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Antrag 43/II/2021 50 Jahre BAföG: Umfassende Reformen jetzt!

9.11.2021

Als 1971 das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Deutschland eingeführt wurde, war dies mit dem Ziel geschehen, Chancengleichheit im deutschen Bildungswesen herzustellen und insbesondere jungen Menschen aus einkommensschwachen Familien ein Studium oder eine weiterführende Schulausbildung zu ermöglichen. Zieht man 50 Jahre später eine Bilanz, fällt diese jedoch ernüchternd aus.

 

Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland besonders schlecht ab. Verglichen mit anderen Industrienationen sind Bildungsbiografien in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Haben die Eltern keine Berufsausbildung abgeschlossen, ist zum Beispiel auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ihre Kinder einen solchen Abschluss erreichen. Darüber hinaus sinkt der Anteil der BAföG-Empfänger*innen seit Jahren kontinuierlich. Während kurz nach der Einführung noch fast 45 Prozent anspruchsberechtigt waren, erhielten im Jahr 2020 lediglich 11 Prozent aller Studierenden die Finanzierungshilfe. Aufgrund steigender Mietpreise und Inflation reicht der BAföG-Satz außerdem immer weniger zum Leben, insbesondere für Studierende in Großstädten.

 

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sind zentral für eine gerechtere Gesellschaft. Dass diese gar nicht bestehen, hat die Coronakrise, im Zuge welcher viele Jobmöglichkeiten für Studierende wegfielen und das BAföG bei weitem nicht ausreichte, deutlich gezeigt. Aus diesem Grund müssen wir unseren Forderungen nach einer auskömmlichen Studienfinanzierung weiterhin Nachdruck verleihen. Wir sind der Überzeugung, dass es weitreichende Reformen braucht, um den Hochschulzugang für alle junge Menschen zu eröffnen. Wir brauchen endlich eine bedarfsdeckende Studienförderung, die mehr jungen Menschen zugutekommt.

 

Wir fordern daher:

 

Das BAföG muss zum Leben reichen. Ein wichtiger Schritt ist die regelmäßige automatische Erhöhung der Bedarfssätze sowie die Zahlung eines Inflationsausgleichs. Eine solche automatische Erhöhung braucht zuerst einen Ausgangspunkt, die den tatsächlichen Kosten eines würdigen Lebens als Studierende entspricht. Davon sind die derzeitigen Bedarfssätze weit entfernt, wie die Sozialerhebung der Studierendenwerke und der Alternative BAföG-Bericht der Gewerkschaftsjugend immer wieder zeigen. Darum fordern wir, anhand eines studentischen Warenkorbs die tatsächlichen Kosten des Studiums ermitteln zu lassen und diesen Wert als Ausgangspunkt der künftigen automatischen Erhöhung zu veranschlagen. Dabei müssen unbedingt auch besondere Belastungen bedacht werden. Auch Mieten sind nicht überall gleich. Eine Wohnpauschale muss daher dem örtlichen Bedarf entsprechen. Zusätzlich zur Förderung braucht es eine bedarfsgerechte Pauschale für Lernmittel wie z. B. elektronische Geräte und Literatur.

 

Das BAföG muss mehr Studierende erreichen. In einem ersten Schritt müssen die Freibeträge weit überproportional angehoben werden, damit das BAföG wieder weiter in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht. Bis das System familienunabhängig aufgestellt ist, müssen die Elternfreibeträge massiv und relational zu Mittelstandseinkommen erhöht werden, um die Förderquote wieder deutlich anzuheben. Hierzu ist es notwendig, dass die Freibeträge der aktuellen Einkommensentwicklung regelmäßig automatisch angepasst werden, neben dem Einkommen auch Kredite, Hypotheken und Schulden der Eltern berücksichtigt werden, und die Berechnung von Unterstützung für Kinder von selbstständigen Eltern reformiert wird, sodass mehr junge Menschen eine Förderung erhalten. Wer in der Bundesrepublik Deutschland lernt, muss auch gefördert werden können. BAföG muss deshalb für alle zugänglich sein. Egal, was auf ihrem Pass steht. Auch für Schüler*innen ab der 10 Klasse fordern wir Zugang zu BAföG und zwar unabhängig davon, ob sie bei ihren Eltern wohnen oder nicht.

 

Das BAföG muss langfristig alle erreichen. Wir sind der Überzeugung, dass Bildung ein Grundrecht ist und Bildung für alle kostenfrei zugänglich sein soll. Wir lehnen außerdem die Vorstellung ab, dass junge Menschen auch nach dem Erreichen der Volljährigkeit noch von ihren Eltern finanziell abhängig sein müssen. Zumal die Realität zeigt, dass Eltern nicht immer zahlen, auch wenn sie müssten oder aufgrund eines Kontaktabbruchs nicht bereit sind, die Anträge ihrer Kinder auszufüllen. Für Studierende ist dies besonders prekär, da sie nur dann eine BAföG-Förderung erhalten würden, wenn sie den Rechtsweg wählen und ihre Eltern verklagen. Wir werden uns daher weiterhin für eine Öffnung hin zu einer elternunabhängigen Förderung einsetzen. Die Einführung des elternunabhängigen Bafög wird erheblich zur Entbürokratisierung beitragen und Verwaltungskosten reduzieren.

 

Das BAföG muss attraktiver und unbürokratisch werden. Viele Studierende, die anspruchsberechtigt wären, scheuen die komplizierten Anträge und die Bürokratie. Wir fordern daher, dass BAföG-Anträge vereinfacht werden. Wir fordern daher die Rückkehr zum Vollzuschuss, damit die Leistungen nicht mehr zurückgezahlt werden müssen.

 

Das BAföG muss flexibler werden. Die Förderungshöchstdauer ist derzeit auf die Regelstudienzeit begrenzt. Allerdings schafft es nur weniger als die Hälfte der Studierenden, ihr Studium rechtzeitig abzuschließen. Das liegt auch an den veränderten Anforderungen an Absolvent*innen. Ein Hochschulabschluss reicht in vielen Branchen nicht mehr für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Häufig müssen auch Praktika, Auslandsaufenthalte und ehrenamtliches Engagement nachgewiesen werden. Hinzu kommt, dass viele Studierende Care-Arbeit leisten oder gesundheitlich eingeschränkt sind. Damit alle Studierende nach ihren eigenen Vorstellungen studieren können und sich während ihres Studiums frei entfalten können, fordern wir die Abschaffung der Höchstförderungsdauer. Außerdem fordern wir, dass BAföG auch nach einem Studienfachwechsel, der nach dem dritten Semester erfolgt ist, weiterhin gezahlt wird.

 

Das BAföG muss gerechter werden. Das heißt für uns auch, dass wir grundsätzlich einen Ausbau der staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten für jungen Menschen in Ausbildungsberufen fordern. Dies gilt beispielsweise auch für das Meister*innen-Bafög. Insbesondere junge Menschen aus nicht-akademischen Familien studieren häufiger auf dem zweiten Bildungsweg und werden durch Altersgrenzen diskriminiert. Daher fordern wir, dass alle Altersgrenzen aufgehoben werden.

 

Die BAföG-Reform muss dabei eingebettet sein in einen größeren Strauß von Umverteilungsmaßnahmen wie etwa gerechteren Vermögens-, Einkommens- und Erbschaftssteuern.

 

Die SPD hat die Bundestagswahl 2021 als stärkste Kraft gewonnen. Eine Umfassende BAföG Reform, die u.A. die Rückkehr zum Vollzuschuss und eine elternunabhängige Zahlung beinhaltet, war auch Dank dem Druck der Jusos Teil des SPD-Wahlprogramms. Im Falle einer SPD-geführten Bundesregierung muss es die Pflicht der Partei und eines Bundeskanzler:innenamtes in sozialdemokratisch geführter Hand sein diese Reform umzusetzen. Um Millionen von jungen Menschen in Deutschland das historische Versprechen von Aufstieg durch Bildung zu garantieren, und um einer neuen Generation junger Menschen zu beweisen, dass eine sozialdemokratische Regierung für ihre Interessen einsteht

Antrag 51/II/2021 Demokratie bewahren! Faire Wahlen in Ungarn garantieren

9.11.2021

Wir fordern die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-Europaabgeordneten dazu auf, sich bei der EU-Kommission für freie und faire Wahlen bei den kommenden Parlamentswahlen in Ungarn im Jahr 2022 einzusetzen. Aufgrund der Erfahrungen der beiden letzten Parlamentswahlen sollte bereits vor den Wahlen auf Folgendes hingewirkt werden:

 

  1. Kandidat*innen sollen sich schon vor dem Beginn der Wahlkampfperiode registrieren können, um rechtzeitig öffentliche Gelder für den Wahlkampf erhalten zu können.
  2. Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung, z.B. durch öffentliche Berichte, die ausreichend detailliert die Einnahmen und Ausgaben für Kandidat*innen und Parteien aufschlüsseln. Diese sollten spätestens einen Tag vor der Wahl in einem digitalen und durchsuchbaren Format einsehbar sein.
  3. Meinungsvielfalt in den Medien mit einem möglichst barrierefreien Zugang zu diesen, sowie die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit redaktionellem Pluralismus, einem transparenten Auswahlprozess bei der Benennung von leitenden Angestellten und einem transparenten und nachhaltigem Finanzierungssystem.

     

    Zudem soll es einen unabhängigen internationalen Wahlbeobachtungsprozess geben, welcher ausreichend unabhängige internationale Beobachter*innen insbesondere im ländlichen Raum zur Verfügung stellt, die den Wahlprozess begleiten und ihn unter Berücksichtigung internationaler Standards neutral und objektiv bewerten sowie gegebenenfalls etwaige Unregelmäßigkeiten offenlegen können.

    Antrag 52/II/2021 Menschenrechte grenzenlos: Für einen wirksamen Schutz von LSBTI-Rechten in der Außen- und Entwicklungspolitik

    9.11.2021

    Das Versprechen der Menschenrechte umfasst die Möglichkeit, die eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität frei und ohne Angst zu leben sowie gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben. Dieses Versprechen ist weit davon entfernt, eingelöst zu sein. Im Gegenteil: Weltweit sind lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt, in vielen Ländern sogar staatlicher Verfolgung und Kriminalisierung. Während vielerorts die Sichtbarkeit queerer Menschen steigt, kommt es teilweise auch zu gewaltsamen queerfeindlichen Backlashs.

     

    Für die Außen- und Entwicklungspolitik folgt aus diesem Befund ein klarer Handlungsauftrag. Ziel muss es sein, die Lage queerer Menschen zu verbessern und ihre Selbstbestimmung zu stärken. Dabei ist nicht moralisierendes Verurteilen gefragt, sondern gelebte Solidarität mit den Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Gewalt, Drohungen und Diskriminierung ausgesetzt sind. Wenn wir uns für die Rechte queerer Menschen einsetzen, dann wollen wir damit reale Veränderungen bewirken.

     

    Das im März 2021 vorgelegte LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger Schritt, um diesen Handlungsauftrag zu erfüllen und das Leitprinzip der Agenda 2030 – „Leave no one behind“ – in die Praxis umzusetzen. Das Konzept muss in der kommenden Wahlperiode mit Leben gefüllt, strukturell in der Arbeit der zuständigen Stellen verankert und mit den erforderlichen finanziellen Mitteln unterlegt werden.

     

    Die Covid-19-Pandemie hat den Druck auf queere Communities weiter verstärkt. Gerade jetzt muss unsere Priorität daher sein: “keep the movement alive”.

     

    Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden daher aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

     

    1. Das LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung muss operationalisiert und konsequent in die Praxis umgesetzt werden. Dazu zählen Konkretisierungen für spezifische Aufgaben und Politikfelder, einschließlich der Arbeit der Auslandsvertretungen. In diesem Rahmen sind im Dialog mit der Zivilgesellschaft konkrete Zielvorgaben zu entwickeln und regelmäßig zu überprüfen. Um die effektive Koordinierung der LSBTI-Menschenrechtspolitik sicherzustellen, muss eine klare Aufgabenzuweisung in den Ressorts und den Auslandsvertretungen sichergestellt sein.
    2. Die Stärkung der Menschenrechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen muss selbstverständlicher Teil der deutschen Außenpolitik sein. Dazu zählt auch, diese Themen sowohl auf Arbeitsebene als auch in hochrangigen Gesprächen bilateral gegenüber Partnerländern zu thematisieren und in internationalen Foren bei entsprechenden Themen eine Vorreiterrolle einzunehmen.
    3. Zentral für den Erfolg von LSBTI-Menschenrechtspolitik ist der Dialog mit Aktivist*innen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren in Partnerländern. Die Auslandsvertretungen sind hier in erster Linie gefordert, geeignete Foren und Formate zu schaffen, um einen solchen Dialog zu organisieren und einen kontinuierlichen Austausch zu ermöglichen. Ziel muss es sein, dass deutsche Auslandsvertretungen weltweit als LSBTI-freundliche und ansprechbare Orte wahrgenommen werden.
    4. Auf diesem Dialog aufbauend muss ein Schwerpunkt des außen- und entwicklungspolitischen Handelns der Bundesregierung  auf den Bedürfnissen von Aktivist*innen vor Ort liegen und sich nach Möglichkeit an ihren Prioritäten ausrichten. Im Rahmen von entwicklungspolitischen Maßnahmen sollten Aktivist*innen vor Ort über partizipative Strukturen Entscheidungs- und Gestaltungsmacht erhalten, um sicherzustellen, dass die beabsichtigte Unterstützung das Ziel erreicht und in ausreichendem Maße auf die Bedürfnisse der jeweiligen LSBTI-Communities zugeschnitten ist. Dazu kann auch eine partizipative Evaluierung bestehender Instrumente und Programme durch die Betroffenen zählen. Die Bundesregierung sollte sich im europäischen und internationalen Rahmen für einen Austausch von best practices einsetzen, um von den Erfahrungen anderer Geberländer – etwa den Niederlanden, Schweden und Kanada – profitieren zu können.
    5. Damit deutsche Unterstützung vor Ort ankommt, muss insbesondere kleinen und nicht registrierten Organisationen ein einfacher und unbürokratischer Zugang zu Fördermöglichkeiten gewährt werden. Dabei braucht es flexible Instrumente, einschließlich cash grants, die leicht auf die spezifischen Bedürfnisse von LSBTI-Aktivist*innen und -Communities zugeschnitten werden können. Auch Themen wie Wohnen, Bildung, Gesundheits- und Finanzdienstleistungen sollten dabei abgedeckt werden können.
    6. Daneben sind bestehende Programme und Instrumente kontinuierlich darauf zu überprüfen, ob sie hinreichend inklusiv gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen ausgerichtet sind. Bei Programmen, die nicht ausdrücklich auf queere Menschen ausgerichtet sind, muss mindestens das “do no harm”-Prinzip gelten. Insbesondere das BMZ soll innovative Maßnahmen zur Integration von queeren Menschen und ihrer Bedarfe in seinen Vorhaben fördern.
    7. Der Schutz von LSBTI-Menschenrechten muss sich auch beim Umgang mit queeren Geflüchteten beweisen. Hierzu muss die Bundesregierung sicherstellen, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität als Fluchtgründe anerkannt werden und dies in der Praxis effektiv umgesetzt wird. Angesichts der Verfolgungs- und Unterdrückungserfahrungen queerer Menschen erfordert das einen besonders sensiblen Umgang – auch mit Blick auf die bisweilen berechtigte Angst, dass Angaben und Informationen weitergegeben und im Heimatland bekannt werden könnten. Wenn Geflüchtete im Heimatland die eigene sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu verheimlichen versucht und auf die Ausübung ihrer Rechte verzichtet haben, um Verfolgung zu entgehen, kann dies einem Schutzanspruch nicht entgegenstehen. Ein “Diskretionsgebot” darf es nicht geben, auch nicht durch die Hintertür. Die Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit bei Rückkehr anhand einer Prognose „diskreten“ Verhaltens lehnen wir ebenso ab wie den Verweis auf „interne Fluchtalternativen“ in Staaten mit LSBTI-feindlicher Gesetzgebung. Angesichts der oft massiven inneren Hürden, die mit einem Outing verbunden sind, dürfen Asylfolgeanträge nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden, dass sich die Asylsuchenden bereits im Erstverfahren hätten outen müssen.  

     

      Antrag 53/II/2021 Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ konsequent umsetzen!

      9.11.2021

      2017 verabschiedete die Bundesregierung die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“. Trotz der signifikanten Fortschritten, welche in der Umsetzung der Leitlinien erreicht wurden, besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf, insbesondere in den Bereichen Krisenfrüherkennung und -prävention sowie Strategiefähigkeit. Der Beirat für zivile Krisenprävention hat in seiner Stellungnahme zum Bericht über die Leitlinien einige wichtige Schritte für die Bundesregierung benannt, welche das deutsche Engagement als globaler Akteur in der Krisenprävention und -stabilisierung nachhaltiger und strategischer gestalten würden. Wir fordern den SPD Parteivorstand und die Bundestagsfraktion dazu auf, sich für die konsequente Umsetzung dieser Empfehlungen einzusetzen.

       

      Dies umfasst:

      1. Krisenprävention als kohärenter Gesamtansatz der Bundesregierung in der Formulierung aller politischen Entscheidungen mit außenpolitischem Bezug. Dies schließt insbes. Auch wirtschafts-und handelspolitische Entscheidungen mit ein, wie die Rohstoffstrategie der Bundesregierung sowie krisenpräventative Gesichtspunkte bei der Genehmigung von Waffenexporten durch den Bundessicherheitsrat.
      2. Eine Einbindung relevanter, bislang jedoch nicht beteiligter, Ressorts wie das BMF und das BMWi in krisenbezogenen Ressortabstimmungen von der Fachebene bis zur Staatssekretärsrunde.
      3. Eine Erhöhung und Umschichtung der für den Bereich Krisenprävention und Friedensförderung zugewiesenen finanziellen Ressourcen zugunsten der Prävention struktureller Konfliktursachen, der Antizipation von Krisen und die resultierende gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Transformation. Besonderes Augenmerk ist hier auf nicht-traditionelle Krisen wie die Folgen der COVID-19 Pandemie und den globalen Klimawandel zu legen.
      4. Konkrete Zielsetzungen für den Personalausbau – einschließlich einer konkreten Zielsetzung für den Anteil von Frauen – bei internationalen Polizeimissionen, von Fachexperten an den deutschen Auslandsvertretungen und bei der Förderung zivilgesellschaftlicher Ansätze.
      5. Die konsequente Umwandlung und Weiterentwicklung des Konzepts zur Kommunikation von Krisenengagements, um die notwendige politische und öffentliche Unterstützung für ambitionierte Ausbauziele abzusichern.
      6. Die finanzielle Einplanung und Umsetzung einer wissenschaftlichen Evaluationen in jedem internationalen zivilen, polizeilichen und militärischen Krisenengagement Deutschlands um Fehlentwicklungen vorbeugen und Verbesserungsmöglichkeiten rasch identifizieren zu können. Insbesondere sollte die Bundesregierung dringend eine fundierte, alle Instrumente umfassende Untersuchung der Wirkungen nach 20 Jahren Afghanistan-Engagement anstoßen.

       

      Antrag 54/II/2021 Für einen progressiven transatlantischen Neuanfang!

      9.11.2021

      Die Wiederbelebung und Vertiefung der transatlantischen Beziehungen ist nach der Wahl Joe Bidens zum 46. US-Präsidenten überparteilicher Konsens. Wir fordern die weitergehende, strategische Entwicklung und Umsetzung einer distinkt sozialdemokratischen transatlantischen Agenda, basierend auf progressiven außen-und innenpolitischen Ideen, den Konzepten der „Europäischen Strategischen Autonomie“ und der „Foreign Policy for the Middle Class“ sowie dem Wissen, dass nur eine enge transatlantische Allianz die multilaterale, wertebasierte Ordnung gegen die zunehmende Erodierung durch autokratische Regime bewahren und stärken kann.

       

      Auf Landesebene fordern wir:

      1. Die Entwicklung und Umsetzung eines transatlantischen Austauschprogrammes zwischen Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der öffentlichen Verwaltung mit urbanen Zentren jenseits der US-Küstengebiete mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten (u.a. Klima, Handel, Technologie). Als Beispiel kann das Programm „New Urban Progress“ des Progressiven Zentrums dienen.

       

      Auf Bundesebene fordern wir:

      1. Einen gezielten Kontaktaufbau zwischen Fraktion und Parteivorstand mit dem progressiven Flügel der Demokratischen Partei sowie verwandten Organisationen (z.B. „Justice Democrats“, „Center for International Policy)“ und eine daraus resultierende Agenda für eine gemeinsame progressive Allianz, die alle außenpolitische Bereiche umfasst.
      2. Die Etablierung einer transatlantischen Task-Force zur Stellungnahme und Positionierung gegenüber der von Biden angekündigten „Foreign Policy for the Middle Class“. Diese sollte eine Neujustierung der deutschen und europäischen Außenpolitik auf nationale und internationale wirtschaftliche Verteilungseffekte, ein transparentes Aufbrechen des innen-und außenpolitischen Silodenkens in Parlamenten und Verwaltung sowie einen intensivierten und informationsbasierten außen-und sicherheitspolitischen Bürger*innendialog zu ihrem Kern machen.
      3. Die Gründung eines parlamentarischen bzw. parteilichen Austauschkreises zu Best Practices und Policy-Umsetzung einer innenpolitischen progressiven Agenda, insb. mit Augenmerk auf nachhaltigen Infrastrukturausbau, die Schaffung und angemessene Vergütung von systemrelevanten Stellen im Pflegebereich, Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Rassismus und postkolonialem Erbe sowie sozio-ökonomische Mobilität und Bildungsgerechtigkeit.
      4. Das Ziel eines nuklearwaffenfreien Europas bleibt bestehen. Die nukleare Teilhabe dient jedoch der Sicherheit und dem Zusammenhalt innerhalb der NATO. Einen unilateralen Ausstieg Deutschlands aus der nuklearen Teilhabe darf es daher nicht geben. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss immer im Multilateralismus begründet sein – einen deutschen Alleingang ohne Abstimmung mit unseren europäischen Partnern lehnen wir daher ab. Gleichzeitig muss die Bedingung gelten, dass hierdurch kein Einfluss auf die europäische Rüstungsbeschaffungspolitik genommen wird, bspw. durch die nicht-Zertifizierung von Eurofightern oder dem Future Combat Air System.
      5. Eine proaktive Politik des konstruktiven Engagements der Bundesregierung mit dem Atomwaffenverbotsvertrag durch Teilnahme an den Vertragsstaatskonferenzen als Beobachter und Mitfinanzierer; den Einsatz ggü. den Staaten der Stockholminitiative, sich ebenfalls als Beobachter zu beteiligen; und die explizite Befürwortung ggü. den USA, eine “No first use” Policy einzuführen.
      6. Eine Re-Evaluierung des NATO- 2%-Ziels mit dem Ziel eines neuen Abkommens, welches den qualitativen Ausbau militärischer Fähigkeiten festlegt, zu welchem sich einzelne Mitgliedstaaten zu bestimmten Zeitpunkten verhalten sollen. Dieses Abkommen muss gebunden an die Bedingung sein, dass jede Erhöhung der Verteidigungsausgaben mit einer klar ausdefinierten Beschaffungsstrategie einhergeht und dem ausschließlichen Zweck dient, aktuelle Ausrüstungs- Ausbildungs- und Abwehrdefizite der Bundeswehr sowie der EU- und NATO-Partner zu kompensieren. Übergeordnetes Ziel muss stets die auf Kosten- und Kapazitäteneffizienz und -ergänzung ausgelegte Integration der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (insbes. im Rahmen von PESCO) sein. Deshalb soll zudem eine jährliche Evaluierung stattfinden, welche auf die Integration von Ausrüstung und Abwehrsystemen entsprechend dem Ziel einer integrierten europäischen Sicherheitspolitik abzielt und festlegt, ob die Rüstungsausgaben gesenkt werden können.
      7. Die Einsetzung einer transatlantischen Evaluierungsgruppe des Afghanistan-Einsatzes, um Defizite in der Kooperation und Koordinierung konsequent aufzuarbeiten.

       

      Auf EU-Ebene fordern wir:

      1. Die zügige Operationalisierung des transatlantischen Trade and Technology Council um Einheit in den Anstrengungen zur Bewältigung der Sicherheits-, Wirtschafts- und Regulierungsherausforderungen im digitalen und technologischen Bereich zu fördern sowie globale Standards zu setzen, die Privatsphäre, Menschenrechte, Wettbewerb und Transparenz schützen.
      2. Den engen Schulterschluss von Deutschland im Rahmen der Team Europe Initiative mit den USA und das Vorantreiben wichtiger Zukunftsinvestitionen auf multilateraler Ebene zur Erholung nach der Covid-19 Pandemie u.a. im Bereich der nachhaltigen Infrastrukturentwicklung sowie Digitalisierung. Wichtige Initiativen müssen gestreamlined werden. Hierbei muss ein Fokus auch auf der internationalen Zusammenarbeit und entwicklungspolitischen Unterstützung anderer Länder liegen, um einen solidarischen globalen Aufschwung zu ermöglichen.
      3. Einen gemeinsamen Ansatz für die digitale Steuerpolitik in Form der Wiederaufnahme der OECD-Verhandlungen. Regulierungs-, Wettbewerbs-, Inhalts- und Datenschutzprobleme müssen in enger Abstimmung adressiert werden, um globale Normen zu formen und eine nachhaltige Alternative zu autoritären Kontrollversuchen digitaler Zivilsphären zu bieten.
      4. Die Einsetzung einer NATO-EU Taskforce um die Koordinierung zu maximieren, Fähigkeiten zu bündeln und die Umsetzung einer gemeinsamen politischen Agenda sowie eines Strategiekonzepts zur Bekräftigung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat als Kernkonzept aller NATO-Mitgliedstaaten voranzutreiben.
      5. Die weitere Stärkung der europäischen Verteidigungsarchitektur (GSVP) und PESCO mit dem langfristigen Ziel der Schaffung einer Europäischen Armee, ein Instrument, das nicht als Alternative zur NATO gedacht sein soll, sondern als europäischer Pfeiler des transatlantischen Bündnisses, der die strategische Gestaltungsmacht Europas in der Allianz und der Allianz selbst erhöhen würde.