Wachstum und Wohlstand nachhaltig sichern durch gute Arbeit und einen zukunftsfähigen, ökologischen und innovativen Industriestandort
Wir befinden uns in einer Zeit der Umbrüche. Wie überall ist auch die Berliner Industrie seit Jahren in einem umfassenden Transformationsprozess. Und wie in anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen hat sich der Druck durch die Krisen der letzten Jahre erhöht, Veränderungen umfangreicher und vor allem schneller anzugehen. Das betrifft besonders die Energiewirtschaft und daraus folgend die Industrie, die nicht nur auf verlässliche und bezahlbare Energie angewiesen ist, sondern auch den Weg zu einer CO2-neutralen Produktion zügiger angehen muss. Die Berliner Industrie kann mit dem Umfeld einer hervorragenden Forschungs- und Wissenschaftslandschaft in dieser Entwicklung Innovations- und Umsetzungstreiber sein. Zudem ist die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg schon heute DIE Region mit einem hohen Anteil an Erneuerbaren Energien – Tendenz steigend. Brandenburg mit seinen großen umliegenden Flächen und dem Fokus auf Erneuerbare Energien ist hierbei eine nahezu kongeniale Partnerregion. Nachhaltige grüne Produktion ist in Berlin-Brandenburg möglich.
Neben den traditionellen Industriestandorten wie zum Beispiel Siemens und BMW in Spandau, das Gasturbinenwerk von Siemens Energy in Moabit, Bayer im Wedding und Friedrichshain, Mercedes, Gilette und GE in Tempelhof, industriellen KMUs in Lichtenberg und Adlershof sind seit Jahren Betriebe der Innovations- und Digitalisierungsbranche sowie viele StartUps aus der Berliner Wirtschaft und Industrielandschaft nicht mehr wegzudenken. Dies wertet den Wirtschaftsstandort Berlin in hohem Maße auf und stärkt die damit verzahnten Bereiche der direkten industriellen Wertschöpfung. Denn Berlin ist mit über 100.000 Industriearbeitsplätzen und weiteren bis zu 90.000 Arbeitsplätzen in der StartUp-, Digitalisierungs- und Innovationslandschaft ein starker und innovativer Industriestandort, dessen Potenziale längst noch nicht ausgeschöpft sind. Diese sind häufig nicht tarifgebunden und mitbestimmt.
Industrieunternehmen sind tarifgebunden und durch mitbestimmte gute Arbeit gekennzeichnet. Vergleichsweise hohe Einkommen in der Industrie sichern wiederum starke Binnenkaufkraft, die sich stabilisierend auf die Dienstleistungsstruktur der Berliner Stadtgesellschaft auswirkt. All das ist nicht selbstverständlich und bedarf tagtäglicher Arbeit und Fokussierung.
Die Poly-Krise aus den schwierigen Coronajahren, dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine hat zu einer angebotsgetriebenen Inflation, globalen Lieferkettenengpässen und überteuerter Energie geführt. Die zweite US-Trump-Administration mit ihrer absurden Abschottungs- und Zollpolitik wird die Lage der deutschen und damit auch Berliner Industrie weiter verschärfen.
Hinzu kommt der viel zu lange ignorierte Fachkräftemangel, dem unter anderem durch konsequente Bindung der eigenen Belegschaft mit guter Arbeit, Qualifizierung und Weiterbildung sowie durch eine Ausbildungsoffensive begegnet werden muss. Und auch die Auswirkungen der massiven Veränderungen in der Umwelt und beim Klima erfordern ein schnelles Handeln und eine konsequente Dekarbonisierung auch der Industrie.
Berlin und auch Brandenburg haben aber als Produktions-, Wissens- und Energiestandort hervorragende Voraussetzungen, um die zentralen Herausforderungen unserer Zeit mit guten Konzepten zu lösen. So kann sich die Region zum Vorreiter CO2-neutraler Produktion entwickeln und auch zusätzliche Industrieproduktion und -arbeitsplätze durch Re-Shoring (Rückholung) von wichtigen Produkten im Pharma-/Gesundheits-, Mobilitäts- und Energiebereich aufbauen – mit dem Ziel die Wirtschaftsstruktur weiter zu diversifizieren und zu stärken.
Durch eine gute Industrie- und Standortpolitik mit einer gesteuerten und umsichtig durchgeführten Transformation kann die Hauptstadtregion starke industrielle Wachstumsimpulse auslösen, die sich über die Grenzen der Stadt, mindestens auf die gesamte Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, aber auch auf die gesamte Industrielandschaft Ostdeutschlands auswirken können. So würde Berlin nicht nur im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten aufholen, sondern endlich auch im innerdeutschen Vergleich zur Wirtschaftskraft anderer vergleichbarer Regionen aufschließen.
Wo stehen wir?
Berlin hat in den letzten Jahren seine industrielle Struktur und die ca. 105.000 Arbeitsplätze halten können. Allerdings wurden die vorhandenen Wachstumspotenziale oftmals nicht ausgeschöpft. Unterstützung beispielsweise bei Kooperationen zwischen den leistungsfähigen Wissenschafts- und Hochschulbereichen und Berliner Betrieben sind ausbaufähig.
Zudem spielt die Zusammenarbeit mit Brandenburg zum Beispiel bei den Clustern Energie(Technik) oder Gesundheit eine immer größere Rolle. Durch die Ansiedlung von Tesla ist Brandenburg zudem ein wichtiger Standort in der E-Mobilität geworden. Die Verbindung Brandenburgs und Berlin als Wohnort für viele Beschäftigte in Brandenburg, aber auch bei Themen in Forschung und Entwicklung sowie der Fachkräftegewinnung ist offensichtlich und naheliegend.
Die Abstimmung zwischen den Landesregierungen zu einer zielgerichteten, abgestimmten und effizienten gemeinsame Industriestrategie für die Hauptstadtregion muss an den derzeitigen industriepolitischen Herausforderungen stetig angepasst und ausgebaut werden. Dabei geht es darum, pragmatisch aus den Stärken beider Länder eine stringente, förder- und ansiedlungsfähige gemeinsame Industrielandschaft zu sichern und auszubauen
Wir können noch viel, viel schneller werden!
In der sozialen, ökologischen und demokratischen Transformation entsteht nachhaltige Konkurrenzfähigkeit durch Innovation und Schnelligkeit.
Sozialdemokratische Industriepolitik muss dafür sorgen, dass günstige Voraussetzungen für Wachstumsprozesse der eher mittleren Betriebsgrößen geschaffen werden. Auch wenn Firmenzentralen vermutlich nicht in Größenordnungen nach Berlin geholt werden können, gibt es in der Berliner Industrie genügend leistungsfähige Industriebetriebe, die beispielsweise bei der Fachkräftegewinnung, Weiterbildung und den dringlich bei anstehendem Innovationsdruck benötigten Kooperationen mit den Hochschulen oder anderen Akteuren Unterstützung bräuchten.
Berlin hat seit dem Ende des wiedervereinigungsbedingten Strukturwandels in der Berliner Industrie seit 2005 einen stabilen Besatz an hochmoderner, wenn auch in der Regel kleinteiligerer Industrie als in vergleichbaren anderen Regionen Deutschlands. Auf dieser Basis wollen wir aufbauen und mit einem länderübergreifenden Politikansatz Skalierung und Wachstum hier in der Region ermöglichen.
Die Voraussetzungen dafür sind gut: Wir müssen die aktuellen Herausforderungen in den Unternehmen ernst nehmen und als sozialdemokratische Partei der Arbeit gemeinsam mit den Beschäftigten und ihren DGB-Industriegewerkschaften Lösungen für Berlin und die Hauptstadtregion vorantreiben.
Dafür müssen wir nicht nur räumlich, sondern auch wirtschaftlich neue Wege gehen und die Potenziale der Region nutzen, enger miteinander verzahnen und am Ende eine Region für gute, zukunftsfeste und nachhaltige industrielle Arbeit sein, die Wachstum und Wohlstand in der Region sichert.
Mit diesem Beschluss und seinen folgenden wichtigen Handlungsempfehlungen und Forderungen legt die Berliner SPD die Grundlage dafür.
1) Wir machen sozialdemokratische Industriepolitik für 6,4 Mio. Menschen, welche die Standortvorteile Berlins und der Metropolregion als Ganzes ausspielt
Standort Berlin / Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg
Berlins Wirtschaft ist vorwiegend kleinteilig. Ein industriepolitischer Ansatz für die Region Berlin-Brandenburg muss daher alle Größenklassen von Unternehmen umfassen und dabei auf die Schaffung diverser, resilienter Ökosysteme ausgerichtet sein.
Eine der wichtigsten Zielstellungen der Politik ist es dabei, gemeinsam mit den Sozialpartnern, Verbänden, Unternehmensnetzwerken und Transformationsnetzwerken die Vernetzung und Interaktion zwischen den Unternehmen und Branchen zu intensivieren, also zwischen den Unternehmen der Digitalwirtschaft, des Handwerks, des verarbeiteten Gewerbes bis hin zum industriellen Großbetrieb auf einen engen und regelmäßigen Austausch der Akteur:innen hinzuwirken.
Dabei stellen wir auf die Wertschöpfungsketten und die Vertiefung der Wertschöpfung in der Hauptstadtregion ab. Daher ist zwangsläufig ein weitreichender, integrativer Ansatz erforderlich, welcher weniger einen speziellen Technologie- oder Trendfokus einnimmt, sondern auf die Wachstumschancen der bereits am Standort angesiedelten traditionellen Unternehmen sowie auf Innovationen und junge Branchen abstellt.
Industriepolitik ist für uns deshalb stets auch Innovationspolitik.
Nur dort, wo regelmäßiger Austausch über Ideen und Erfahrungen stattfindet, können die Potenziale der Region gehoben werden. Die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Innovationskorridoren ist hier ein gutes Beispiel. Im Innovationskorridor Berlin-Lausitz sollen unterstützt durch die enge Zusammenarbeit von Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) und der WISTA Energiewendelösungen entwickelt und zur Marktreife gebracht werden. Diese Entwicklung soll fortgesetzt und weiter unterstützt werden.
Berlin ist zudem aufgefordert, regelmäßig an dem Brandenburger Bündnis für Industrie teilzunehmen und seinen Gaststatus dazu zu nutzen, auf eine engere Verzahnung der Industriepolitik Brandenburgs mit der Berliner Industriepolitik hinzuwirken. Der „Strategische Gesamtrahmen Hauptstadtregion“ soll ebenfalls weiterentwickelt werden.
Die Intensivierung der Zusammenarbeit beider Länder bei der gemeinsamen Innovations- und Industriepolitik kann nur gelingen, wenn sich die Zusammenarbeit auch in den Institutionen abbildet. Diese notwendige Industriepolitik aus einem Guss für die Hauptstadtregion bedarf einer kontinuierlichen Abstimmung und politischen Steuerung. Die beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg schaffen einen gemeinsamen „Industrieboard“, in dessen Geschäftsstelle die Steuerung industriepolitischen Aufgaben aus beiden Ländern koordiniert wird. Der*Die Vorsitzend*e des Industrieboards berichtet regelmäßig den Landeskabinetten und ist beratendes Mitglied der Aufsichtsgremien der Wirtschaftsförderungen der Länder Berlin und Brandenburg. So können die beiden Industrieländer Berlin und Brandenburg ihre Industriepotenziale in der Konkurrenz der Regionen und angesichts der Herausforderungen der industriellen Dekarbonisierung und Transformation optimal nutzen.
Resiliente Wertschöpfung
Als die größte Herausforderung und zugleich Chance für unsere Region sehen wir die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Unbeirrt einer erneuten amerikanischen Kehrtwende in der Klimapolitik sind wir der festen Überzeugung, dass nur eine klimaneutrale Wirtschaft die Lebensbedingungen der Menschen auch in Zukunft bewahren kann und zugleich auch unseren künftigen Wohlstand sichern wird. Klimaneutrale Produkte und Fertigungstechniken aus unserer Region haben das Potenzial, zum Exportschlager zu werden. Unsere Industrie- und Innovationspolitik wird die hiesige Wirtschaft auf diesem Weg unterstützen.
Zugleich besteht in einer möglichst vielfältigen Branchenmischung der Wirtschaft in unserer Region die notwendige Resilienz, um gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Krisen zu bestehen. Den Erhalt dieser Vielfalt und die Bereicherung durch neue Ideen, Produkte und Technologien werden wir daher weiterhin unterstützen.
2) Stärken ausbauen: Energietechnik – Mobilitätstechnik – Gesundheit/Pharma
Für sozialdemokratische Industriepolitik bedeutet das auch, dort den Fokus zu setzen, wo bereits eine gute industrielle Basis besteht und es Berlin bei Einsatz seiner Stärken gelingen kann, Benchmarks zu setzen und zukunfts- und konkurrenzfähige Industrien zu sichern.
In Berlin sind hierfür drei industrielle Bereiche besonders prädestiniert: Energie- und Mobilitätstechnik sowie die Pharma- und Medizintechnikindustrie.
Energietechnik
Durch die Orientierung an das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erfordert die Klimawende einen Umbau der Energieversorgung hin zu mehr Unabhängigkeit, Erneuerbaren Energie und Dekarbonisierung als Hauptziel des Umbaus der Energiewirtschaft. Durch den russischen Angriffskrieg und den daraus resultierenden Verzicht auf den industriellen Hauptenergieträger russisches Gas hat sich die Notwendigkeit des energiepolitischen Umbaus der Industrie weiter verschärft und beschleunigt.
Die Produktion von Anlagen und Ausrüstungen zur Umwandlung, zum Transport und zur Verwendung von Energie (Energietechnik) hat in Berlin eine große Tradition und ist mit einem Schwerpunkt in der Turbinentechnik bisher in starkem Maße auf Anlagen zur Nutzung fossiler Energieträger sowie auf Ausrüstungen für den Stromtransport ausgerichtet. Das bietet für verschiedene Berliner Betriebe gute Möglichkeiten, ihre Kompetenzen für weitere Innovationen auf den Feldern regenerative Erzeugung und Transport von Strom und Wasserstoff sowie Abscheidung, Transport und Lagerung von CO2 zu nutzen, und zwar mit Blick auf den weltweiten Markt.
Wichtigster Energieträger für eine klimaschonende Wirtschafts- und Lebensweise wird in Zukunft Strom sein, so dass der Bedarf an Ausrüstungen für die regenerative Erzeugung, den Transport und die Umwandlung von Strom steigen wird. Darüber hinaus wird Wasserstoff als Energieträger für Teile der (Schwer)Industrie die zentrale Rolle spielen.
Hier werden besonders Innovationen im Bereich von Elektrolyseuren, wasserstoffbetriebene Turbinen, aber auch industrielle Energieeffizienz durch Digitalisierung und KI-Einsatz eine wichtige Rolle spielen. Hinzu kommt der sich gerade entwickelnde Markt der Speichertechnologien – allein durch die Nähe zu Brandenburg und seiner in der Menge nicht zu nutzenden Erneuerbaren Energie besteht ein riesiges Wertschöpfungsfeld direkt vor den Toren unserer Stadt.
Mobilität
Auch die Automobilindustrie steht auf der einen Seite vor der großen Herausforderung der Antriebswende, also Dekarbonisierung des Antriebs hin zur E-Mobilität. Auf der anderen Seite erfordert die Mobilitätswende u. a. eine grundsätzliche Hinwendung zu schienengebundenem, elektrifiziertem Verkehr, sei es durch die Tram, U- und S-Bahnen oder den Regionalverkehr zur Vernetzung Berlins in die Hauptstadtregion und damit Vermeidung von unnötigen Pendel-Individualverkehren.
Hinzu kommen Bedarfe nach autonomem Fahren, um Fachkräftemangel durch Demografie und schwierigen Arbeitsbedingungen z.B. durch Schichtverkehre entgegenzuwirken. Eine intelligente Vernetzung unterschiedlicher Verkehre hin zu einem integrierten Verkehrskonzept, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und intelligente Energiesteuerung durch Smart Homes und bidirektionales Laden der zunehmenden E-Mobilflotte sind zukünftige Nutzungen, die einen hohen industriellen Skalierungsgrad haben.
In Berlin gibt es sowohl für den Automobil- als auch für den Schienenverkehr große industrielle Hersteller, die sich bereits mit der notwendigen Transformation auseinandersetzen, wenn auch nicht immer und überall in der notwendigen Geschwindigkeit und Konsequenz.
E-Mobilität und Mobilitätswende sind zentrale Industriebereiche der Zukunft. Berlin bietet auch hier eine hervorragende Basis zur industriellen Sicherung vorhandener Arbeit und dessen Ausbau.
In Berlin arbeiten und forschen Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Startups mit Digitalisierungs- und Innovationsschwerpunkten so wie traditionelle Ingenieurdienstleister und Forschungsabteilungen großer Industrieunternehmen in diesem Themenfeld und können für viele Bereiche industriell skalierbare Lösungen anbieten.
Pharma- und Medizintechnikindustrie
Insbesondere die Pharmazeutische Industrie, aber auch die Medizintechnik sind seit jeher stark durch Forschung und Entwicklung geprägt. Speziell für forschende Pharmahersteller ergeben sich aus den hohen FuE-Budgets hohe Finanzierungsbedarfe und damit auch Risiken; Fehlentwicklungen sind oftmals sehr teuer. Umso bedeutsamer sind erfolgreiche Innovationsprozesse, die stark von Kapitalverfügbarkeit und effektiver Vernetzung mit öffentlicher FuE (Grundlagenforschung) und anderen Marktteilnehmenden abhängen. In der Pharmaindustrie wurden mittlerweile Unternehmensstrategien auch dahingehend angepasst, Innovationen durch große Pharmaunternehmen teilweise an kleine Spezialisten „auszulagern“.
Der Nutzen der (in Berlin stark vertretenen) Grundlagenforschung an öffentlichen Institutionen und Hochschulen im Hinblick auf ihren Wert für Produktinnovationen wird in der Pharmaindustrie allerdings als gering eingeschätzt, auch wenn sich das im Nachgang der Coronapandemie vor allem im Bereich der Gen- und Zelltherapie stark geändert hat. Mit der Charité verfügt Berlin zudem über einen international anerkannten Leuchtturm. In der Medizintechnik hat sich mittlerweile eine gute industrielle Basis in Berlin etabliert, die es weiter auszubauen gilt.
Die „Berliner Erklärung: Zukunft Pharma“ von Senat und Berliner Pharma-Unternehmen geht in die richtige Richtung, in dem sie auf die Steigerung von Investitionen am Standort Berlin, die Sicherung von Fachkräften und die Verbesserung der Standortbedingungen abzielt.
Am Standort Berlin sind inzwischen über 40 führende Pharmaunternehmen und rund 280 Biotech-Firmen ansässig, die zusammen etwa Branche etwa 10.000 Fachkräfte beschäftigen und dabei einen Gesamtumsatz von rund 7,4 Mrd. Euro erwirtschaften.
Die Lieferengpässe der letzten Jahre im Pharmabereich haben gezeigt, dass wie in vielen anderen Bereichen wie zum Beispiel bei Halbleitern und Batterietechnik auch hier verstärkte „Re-Shoring“-Aktivitäten – also ein Zurückholen von Produktion – sinnvoll sein können im Rahmen einer Resilienzstrategie. Potenziale dafür wollen wir perspektivisch im Bündnis mit der Pharmaindustrie und der zuständigen Gewerkschaft IG BCE prüfen.
Unsere Forderungen: Gezielte Förderung und Unterstützung von Tariftreue und Mitbestimmung
In allen drei oben genannten Bereichen arbeiten große Traditionsunternehmen seit langem in Berlin, sind hervorragende Forschungs- und Wissenschaftsstandards vorhanden und werden durch Startup, KMUs und Hidden Champions bereits Zukunftstechnologien entwickelt. Diese Bereiche zusammenzubringen für einen starken industriellen Kern in der Stadt ist Aufgabe sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Das bedeutet im Einzelnen:
- Etablierung eines Steuerungsformates oder Reform des Steuerungskreises Industriepolitik (SKIP), in dem die regionalen Zukunftsbranchen gemeinsam betrachtet, Förderungen entwickelt und vor allem die Vernetzung aus FuE, Startups und Innovationstreibern mit der Industrie bearbeitet wird, um eine industrielle Skalierung in der Hauptstadtregion und damit mehr und zukunftssichere gute Industriearbeit in der Region anzusiedeln. Hier sind vorrangig die Sozialpartner, also die betroffenen Gewerkschaften und Unternehmensverbände einzubinden.
- Die Vernetzung von Forschungsergebnissen aus der öffentlichen Grundlagenforschung mit der Industrie muss stärker ausgebaut werden. Hier sind bestehende Konzepte zu prüfen und auf einen besseren Transfer abzielende Konzepte zu entwickeln. Gleichzeitig sollten die Rahmenbedingungen für Transfer und Translation von Grundlagenforschung in die Anwendungsforschung und industriellen Skalierung verbessert werden.
- Investitionen und Kooperationen im Mobilitätsbereich sind vor allem für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg zu realisieren und unterliegen den Grundsatz der Dekarbonisierung und der integrierten Verkehrspolitik mit Schwerpunkt öffentlicher Verkehre.
- Zukunftstechnologien und deren Entwicklung brauchen Kapital. Instrumente zur öffentlichen Förderung und Finanzierung von öffentlicher FuE sowie privater Startups sind auszubauen. Dabei sollen insbesondere Maßnahmen zur Erschließung privaten Kapitals (Venture Capital und andere Finanzierungsformen) verstärkt werden und weitere Maßnahmen (abgestimmt auf die Maßnahmen des Bundes) zur Aktivierung privater Finanzierung entwickelt werden.
- Unterstützung zur FuE sowie zur industriellen Skalierung ist immer daran zu binden, dass diese in der Region Arbeit sichert und neue schafft. Einer Verlagerung industrieller Skalierung in andere Regionen ist durch Schaffung regionaler Kooperationen mit vor Ort arbeitenden Unternehmen/Betriebsstandorte entgegenzuwirken.
3) Innovationsumfeld stärken
Kooperationen mit der Wirtschaft
Entscheidend für die Stärkung der industriellen Basis in der Hauptstadtregion ist auch ein vitales Innovationsumfeld. Zum einen erfordern die Herausforderungen aus den transformatorischen Aufgaben eine Vielzahl an Innovationen, wie bspw. zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Dekarbonisierung der Produktion sowie zur Nutzung der Möglichkeiten aus der Digitalisierung. Zum anderen bieten Innovationen die Chance, Zukunftsbranchen zu erschließen und nachhaltig Wirtschaftswachstum und Gute Arbeit in unserer Region zu sichern.
Die Wirtschaftsstruktur in Berlin und Brandenburg ist vorwiegend von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. In Berlin zählen rund 98 % aller Betriebe zu den KMU (bis zu 50 Beschäftigte), welche zugleich deutschlandweit rd. 83% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse stellen. Damit sind die Voraussetzungen und Anforderungen an die Industriepolitik andere als bspw. im Südwesten Deutschlands. Festzustellen ist auch, dass die meisten der kleinen Unternehmen meist nicht über ausreichend Mittel und Kapazitäten für eigene Forschung und Entwicklung verfügen und zugleich mit den Herausforderungen der Digitalisierung ebenfalls stark beansprucht sind.
Gemeinsame Projekte von Startups mit der etablierten Wirtschaft bieten einen Lösungsansatz sind jedoch seit Jahren rückläufig und der Anteil an Kooperationsmöglichkeiten verharrt nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau. Damit bleiben viele Potenziale aus möglichen Kooperationen etablierter und junger Unternehmen in der Hauptstadtregion ungenutzt, was letztlich negative Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und die Wirtschaftskraft in der Region hat.
Um diese Innovations- und Wachstumspotenziale besser zu nutzen, fordern wir die stärkere Unterstützung bei der Vernetzung etablierter, kleiner und mittelständischer Unternehmen mit überregionalen Großunternehmen. Darüber hinaus soll ein intensiverer Austausch mit den wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen in unserer Region mit den ansässigen Unternehmen erfolgen und hierbei bestehende Strukturen, z.B. in Gestalt von Unternehmensnetzwerken und Kooperationen gestärkt und im Sinne von Best Practice sichtbarer werden. Dabei sollte auch über eine Weiterentwicklung der Initiative Mehrwert Berlin nachgedacht werden, um die landeseigenen Unternehmen noch besser in die Vernetzung mit einzubinden. Ferner müssen wichtige Vernetzungsstrukturen wie das Werner-von-Siemens-Center abgesichert und unter Einbindung der Sozialpartner stärker genutzt werden
Hierzu braucht es zum einen finanzielle Unterstützung (u.a. eine auskömmliche Förderung). Zum anderen aber auch einen umfassenden strategischen Ansatz, bspw. in Form einer Transferstrategie (wie sie Brandenburg bereits 2019 vorgelegt hat), um Kooperationen gezielt zu entwickeln und zu stärken. Ziel muss es sein, den Zugang zu Wissen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen zugänglicher zu machen. Ebenso sollte die bestehende Clusterstrategie beider Länder weiterentwickelt werden.
Innovationsfähigkeit stärken und mehr Mut zur Gründung
Die Stärke des Berliner Startup-Ökosystem und die Widerstandsfähigkeit der Berliner Wirtschaft hat sich in den Krisen der letzten Jahre (Corona-Pandemie, Energiekrise) bewiesen. Dieser Erfolg ist auch auf den kontinuierlichen Ausbau der Förder-, Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für Gründerinnen und Gründer sowie eine aktiv verfolgte Ansiedlungsstrategie über Berlin Partner zurückzuführen. Diese an vielen Stellen herausgebildeten Unterstützungsstrukturen gilt es weiterhin zu stärken, intensiver zu vernetzen und zusammenzuführen.
Die große Chance für ein weiterhin wachsendes Startup-Ökosystem und die nachhaltige Stärkung der Berliner Wirtschaft als Ganzes liegt in deren Innovationsfähigkeit und der Möglichkeit, Innovationen „schnell auf die Straße zu bringen“ und Einzelfertigungen in die Serie zur bringen (klassische Skalierung). Darüber hinaus liegen in technologischen wie in nicht-technologischen Innovationen die Möglichkeiten, die digitale und ökologische Transformation zu gestalten und mit Wirtschaftswachstum und Guter Arbeit zu verbinden.
Die Grundlage für einen industriepolitischen Ansatz für die Metropolregion Berlin-Brandenburg wird daher stets die gesamte Wertschöpfung über Branchen- und Clustergrenzen hinaus sein und dem Leitgedanken folgen, dass Innovationen hier erdacht, ausprobiert, in Serie produziert und angewendet werden sollen und am Ende Bestandteil eines Wirtschaftskreislaufs sind, welcher den Anforderungen einer ressourcenschonenden, nachhaltigen und klimagerechten Wirtschaft gerecht wird. Dabei haben wir bei der Betrachtung von Wertschöpfungsketten alle Qualifikationsniveaus im Blick.
Fortlaufend werden immer mehr Prozesse digitalisiert und teilweise von KI übernommen. Dies ist wichtig, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und Arbeitnehmende zu entlasten. Dabei muss aber stets der Mensch im Vordergrund stehen und die KI-Implementierung mitbestimmt erfolgen. Dabei setzen wir uns für Umschulung und Qualifizierung von durch KI-Einführung gefährdeten Arbeits- und Fachkräften ein.
Gute Arbeit bedeutet auch die Teilhabe sowie Mitbestimmung von Beschäftigten an der Ausgestaltung von Arbeitsprozessen. Hier soll und kann KI unterstützen und Arbeitsbedingungen verbessern. Die KI darf jedoch nicht als reines Überwachungs- und Kontrollelement eingesetzt werden und damit fundamentale Rechte von Beschäftigten beeinträchtigen.
Die Berliner Industrie inklusive der landeseigenen Unternehmen bieten mit ihren Dekarbonisierungsfahrplänen zahlreiche Potenziale und Anknüpfungspunkte für Innovationen und einen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer. Aus der Nachfrage dieser Unternehmen nach innovativen Lösungen im Bereich Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Digitalisierung usw. können in Kooperation mit den Hochschulen, Startups und etablierten Unternehmen neue Produkte und Unternehmen hervorgehen.
Zugleich brauchen wir Absolvent:innen, die sich für eine Unternehmensgründung entscheiden, wenngleich die guten Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt angesichts des Fachkräftemangels die Entscheidung für eine risikobehaftete Gründung schwieriger gemacht haben. Hier gilt es mit geeigneten Maßnahmen der Information, Beratung und praxisnahem Erfahrungsaustausch für potenzielle Gründer:innen gegenzusteuern.
Die schnelle Umsetzung von Ideen und Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung in die Anwendung ist eine Gelingensbedingung für die Stärkung der Innovationskraft in unserer Region. Das Instrument der Reallabore soll hierfür verstärkt Anwendung finden und die Nutzung von Reallaboren der Energiewende deutlich ausgeweitet werden.
Ebenso sollte der Ansatz von Advance Market Commitments – wie sie das Bundeswirtschaftsministerium vorschlägt – in der Anwendung über landeseigene Unternehmen geprüft werden. Hierbei bekennt sich die öffentliche Hand (z.B. über Ihre Betriebe) zu Innovationen und reizt über Kauf- oder Subventionszusagen für ein erfolgreich entwickeltes Produkt die Entwicklung privatwirtschaftlicher Lösungen von Herausforderungen an.
Die EU-Kommission hat mit ihrem Ende Februar 2025 vorgelegten „Clean Industrial Deal“ lang überfällige Richtlinien und Maßnahmen für einen gemeinsamen europäischen Weg hin zu einer zukunfts- und wettbewerbsfähigen klimaneutralen Industrie vorgelegt. Diese Chancen müssen wir nutzen und umsetzen. Für die Dekarbonisierung der Industrie werden Fördermittel bereitgestellt, durch die Einführung von Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien sowie des Kriteriums „Made in Europe“ in das öffentliche und private Beschaffungswesen zu einer Steigerung der Nachfrage nach sauberen Produkten aus der EU führen und die EU-Beihilferegelungen werden angepasst, sodass die Genehmigung von staatlichen Beihilfen für die Einführung erneuerbarer Energien erleichtert wird.
Ergänzt wird dies durch Projekte der Forschungs- und Investitionsförderung sowie einem erleichterten Fachkräfteaustausch und innereuropäischen Weiterbildungsangebot. Des Weiteren wird es europäischen Unternehmen ermöglicht, sich zusammenzuschließen und ihre Nachfrage nach kritischen Rohstoffen zu bündeln. Die vielfältige Industrielandschaft Berlins kann umfassend von diesen Maßnahmen profitieren. Dafür müssen sie politisch begleitet und ein intensiver europäischer Austausch gepflegt werden. Um Abhängigkeiten von autokratischen Staaten zu reduzieren, bedarf es eine nachhaltigere Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern und ein größeres Vertrauen in die EU.
Der Ansatz, mit Innovations-, Wissenschaftsorten bzw. so genannten Transferlaboren (Hubs, Labs, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, usw.) an einem Ort Unternehmen, Start-ups zusammenzubringen (z.B. an Zukunftsorten) hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und sollte ausgebaut und durch die Verstärkung von Beratungsformaten und -kapazitäten weiter vorangetrieben werden. Dabei entscheidend ist, dass sich wissenschaftliche Techniken und Methoden im Zusammentreffen mit den Fragestellungen der externen Kooperationspartner gegenseitig befeuern, so dass wechselseitiges Lernen und gemeinsame Entwicklung ermöglicht wird.
Wir fordern daher:
- Das bestehende Konzept der Zukunftsorte fortzuführen und weiter auszubauen.
- Hub- und Labstrukturen weiterzuentwickeln und enger mit den Transferstrukturen der Hochschulen, den Unternehmensnetzwerken und landeseigenen Unternehmen zu verzahnen
- Den Ansatz der Reallabore auszubauen und mit den Transferaktivitäten der Hochschulen enger abzustimmen.
- Die bezirkliche Wirtschaftsförderung personell und finanziell zu stärken
- Die Vernetzung von bezirklicher Wirtschaftsförderung, der Wirtschaftsförderung des Landes und den Unternehmensnetzwerken sowie den Hochschulen zu unterstützen, auszubauen und zugleich Doppelstrukturen abzubauen.
- Eine mit Brandenburg abgestimmte Transferstrategie zu entwickeln, welche sich der Potenziale der Berlin-Brandenburger Hochschullandschaft annimmt und zu einem besseren Austausch etablierter Unternehmen, Startups sowie Einrichtungen aus Wissenschaft und Forschung führt.
- Die bestehenden Förder- und Unterstützungsinstrumente stärker auf die Wertschöpfung in der Region und deren Skalierung zu fokussieren.
- Die Chancen aus den geänderten beihilferechtlichen und vergaberechtlichen Regelungen des Clean Industrial Deal zur Stärkung der Industrie in unserer Region nutzen.
4) Industrie braucht Fläche. Beschäftigte brauchen bezahlbares Wohnen
Industrieflächen sichern
Industrielle Entwicklung hängt unmittelbar mit Flächenpotenzialen zusammen. Das betrifft nicht nur die Ansiedlung, sondern auch die Bestandsunternehmen. Wenn diese sich nicht räumlich in ihrem unmittelbaren Umfeld entwickeln können, dann bevorzugen sie eine gänzliche Verlagerung in Gebiete, die dies ermöglichen – im Falle von Berlin am ehesten nach Brandenburg.
Gleichermaßen wichtig ist gerade für Unternehmen in Berlin die Nähe zu industriellen Dienstleistern, Startups und Forschung und Entwicklung. Auch diese benötigen bezahlbare Gewerbeflächen.
In Berlin sind Flächen ein knappes Gut, dass unter einem hohen Konkurrenzdruck steht. Auch wenn sich viele Industriebereiche gewandelt haben, sind die Bedarfe beim produzierenden Gewerbe nach wie vor durch Sicherheitsbedarfe, Emissionen sowie durch Individual- und Wirtschaftsverkehre (Ver- und Entsorgung, Lieferverkehre) bestimmt. Konflikte mit zum Beispiel heranrückendem Wohnungsbau sind dort vorprogrammiert, wo direkt an Gewerbegebieten gebaut wird oder gar Teile von Gewerbegebieten umgenutzt werden sollen.
Industrie bleibt aber ein wesentlicher Wirtschaftszweig, der nicht nur gute – also in der Regel tarifgebundene und mitbestimmte – Arbeit sichert, sondern in der Wertschöpfungskette der Stadt eine wichtige Komponente bleibt (u.a. auch als Auftraggeber für die Dienstleistungsbranche). Nicht nur, aber auch, weil im industriellen Bereich die „Karawane“ nicht aufgrund von „Modeerscheinungen“ oder kurzfristigen Förderimpulsen einfach weiterziehen kann.
Wer das industrielle Rückgrat unserer Wirtschaft sichern will, der muss Gewerbeflächen sichern und vor allem bezahlbaren Gewerberaum für kleines produzierendes Gewerbe, Startups, industrienahe Dienstleister und Logistik anbieten. Deswegen ist es folgerichtig, dass auch der neue Stadtentwicklungsplan Wirtschaft 2040 die bisherigen Gewerbeflächen weiter für gewerbliche Nutzungen vorsieht. Durch die Abstimmung des StEP Wirtschaft mit dem StEP Wohnen bezüglich nutzbarer Flächen sollen zukünftige Flächenkonkurrenzen vermieden werden können.
Unsere Forderungen zur Sicherung und Entwicklung von Flächen für die weitere Industrieentwicklung:
- Gemäß dem StEP Wirtschaft 2040 werden die reinen gewerblichen Flächen in der Regel im Umfang voll erhalten. Es ist ein Gremium aus Senat, Bezirken, Sozialpartnern und Wirtschaftsverbänden zu gründen, das bei drohenden Flächenkonkurrenzen über gegebenenfalls notwendige Umwidmungen berät und entscheidet (s.u. Werkswohnen). Grundsätzlich kann aber ein solches Gremium auch den bisher traditionell definierten Industriebegriff prüfen und erweitern, um Nutzungsmöglichkelten zu erweitern und mehr Ansiedlung und Infrastruktur möglich zu machen.
- Die im StEP Wirtschaft 2040 dargestellte Flächenkulisse ist nur zu geringen Anteilen kurzfristig aktivierbar. Wir fordern die Entwicklung eines schlüssigen Konzeptes zur Aktivierung der Flächen.
- Der Verkauf der GSG Gewerbehöfe (2007) war ein großer Fehler. Bezahlbare Gewerbeflächen sind gerade für kleine produzierende Unternehmen und industrienahe Dienstleister entscheidend. Die Gewerbehofinitiative des Senats ist unter Einbeziehung der Sozialpartner auszubauen und abzugleichen mit Möglichkeiten der Ansiedlung in räumlicher Nähe zu in der Stadt befindlichen Industriezentren. Das unterstützt auch sinnvolle Verbünde zur industriellen Transformation.
- Gewerbemieten müssen der Eigentümerwillkür entzogen werden. Es müssen auch im Gewerbemietenbereich endlich wirksame Instrumente entwickelt werden, die mindestens mittelfristige Planungen für Gewerbemieter ermöglichen. Wir brauchen rechtssichere Instrumente zur Regulierung im Bereich der Gewerbemieten. Die SPD ist aufgefordert, hier auf Bundesebene auf nachhaltig wirkende Regeln zu drängen und sie umzusetzen. Bis dahin gilt es, durch Erwerb geeigneter Flächen und Immobilien das landeseigene, bezahlbare Angebot an Gewerbeflächen und Immobilien stetig weiter auszubauen.
Werkswohnen
Schon jetzt zeigt sich, dass fehlender bezahlbarer Wohnraum die Wirtschaftsentwicklung gerade auch in den produzierenden Bereichen und bei Zukunftstechnologien hemmt. Berliner Unternehmen suchen händeringend Fach- und Arbeitskräfte aus aller Welt und die erste Frage, die sich Menschen stellen, ist, ob sie für sich und ihre Familien bezahlbaren Wohnraum finden. Aber auch junge Menschen, die nicht bei ihren Eltern leben können oder wollen und eine Ausbildung anstreben, brauchen bezahlbaren Wohnraum.
Das Land Berlin hat dies bereits für ihre unmittelbaren Arbeitnehmenden erkannt und will gemeinsam mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften „Beschäftigtenwohnungen“ bauen. Damit kommt es einer zentralen Verantwortung als Arbeitgeber nach. Die Aktivitäten über die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kann den Bedarf allein aber nicht decken. Daher ist hier zwingend auch der private Sektor gefordert und damit diejenigen, die am Ende von guten Fach- und Arbeitskräften profitieren. Da sich aber im Mietwohnungsbereich bewiesen hat, dass der Markt es eben auch hier nicht sozial gerecht regelt und das Land von einer prosperierenden und konkurrenzfähigen Wirtschaft profitiert, muss Berlin eine Initiative für „Werkswohnen“ starten.
Obwohl das Thema Werkswohnen und in jüngster Zeit auch Azubiwohnen immer wieder in den vergangenen Jahren auf Senatsebene oder beim Steuerungskreis Industriepolitik zwischen den Verwaltungen und Sozialpartnern oftmals diskutiert wurde, blieb dies in den vergangenen zehn Jahren ohne belastbare Ergebnisse. Denn es fehlt ein strukturierter Ansatz, um dieses auch in der Tat umzusetzen.
Unsere Forderungen für Werks- und Azubiwohnen:
- Im Falle von bezahlbarem Werkswohnen oder sozialer Infrastruktur wie Betriebs-Kitas können Umwidmungen von Gewerbeflächen In die Entscheidungsfindung darüber soll ein Gremium aus Senat, Bezirken, Sozialpartnern und Wirtschaftsverbänden eingebunden werden. Sofern landeseigene Flächen betroffen sind, wird ausschließlich im Erbbaurecht bebaut.
- Der Senat muss die Koordinierung einer Werkswohnen-Initiative übernehmen. Eine Arbeitsgruppe wird hierzu unverzüglich eingerichtet, in der Senat, Bezirke, Sozialpartner, Wirtschaftsverbände und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften gemeinsam eine „Werkswohnungscharta für Berlin“ erarbeiten, die noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt wird.
- Klar ist: Nutznießer von einem verstärkten Werkswohnungsbau sind die betroffenen Unternehmen. Deswegen sind sie auch zur Finanzierung heranzuziehen und können dafür zum Beispiel auch Genossenschaften gründen oder Werkswohnungsbau bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften beauftragen. Auch die Frage des seit langem diskutierten gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus muss endlich politisch entscheiden werden.
- Es wird in Berlin noch in dieser Legislaturperiode ein Azubiwerk gegründet und finanziell so ausgestattet, dass es für Auszubildende ähnlich wie das Studentenwerk eine Basisversorgung mit bezahlbarem Wohnraum anbieten kann.
5) Industrie braucht Mitbestimmung
Mit dem Masterplan Industriestadt (MPI) werden die drei Transformationslinien identifiziert, entlang derer sich die Transformation vollzieht: (1) digitale Transformation, (2) ökologische Transformation und (3) Transformation der industriellen Arbeitswelt.
Alle drei Bereiche erfordern starke Anstrengungen und sind mit erheblichen Disruptionen sowie einer hohen Veränderungskompetenz verbunden. Das bedeutet auch, dass die Beschäftigten die anstehenden Veränderungen umsetzen müssen. Oftmals sind sie zudem näher dran an Transformationsbedarfen, verbesserungswürdigen Produktionsprozessen und notwendigen Personalveränderungen und Wissenstransfer.
Es genügt nicht, Beschäftigte in der Veränderung mitzunehmen, sie müssen von Beginn an eingebunden werden – auch über normale mitbestimmungspflichtige Vorgänge hinausgehend.
Gefestigte Mitbestimmungsprozesse und eine gute korporatistisches Unternehmenskultur der beiden Betriebsparteien sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren für eine gelingende Transformation.
Ein zentraler Fokus sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik – auch im Sinne der EU-Vorgaben – liegt daher auf dem Ausbau von Tarifbindung und Mitbestimmung.
Unsere Forderungen: Nur mitbestimmte und tarifgebundene Arbeit ist gute Arbeit
- Für Berlin ist die EU-Vorgabe einer 80 prozentigen Tarifbindung und Mitbestimmung Verpflichtung seiner aktiven Wirtschaftspolitik. Ergänzend zu einem bundesdeutschen Aktionsplan legt Berlin einen eigenen Umsetzungsplan auf, um dieses Ziel mittelfristig zu erreichen.
- Für eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik und -förderung sind Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung Bedingung. Sollten Unternehmen diese nicht erfüllen, können sie nur in begründeten Einzelfällen gefördert werden, sofern sie einen Umsetzungsplan für Tarifbindung und Mitbestimmung vorlegen. Hierfür ist die zuständige DGB-Gewerkschaft einzubinden.
- Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist geleitet vom Gedanken der Sozialpartnerschaft und Vertretung der Beschäftigteninteressen. Deswegen werden in alle staatlichen und parlamentarischen Prozesse wie der Erarbeitung von Stadtentwicklungsplänen, Wirtschaftsstrategien, neuen Förderinstrumenten, aber auch Beschäftigte betreffende Sparmaßnahmen beide Sozialpartner eingebunden. Für uns als Sozialdemokrat:innen sind der DGB und seine zuständigen Industriegewerkschaften wie die IG Metall und IG BCE erste Ansprechpartner, wenn es um die Belange der Beschäftigten geht.
- Wirtschaftspolitik lebt vom direkten Kontakt zu den Betrieben und Entscheidungsträger:innen vor Ort. Für die SPD und ihre Senatsmitglieder sind dies beide Betriebspartner. Deswegen fordern wir diese auf, bei Betriebsbesuchen stets auch den Kontakt zu den Beschäftigtenvertretungen – im industriellen Bereich Betriebsräten – und ihren Gewerkschaften zu suchen.
6) Finanzierung von Innovation und Transformation
Für Investitionen durch Unternehmen jeder Größe ist letztlich der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten entscheidend. Haus- und Förderbanken kommt hier eine Schlüsselfunktion zu. Ohne Zugang zu günstigen Krediten und Zuschussförderung werden Investitionen von kleinen und mittleren Unternehmen erst verzögert stattfinden, wenn diese aus Eigenfinanzierung überhaupt möglich sind.
Banken sind naturgemäß risikoavers und zurückhaltend bei der Vergabe bei Krediten, insbesondere bei neuartigen (innovativen) Technologien und „Klimainvestitionen“. Die Risikoaversität verschärft sich häufig gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und Zeiten hoher Insolvenzzahlen. Das trifft insbesondere auf private Hausbanken zu, welche mitunter nicht einmal bei risikoreduzierten Darlehensprogrammen der Förderbanken (IBB) zur Ausreichung von Förderdarlehen bereit sind. Das sind zum Teil systemische Probleme (Banken verdienen in anderen Bereichen bei niedrigerem Risiko besser), die sich mittelfristig nicht auflösen lassen. Positiver hervorzuheben sind hier die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Wir fordern daher, dass sich Wirtschaftspolitik, Förderbanken sowie Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu einem runden Tisch treffen, um Ideen und Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten der in der Region ansässigen Unternehmen zu entwickeln, insbesondere mit Blick auf die Unterstützung der Finanzierung von Investitionen. Für Ideen und Probleme, die am runden Tisch diskutiert aber auf Landesebene nicht lösbar sind, soll eine Bundesratsinitiative geprüft werden.
Ziel einer umfassenden Industriestrategie des Landes muss zugleich auch die Fortsetzung der Unterstützung beim Ausbau eines Venture Capital-Ökosystems sowie die zusätzliche Mobilisierung privaten Kapitals für Investitionen in Startups und Innovationen sein. Venture Capital stellt hierbei nach wie vor die wichtigste Finanzierungssäule im Startup-Ökosystem dar.
Ziel muss es sein, dass aus Privatwirtschaft stammendes Kapital wieder in Unternehmen in der Region reinvestiert wird und sich somit die hiesige Wirtschaft aus sich selbst heraus stärkt, ohne dass es steigender öffentlicher Fördermittel bedarf.
Da Berlins Wirtschaft wie dargestellt vorwiegend durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) geprägt ist, gestaltet sich der Aufbau eines sich selbsttragenden Finanzierungs-Ökosystems engagierter Unternehmerinnen und Unternehmer als besonders herausfordernd. Vielen Kleinstunternehmen fehlen zugleich die personellen und finanziellen Ressourcen sich in Förderstrukturen einzubringen und selbst Teil des aktivierenden, investierenden Ökosystems zu werden. Unser Ansatz ist es, beim Aufbau solcher Strukturen zu unterstützen und bis zur Etablierung aktiv mitzuwirken (z.B. über Beteiligungsstrukturen der IBB und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner). Den Ansatz anderer Metropolregionen (wie bspw. TUM in München) zu kopieren, ist dabei nicht zielführend. Berlin-Brandenburg braucht einen eigenen, auf die Bedürfnisse der Menschen und die wirtschaftliche Struktur der Region zugeschnittenen Ansatz.
Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats auf:
- Sich auf Bundes- wie Länderebene dafür einzusetzen, die Finanzierungsbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen zu verbessern. Auf Landesebene sind hierzu die Darlehens- und Beteiligungsprogramme der IBB zu prüfen und ggfs. zu verbessern.
- Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die rechtlichen Voraussetzungen für Fondsmodelle zur Unternehmensfinanzierung (insbesondere im Bereich der Wachstumsfinanzierung) zu schaffen bzw. zu verbessern.
- Die auf europäischer Ebene geschaffenen Möglichkeiten zur Förderung im Rahmen der Transformation der Industrie besser bekannt und leichter zugänglich zu machen.
- Sich auf Bundes- und Landesebene für die Entbürokratisierung des Gesellschaftsrechts und Digitalisierung bei Gründungsprozessen und Startup-Finanzierungen ein wie es zum Beispiel in Estland längst der Fall ist
Investitionsklima
Die mit dem Wachstumschancengesetz und der jüngsten Wachstumsinitiative der letzten Bundesregierung entwickelten Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftswachstums und Investitionsklimas in Deutschland greifen leider an vielen Stellen zu kurz. An die neue Bundesregierung richtet sich daher die Aufforderung, mutiger und entschlossener zu Maßnahmen zu gelangen, welche das Investitionsklima in Deutschland verbessern. Dabei spielen sowohl staatliche Infrastrukturinvestitionen als auch Investitionen der Privatwirtschaft eine maßgebliche Rolle.
Mit Blick auf die Privatwirtschaft können Investitionsentscheidungen durch Anreize unterstützt werden, indem verbesserte Regeln zur Abschreibung geschaffen und langfristig ausgestaltet werden. „Superabschreibungen“, die zu kurz angelegt sind, verfehlen allerdings ihre Wirkung. Vielmehr muss es darum gehen über einen langen, idealerweise 10-jährigen Zeitraum einen Rahmen zu schaffen, welcher den Unternehmen bei Abschreibungsmöglichkeiten von Klimainvestitionen Planungssicherheit verschafft. Nur wenn Regeln für Abschreibungen über mehrere Wirtschaftsjahre Bestand haben, werden sie sich in der Investitionsplanung der Unternehmen niederschlagen und die gewünschten Effekte zeigen. Kurze Perioden mit Sonderabschreibungen verbessern das Investitionsklima dagegen nicht, sondern führen allenfalls zu Mitnahmeeffekten bei ohnehin geplanten Investitionen.
Bei privaten wie öffentlichen Infrastrukturinvestitionen spielt die GRW-Förderung eine maßgebliche Rolle. Die Reduzierung der Bundesmittel ist angesichts sich abzeichnender Überzeichnungen der Programme in den Ländern ein Fehler.
Wir fordern die massive Ausweitung der GRW-Förderung zur Stärkung von Infrastrukturinvestitionen in den Regionen sowie eine verlässliche Zusage zur Kontinuität für die kommenden Jahre.
Für den Anreiz von Investitionen fordern wir kreative Ansätze bspw. durch „doppelt-degressive“ Abschreibungen. Danach könnten über die nächsten 10 Jahre „Klimainvestitionen“ in Deutschland degressiv abgeschrieben werden, während zugleich der Anfangssatz der Abschreibung dabei ebenfalls degressiv über die kommenden 10 Jahre abschmilzt. Auf diese Weise würden frühe Investitionen zu Beginn der Dekade stärker incentiviert als späte zum Ende der Dekade.
Wir fordern die Anpassung der AfA-Tabellen um Güter der „Klimainvestitionen“. Noch mutiger und zugleich transparenter wäre aber ein offener, adaptiver Definitionsansatz, um Innovationen und technische Disruptionen in diesem Bereich sofort ohne jährliche Anpassungen der AfA-Tabellen zu unterstützen. Dabei ist im Sinne Bürokratieentlastung auf den Gleichlauf der steuerlichen wie handelsbilanztechnischen Abschreibung zu achten.
Unser Ziel muss es sein, Investitionen in die Infrastruktur der Region zu forcieren. Denn wer hier in Substanz (energetische Gebäudesanierung, energieeffiziente Produktion und gute Arbeit) investiert, geht eine langfristige Bindung mit unserer Region ein. Derartige Investitionen sollen belohnt werden.
Steuerliche Regelungen, welche dagegen den Abfluss von Kapital ins Privatvermögen der Eigentümer:innen oder die Ausschüttung an Anteilseigner:innen in Form von Dividenden usw. begünstigen, lehnen wir daher ab. Eine weitere Absenkung der Körperschaftsteuer halten wir für nicht sinnvoll, ebenso streben wir eine Anhebung der Kapitalertragssteuer an.
Gewinne privater wie öffentlicher Unternehmen sollten in die Substanz, Innovationen sowie in die Qualifizierung der Beschäftigten und damit in die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen investiert werden. Derartige Investitionen wollen wir daher mit starken Anreizen bspw. durch Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten verbessern.
Unser besonderes Augenmerk liegt auf dem Mittelstand, der fest in unserer Region verwurzelt ist und nicht weiterzieht, wenn der Wind rauer weht, sondern langfristig (über Generationen) hier verankert ist. Für diese Unternehmen sind Planungssicherheit, eine klare Rahmensetzung (Regulatorik und Politik) sowie der Zugang zu Fachkräften, Finanzierungsmöglichkeiten, ein faires Wettbewerbsumfeld sowie eine verlässliche Infrastruktur entscheidend. Das Energiesystem ist für die meisten dieser Unternehmen ebenfalls von großer Bedeutung, sofern sie sich nicht autark mit Energie versorgen können. Sie sind daher auf den Ausbau der Netze und wettbewerbsfähige Energiepreise angewiesen. Der Stromnetz Berlin kommt daher eine bedeutende Rolle beim Aufbau der Energieinfrastruktur im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien zu. Der Ausbau der Verteilnetze sowie Übertragungsnetze zwischen Berlin und Brandenburg muss in den kommenden Jahren massiv beschleunigt, die hierfür notwendigen Investitionen durch Senat und Parlament sichergestellt werden. Die Rückweisung von Unternehmensansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen aufgrund mangelnder Kapazitäten im Stromnetz (z.B. bei Rechenzentren) darf nur die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden.
Wir fordern daher:
- Mit langem Planungshorizont (10 Jahre) angelegte Regelungen zur verbesserten Abschreibung von Investitionen, insbesondere von „Klimainvestitionen“
- Kurzfristig vorgenommene Investitionen sollen stärker incentiviert werden als aufgeschobene Investitionen.
- Die Ausweitung der GRW-Förderung zur Stärkung von Infrastrukturinvestitionen in den Regionen sowie eine verlässliche Zusage zur Kontinuität für die kommenden Jahre.
- Wir fordern den Senat auf, eine Bundesratsinitiative einzuleiten mit dem Ziel die GRW-Förderung auf den Bereich Softwareentwicklung zu erweitern.
- Klarheit herzustellen über von der öffentlichen Hand geplante Infrastrukturinvestitionen in den kommenden Jahren und Verlässlichkeit der Umsetzung sicherstellen. Dies insbesondere im Energiesektor (Strom).
- Einen Innovationsbonus für Unternehmen, die in die Zukunftsfähigkeit ihrer Wertschöpfung und des Standortes investieren und tarifgebundene und mitbestimmte Arbeit sichern.
Energiepreise
Die gestiegenen nach wie vor hohen Energiepreise sind für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen eine große Belastung. Während einkommensschwache Haushalte inzwischen einen deutlich höheren Anteil ihrer Einkommen für Energie aufwenden müssen, gilt dies auch für die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und energieintensive Industrien, wo sich der Energiekostenanteil ebenfalls massiv erhöht hat. Dadurch wird die Wirtschaftlichkeit einiger Branchen zunehmend in Frage gestellt.
Wir brauchen ein neues Strommarktdesign, welches ausgehend von den Bedürfnissen der Verbraucher:innen zu dauerhaft stabilen Strompreisen führt und die Bezahlbarkeit von Strom für alle Einkommensschichten sicherstellt.
Für die Unternehmen sind Planbarkeit, Transparenz und Kostensicherheit beim Strompreis ebenfalls von grundlegender Bedeutung bei Investitionsentscheidungen. Die Prämisse der ökologischen Lenkungswirkung und Investitionsförderung über den Strompreis muss deshalb dort überprüft werden, wo starke Volatilitäten am Strommarkt den Unternehmen die Planungssicherheit nehmen und sie gegenüber fossilen Energielieferanten benachteiligen oder gar ihren Bestand gefährden.
Hierbei gilt es, die Strompreise zuerst von Steuern und Abgaben zu entlasten. Die Reduzierung der Netzentgelte ist hierzu ein richtiger Schritt, dem die Reduzierung der Stromsteuer folgen muss. Darüber hinaus sollte die Senkung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Strom geprüft werden, insbesondere deshalb, weil die Mehrwertsteuer lediglich die Verbraucher:innen belastet.
Auf europäischer Ebene müssen Maßnahmen getroffen und verstärkt werden, welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer zunehmend dekarbonisierten, europäischen Wirtschaft und deren erneuerbarer Energiesystemen gegenüber internationalen Wettbewerbern, die nach wie vor auf fossile Energieträger setzen, herstellt. Das CBAM ist ein wirkmächtiger Mechanismus, um Carbon Leakage verhindern. Wir fordern dazu auch die Strompreiskompensation der EU zu evaluieren und ggfs. zu. verbessern.
Durch die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie hat diese sich im internationalen Wettbewerb auch trotz höherer Energiepreise bereits vor der Energiekrise gut behaupten können und wird dies auch künftig tun können, wenn der Unterschied bei den Energiepreise reduziert werden kann – Deutschland wird dabei auch künftig ein höherpreisiges Energieland bleiben.
Wir fordern daher den Bund auf, Maßnahmen zur Reduzierung der Energiepreise unter Beibehaltung eines Transformationsdrucks auf energieintensive Industrien zu entwickeln und kurzfristig einzuführen. Dies kann ein Brückenstrompreis für die Industrie oder marktgestütztes Design für einen Industriestrompreis sein. Ein Industriestrompreis sollte jedoch so angelegt sein, dass sich dieser nicht dauerhaft von realen Strompreisen entkoppelt, sondern mit absehbarem und damit für die Unternehmen erwartbarem/planbarem Ende auf einen weitgehend unregulierten, marktbestimmten Strompreis hinführt und somit überhaupt erst die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auch in Zukunft sicherstellt. Eine dauerhafte Subvention von Industriestrompreisen aus öffentlichen Mitteln lehnen wir daher ab.
Wir fordern die konsequente Ausgestaltung des CO2-Preisregimes in der EU, um fossile Energieträger sowie auf fossilen Energieträgern basierende Dienstleistungen und Produkte gegenüber auf erneuerbaren Energien basierende Dienstleistungen und Produkten zu diskriminieren. Es darf sich für Unternehmen schlicht nicht mehr rechnen, weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen.
Wir fordern daher:
- Entlastung des Strompreises von Abgaben und Steuern
- Neuentwicklung des Strommarktdesigns
- Ausbau und Verbesserung des CO2-Regimes für den Europäischen Wirtschaftsraum
- Prüfung eines Brückenstrompreises bzw. eines temporären Industriestrompreises
- Verbesserung und Weiterentwicklung von CBAM sowie Strompreiskompensation der EU
Gute Arbeit durch starke Wirtschaft: Eine umfassende, sozialdemokratisch geprägte Industriepolitik ist der Garant für zukünftigen Wohlstand in unserer Region!
Mit diesem Beschluss legt die SPD Berlin für die kommenden Jahre ein stringentes und geschlossenes Konzept für die Sicherung und den Ausbau für einen innovativen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Industriestandort in Berlin und der Hauptstadtregion vor. Berlin-Brandenburg kann so auch Motor einer Sicherung des Industriestandortes Ostdeutschland werden.
Die Berliner Sozialdemokratie lässt sich damit an ihrem Anspruch messen, auch mit ihrer Industriepolitik eine fortschrittliche Partei der guten Arbeit zu sein und damit wichtige Grundlagen für Wohlstand und Wachstum zu legen.