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für gelingende Lehr- und Lernprozesse zu ermöglichen.

 

Auch um die Komplexität der aktuellen Situation anzuerkennen, wollen wir einen ganzheitlichen Blick vornehmen, der die aktuellen Strukturen verbessert. Die von uns gewählten Maßnahmen werden mitunter erst mittel- bis langfristig Wirkung entfalten. Jedoch treibt uns eine grundlegende Verbesserung der Situationen vieler engagierter Lehrkräfte und Pädagog*innen an, sodass wir jetzt handeln und einer nachhaltigen Bildungspolitik ohne politische Schnellschüsse Ausdruck verleihen. Im Nachfolgenden skizzieren wir Möglichkeiten, die angespannte Situation der Lehrkräfteentwicklung im Land Berlin zu verbessern, welche zugleich Ausdruck unseres Strebens nach einer sozial gerechteren Gesellschaft sind.

 

Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie des Senats in Berlin auf,

  • sich für Gehaltssteigerungen der angestellten Lehrkräfte unter Prüfung einer im Rahmen des geltenden Tarifvertrags möglichen Zulage von bis zu 20% einzusetzen. Perspektivisch muss der durchschnittliche Nettolohn für neueingestellte Berliner Lehrkräfte deutlich über dem Nettolohn im Bundesvergleich liegen
  • die Anwärter*innenbezüge für die Zeit des Vorbereitungsdienstes finanziell spürbar zu erhöhen, mindestens jedoch an die Bezüge im Land Brandenburg anzugleichen
  • sich dafür einzusetzen, dass das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei vollausgebildeten Lehrkräften Regelfall wird
  • eine aussagekräftige Untersuchung anzustoßen, aus der hervorgeht, wie viele Lehramtsabsolvent*innen nicht in den Berliner Schuldienst gehen und ggf. welche Beweggründe hinter diesem Entschluss stehen
  • sich für eine Entlastung der derzeitigen Pflichtstunden einzusetzen und im Austausch mit der GEW und pädagogischen Mitarbeiter*innen Maßnahmen zu entwickeln
  • eine landesweite Untersuchung zu Motiven für einen Wechsel in andere Bundesländer vor und nach dem Referendariat durchzuführen
  • die Lohnzahlungen des Vorbereitungsdienstes in Teilzeit auf das Niveau der Vollzeit anzuheben sowie vollständige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch das Land Berlin zu gewährleisten
  • sich für eine deutliche Reduzierung der Wochenarbeitsstunden für Lehrer*innen – insbesondere in korrekturlastigen Fächern einzusetzen

 

Weiterhin blicken wir kritisch auf die Verbeamtung als Mittel zur Lösung des Lehrkräftemangels und fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie des Senats in Berlin auf, alternative Maßnahmen zu ergreifen, um das Solidarprinzip weiter zu stärken und nicht zu schwächen!

 

Ziel unseres politischen Handelns muss es sein, die beste Bildungsinfrastruktur zu ermöglichen, in der sich Lernende und Lehrende gleichermaßen wohlfühlen und frei entfalten können. Das setzt voraus, dass wir Widrigkeiten angehen und diese mit mutigen Ideen lösen. Dabei lassen wir aber die Zukunft nicht aus dem Blick und gestalten aktiv die Schule von morgen. Dazu gehört jedoch auch, sich mit den gegenwärtigen Herausforderungen tiefer auseinanderzusetzen, um nicht die bequemste Antwort zu geben, sondern die der Komplexität des Themas entsprechende Lösung zu finden. Das kostet Kraft, Geduld und politischen Willen. Wir Sozialdemokrat*innen wollen das für eine moderne Bildung in Berlin aufbringen.   Dazu gehört auch die grundsätzliche Diskussion darüber, welches Bild wir vom Lehrer*innen-Beruf haben. Denn um eine moderne Bildung zu ermöglichen bedarf es einem modernen Verständnis des Lehrer*innen-Berufs. Dem sozialdemokratischen Grundverständnis nach ist es unser Anspruch, dass Arbeitnehmer*innen für ihre Interesse einstehen und so die Arbeitsbedingungen entscheidend mitgestalten können – dabei darf die Schule keine Ausnahme darstellen.

 

Ein besonderer Schritt, um das zu erreichen, stellt die Abschaffung der vom Land Berlin vorgenommenen Verbeamtung von Lehrkräften im Jahr 2004 dar. Durch diese Entscheidung konnte darüber hinaus dazu beigetragen werden, die durch die Pensionierung entstandenen hohen finanziellen Kosten für beamtete Lehrkräfte einzusparen bzw. die Kosten für Pensionsansprüche nicht mehr in die Zukunft zu verschieben. Neben diesen haushaltsfinanziellen Einsparungen schuf der Verbeamtungsstopp zunehmende Erfolge im sozialpolitischen Bereich, die mit den grundsätzlich reaktionären Dienstrecht einhergehenden Pflichten einer Verbeamtung brachen. Seither können mehr Lehrkräfte für ihre Rechte streiken. Zudem führte diese Entscheidung zu mehr Gleichheit im Lehrer*innenzimmer: die ungerechte Besserstellung von verbeamteten Lehrkräften gegenüber ihren angestellten Kolleg*innen sowie weiteren an den schulischen Einrichtungen arbeitenden Pädagog*innen konnte seitdem kontinuierlich abgebaut werden.

 

Von den derzeit knapp 35.000 Lehrkräften in Berlin ist die Hälfte angestellt. Darunter befinden sich seit einigen Jahren nicht nur vollausgebildete bzw. mit der Lehrbefähigung ausgewiesene Pädagog*innen, sondern Quereinsteiger*innen oder Lehrkräfte ohne Lehrbefähigung. Für die Einstellung zum aktuellen Schuljahr bedeutete das, dass unter den 2700 neuen Lehrkräften 1000 voll ausgebildete Lehrkräfte waren. Bei den übrigen handelte es sich um sehr unterschiedliche Arten von Quereinsteiger*innen, die derzeit noch fortgebildet oder länger eingearbeitet werden müssen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es im Falle einer Wiedereinführung der Verbeamtung zu zwei grundsätzlichen Problemen kommen wird. Erstens können tausende Berliner Lehrkräfte aufgrund ihrer körperlichen Verfasstheit, ihres Alters oder mangels Erfüllung anderer berufsqualifizierender Voraussetzungen nicht verbeamtet werden – ungeachtet ihrer seit Jahren geleisteten Arbeit. Eine Verbeamtungswelle würde ihnen das Gefühl einer Zwei-Klassen-Hierarchie am Arbeitsplatz geben, aus der sie wegen äußerer Faktoren nicht herauskommen können. Dieses Ohnmachtsgefühl darf eine sozialdemokratische Bildungs- und Arbeitspolitik nicht zulassen!

 

Zweitens gefährdet die Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrkräften das Solidarprinzip. Der Grund dafür liegt vor allem in der finanziellen Sonderstellung im Bereich der Sozialleistungen von verbeamteten Lehrkräften. Diese erhalten im Krankheitsfall ihr volles Gehalt über die gesamte Dauer, was auch die Zahlung über mehrere Jahre bedeuten kann. Für die angestellten Lehrkräfte gelten dagegen die in anderen Berufen greifenden Regelungen, wonach im Krankheitsfall der*die Arbeitgeber*in sechs Wochen lang das Gehalt weiterzahlen muss. Danach gibt es Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse, das mit Einbußen in der Lohnhöhe in einem Zeitraum für dieselbe Erkrankung bis zu 78 Wochen ausgezahlt wird. Diese Benachteiligung bei gesundheitlichen Problemen dürfen wir genauso wenig hinnehmen. Die Angleichung der Nettobezüge für angestellte Lehrkräfte wollen wir umsetzen und dazu den im Tarifvertrag möglichen Rahmen für eine Zulage nutzen. Doch die finanzielle Komponente reicht uns allein nicht aus. Daher streben wir unbefristete Arbeitsverträge an, wodurch der gesicherte Arbeitsplatz auch für angestellte Lehrkräfte ausnahmslos umgesetzt wird. Mit diesen Maßnahmen stärken wir gleichzeitig tarifliche Arbeitsverhältnisse unter Wahrung weitreichender Arbeitnehmer*innen-Rechte (z.B. Streikrecht). Die Verbeamtung stellt für uns aus diesem Grund einen Rückschritt dar. Für uns sind Mitbestimmung und Meinungsäußerung wesentliche Grundvoraussetzungen einer gelingenden freien Gesellschaft. Die Verbeamtung jedoch verfolgt ein antiquiertes und hierarchisches Verständnis vom Arbeitsverhältnis. Dem zugrunde liegt eine Treuepflicht zwischen Dienstherr*in und Beamt*in, wodurch die konkrete Tätigkeit in den Hintergrund rückt und im wesentlichen nur die Amtsverleihung zählt. Dem daraus erwachsenen Prinzip der Nichtbeteiligung an gemeinschaftlichen Aufgaben gilt es entgegenzuwirken, denn das Alimentationsprinzip (Versorgung von Beamten) bezieht sich eben pauschal auf das verliehene Amt und nimmt diese Lehrkräfte aus der Verpflichtung, ihren Anteil für das Gemeinwohl beizusteuern.

 

Ganz konkret würde die Herauslösung und Bevorzugung von bestimmten Teilen innerhalb einer Berufsgruppe zu Unmut, Frust und Unverständnis bei denjenigen führen, die nicht davon profitieren. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit darf nie nur ein Mantra bleiben, sondern braucht praktische Umsetzung. Nicht zuletzt bedeutet die ursozialdemokratische Forderung nach gleicher Entlohnung für gleiche Arbeit auch gleiche Verpflichtungen für das soziale Gefüge – besonders am Arbeitsplatz.

 

Doch nicht nur die aktuelle Beschäftigungssituation gilt es mit hinreichenden Maßnahmen für angestellte Lehrkräfte zu verbessern, sondern auch Berlin als Ausbildungsstandort attraktiver zu gestalten. Denn die Praxiserfahrung zählt zu den wichtigsten Momenten in der Lehramtsausbildung. Gerade hier müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die die Lebenssituation von Einsteiger*innen berücksichtigt und ihnen einen angemessenen Einstieg ins Berufsfeld ermöglicht. Das bedeutet: Lebensentwürfe individuell zu berücksichtigen. Die Möglichkeit eines Referendariats in Teilzeit stellt dabei einen wichtigen, wenn auch nicht konsequent zu Ende gedachten Schritt dar. Obwohl es die Möglichkeit seitens des Landes Berlin gibt, den Vorbereitungsdienst in Teilzeit zu absolvieren, bestehen noch immer Ungleichheiten. Zwar ist ein Teilzeit-Referendariat möglich, jedoch nur im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. D.h. dass eine Teilzeitbeschäftigung für “Beamte auf Widerruf” nicht gestattet wird, da beamtenrechtliche Vorschriften dem entgegenstehen. So können Bewerber*innen in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis beschäftigt werden, sind dann aber voll sozialversicherungspflichtig und letztlich finanziell schlechter gestellt. Darüber hinaus erhalten sie eine reduzierte Unterhaltsbeihilfe von 75% des regulären Betrags. Gerade hier sollte eine Veränderung geschaffen werden, um Betroffenen eine maßgebliche Unterstützung zu ermöglichen. Das bedeutet einerseits die Anhebung der Beiträge des Vorbereitungsdienst in Teilzeit auf das Niveau der Vollzeit und andererseits die vollständige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch das Land Berlin.

 

Insgesamt werden wir den Übergang von Studienabschluss zu Referendariat bis hin zum Jobeinstieg stärker begleiten und geeignete Maßnahmen einführen, um lange Wartezeiten zwischen den einzelnen Stationen zu verhindern sowie intensive Beratungsmöglichkeiten zu schaffen. Da bislang keine aussagekräftigen Zahlen darüber vorliegen, wie viele Absolvent*innen vor oder nach dem Referendariat einen Wechsel an eine andere Schule in einem anderen Bundesland vornehmen, werden wir eine landesweite Befragung durchführen. Diese soll genauere Erkenntnisse liefern, welche Intentionen dem Wechsel jeweils zugrunde gelegen haben. Mithilfe dieser Befragung soll evaluiert werden, welche Intentionen einem Wechsel zugrunde liegen und inwiefern dieser durch die Möglichkeiten auf Verbeamtung in anderen Bundesländern beeinflusst wird. Unabhängig davon streben wir eine strategische Zusammenarbeit mit Brandenburg an, um über Wege zur erfolgreichen sowie nachhaltigen Lösung des Lehrkräftemangels zu beraten und konkrete Schritte zeitnah festzulegen.

 

Die Verbeamtung ist kein probates Mittel zur Lösung des Lehrkräftemangels. Selbst in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg fehlt es an ausgebildeten Lehrer*innen. Ein Aktionismus, der die Verbeamtung in Berlin aufgrund des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bundesländern heranzieht, verliert jedoch langfristig. Denn anstatt das Thema Verbeamtung weiter als Allheilmittel zu postulieren, sollten wir andere Hebel betätigten, um die Situation nachhaltig zu verbessern. Diese liegen jedoch weniger in der finanziellen Ausgestaltung, als an einer bundesweiten Strategie zur Verbesserung des Arbeitsplatzes Schule unter Berücksichtigung von Guter Arbeit für die gesamte Bandbreite des pädagogischen Personals.