Antrag 80/I/2025 Verbesserung der Transferstrukturen und der Gründungsförderung zur Stärkung des Innovationsstandorts Berlin

Berlin hat in den letzten beiden Jahrzehnten einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufholprozess geschafft, auch wenn der Abstand im Bruttoinlandsprodukt/Kopf zu den anderen Stadtstaaten, aber auch zu Bayern, Baden-Württemberg und Hessen immer noch beträchtlich ist. Getragen wurde dieser Aufholprozess von den Spitzentechnologiesektoren (hier insb. die Informations- und Kommunikationstechnologie und die wissensintensiven Dienstleistungen mit hohem Technologieniveau), in denen in Berlin inzwischen 10 % der Beschäftigten arbeiten – deutlich mehr als in allen anderen Bundesländern. Dieser Vorsprung ist nicht zuletzt einem in diesen Bereichen besonders intensiven Gründungsgeschehen zu verdanken. Hinzu kommt eine herausragende Wissenschaftslandschaft mit einer breiten disziplinären Basis, so dass in Berlin mehr als 18 von 1000 Erwerbstätigen unmittelbar an Forschung und Entwicklung (FuE) beteiligt sind – ein Wert, der nur in Baden-Württemberg und Bayern übertroffen wird. Allerdings wird dort das FuE-Geschehen deutlich stärker von Wirtschaftsunternehmen getragen, die jeweils mehr als 70 % des FuE-Personals beschäftigen (in Berlin: 36 %) und zwischen 72 und 82 % der FuE-Ausgaben tätigen (in Berlin: 35 %, alle Angaben aus Bundesbericht Forschung und Innovation).

 

Maßgeblich für diesen Unterschied ist, dass in Deutschland das privatwirtschaftliche Innovationsgeschehen (und die entsprechenden FuE-Aktivitäten) immer noch vornehmlich auf Großunternehmen, d. h. vor allem auf große Industrieunternehmen, zurückgeht. Richtig große Privatunternehmen (vor allem aus dem Industriebereich) weist Berlin aber kaum auf. Wenn die Wirtschaft in Berlin sich dennoch innovationsfreudiger zeigt als im Bundesdurchschnitt, so ist dies vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu verdanken, die im Vergleich zum Bundesdurchschnitt hier häufiger engagiert sind und dabei auch einen höheren Anteil ihres Umsatzes für Innovations- und FuE-Aktivitäten aufwenden. Dementsprechend fällt der Innovationserfolg – gemessen am Umsatzanteil von Produkt- oder gar Marktneuheiten – bei den Berliner KMU höher aus als im Bundesdurchschnitt, während die Berliner Großunternehmen im Vergleich schlechter abschneiden. Festzuhalten ist dabei, dass Berliner Unternehmen in der jüngsten Innovationserhebung (von 2023, Technologiestiftung) an erster Stelle zwar die innovationsimmanenten Wirtschaftlichkeitsrisiken und zu hohe Kosten als Innovationshemmnis anführen (jeweils 39 %), gleich danach aber einen Mangel an Fachpersonal als zweitwichtigstes Innovationshemmnis beklagen (37 % der Unternehmen), gefolgt von Finanzierungsproblemen (33 %) und fehlender Kundenakzeptanz/Marktnachfrage (27 %). Gerade weil Berlin für seine wirtschaftliche Entwicklung so stark auf seine kleinen und mittleren Unternehmen angewiesen ist, kommt hier einer aktiven Gründungsförderung und Transferpolitik und der Prüfung neuer Instrumente der Innovationsförderung, die diesen Hemmnissen Rechnung tragen, eine besonders große Bedeutung zu.

 

Eine Stärke des Wirtschaftsstandorts Berlin liegt darin, dass weiterhin Menschen aus allen Teilen der Welt hierherziehen, ihre Ideen und Schaffenskraft mitbringen und damit Berlins Innovationskraft kontinuierlich und maßgeblich steigern. Die Chance für die nachhaltige Stärkung der Berliner Wirtschaft als Ganzes liegt in ihrer Innovationskraft. In technologischen wie sozialen Innovationen liegen dabei die Möglichkeiten, die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft und der Arbeitswelt zu gestalten. Mit unserem Politikansatz wollen wir gute Arbeit und Teilhabe am Fortschritt für alle Menschen schaffen, unabhängig von ihrem Bildungsabschluss.

 

Leitgedanke dieses Antrags ist es, die bereits bestehenden Instrumente zur Unterstützung des Wissens- und Technologietransfers und der Gründungsförderung in der Region Berlin-Brandenburg zu verbessern, weiter auszubauen und Lücken kurzfristig zu schließen. Denn die Potenziale des Wissenschaftsstandorts Berlin für Innovationen zur wissensbasierten Stärkung der regionalen Wirtschaft und zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen werden noch unzureichend genutzt. So fällt auf, dass die innovationsaktiven Unternehmen in Berlin zwar eher als im Bundesdurchschnitt die Kooperation mit einer Hochschule oder einer außeruniversitären Forschungseinrichtung suchen, dies im Vergleich zu anderen Ballungsräumen aber eher seltener tun. Und bei der Gründungsdynamik steht Berlin im Bundesländervergleich zwar immer noch auf Platz 1, Hightech-Gründungen und Gründungen in wissensintensiven Dienstleistungen haben daran aber – wie überall – nur einen geringen Anteil (in Berlin 3,4 % bzw. 10,9 %). Und nicht zuletzt sind die Gründungszahlen auch in Berlin – unbeschadet eines jüngsten Anstiegs – über die letzten Jahre deutlich zurückgegangen (vgl. Studien zum Deutschen Innovationssystem). Ziel des Antrags ist es daher, die Lücken bei der Hebung von Innovationspotenzialen (Innovation Gap) sowie bei der Nutzung von Forschungserkenntnissen (Transfer Gap) besser zu schließen und hierfür auch das Gründungsgeschehen wieder nachhaltig zu beleben und dabei wissensintensive Neugründungen stärker in den Fokus zu nehmen.

 

Bessere Verzahnung von Transfer- und Gründungsförderung

Grundlage dafür ist ein erweitertes Verständnis des klassischen Transferbegriffs, der vornehmlich auf die unmittelbare Kooperation von Wissenschaftseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen abzielt, wobei es gilt, das Knowhow rascher von der Wissenschaft in die Praxis zu bringen. Dieses „Wasserfallmodell“, wonach Forschung Wissen generiert, das nachfolgend durch Innovationen zur Marktreife gebracht wird, entspricht jedoch nicht der Realität. Vielmehr verlaufen diese Prozesse oft simultan und beruhen auf Gegenseitigkeit: Das Wissen von Entwicklern und Anwendern befruchtet sich gegenseitig, und fruchtbare Forschungsimpulse resultieren nicht selten aus praktischen Erfordernissen. Innovation entstehen dabei nicht ausschließlich in Forschungseinrichtungen, sondern auch in Startups und anderen kreativen Ökosystemen. Etablierte Institutionen und junge Unternehmen können deshalb gleichermaßen von einem offenen Austausch profitieren.

 

Innovationsfördernd wird Wissenstransfer also vor allem, wenn er in beide Richtungen und im besten Fall als Prozess auf Augenhöhe erfolgt. Deshalb geht es zuallererst um eine bessere, d. h. auch nachhaltigere Vernetzungsstruktur im Sinne eines Ökosystems von Wissenschaft und Wirtschaft, Kreativ- sowie öffentlichem und sozialem Sektor, das einen unkomplizierten wechselseitigen Zugang zum gesuchten Wissen bzw. entsprechenden Partnern ermöglicht. Das setzt zunächst eine möglichst große Transparenz über das verfügbare Wissen und deren Träger voraus. Dies ist Aufgabe einer transferorientierten Wissen(schafts)kommunikation. Auch damit ist es aber häufig nicht getan, vielmehr bedarf es zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung kooperativer Innovationsvorhaben nicht selten auch einer Unterstützung im Kooperationsmanagement. Nicht zuletzt vollzieht sich Knowhow-Transfer aus der Wissenschaft über Köpfe, also über Hochschulabsolvent(inn)en und Wissenschaftler(inn)en, die – sei es in abhängige Beschäftigung oder in unternehmerische Selbständigkeit – in die Praxis wechseln. Zu einer wirksameren Innovationsförderung gehören deshalb neben einer verbesserten Vorbereitung auf eine Unternehmensgründung und einer bedarfsgerechten Unterstützung von Startups vermehrte Anstrengungen um einen entsprechend gezielten Personaltransfer, aber auch erleichterte befristete Übergänge von der Praxis in das Wissenschaftssystem und umgekehrt.

 

Transferorientierte Wissenschaftskommunikation

Noch nie war der wechselseitige Austausch zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Medien für die Wissenschaftsmündigkeit unserer demokratischen Gesellschaft und ihre Innovationsfähigkeit durch Desinformation, Populismus und direkte Bedrohung der Forschenden so gefährdet und zugleich so wichtig wie heute.

 

Für einen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer kommt der Wissenschaftskommunikation eine zentrale Rolle zu. Wissenschaftler:innen müssen motiviert und befähigt werden, die Erkenntnisse und Methoden ihrer Forschungstätigkeit zielgruppengerecht zu erklären. Konzentriert sich hier die Aufmerksamkeit bislang zumeist auf Adressaten in der wissenschaftlichen Community, so muss es künftig vermehrt darum gehen, gezielt potenzielle Anwender:innengruppen anzusprechen. Darüber hinaus ist es heute wichtiger denn je, auch solche gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen, die zunehmend wissenschaftsskeptisch geworden sind. Hier gilt es, in der Breite der Gesellschaft Verständnis für die Bedeutung, Voraussetzungen und Reichweite der Ergebnisse freier wissenschaftlicher Arbeit zu schaffen.

 

Zugleich sollten die vorhandenen Kommunikationsmaßnahmen von den Hochschulen geprüft und ggfs. ausgebaut bzw. verbessert werden. Das betrifft zum einen die Verbesserung der hochschulinternen Kommunikation über Transferanfragen aus Wirtschaft und Gesellschaft und zum anderen die Vernetzung der wissenschaftlichen Einrichtungen und ihrer Transferstellen untereinander. Die jeweiligen Einrichtungen sollten ihre Aktivitäten regelmäßig evaluieren, um Verbesserungspotenziale aufzudecken und voneinander zu lernen.

 

Vernetzung und Unterstützungsstrukturen ausbauen und stärken

Vielen, insbesondere kleinen Unternehmen, die durchaus innovationsinteressiert sind, mangelt es an den dafür erforderlichen personellen und sachlichen Kapazitäten. Ebenso fehlen den Kleinunternehmen häufig die personellen Ressourcen, um die teils komplexen Anforderungen einer Förderung zu erfüllen. Entsprechende Kapazitäten aufzubauen, ist ihnen aber nicht selten verwehrt, da der Zugang zu privater Finanzierung (z. B. über Bankdarlehen) schwieriger geworden ist und ein Innovationsvorhaben noch riskanter macht. Wichtig ist daher, die bestehenden Unterstützungsstrukturen nicht zuletzt an den Hochschulen zu sichern und zu stärken. Deren Aufgabe ist es, sich nicht nur als Vermittlungsagentur zwischen den eigenen wissenschaftlichen Kapazitäten und hilfesuchenden Unternehmen und anderen Akteuren zu betätigen, sondern auch stärker eigeninitiativ nach potenziellen Kooperationspartnern (outreach) zu suchen und für das Kooperationsmanagement bereit zu stehen, z. B. über die Etablierung von spezifischen Anlaufstellen für KMU (KMU-Büros).

 

Unterstützungsstrukturen für Transferaktivitäten der Hochschulen müssen so ausgelegt und finanziert werden, dass diese dauerhaft und mit langen Zeithorizonten planen und arbeiten können. Neben den vorhandenen Transferstellen an den Hochschulen sind insbesondere Qualifizierungs- und Anreizsysteme für Wissenschaftler:innen zu entwickeln, die sich im Transfer engagieren. Dies können beispielsweise Lehrentlastungen oder Transfer-Semester sein. Gleichzeitig sollten bestehende Vernetzungsstrukturen, z. B. in Gestalt von Unternehmensnetzwerken gezielt gefördert und im Sinne von Best Practices sichtbarer gemacht werden.

 

Ebenso kommt den landeseigenen Unternehmen eine wichtige Rolle zu. Sie sollen stärker in Kooperations- und Transferprojekte eingebunden werden. Sofern noch nicht vorhanden, sollen die Betriebe feste Ansprechpartner:innen benennen und aktiv den Austausch mit den Transferstellen der Hochschulen, der Wirtschaftsförderung des Landes wie der Bezirke sowie mit Projekten wie der gemeinsamen Gründungsinitiative der Berliner und Brandenburger Wissenschaftseinrichtungen (UNITE) und mit der Privatwirtschaft suchen.

 

Mit der Berliner Startup-Agenda wird bereits das Ziel verfolgt die Vernetzung von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in der Region weiter voranzutreiben. So leiten sich aus dem Kapitel „Stadt der Kooperationen“ bereits viele konkrete Maßnahmen (Reallabore, Maker Spaces, usw.) ab. Die vom Senat verfolgte kontinuierlichen Weiterentwicklung der Agenda ist deshalb wichtig und richtig.

 

Das noch im Aufbau befindliche Projekt UNITE kann einen wichtigen Nukleus bilden, indem es Aktivitäten der Akteur:innen aus den unterschiedlichen Bereichen (Startups, etablierte Unternehmen, Unternehmensnetzwerke, Hochschulen und Forschungs-/wissenschaftliche Einrichtungen, usw.) zusammenbringt, bündelt und gleichzeitig mehr Transparenz über das Geschehen im Ökosystem sowie zu den Akteur:innen selbst herstellt.

 

Der Ansatz durch Innovations- und Wissenschaftsorte (Hubs, Labs, (außer)universitäre Forschungseinrichtungen, usw.) an einem Standort, d. h. auf einem Gelände/Raum, Unternehmen, Startups und Wissensarbeiter:innen zusammenzubringen, hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und sollte weiter vorangetrieben werden. Dabei entscheidend ist, dass sich wissenschaftliche Techniken und Methoden im Zusammentreffen mit den Fragestellungen der externen Kooperationspartner:innen gegenseitig verstärken, so dass wechselseitiges Lernen und gemeinsame Entwicklung ermöglicht werden.

 

Darüber hinaus bilden so genannte Transferlabore oft den Nukleus für erfolgreiche Transferaktivitäten. Transferlabore verfolgen die Zielsetzung, in Kooperation mit der Industrie oder Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen eine wissenschaftliche Technik/Methodik bis zur Anwendung zu erproben und weiterzuentwickeln. Ein Lab sollte auf die Forschungsstärken der wissenschaftlichen Einrichtung aufsetzen und das Potenzial haben, auf Anwendungsgebiete in der Wirtschaft der Region übertragbar zu sein. Für eine dauerhafte Verankerung von Transferlaboren im regionalen Innovationssystem müssen diese langfristig angelegt sein. Dabei ist ausreichend Zeit und eine auskömmliche Finanzierung für den Aufbau einzuplanen.

 

Auch das Instrument der Reallabore ist hier sehr gut geeignet. Reallabore ermöglichen das Testen und Ausprobieren von Innovationen unter realen Umgebungsbedingungen in einem möglichst frühen Entwicklungsstadium. Sie sind zugleich räumlich wie zeitlich begrenzt und können häufig unter vereinfachten regulatorischen Bedingungen stattfinden. Die aus der Erprobung gewonnenen Erkenntnisse fließen dann sowohl in die Weiterentwicklung der Innovation als auch in die Weiterentwicklung und Ausgestaltung des Rechtsrahmens mit ein. Reallabore leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Innovationstätigkeiten in unserer Region.

 

Unterstützung wissensintensiver Neugründungen

Professionelle Beratung und Begleitung des Transferprozesses in Bezug auf die Übersetzung einer aus der Wissenschaft heraus geborenen Idee in ein unternehmerisches, wirtschaftliches Geschäftsmodell sind dabei essenziell. Das schließt die Beratung zur Akquise von Gründungskapital (staatliche IBB/KfW-Förderung als auch privates Kapital) mit ein. Hier kann der Ausbau bestehender Kontaktmessen und Beratungsformate maßgeblich unterstützen. Nicht zuletzt sind jedoch auch die Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere in der Gründungsvorbereitungsphase (pre-seed) und für ein angestrebtes Wachstum durch Skalierung des Geschäftsmodells (business development) zu verbessern.

 

Um die Qualität der Gründungsberatung zu steigern, stellen die Gründungszentren eine sehr gute Ausgangsbasis dar. Sie sollen beim Ausbau ihres Beratungsangebotes sowie bei der Steigerung von Qualität und Quantität der Beratung weiterhin unterstützt werden. In Bezug auf Finanzierung und Anreizsysteme sind eine langfristige Planbarkeit (über die Jährigkeit von Haushaltsansätzen hinaus) bzgl. verfügbarer Fördermittel anzustreben. Je nach Umfang der Unterstützung und nicht zuletzt, wenn Forschungs- und Entwicklungsergebnisse oder Patente maßgebliche Basis der Gründung sind, sollen die Gründungszentren bzw. die jeweilige Hochschule in angemessenem Maße am Erfolg des Startups beteiligt werden (z. B. durch eine prozentuale Beteiligung am Unternehmen oder eine Lizenzgebühr).

 

Neue Produktideen, vor allem wenn es sich um echte Marktneuheiten handelt, stoßen nicht selten auf Akzeptanzprobleme, weil mögliche Abnehmer an den Vorteilen zweifeln. Das gilt vor allem für junge Unternehmen, bei denen zusätzlich Unsicherheit an ihrer Zuverlässigkeit besteht. Viele Innovationsideen und Gründungen scheitern deshalb an derartigen Marktzutrittsbarrieren. Hier können, wie von der Bundesagentur für Sprunginnovationen vorgeschlagen, öffentlich finanzierte Entwicklungswettbewerbe helfen, die bis zum geprüften Produkt geführt werden und mit einem „Advanced Market Commitment“, d. h. einer Vereinbarung, das Produkt zu kaufen, wenn es dann produziert wird. Unmittelbarer an konkreten öffentlichen Bedarfen ansetzen würde eine stärkere Nutzung der neuen Instrumente im Wettbewerbs- und Vergaberecht, die von der EU schon 2014 eingeführt worden sind. Insbesondere mit der „vorkommerziellen Auftragsvergabe (PCP)“ können durch das öffentliche Beschaffungswesen Innovationen angestoßen werden, die im Erfolgsfall dann auch gekauft (PPI) werden, wodurch der Öffentliche Hand gleichsam auch zum Referenzkunden für neue Produkte und Dienstleistungen – auch von jungen Unternehmen – wird.

 

Für eine integrierte Transferstrategie

Berlin braucht einen gesamtstrategischen Ansatz in Form einer Transferstrategie, die die vielen Einzelmaßnahmen und Zuständigkeiten systematisiert, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den Sozial- und Kultursektor, die Öffentliche Hand und die Zivilgesellschaft adressiert und den Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen sowie auf wissensintensive Startups, aber auch auf die Nachfolgeproblematik legt. Diese Strategie muss anschlussfähig sein an die Brandenburger Transferstrategie, vor allem aber an die in Überarbeitung befindliche länderübergreifende Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg (InnoBB). Darüber hinaus soll die Strategie eine schlanke Indikatorik beinhalten, um vor allem die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen und Strukturen evaluieren zu können.

 

Eine solche Strategie muss aufbauen auf einer Bestandsaufnahme und auf einem Abgleich der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale in der Region, wobei an die Profilbildungsprozesse der Hochschulen und an die bestehenden Clusterschwerpunkte angeknüpft werden kann. Ferner wären dabei auch die vordringlichen gesellschaftlichen Bedarfe zu erfassen und die Nachhaltigkeitsziele zu berücksichtigen. Ohne einer solchen Bestandsaufnahme vorzugreifen, kann schon jetzt festgehalten werden, dass die bestehenden Dekarbonisierungsfahrpläne zahlreiche Anknüpfungspunkte für Innovationen und somit für einen intensivierten Wissens- und Technologietransfer bieten. Gleiches gilt für die wachsenden Digitalisierungsherausforderungen, vor denen jeder Bereich steht. Nicht zuletzt hat eine Berliner Innovations- und Transferstrategie zwingend auch eine industriepolitische Komponente zu beinhalten, wie sie der Steuerungskreis Industriepolitik (SKIP) bereits 2021 empfohlen hatte, denn es gilt, einem weiteren Abbau von Industrie durch den Ausbau wissenintensiver Produktion entgegenzuwirken.

 

Unsere Forderungen an den Berliner Senat sowie die Abgeordneten der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zur Stärkung der Transferstrukturen in unserer Region:

  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf, im Rahmen einer Bestandsaufnahme und qualitativen Evaluation bestehender Strukturen und Instrumente des Wissens- und Technologietransfers eine Stärken-Schwächen-Analyse der Kooperationspraxis zwischen öffentlicher Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und Wirtschaft, Öffentlicher Hand und anderen Institutionen und Akteuren der Praxis auf der anderen Seite vorzulegen, aus der sich Hinweise zur Verbesserung der Netzwerkarbeit Ferner soll auch berücksichtigt werden, welchen Einfluss die Dynamik von Startups auf die Unternehmenskultur von Institutionen wie Hochschulen, Forschungsinstituten und großen Unternehmen hat.
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf, auf dieser Basis und im Austausch mit den wissenschaftlichen Einrichtungen und der Wirtschaft in der Stadt eine Transferstrategie für Berlin zu entwickeln. Darüber hinaus ist ein kontinuierliches Monitoring der Wirksamkeit in der Region anhand einer einheitlichen, schlanken Indikatorik vorzusehen.
  • Wir fordern dabei eine ganzheitliche Transferstrategie zu entwickeln, die einem erweiterten Transferbegriff folgt und nicht allein auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Wirtschaft abzielt, sondern auch die Innovationserfordernisse der Öffentlichen Verwaltung, der landeseigenen Unternehmen, der Berliner Wirtschaft und des sozialen und kulturellen Sektors adressiert und dabei auch den Notwendigkeiten einer erweiterten Wissenschaftskommunikation Rechnung trägt. Diese Strategie sollte anschlussfähig sein an die bereits vorhandene Transferstrategie Brandenburgs, vor allem aber verknüpft sein mit der in Entwicklung befindlichen Forschungsstrategie Berlins sowie der Berlin-Brandenburgischen Innovationsstrategie (InnoBB).
  • Die Transferstrategie soll die Voraussetzungen liefern um
    • die Strukturen für den gegenseitigen Transfer zu optimieren,
    • Transparenz, Zusammenarbeit und Kommunikation aller Akteur:innen zu verbessern,
    • zur Verbesserung der Wettbewerbssituation Berliner Unternehmen und der Wachstumschancen der Berliner Wirtschaft beizutragen
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf, auf die aktive Beteiligung der Wissenschaftseinrichtungen an der Weiterentwicklung der Cluster hinzuwirken. Förderprogramme sollen zukünftig auch über die Landesgrenzen hinausgedacht und angelegt werden (u. a. mit Bezug auf die bereits vorhandenen Förderregularien aus der InnoBB).
  • Unabhängig von der noch zu erarbeitenden Transferstrategie und unbenommen der vielfältigen bereits bestehenden Transferaktivitäten, fordern wir bereits jetzt die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf, als konkrete Maßnahmen:
    • die Transferstrukturen an den Hochschulen mit gezielter und langfristig angelegter Förderung beim Aufbau einer transferorientierten Zusammenarbeit mit Transferpartner:innen zu unterstützen,
    • die Fortführung und Weiterentwicklung ergänzender Landesförderprogramme, welche den erweiterten Transferbegriff (z.B. Unterstützung sozialer Innovationen und Wissenschaftskommunikation) abdecken,
    • das Thema Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und dessen Wert für die Stadt Berlin noch besser in die Stadtgesellschaft zu kommunizieren und die Sichtbarkeit für die lokalen Transfer-Akteur:innen zu stärken,
    • eine Verbesserung bei den Zeitbudgets für TransferaktivitätenB. durch Lehrentlastungen oder Transfer-Semester zu ermöglichen,
    • gemeinsam mit den Hochschulen den regulatorischen Rahmen weiterzuentwickeln, welcher Dritten erleichtert, die Infrastruktur an Wissenschaftseinrichtungen (u. a. Räumlichkeiten, Geräte, Labore) kostendeckend zu nutzen,
    • den Fachkräfte- und Personaltransfer zu verbessern (Transfer über Köpfe), u. a. durch die Stärkung des dualen Studiums und der Verbundausbildung sowie des Programms „Innovationsfachkräfte“,
    • die aktive und systematischere Vermittlung von Qualifizierungs- und Abschlussarbeiten zu institutionalisieren und eine einheitliche Rahmenvorgabe für die Berücksichtigung von Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsklauseln, insbesondere bei der Veröffentlichung von Abschlussarbeiten zu verabschieden,
    • Programme wie das Berliner Startup-Stipendium, Gründerinnen-Stipendium sowie das Programm ProValid trotz angespannter Haushaltslage fortzuführen und zu verstärken,
    • die Errichtung des Berlin-Brandenburger Startup-Factory-Projekts UNITE insbesondere bei der Gewinnung von Partner:innen aus der Berliner Wirtschaft zu unterstützen. Hierbei gilt es, den Bekanntheitsgrad des Projektes zu verstärken und Multiplikator:inneneffekte in Zusammenarbeit mit den Unternehmensverbänden, den Unternehmensnetzwerken, den Transformationsräten und der Wirtschaftsförderung des Landes (Berlin Partner) sowie der Bezirke (bezirkliche Wirtschaftsförderung) zu nutzen
    • Ausgründungen aus Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen einen besseren Zugang zu Gründungskapital in der Startphase zu ermöglichen und gleichzeitig angemessene Formen der Erfolgsbeteiligung für die Wissenschaftseinrichtungen zu schaffen,
    • das Instrument der Reallabore verstärkt zur Anwendung zu bringen,
    • die einschlägigen Möglichkeiten des Vergaberechts (insbesondere der Vorkommerziellen Auftragsvergabe mit anschließender Kaufoption (PCP/PPI)) bei der Öffentlichen Beschaffung offensiv zu nutzen, um dem eigenen Modernisierungsbedarf durch Mobilisierung innovativer Angebote – auch von Jungunternehmen – nachzukommen und damit gleichzeitig beim breiteren Markteintritt zu unterstützen.
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag auf, den bestehenden Ansatz, über Startup Factories die Startup-Ökosysteme zu fördern, fortzusetzen und die Finanzierungszusagen trotz angespannter Haushaltslage einzuhalten.
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat auf, das bereits vorhandene Wissen aus Transfer und Ausgründung in Form von Daten über Startups und erfolgreiche Transferprojekte in Richtung einer anonymisierten Nutzung in öffentlichen Datenbanken
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf, bei der derzeitigen Praxis in der Unternehmensausgründungsphase folgende Aspekte zu prüfen:
    • Verbesserte Zurverfügungstellung von Fördergeldern für die Gründungen und Unternehmen selbst
    • Festlegung von Mindeststandards der Höhe der Beteiligungsansprüche öffentlicher Institutionen bei Ausgründungen
    • Festlegung von Mindeststandards der Bedingungen im Patentbereich und bei anderen vergleichbaren IP-Rechten
    • wie eine bundesweit einheitliche Handhabung dieser Fälle erreicht werden kann.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)