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Antrag 91/II/2017 SPD solidarisch: Mieter*innen-Partei – Parteinahme für Mieter*innen in Berlin

8.11.2017

(Ersetzungsantrag zu den Anträgen 33/II/2017, 34/II/2017, 35/II/2017, 36/II/2017, 37/II/2017)

 

Kooperationsverbot aufheben und Eigenbedarfskündigungen einschränken

Ohne eine Änderung des Grundgesetzes sind ab 2020 die Länder allein für die soziale Wohnraumversorgung zuständig. Angesichts der Entwicklung am Mietwohnungsmarkt, dem Auslaufen von Belegungsbindungen und dem Einsetzen der Schuldenbremse droht damit eine weitere Verschärfung der Lage am Mietwohnungsmarkt – vor allem in den großen Ballungsräumen und Universitätsstädten. Wir sind daher der Überzeugung, dass die Förderung des sozialen Wohnungsbaus auch zukünftig als Gemeinschaftsaufgabe „Wohnen für alle!“ von Bundesebene und Ländern, zweckgebunden und langfristig auch nach 2019 fortgeführt werden muss. Das Kooperationsverbot muss auch in diesem Handlungsfeld aufgehoben und der Schwerpunkt der Förderung auf die Förderung von bezahlbaren Mietwohnungen und nicht auf die steuerliche Förderung der Eigentumsbildung gelegt werden, wie sie die konservativ-liberalen Parteien fordern.

Die Zahl der preiswerten Mietwohnungen, vor allem der in der Vergangenheit geförderten Sozialwohnungen geht seit einigen Jahren dramatisch zurück. Nicht nur das Auslaufen der Bindungsfristen, sondern der schleichende Verlust von preiswerten Mietwohnungen durch Umwandlung in Eigentumswohnungen tragen schleichend dazu bei. In Berlin sind allein in den Jahren 2011 bis 2016 mehr als 62.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Vor allem innerstädtische Wohnungen in den Ballungszentren wie Berlin sind betroffen. Wir treten daher dafür ein, dass diese Umwandlungspraxis aufhört, d. h., dass die gesetzlichen Anforderungen an eine Umwandlung in Wohnungseigentum deutlich verschärft werden müssen. Die Mietwohnung muss ein gesetzlich geschütztes Gut werden.

Berlin wird sich daher dafür einsetzen, dass das Baurecht, dahingehend geändert wird, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten komplett untersagt wird. Alle Ausnahmeregelungen im Baurecht sind abzuschaffen.

Darüber hinaus wird sich Berlin dafür einsetzen, dass Städte und Gemeinden in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, Umwandlungsverbote erlassen können.

Berlin wird sich dafür einsetzen, dass die rechtliche Grundlage für verbindliche Mietobergrenzen nach Modernisierungen in Milieuschutzgebieten geschaffen wird. Diese sollen auch bei Neuvermietungen Geltung haben.

 

Berlin wird sich dafür einsetzen, dass die Regelungen bei der Eigenbedarfskündigung verschärft werden:

  • So ist das Recht auf Eigenbedarfskündigung, auf den tatsächlichen Eigentümer zu beschränken.
  • Die Ausübung der Eigennutzung muss kontrolliert werden.
  • Der Missbrauch muss sanktioniert werden.

 

Modernisierung / Energetische Sanierung muss klar geregelt werden

  • -Zukünftig sollen nur die Maßnahmen auf die Miete umgelegt werden können, die Wirtschaftlichkeitsprinzipien entsprechen.
  • Eine Überprüfung der Maßnahmen durch den Mieter muss möglich sein. Unzulässige Modernisierungsmaßnahmen müssen vom Mieter abgelehnt werden können.
  • Die Höhe der Modernisierungsumlage soll künftig auf 6% beschränkt werden.
  • Die Nettokaltmiete nach der Modernisierung wird – analog zur Mietpreisbremse – auf einen Betrag begrenzt, der die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr 10% übersteigt.
  • Konkretisierung der Härtefallklausel durch Einführung eines Regelbeispiels: Härte liegt regelmäßig vor, wenn mehr als 40 Prozent des Nettohaushalts-einkommens für Miete einschließlich Heizkosten gezahlt werden muss.

 

In der nächsten Wahlperiode steht aufgrund der EU-Rechtsprechung eine Änderung der ENEV und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes an. Geplant ist die Zusammenfassung zu einem Gebäudeenergiegesetz (GEG).

 

Wir fordern, dass zukünftig energetische Sanierungen genau auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft werden und kein Mieter eine energetische Sanierung fürchten muss. Unser Ziel ist es, die Praxis des grauen Baumarktes zu stoppen, der vorgeblich energetische Sanierungen für Entmietungen in attraktiven Großstadtquartieren nutzt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Städtebauförderprogramme und die KfW-Förderung sich zukünftig auf die energetische Sanierung von Quartieren konzentrieren und dass die Förderung auf eine warmmietneutrale Sanierung ausgerichtet wird.

 

Der qualifizierte Mietspiegel muss als Instrument gestärkt werden. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Verlängerung des Bezugszeitraumes auf mindestens 10 Jahre. Konkretisierung der Anforderungen an Mietspiegel, vor allem durch eine Mietspiegelverordnung der Bundesregierung, in der insbesondere für qualifizierte Mietspiegel Grundsätze aufgestellt werden.

 

Der Spekulation mit Grund und Boden muss durch Entwicklungsmaßnahmen, Baugebote und durch die Anpassung der Besteuerung entgegengewirkt werden. Durch eine kürzere Befristung der Baugenehmigungen soll der Grundstückshandel eingedämmt werden.

 

Im Rahmen der geplanten Novelle des Baugesetzbuches muss ein planungsrechtliches Instrument zur Steuerung der Bodenpreisentwicklung geschaffen werden, welches auch kleinteilig anwendbar ist.

 

Aufgaben in Berlin

  • Berlin wird selbst Grundstücke aktiv erwerben und preislimitierte, am Verkehrswert orientierte Vorkaufsrechte aktiv nutzen bzw. Abwendungsvereinbarungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter schließen.
  • Wir fordern, dass innerhalb des S-Bahnrings möglichst flächendeckend und darüber hinaus in allen Gebieten, welche die Voraussetzungen dafür erfüllen, soziale Erhaltungssatzungen nach § 172, Absatz 1, Satz 1, Nr. 2 BauGB (Milieuschutz) aufgestellt werden.
  • Im Haushalt des Landes Berlin ist hinreichend Vorsorge zu treffen, dass den Bezirken ausreichende personelle und finanzielle Mittel zur Ausweisung und Kontrolle von Maßnahmen nach §172 BauGB zur Verfügung stehen.
  • Das Land Berlin legt eine neue Modernisierungsförderung mit mindestens 70 Mio. Euro pro Jahr auf. Diese Fördermittel sind vorrangig für Maßnahmen in sozialen Erhaltungsgebieten einzusetzen. Sie sollen vor allem für warmmietneutrale Sanierungen eingesetzt werden, die entsprechend abgesichert werden müssen.
  • Die Abkehr von der Privatisierungslinie und der neue Kurs des Berliner Senats zur Stärkung der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen muss konsequent fortgesetzt werden, um einen funktionierenden sozialen Mietmarkt zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass das Land Berlin seinen Anteil an landeseigenen Wohnungen perspektivisch auf 500.000 Wohnungen weiter erhöhen muss. Um diese Strategie langfristig abzusichern, müssen Privatisierungen von kommunalem Eigentum verfassungsrechtlich ausgeschlossen werden.
  • Innerhalb dieser Wahlperiode soll Berlin die Zahl der geförderten Sozialwohnungen auf 6000 pro Jahr steigern. Wir streben dabei an, dass nach dem Grundsatz verfahren wird „Einmal gefördert, immer gebunden.“.
  • Wir bekräftigen die Zielsetzung des Koalitionsvertrages zur dauerhaften sozialen Belegungsbindung in den städtischen Wohnungsbauunternehmen.
  • Die Mieten im sozialen Wohnungsbau sind durch ein neues System der Mietenkalkulation für WBS berechtigte Haushalte zu kappen. Belegungsbindungen sind konsequent für die Versorgung berechtigter Haushalte zu nutzen.
  • „Das Mietenbündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ des Landes Berlin muss durch die Einbeziehung von kooperationswilligen genossenschaftlichen und privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen auf eine breitere Basis gestellt werden. Ziel muss es sein, in einem solchen Bündnis, bezahlbare Mietwohnungen nach Hamburger Modell zur Verfügung zu stellen.
  • Es ist zu prüfen, ob alle Rechtsvorschriften in einem Wohnraumschutzgesetz zusammengefasst werden können. Darin soll das Land Berlin insbesondere den Abriss von preisgünstigen Mietwohnungen verhindern und weitere Instrumente gegen die Vernachlässigung und Überbelegung von Wohnraum ein- bzw. zusammenführen. Mit der Senatsverwaltung abgesprochene Maßnahmen der Bezirke sind für ggf. eintretende Rechtsstreitigkeiten finanziell abzusichern.
  • Das geschützte Marktsegment, Wohnungen für Menschen mit dringendem Wohnraumbedarf, ist auszuweiten. Private, kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sollen pro Jahr 3.000 Haushalte mit dringendem Wohnbedarf unterbringen. Insbesondere private Wohnungsunternehmen müssen sich bei der Unterbringung dieser Nachfragegruppen mehr engagieren.
  • Die neuen Modularbauten für Flüchtlinge sollen in den nächsten Jahren für die Versorgung von weiteren Zielgruppen geöffnet werden, um so gemischte Quartiere zu entwickeln.
  • Das Land Berlin intensiviert das Monitoring des Wohnungsmarktes. Dazu muss es eine halbjährige Auswertung der Bestandsentwicklung bei Mietwohnungen geben – getrennt nach unterschiedlichen Mietpreis-Einstufungen und Belegungsbindungen. Ziel ist eine kontinuierliche Bestandsaufnahme und eine belastbare Prognose über die Zahl des Bestandes und des Zubaus der Mietsozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen sowie die Zahl der aus der Förderung bzw. Bindung fallenden geförderten Mietwohnungen zu erhalten.
    Hier sollten die Daten über die durch Luxus-Modernisierungen und Aufteilung in Eigentumswohnungen verlorenen Wohnungen ausgewiesen werden. Angaben über die Zahl der noch benötigten oder gebauten Wohnungen, ohne Angabe zu den Mietpreisen verzerren das Bild. Das Ergebnis der Auswertung sollte der Handlungsrahmen für die Bedarfsplanung der Stadtentwicklungspolitik des Landes Berlin werden.
  • Berlin sucht eine intensivere Kooperation mit dem Land Brandenburg, um zu einer gemeinsamen Stadtentwicklung und Wohnungsbaupolitik in der Region zu kommen.
  • Berlin verpflichtet sich dazu, zukünftig und dauerhaft eine enge Kooperation mit den Wohnungsgenossenschaften zu suchen. Genossenschaften sind Akteure mit sozialer Verantwortung.
  • Genossenschaften stellen gegenwärtig mit ca. 200.000 Wohnungen 12% der Wohnungen in Berlin bereit. Mit einem durchschnittlichen Mietpreis von 5,20 Euro pro m² im Bestand sind sie ein wichtiger Bestandteil für die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt. Insbesondere für Mittelschichtsfamilien, denen sonst kaum noch Zugang zu bezahlbaren Wohnungen zur Verfügung steht, bieten sie sicheren Wohnraum auf Dauer. Um diese Funktion zu stärken, muss das Land Berlin Genossenschaften stärker fördern, damit diese die Zahl an erschwinglichen Genossenschaftswohnungen ausbauen können.
  • Die SPD Berlin ruft ihre Mitglieder dazu auf, die Berliner Mieterselbstorganisationen zu unterstützen und Mitglied zu werden.

Antrag 08/II/2017 Einrichtung einer Landesgleichstellungskommission der SPD Berlin

14.10.2017

Der Landesvorstand der SPD Berlin wird aufgefordert, eine Landesgleichstellungskommission einzurichten. Aufgaben der Landesgleichstellungskommission sollen neben der Erstellung des Gleichstellungsberichts der SPD Berlin die Erarbeitung von Maßnahmen und Hilfestellungen zur Verbesserung der Gleichstellung im Landesverband sein.

 

Die Gleichstellungskommission wird von einem Mitglied des Landesvorstands geleitet, um eine gute Anbindung an den Landesvorstand zu gewährleisten. Daneben gehören der Landesgleichstellungskommission je ein Mitglied pro Kreis sowie je ein Mitglied pro statutarischer Arbeitsgemeinschaft mit Stimmrecht an. Der Landesvorstand entscheidet über die Leitung der Landesgleichstellungskommission, Kreise und Arbeitsgemeinschaften entsenden je ein von ihnen zu wählendes Mitglied in das Gremium. Darüber hinaus können von ihnen stellvertretende Mitglieder benannt werden. Die Kommission kann weitere ständige Mitglieder zur Mitwirkung an ihrer Arbeit kooptieren.

 

Die Gleichstellungskommission tagt regelmäßig, mindestens einmal im Quartal.

Antrag 25/II/2017 Organisations- und personalpolitisch sozialdemokratische Glaubwürdigkeit unterfüttern

14.10.2017

Parteivorstand und Landesvorstände werden beauftragt, auf der Grundlage der Beschlüsse der SPD, insbesondere des Leitbilds ‚Gute Arbeit‘ (Beschluss „Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten – Leitlinien einer modernen sozialdemokratischen Arbeitspolitik, Bundesparteitag 2015), den Umgang mit den Beschäftigten unter sozialdemokratischer Personalverantwortung zu überprüfen und anzupassen.

 

Der Auftrag erstreckt ausdrücklich für die Betrachtung in:

  • den Organisationen, in denen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind: Parteiorganisation, Fraktionen, Abgeordnete, u.ä.
  • den Behörden, in denen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Leitungen innehaben: Ministerien, Dezernate, Ämter, u.ä.,
  • den öffentlichen Betrieben, in denen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten über die öffentliche Beteiligungen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen können: Aufsichtsräte, Vorstände, Verwaltungsräte, etc..

 

Standards für diese Auftragserfüllungen müssen dabei die eigenen Ansprüche an ‚Gute Arbeit‘ und die bisherige Beschusslage sowie die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein, die sich aus den bestehenden Gesetzen ergeben. Angebote von Fortbildungen für Arbeitgeber(innen) in Personalführung müssen sowohl angeboten als auch angenommen werden.

 

Die Mandatsfreiheit für Abgeordnete wird durch die sozialdemokratischen Ansprüche an Arbeitsverhältnisse ergänzt. Bestehende Hilfestellungen, wie beispielsweise die Tarifgemeinschaft der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, müssen allen Abgeordneten zur Verfügung stehen und von allen genutzt werden.

 

Glaubwürdigkeit fängt beim eigenen Handeln an. Andernfalls wird die Partei geschädigt.

Antrag 69/II/2017 Solidaritätsprojekt für die Sahauris der SPD Berlin

14.10.2017

Seit 40 Jahren ist die Demokratische Arabische Republik Sahara völker- und EU-rechtswidrig vom Königreich Marokko besetzt. Die weltweit anerkannte Vertretung der Sahauris ist die Frente POLISARIO, beobachtendes Mitglied der Sozialistischen Internationalen. 167.000 Sahauris leben seit 40 Jahren in Flüchtlingslagern. Bis in die 90er Jahre hinein gab es eine breite Solidaritätsbewegung, auch in unserer Partei. Doch der Konflikt scheint fast vergessen. Gleichzeitig wird die Versorgungslage der Geflüchteten immer schlechter.

 

Daher wird die SPD Berlin ein Solidaritätsprojekt zugunsten der Sahauris starten, in dem zunächst

  • unsere Genossin Kerstin Tack MdB und die Frente Polisario zum Landesparteitag zu einer Rede eingeladen werden;
  • humanitäre Unterstützung für die Geflüchteten organisiert wird, die vor allem die Versorgung mit Medikamenten und Nahrungsmitteln sowie Bildung zum Ziel hat;
  • Angehörige der Frente Polisario zu Veranstaltungen der SPD und ihrer Arbeitsgemeinschaften eingeladen werden;
  • mit den Organisationen der sozialdemokratischen Familie Gespräche über weitere Kooperationen und zur Unterstützung der Frente Polisario geführt werden.

 

 

 

Antrag 89/II/2017 Zeit für Opposition

14.10.2017

Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Die Große Koalition soll nicht weiter regieren. Die SPD hat mit einem historischen Tief den klaren Auftrag bekommen, in die Opposition zu gehen und sich zu erneuern.

 

Der Berliner Landesverband begrüßt

  • die schnelle und klare Positionierung des Parteivorstands am Wahlabend, die Oppositionsrolle zu übernehmen;
  • den vom Bundesvorstand eingeleiteten Prozess zur Erneuerung der SPD durch ein umfangreiches Arbeitsprogramm und Zukunftsdialoge.

 

In beide Vorhaben wird sich die Berliner SPD aktiv einbringen.

 

Erneuerung braucht Zeit. Wir müssen unser schlechtes Wahlergebnis tiefgreifend analysieren, Konsequenzen ziehen und neue Perspektiven für die Zukunft entwickeln.

 

Dennoch können wir heute schon folgende Schlüsse ziehen:

 

1. Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust wirkt nach

Nach einer Vielzahl von Fehlentscheidungen, wie mit der Agenda 2010, wie bei der Mehrwertsteuer oder dem Solidaritätszuschlag haben viele Menschen kein Zutrauen mehr in die Verlässlichkeit der SPD. Zudem konnte die SPD ihre eigenen Themen wie Mindestlohn, Leiharbeitsgesetz oder Frauenquote nicht als eigenen Erfolg verbuchen. Durch die ständigen Kompromisse ist ein erkennbares sozialdemokratisches Profil in der Regierung ausgeblieben. Jetzt ist es an der Zeit, eigenständige sozialdemokratische Konzepte in der Opposition zu erarbeiten und unsere Kernkompetenz „Soziale Gerechtigkeit“ mit konkreten Forderungen und Projekten zu verbinden.

Die Agenda 2010 hat der SPD nachhaltig geschadet. Das Vertrauen in die SPD als soziale Instanz, auf die Verlass ist, ist schwer gestört. Die SPD trägt Verantwortung für die Deregulierung in der Arbeitswelt. Der sich verbreiternde Niedriglohnsektor, Leiharbeit, Befristungen etc. führten dazu, dass heute trotz guter wirtschaftlicher Lage viele Menschen keine sicheren Arbeitsplätze haben, wovon sie sich und ihre Familien ernähren können. Hinzu kommt die Langzeitarbeitslosigkeit von rund 1 Million Menschen, die nicht abgebaut werden konnte. Hinzu kommen Ungerechtigkeiten in den Hartz IV-Gesetzen. Dieses verlorene Vertrauen gewinnen wir nicht dadurch, dass wir an der Agenda 2010 ständig herumdoktern und nachbessern. Damit muss Schluss sein.

 

2. Jede Zeit braucht ihre Antwort: Für einen „Neuen Sozialen Gesellschaftsentwurf“

Es wird Zeit, dass die SPD einen „Neuen Sozialen Gesellschaftsentwurf“ auf den Weg bringt, der die Agenda 2010 endgültig ablöst. Der „Neue Soziale Gesellschaftsentwurf“ soll sich erkennbar an den sozialdemokratischen Grundwerten orientieren, der Spaltung in Arm und Reich entgegenwirken und die Teilhabe aller am wirtschaftlichen Erfolg sichern. Dazu gehören die Re-Reregulierung des Arbeitsmarktes, Lohngerechtigkeit, Verteilungs- und Steuergerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit, eine Krankenversicherung für alle, Kindergrundsicherung, Entlastung Alleinerziehender, Entlastung pflegender Angehörige, Familienarbeitszeit etc. Nur so kann die SPD wieder erkennbar werden mit konkreten Inhalten der sozialen Gerechtigkeit. Der Prozess zur Erarbeitung der neuen Agenda soll von der Basis der Partei heraus erarbeitet werden. Die Parteimitglieder, die zum großen Teil vor Ort vernetzt, beruflich wie familiär in der Gesellschaft verankert sind und in den letzten Monaten im Straßenwahlkampf und Tür-zu-Tür Aktionen unterwegs waren, haben ein gutes Gespür dafür, was konkret für die Menschen soziale Gerechtigkeitsfragen sind.

 

3. Das Soziale Europa als zentrales Zukunftsthema

Das Thema Europa konnte im Wahlkampf nicht als ein erkennbarer Schwerpunkt der SPD platziert werden. Obwohl die EU aus den Fugen geraten ist, die Verteidigung des friedlichen und freien Europas aktuell auf der Tagesordnung steht und wir mit Martin Schulz einen überzeugten und überzeugenden Europäer haben, konnte die SPD in diesem Wahlkampf damit nicht punkten. Jetzt ist es an der Zeit, dass die SPD sich als ein Teil einer Bürgerbewegung versteht und einbringt, die für ein freies und friedliches Europa kämpft. Die Sehnsucht danach ist in der Bevölkerung groß. Das soziale und solidarische Europa als ein Zukunftsprojekt muss die SPD in Zukunft stärker in den Mittelpunkt stellen. Im Hinblick auf die anstehenden Europawahlen und den Wunsch vieler Junger Menschen, sich für Europa zu engagieren, muss die SPD frühzeitig einen Aktionsplan und Angebote für eine zukunftsweisende Europapolitik entwickeln.

 

4. Oppositionsarbeit und Kampf gegen Rechts

Deutschland braucht eine starke Sozialdemokratie. Für die parlamentarische Demokratie ist eine selbstbewusste Opposition und ein echte Alternative zur Regierung von zentraler Bedeutung. Die SPD darf die Oppositionsstimme nicht der AfD überlassen. Weltweit erleben wir eine Zeit der Desintegration, des Gegeneinanders und des Rechtspopulismus. Nicht Versöhnung und Frieden beherrschen die Politik, sondern Aggression und Ausgrenzung. Diesen Rechtsdruck erleben wir auch in Deutschland. Die SPD wird auf allen Ebenen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus bekämpfen. Sie wird aus der Opposition heraus die sozialen Themen nicht der AfD überlassen. Mit der „Neuen Sozialen Agenda“ wird die SPD die nächsten vier Jahre die konservative Bundesregierung stellen.

 

5. Neue Perspektiven und Machtoptionen entwickeln

Es war ein fataler Fehler, vor der Bundestagswahl 2013 die Koalition mit den Linken auszuschließen. Die Machtoption Rot-Rot-Grün muss als Projekt trotz der Konkurrenzsituation vorangebracht werden. Hierfür wollen wir aus Berlin heraus durch erfolgreiches Regieren aufzeigen, dass R2G eine Machtoption auch für den Bund ist. Gerade die vielen Neumitglieder geben Hoffnung, dass es viele Menschen in unserem Land gibt, die eine Sehnsucht nach einem freien und sozialen Europa, nach einer weltoffenen und solidarischen Gesellschaft haben. Ihnen in der SPD eine politische Heimat zu geben ist unser aller Auftrag.