Geld und Macht sind in unserer kapitalistischen Gesellschaft unweigerlich miteinander verknüpft. Die Frage nach einer gerechten Besteuerung ist damit maßgebend für das Ziel, sozialen und ökonomisch nachhaltigen Wohlstand für alle Menschen zu sichern. Ein Steuersystem sollte daher insbesondere Kapital und Vermögen statt Arbeit belasten, gendergerechte Besteuerungsergebnisse erzielen, queerfeindliche Systeme bekämpfen und strukturelle Unterdrückung beenden, durch rassistische und koloniale und patriarchale Strukturen entstandene Vermögens-, Einkommens- und Machtungleichgewichte angreifen und dabei helfen, ihre erneute Entstehung national und international zu verhindern, ökologisches und sozial-nachhaltiges Wirtschaften steigern sowie regionale Lebensverhältnisse angleichen.
Steuern haben dabei vornehmlich eine Umverteilungs- sowie eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Steuerungs- und Lenkungsfunktion. Indirekte Steuern können zur gezielten Lenkung der Produktion beitragen, indem durch sie erhöhte Produktionskosten die Investitionen und Produktion in bestimmten Bereichen senken oder verlagern. Die Lenkung individuellen Konsumverhaltens durch eine indirekte Besteuerung lehnen wir aufgrund der nicht bzw. kaum zu vermeidenden sozialen Ungerechtigkeiten ab.
Der Staat ist als Träger der Besteuerung in hohem Maße auf die Mitwirkung steuerpflichtiger Personen angewiesen. Im derzeitigen System profitieren insbesondere Gruppen mit bereits hoher Macht- und Kapitalkonzentration von zahlreichen Möglichkeiten, diese Mitwirkung zu verweigern oder auf Grund der Komplexität des Systems Lücken zu finden. Ein umfassendes Eigentums-, Besitz- und Vermögensregister ist deshalb die notwendige Voraussetzung einer gerechten Besteuerung, um so gesellschaftliche Klarheit über die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft zu erhalten. Darüber hinaus muss das sozialistische Steuersystem dem Grundsatz “So einfach wie möglich, damit möglichst jeder das System versteht und versteckte Lücken geringer werden und so komplex wie nötig, damit ausreichende Einzelfallgerechtigkeit gewahrt ist” folgen.
Die SPD Berlin wird daher in (zukünftigen) Regierungen sowie der Abgeordnetenhaus- wie Bundestagsfraktion folgende Steuerreformen anstreben:
- Die Einrichtung eines umfassenden Eigentums-, Besitz- und Vermögensregisters für Vermögenswerte ab 200.000 € auf Landes- und langfristig auch auf Bundesebene.
- Die Einführung einer Meldepflicht für von Beratenden und Wirtschaftskanzleien errichtete Steuerkonstruktionen, die zur Vermeidung oder Umgehung der Steuer geeignet sind.
- Die Abschaffung der Grundsteuer und ihr Ersatz durch ein reformiertes Vermögenssteuerkonzept (s.u.) sowie die Abschaffung der Gewerbesteuer und ihr Ersatz durch eine Erhöhung der Körperschaftssteuer um 15%, um den regionalen Unterbietungswettbewerb zu beenden.
- Um den finanziellen Bedarf der Gemeinden abzudecken, soll ein bundesweiter Fond eingerichtet werden, in den die neue Körperschaftsteuer sowie Anteile der Vermögens-, Erbschafts- und Einkommensteuer einfließen, die als Bundessteuern ausgestaltet werden.
Dieser Fond wird dann nach einem Schlüssel unter Einbezug eines Flächen- wie Bevölkerungsfaktors sowie der Arbeitsplätze verteilt. Der Flächen- und Bevölkerungsfaktor, der dem Fond zugrunde liegt, sollte relevante demographie-spezifische Faktoren, wie Ost-West-Unterschiede, Anteil migrantisierter Menschen und ähnliche Aspekte, berücksichtigen.
- Die Umgestaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer als Bundessteuer, die alle übertragenen Vermögenswerte abzüglich zusammenhängender Verbindlichkeiten erfasst. Für betriebliche und auf Unternehmensanteile anfallende Steuerschulden soll es verschiedene Möglichkeiten der Begleichung geben (Stundung, Demokratisierungsprozesse). Die Verschonungsbedarfsprüfung bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer soll abgeschafft werden. Ebenso die 100%-prozentige Steuerverschonung, die durch eine Regel- und Optionsverschonung ersetzt werden soll, die bei 85% beginnt und auf 0% Verschonung sinkt. Diese Erbschaft- und Schenkungsteuer soll ferner folgende Punkte beinhalten:
- ein lebenslang einziger und universeller Grundfreibetrag in Höhe von 999.999 Euro
- außerhalb des Grundfreibetrags soll der Steuersatz mit 10% für die erste Million einsteigen
- die Ausgestaltung der Progression als Stufensteuer und wächst mit jeder Million um 10% an (20% auf die zweite Million, 30% auf die dritte Million usw.) bis zu einem Erreichen von 90% und einem Verbleib auf dieser Höhe
- Wir setzen uns für eine europaweite bzw. perspektivisch globale Mindeststeuer auf große Vermögen ein, vergleichbar mit der globalen Mindestkörpersteuer. Ist die zu besteuernde Person Staatsbürger*in eines teilnehmenden Landes, ist aber im Ausland gemeldet, wird die Steuer trotzdem erhoben und muss eventuell von den Unternehmen der Person im Land gezahlt werden
- Die Wiedereinführung der Vermögensteuer als Bundessteuer, bei der ausschließlich natürliche Personen, Einheitsgesellschaften sowie Stiftungen besteuert werden, nicht aber Gebrauchsvermögen. Diese Vermögensteuer soll ferner folgende Punkte beinhalten:
- ein pauschaler Freibetrag von 2 Millionen Euro pro Person, ein zusätzlicher Freibetrag von 3 Millionen Euro für eine selbst bewohnte Immobilie und einen Freibetrag von 5 Millionen Euro für ein selbst geführtes Unternehmen, welches sich zu mindestens 25% im eigenen Besitz befindet
- ein pauschaler Freibetrag von 10 Millionen Euro für Stiftungen
- Vermögen über den Freibeträgen soll mit einem Satz von 1% pro Jahr besteuert werden. Dieser Satz soll bis zu einem Wert von 3% ab einem zu versteuernden Vermögen von 50 Millionen Euro ansteigen.
- Die Umgehungsmaßnahmen wie überkreuzte Übertragungen, Kettenschenkungen und Vermögensumwandlungen sollen verboten und stärker kontrolliert werden
- Die Umgestaltung der Einkommensteuer, sodass sie einer konvexen Kurve folgt und flach ansteigt, sodass sie beim zwanzigfachen des Durchschnittseinkommens zum Höchststeuersatz von 80% übergeht. Diese Einkommensteuer soll ferner folgende Punkte beinhalten:
- eine einheitliche Besteuerung aller Einkommen unabhängig davon, ob sie aus Arbeit, Kapitalertrag oder anderen Quellen stammen
- das Erheben der Einkommenssteuer direkt am Ort der Wertschöpfung
- das System der Lohnsteuer beibehalten und das der Kapitalertragsteuer in ein vergleichbares überführen
- Die vollständige Abschaffung des Splittingstarifs (Ehegattensplitting) zugunsten konsequenter Individualbesteuerung
- Auf Ebene der Körperschaftsteuer soll eine erste Besteuerung in Kombination des Mindestlevels internationaler Vereinbarungen (15%) und des Ersatzes der Gewerbesteuer (15%) von aktuell insgesamt 30% geschehen. Die hauptsächliche Besteuerung soll dann auf Ebene der Ausschüttungen erfolgen und unabhängig von der Höhe der Beteiligung voll in der persönlichen Einkommensteuerpflicht des Gesellschafters berücksichtigt werden.
- Eine steuerliche Entlastung von wenig kapitalintensiven Kleinst- und Kleinbetrieben, indem nur noch bei Kleinst- und Kleinbetrieben das Teileinkünfteverfahren anwendbar ist.
- Die Abschaffung der Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer.
- Die Einführung einer Treibhausgassteuer, welche die bisherige CO2-Steuer, sowie alle spezifischen Steuern auf Treib- und Brennstoffe ersetzt. Die Höhe dieser Steuer soll sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren um externe Kosten des Treibhausgasausstoßes zu internalisieren und diesen so zu begrenzen. Damit dies nicht zu sozialen Verwerfungen führt, sollen die Einnahmen dieser Steuer für ein sozial-austariertes Klimageld verwendet, um kleine und mittlere Einkommen und Vermögen vor Belastungen zu schützen.
- Deutschland soll sich aktiv für eine Koalition progressiver (EU-)Staaten einsetzen, die gemeinsame Standards für Vermögens-, Erbschafts- und Unternehmensbesteuerung erarbeitet, um Kapitalflucht zu verhindern und einen neuen sozialen Steuerkompromiss in der EU zu fördern
- Die Aushandlung neuer Doppelbesteuerungsabkommen mit beliebten Auswanderungsländern (z. B. Schweiz, Monaco, Dubai), um eine nachgelagerte Besteuerung latenter Kapitalgewinne bei Wegzug sicherzustellen und die Steuerflucht hochvermögender Privatpersonen zu unterbinden
- Eine Finanztransaktionssteuer von 2% auf Aktien und 0,2% auf Derivate von Aktien. Die Einführung einer solchen Steuer auf internationaler Ebene wird angestrebt