Antrag 181/I/2025 Wo rohe Kräfte sinnlos walten - für ein Umdenken der Rohstoffpolitik

Schon längst vor dem Ringen um Rohstoff-Deals im Oval Office ist die Abhängigkeit der Industrieländer von Rohstoffimporten durch geopolitische Krisen, Kriege, Pandemien und Umweltkatastrophen immer sichtbarer geworden.

 

Die Rohstoffpolitik steht im Zentrum der sozial-ökologischen Transformation sowie der sicherheitspolitischen Zeitenwende. Seltene Erden, Lithium und Kobalt sind unerlässlich für den Ausbau erneuerbarer Energien und moderner Technologien. Einige dieser sind daher im Katalog von 34 kritischen Rohstoffen der EU festgelegt.

 

Im Zusammenhang mit diesen Mineralien steht der Begriff „kritisch“ allerdings eher am Rande mit der Energiewende in Verbindung. Ein Mineral wird in der Tat aus zwei Hauptgründen als kritisch angesehen, die in erster Instanz eher wenig mit der Förderung erneuerbarer Energien zu tun haben. Der Rohstoff ist wirtschaftlich wichtig, schwer zu ersetzen, und seine Versorgung ist von Unterbrechungen durch geopolitische Ereignisse bedroht.

 

Beide Kriterien hängen von der jeweiligen Perspektive ab: für wessen Wirtschaft die Mineralien wichtig sind und wessen Lieferketten gefährdet sind.

 

Die EU verfügt bereits über robuste Lieferketten für die meisten Mineralien. Deutschland importiert laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe jährlich ungefähr 100 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe. Dieser erhebliche Rohstoffverbrauch ist nicht nachhaltig und liegt weit über dem, was global als gerecht gilt.

 

Dabei rückt ein neokolonialistisches und extraktivistisches Verständnis von Verbrauch, Verteilung und Verarbeitung immer wieder ins Licht. Diese Rohstoffliste wurde unter anderem von ehemaligen Kolonialmächten und ihren engsten Handelspartner*innen verfasst und somit aus einer klaren Machtperspektive heraus, die durch die aktuell anbahnende Militarisierung Europas und die Kürzung der internationalen Hilfe zu deren Finanzierung noch verstärkt wird.

 

Die Gewinnung dieser Rohstoffe wird nach wie vor unter ausbeuterischen Bedingungen in Ländern des Globalen Südens durchgeführt und verfestigt den sogenannten Resource-Curse.

 

Würde man diese Liste der kritischen Rohstoffe aus humanitärer Sicht definieren, sähe sie ganz anders aus. Sie würde Materialien enthalten, die für das menschliche Wohlergehen unverzichtbar sind – Sand und Zement für Häuser und Infrastruktur, Düngemittel für die Landwirtschaft, Salz für die Ernährung und die Konservierung von Lebensmitteln, Chlor für die Wasseraufarbeitung und Flusspat für die Fluorierung. Dabei würde sie auch die notwendigen Materialien für die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen und -infrastrukturen beinhalten, wie etwa Hochwasserschutzanlagen und klimaresistente Sanierung von Baubestand. Welche individuellen Bedürfnisse vorliegen, würde stets im Rahmen der von diesen Ländern und Gemeinschaften selbst festgelegten Prioritäten ermittelt. Selbstbestimmung ist in dieser Hinsicht unverzichtbar. Nur so kann eine dekoloniale Neuausrichtung der Definition gelingen.

 

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, geht es bei der Sicherheit von Mineralien weniger um nationale Sicherheit und die Erzielung größerer Gewinne aus dem Abbau, sondern vielmehr um Zugang und ausreichende Versorgung für alle. Genauso wie Ernährungssicherheit als universelle Ernährung verstanden wird, muss die Sicherheit von Mineralien universelle Bedürfnisse unterstützen – Unterkunft, Mobilität, Kommunikation, Energie und Lebensunterhalt.

 

Das Gerangel um Ressourcen zur Förderung erneuerbarer Energien im globalen Norden vernachlässigt die anhaltend hohen Kapitalkosten für Anlagen und den mangelnden Zugang zu Strom in den Abbauländern. Der globale sozial-ökologische Übergang und die Bekämpfung der Klimakrise wird krachend scheitern, wenn Länder von einer kohlenstoffarmen Entwicklung ausgeschlossen werden.

 

Die Senkung des Bedarfs an Primärrohstoffen im Globalen Norden ist unerlässlich, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die verheerenden sozialen und ökologischen Auswirkungen des Rohstoffabbaus weltweit zu minimieren.

 

Wir fordern daher:

  • eine dekoloniale Neuausrichtung der deutschen und europäischen Rohstoffpolitik, die globale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und die Stärkung lokaler Wertschöpfungsketten priorisiert
  • Eine Rohstoffpolitik, die an Unterstützung der Abbauländer bei der Entwicklung und Umsetzung hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Infrastruktur geknüpft ist
  • Eine Rohstoffpolitik, die einen umweltfreundlichen Abbau unterstützt und die Rohstoffländer nicht auf den Kosten der Auswirkungen des Abbaus auf die Umwelt dort sitzen lässt
  • Den „kritischen“ Rohstoffen eine Liste von „humanitären“ Rohstoffen gegenüberstellen. Für Stoffe auf dieser Liste gelten Sonderregelungen. Ihr Handel darf nur in Ausnahmefällen sanktioniert werden. Wenn Drittstaaten, mit denen Handelsabkommen bestehen, Schutzzölle auf diesem Waren erheben, wird das nicht als Vertragsbruch verstanden. Gleichzeitig wird auf die Durchsetzung von Patenten zur Herstellung dieser Stoffe verzichtet.
  • beschleunigte Maßnahmen zur Senkung des Bedarfs an Primärrohstoffen, u.a. durch
    • Förderung kleinerer und leichterer Fahrzeuge, Sharing-Konzepte, und eine Verringerung des Gewichts und der Größe von Neufahrzeugen.
    • Verpflichtende Standards im Bausektor sowie in der öffentlichen Beschaffung zur Verwendung von Sekundärrohstoffen und die Wiederverwendung von Baustoffen.
    • neue europäische Partnerschaften zum beschleunigten Ausbau der lokalen Kreislaufwirtschaft sowie deren konkrete praktische Umsetzung.
Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Landesgruppe (Konsens)