Forderungen endlich ernst nehmen und umsetzen!
Alle sozialdemokratischen Mandatsträger auf Bezirks- und Landesebene werden aufgefordert, die bisherigen Forderungen und Beschlüsse zur Berliner Flüchtlingspolitik ernst nehmen und dabei folgende Punkte zeitnah umzusetzen:
1. Institutionelle und organisatorische Neuausrichtung der Kommunikationswege
a) FlüchtlingsfürsprecherInnen
Jedem Bezirk steht eine ausreichende Anzahl an vom Land Berlin regelfinanzierten FlüchtlingsfürsprecherInnen zur Verfügung. Deren Aufgaben sollen wie bei den PatientenfürsprecherInnen gesetzlich geregelt werden. Diese Stellen sollen durch das regelfinanzierte Landesrahmenprogramm für Stadtteilmütter und Integrationslotsen der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zur Verfügung gestellt werden. Diese sollen nur für die Belange der Flüchtlinge in den Bezirken zuständig sein. Durch die inhaltliche Nachsteuerung des Landesrahmenprogramms kann für die FlüchtlingsfürsprecherInnen auf lange Sicht ein finanzieller Rahmen sichergestellt werden und somit die Beratungsleistungen für die Flüchtlinge kontinuierlich angeboten werden.
Die FlüchtlingsfürsprecherInnen bieten mindestens einmal pro Woche Beratungsgespräche in jeder Flüchtlingsunterkunft an, sie stellen die Schnittstelle zu der Ombudsstelle des Landes Berlin her und helfen neben den SozialarbeiterInnen bei Fragen und Problemen der Flüchtlinge.
Die FlüchtlingsfürsprecherInnen sollen die relevanten Sprachen Englisch, Französisch, Arabisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch, Rumänisch, Romani sowie weitere relevante Sprachen abdecken. Hierbei soll der jeweilige Bedarf berücksichtigt werden.
b) Ombudsstelle auf Landesebene
Es ist eine im Antrag Nr. 130/I/2014 vom Landesparteitag am 17. Mai 2014 geforderte Ombudsstelle in der Senatsverwaltung anzusiedeln, welche in allen Fragen und Belangen für Flüchtlinge, Ehrenamtliche, FlüchtlingsfürsprecherInnen, SozialarbeiterInnen in Flüchtlingsheimen zur Verfügung steht.
Dieser soll ein effektives Auskunfts- und Antragsrecht auf die entsprechenden Landesbehörden eingeräumt werden, damit sie bei Problemen und Missständen intervenieren und das LaGeSo, den Bezirk und den freien Träger zur Behebung der Missstände auffordern und entsprechende Maßnahmen vorschlagen kann.
c) Einrichtung eines Runden Tisches:
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden aufgefordert, einen Runden Tisch einzurichten, welcher für und zwischen freie(n) Träger(n), Ehrenamtliche(n), SozialarbeiterInnen, Flüchtlinge(n), den FlüchtlingsfürsprecherInnen, dem Flüchtlingsrat, Migrationsbeirat und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) einen Austausch ermöglicht und eine Informationsplattform bietet.
d) Infobroschüren
Jeder Bezirk stellt den Flüchtlingsheimen Infobroschüren in den o.g. relevanten Sprachen zur Verfügung. Anhand der Broschüren können sich die Flüchtlinge über ihren Bezirk, bürokratische Abläufe, ihre Rechte und Ansprechpartner sowie Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche etc. informieren.
e) Einbindung der BürgerInnen
Jeder Bezirk muss rechtzeitig vor, bei und nach der Inbetriebnahme einer Flüchtlingsunterkunft die anliegenden AnwohnerInnen ausreichend informieren, dafür Sorge tragen, dass Ängste genommen werden sowie ein soziales und friedliches Wohnen im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft entsteht. Aufklärungsmaterial wie beispielweise Infobroschüren für die BewohnerInnen sollten zur Verfügung gestellt werden.
2. Verbesserte Wohnbedingungen und Neuausrichtung der Wohnungspolitik
a) Familien- und geschlechtergerechte Unterkünfte
Das LaGeSo hat in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Bezirke dafür Sorge zu tragen, dass es in den Flüchtlingsunterkünften eine familien- und geschlechtergerechte Raumaufteilung gibt. Hierzu gehören eine ausreichende Anzahl an nach Geschlechtern getrennten Bädern sowie Familien-, Mutter-Kind-, und Frauenschlafzimmern sowie Kinderzimmer.
Vor Zuteilung von Gruppen an Flüchtlingsunterkünfte muss das LaGeSo hierzu eine Abfrage bei den jeweiligen Bezirksämtern und privaten Betreibern vornehmen, die die o.g. Kriterien positiv bestätigen müssen.
b) Privatsphäre achten und für Sicherheit sorgen
Private Räume müssen mit einem Schlüssel abschließbar sein und dürfen in Abwesenheit nicht kontrolliert werden.
Besuchsrechte für Ehrenamtliche, Vereine und FlüchtlingsfürsprecherInnen müssen geregelt werden. Ggf. müssen entsprechende Besucherräume geschaffen werden.
Um Missbrauch zu vermeiden und Zugangskontrollen einfach zu gestalten, soll jede/r Heimbewohner/in einen Hausausweis mit Lichtbild erhalten, der zum Einlass berechtigt. Das LaGeSo verteilt diese Hausausweise bereits bei der Zuteilung auf die entsprechenden Heime.
c) Kooperation vor Ort fördern
Die Arbeit der flüchtlingspolitischen Initiativen vor Ort muss anerkannt werden. Ein verbindliches Kooperationsbestreben für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit solchen Initiativen und Betreibern ist ein Prozess, der angestoßen werden kann. In die Vertragsformalitäten muss die Sozialraumorientierung mitaufgenommen werden und muss Bestandteil aller mit den Betreibern von Flüchtlingsheimen abgeschlossenen Verträge sein. Die Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte müssen jährliche Kooperationsvereinbarungen mit Vereinen ggf. Initiativen vor Ort nachweisen. Eine schriftliche Befürwortung der örtlichen Integrationsbeauftragten ggf. Ombudsstelle ist erforderlich.
d) Soziale Wohnungspolitik
Flüchtlinge sollen ein Belegungsrecht auf Wohnraum im Rahmen der sozialen Wohnungspolitik und der geplanten Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik erhalten.
Mit einer Sozialraumanalyse soll langfristig Planungssicherheit geschaffen werden, so dass die soziale Wohnungspolitik zielgerecht umgesetzt und der Liegenschaftsfond gerecht verwaltet werden kann.
e) Umsetzung des Bürgermeisterbeschlusses
Der Rat der BezirksbürgermeisterInnen der Stadt Berlin hat eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge auf alle Berliner Bezirke beschlossen.
Dieser Beschluss muss in allen Bezirken endlich umgesetzt werden. Hierzu gehört auch der in Antrag Nr. 134/I/2014 vom Landesparteitag am 17. Mai 2014 an die AGH-Fraktion überwiesene Antrag, einen Masterplan zur dezentralen Unterbringen der in Berlin ankommenden Flüchtlinge zu entwickeln.
3. Effektives Qualitätsmanagement und regelmäßige Kontrollen
a) Einheitliche und unangreifbare Verträge mit Betreibern von Flüchtlingsunterkünften
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats werden aufgefordert, Verträge für Unterkünfte bei freie Trägern und anderen private Heimbetreibern aufzusetzen, die nicht mehr nach Belieben der freien Trägern und privaten Heimbetreibern verhandelbar sind. Alle Verträge sind einheitlich und befristet zu gestalten, damit vergleichbare Qualitätsstandards existieren und effektive, unangekündigte Qualitätskontrollen durch staatliche Stellen bzw. Beanstandungen über die FlüchtlingsfürsprecherInnen an die Ombudsstelle möglich sind. Diesbezüglich dürfen die privaten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften kein Zutrittsverweigerungsrecht haben (s.o.).
b) Kontrollen in den Flüchtlingsunterkünften
Wir fordern strengere und engmaschigere Kontrollen, die einwandfreie Hygiene- und Lebensstandards aller BewohnerInnen sichern. Hierfür muss das LaGeSo mit ausreichend Personal ausgestattet werden. Die Anzahl der Qualitätskontrollen muss einheitlich geregelt sein. Die Heimbetreiber müssen sich an die Verträge halten, sonst drohen Vertragsstrafen und/oder Kürzungen der Mittel. Es darf nicht mehr zu Abweichungen von Qualitätsstandards kommen.
Die verbindlichen Qualitätsstandards sollen auf der Homepage des LaGeSo für jedermann zugänglich veröffentlicht werden.
Es muss gesichert ein, dass kein Träger eine Flüchtlingsunterkunft eröffnet oder vom LaGeSo Geld dafür erhält, bevor ein Vertrag abgeschlossen wurde.
4. Mitbestimmungsrecht für Flüchtlinge gesetzlich sichern
Das Land Berlin hat ein Gesetz zu entwerfen, in dem ein Mitwirkungssrecht der Flüchtlinge für ihre Organisation in Gemeinschaftsflüchtlingsheimen in Berlin geregelt und gesichert wird. Dieses Mitbestimmungsrecht dient der Übernahme von Verantwortung und Selbstorganisation der Flüchtlinge und soll klare Strukturen und Ansprechpartner für die Betreiber sicherstellen Die Festschreibung dieses Mitbestimmungsrechts muss Bestandteil aller mit den Betreibern von Flüchtlingsheimen abgeschlossenen Verträge sein.
5. Bildung
Das LaGeSo muss den Bezirken und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft die notwendigen Daten der (Name, Alter, Sprachkenntnisse, Anzahl) unverzüglich nach Zuweisung zur Verfügung stellen, damit jeder Bezirk die Pflicht wahrnehmen kann, den ankommenden Flüchtlingskindern im Kita- bzw. schulpflichtigem Alter (bei Flüchtlingen bis zu 21 Jahren) einen Kitaplatz bzw. einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Hierzu sind eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften zur Verfügung zu stellen.
Weiterhin sollen kostenfreie Deutschkurse für Flüchtlinge an den Berliner Volkshochschulen – finanziert vom BAMF – eingerichtet werden.
6. Gesundheit
a) Medizinische Versorgung sichern
In jeder Unterkunft muss es den Flüchtlingen jederzeit möglich sein, im Notfall medizinische Versorgung zu erhalten. Die Kontakte sollen in den Infobroschüren stehen und auch ausgehängt werden. Dies setzt auch eine kostenlose Arztbehandlung voraus.
b) Kostenerstattung
Das Abgeordnetenhaus soll ein Gesetz entwickeln, in dem verbindlich die Zuteilungsfragen und Kostenlasten für die einzelnen Stellen und Bezirke anhand der Zahl der Flüchtlinge unter Berücksichtigung der jeweiligen bezirklichen Haushaltslage (entsprechend der Regelung auf Bundesebene gemäß dem Königssteiner Schlüssel) geregelt werden.
Das Land Berlin muss für Sonderkosten, die bisher die Bezirke tragen, aufkommen. Hier ist insbesondere an die Zusage von SenFin, die Impfkosten zu erstatten, zu erinnern, die eingehalten und ausgebaut werden muss!