Antrag 03/II/2014 Fair-Fashion: Unternehmenshaftung statt CSR und Produktzertifizierung

Wir begrüßen die Initiative der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, zur Erarbeitung und Einführung eines Siegels für ökologische und soziale Standards in der gesamten Lieferkette der Textilindustrie. Der Einsturz der Rana Plaza-Textilfabrik in Bangladesch im April 2013, mit mehr als 1.100 Toten und mehr als 2.000 Verletzten, hat die krassen Missstände in der Textilproduktion und die Notwendigkeit von Veränderungen erneut in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

 

Eine freiwillige unternehmerische Selbstverpflichtung, wie bisher von Gerd Müller noch angedacht, halten wir jedoch nicht für ausreichend. Diese Möglichkeit besteht bereits im Rahmen von Corporate Social Responsibility-Maßnahmen (CSR-Maßnahmen) und einer Vielzahl von Siegeln und Zertifikaten mit arbeitsrechtlichen und/oder sozialen Kriterien – diese haben allerdings zu keinem Ende der systematischen ArbeiterInnenausbeutung in der Textilindustrie geführt.

 

Wir fordern daher gesetzliche Maßnahmen, die Unternehmen wirklich zur Einhaltung sozialer Mindeststandards entlang der ganzen Produktions- und Verkaufskette verpflichten – vom Baumwollfeld bis zur Kasse.

Unsere Hauptforderung ist deshalb die gesetzlich verpflichtende  Einhaltung der Kernarbeitsnormen für Unternehmen, wie sie von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in acht internationalen Übereinkommen vereinbart wurden. Diese umfassen u.a. die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Beseitigung der Zwangsarbeit, das Verbot von Kinderarbeit, das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf und haben den Charakter von universellen Menschenrechten – und somit Gültigkeitsanspruch in allen Ländern der Welt. Um diese sozialen Mindeststandards entlang der ganzen Produktionskette gewährleisten zu können, haben wir vier Forderungen für faire Kleidung erarbeitet:

 

1. Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen:

Wir fordern eine gesetzliche Regelung, die es Unternehmen verbietet, ihre Textilwaren auf dem deutschen und europäischen Markt anzubieten und ggf. dafür haftbar macht, wenn es bei der Produktion zu einer Verletzung der ILO-Kernarbeitsnormen kommt – auch wenn dies in Tochterunternehmen oder Zulieferbetrieben geschieht.

 

2. Transparenzpflicht für Unternehmen:

Um die Einhaltung auch wirklich überprüfen zu können, ist eine vollständige Offenlegung über die an allen Produktionsschritten beteiligten Akteur*innen notwendig – von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Endprodukt. Nur wenn ersichtlich ist, welche Zulieferer*innen in die Herstellung des Produkts involviert sind, kann wirklich faire Kleidung garantiert werden.

 

3. Staatliche Kontrolle der Offenlegung:

Zur Überprüfung der Vollständigkeit/Richtigkeit der Unternehmensangaben braucht es zudem eine unabhängige und öffentlich finanzierte Kontrollinstanz. Bei falscher Auskunft von Unternehmensseite sind angemessene Strafzahlungen zu verhängen.

 

4. Von regionaler zu globaler Verantwortung:

Freiwillige Selbstverpflichtungen bezüglich Menschen- und Arbeitsrechten zeigen meist nur geringe Wirkung, da die Unternehmen die sich daran halten, auf dem Textilmarkt oft weniger wettbewerbsfähig sind. Deshalb braucht es auf lange Sicht nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen auf nationalstaatlicher Ebene, sondern auch weltweit gültige und verbindliche Regelungen, die effektiv einklagbar sind. Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, sich hierfür einzusetzen.

 

Darüber hinaus setzen sich wir uns dafür ein, den Konsument*innen eine umfassendere Informationsgrundlage über die einzelnen Produktionsschritte in der Textilindustrie zu ermöglichen – denn nur so ist überhaupt solidarischer und verantwortungsbewusster Konsum möglich. Dafür nötig sind neben einer weitreichenden Transparenz der Produktionskette auch entsprechende (Weiter-)Bildungsangebote – von der verstärkten Einbindung des Themenbereichs in die Lehrpläne an den Schulen bis zur Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die im Bereich Erwachsenenbildung tätig sind.

 

(Zur Überweisung an die SPD-Bundestagsfraktion + Zur Überweisung an die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament)

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Stellungnahme(n):
  Stellungnahme der Landesgruppe Die SPD-Bundestagsfraktion führte am 5. Februar 2015 eine Konferenz zum Thema „Menschenrechtliche und soziale Verantwortung von Unternehmen“ durch, wo mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutiert wurde, welche Maßnahmen für eine Verbesserung der weltweiten Arbeits- und Produktionsbedingungen und für mehr Transparenz in den Lieferketten geeignet sind. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie die bisherige freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen fortgeführt werden kann. Denn bei allen anstehenden Entscheidungen, sei es der staatlichen und privaten Wirtschafts- und Handelskooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern, den aktuellen EU-Richtlinien und Verordnungen zu Konfliktmineralien und CSR oder einem Textilsiegel zeigt sich: Wenn wir in einem überschaubaren Zeitraum mit freiwilligen Verpflichtungen nicht weiter kommen, ist das Parlament als Gesetzgeber gefordert, gesetzliche Vorgaben zu machen, damit soziale und menschenrechtliche Standards besser als bisher eingehalten werden.   Erste, aber entscheidende Schritte wurden bereits mit unserem vom Deutschen Bundestag angenommenen Antrag „Gute Arbeit weltweit – Verantwortung für Produktion und Handel global gerecht werden“ (Drs. 18/117) und der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gemacht. Es ist richtig und wichtig, dass die Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes begonnen hat, mit dem Nationalen Aktionsplan endlich einen Ordnungsrahmen für eine verbesserte Unternehmensverantwortung im Bereich des Menschenrechtsschutzes zu entwickeln   Es ist gut, wenn alle großen Unternehmen konkret berichten müssen, ob sie etwas tun und was sie tun. Dann können interessierte Organisationen die Berichte vergleichen und auswerten. Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten greifbare Anhaltspunkte für ihre Kaufentscheidung. Medien können darüber berichten. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für diese Transparenz und unterstützt den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Umsetzung der CSR-Richtlinie, der jetzt veröffentlicht wurde. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen weltweit und keinen globalen Wettbewerb zulasten von Menschenrechten.   Verbraucher wollen beim Einkauf über die Aspekte informiert werden, die ihnen wichtig sind. Bis Ende dieses Jahres wird der Bundestag hierzu die europäische CSR-Richtlinie umsetzen. Danach müssen große Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten öffentlich darüber berichten, was sie in Sachen soziale Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility/CSR) tun. Dabei geht es um Arbeitsschutz, existenzsichernde Löhne, gewerkschaftliche Freiheiten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung.