Niedrige Löhne, überteuerte Unterkünfte und prekäre Arbeitsbedingungen prägen für viele Saisonarbeiter*innen in Deutschland den Arbeitsalltag. Oft erhalten sie eine Bezahlung, die kaum zum Leben reicht, in vielen Fällen wird der Mindestlohn systematisch umgangen. Gleichzeitig sind sie gezwungen, in überteuerten und oft unzumutbaren Unterkünften zu wohnen, die ihnen von ihren Arbeitgeber*innen vermittelt werden. Ihre Arbeitsverhältnisse sind geprägt von Unsicherheit, langen Arbeitszeiten und mangelndem Schutz vor Ausbeutung. Da ihr Aufenthaltsstatus an den Arbeitsvertrag gekoppelt ist, befinden sie sich in einer besonders abhängigen Position, in der sie sich kaum gegen schlechte Bedingungen wehren können. Diese strukturellen Missstände müssen angegangen werden.
Der Aufenthaltsstatus von Saisonarbeiter*innen darf nicht mehr an das Arbeitsverhältnis gebunden sein, denn die Kopplung des Aufenthaltsstatus an den Arbeitsvertrag macht Saisonarbeiter*innen zu einer besonders vulnerablen Gruppe. Arbeitgeber*innen können sie damit erpressen und, auch an Gesetzen wie dem Mindestlohn vorbei, zu menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten lassen. Daher fordern wir die Entkopplung des Aufenthaltstitel von Arbeitsverträgen. In Vergangenheit kam es immer wieder zu Berichten, dass Arbeitgeber*innen die Pässe von Arbeiter*innen eingezogen haben, so dass diese keinen Zugang zu ihren Dokumenten hatten. Dieses Vorgehen gehört verboten und sollte rechtlich bestraft werden.
Die Unterbringung von Saisonarbeitenden ist vielerorts katastrophal, Mindeststandards für Hygiene oder Privatsphäre werden oft missachtet. Trotz der schlechten Bedingungen werden oft regelrechte Abzockmieten verlangt, mitunter bis zu 40 Euro pro Quadratmeter. Das ist deutlich mehr als in den teuersten Stadtteilen deutscher Großstädte. Dieses Vorgehen dient der Umgehung des Mindestlohns. So kann auf dem Papier der Mindestlohn gezahlt werden, während jedoch ein großer Teil des Gehalts durch die Unterbringungskosten wieder entzogen wird. Daher fordern wir eine grundsätzliche kostenlose Bereitstellung von Unterkünften für die Saisonarbeiter*innen, wobei die Mindeststandards für Hygiene und Privatsphäre zwingend eingehalten und vom Zoll wirksam kontrolliert sowie bei Verstößen geahndet werden sollen. Mieten müssen gedeckelt werden. Die Unterkünfte müssen den grundlegenden Standards für Hygiene, Sicherheit und Privatsphäre entsprechen.
Nicht selten müssen Saisonarbeiter*innen an staatlich festgelegten Standards vorbei arbeiten. Sie werden dabei nicht angemeldet beschäftigt, sodass sie an Mindestlohn und Sozialversicherung vorbei arbeiten müssen. Diese ausbeuterischen Verhältnisse müssen durch Kontrollen aufgedeckt und bekämpft werden. Daher fordern wir, dass die Kontrollen durch Zoll und andere relevante Behörden besser ausfinanziert werden.
Saisonarbeit ist ein kapitalistisches System: Saisonarbeiter*innen werden unzumutbaren Arbeitsbedingungen ausgesetzt, während Supermärkte von ihrer Arbeit profitieren. Viele Supermärkte arbeiten mit Unternehmen zusammen, die faire Standards nicht einhalten. Zudem verursachen Supermarkt-Konzerne selbst einen hohen Preisdruck, da sie die Erzeugnisse nur zu Dumping-Preisen abnehmen. Fehlende Transparenz über die Herkunft der Produkte und die Bedingungen, unter denen sie produziert werden, begünstigt Ausbeutung. Daher fordern wir, dass Abnahmepreise gesetzlich festgelegt werden, die faire Löhne bei den Erzeugern ermöglichen. Wie bereits beschlossen, fordern wir weiterhin, dass Supermärkte mittelfristig vergesellschaftet werden, um so faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten zu können. Bis dahin müssen Supermärkte zur Transparenz über Arbeitsbedingungen und Einhaltung festgelegter fairer Standards verpflichtet werden und Kooperationen mit ausbeuterischen Unternehmen ausgeschlossen werden. Hierbei sollen die Möglichkeiten des aktuellen deutschen Lieferkettengesetzes genutzt werden, so dass auch Supermärkte für ihre Lieferketten und Zulieferer in die Pflicht genommen werden.
Saisonarbeiter*innen sehen sich Verstößen gegen ihre Rechte oft allein und mit wenig Rechtsbeistand ausgesetzt. Das macht eine Bekämpfung der systematischen Probleme schwer. Daher fordern wir die Einführung eines Verbandsklagerechts für systematische Fälle. Dies ermöglicht es Gewerkschaften und anderen Interessenvertretungen, kollektiv gegen Missstände vorzugehen und die Rechte von Saisonarbeiter*innen durchzusetzen. Zusätzlich müssen Beratungsstellen und Unterstützungsangebote für Saisonarbeiter*innen längerfristig in Bundes- und Landeshaushalten gesichert und ausgebaut werden. Diese bieten durch ihre Beratung auf Muttersprache ein niedrigschwelliges Angebot zur Aufklärung von arbeitsrechtlichen Fragen. Den Stellen muss Zugang zu Arbeitsplätzen von Saisonarbeiter*innen gewährt werden, so dass diese direkt am Arbeitsplatz erreicht werden können. Zudem sollten Gewerkschaften prüfen, ob temporäre Mitgliedschaften mit Vorbild der IG BAU rechtliche Beratung für Saisonarbeiter*innen sein kann. Gewerkschaften könnten mit Beratungsstellen eng zusammenarbeiten und Kräfte bündeln, um die Situation von Saisonarbeiter*innen zu verbessern. Vorbild kann der Streik der LKW-Fahrenden in Gräfenhausen sein.
Die Anwerbung von Saisonarbeiter*innen läuft meist privat ab. Diese Praxis führt zu Ausbeutung und falschen Versprechen. Daher fordern wir offizielle Ausschreibungen statt privater Anwerbung. Die Rekrutierung von Saisonarbeiter*innen soll ausschließlich über offizielle Ausschreibungen erfolgen, die von zuständigen Behörden und Gewerkschaften begleitet werden. Private Anwerbeagenturen, die unregulierte Arbeitsverhältnisse schaffen, müssen unterbunden werden. Langfristig streben wir ein Verbot von Saisonarbeit in ihrer derzeitigen Form an, solange sie strukturell ausbeuterisch ist und grundlegenden menschenrechtlichen sowie moralischen Standards widerspricht.