Antrag 186/II/2018 Fahrscheinlos für Wohnungs- und Obdachlose

Status:
Erledigt

Alle Menschen brauchen Schlaf, Essen und die Möglichkeit zur Hygiene. Obdach- und wohnungslose Menschen können diese Bedürfnisse nicht innerhalb ihrer „eigenen“ vier Wände stillen, sondern müssen Orte besuchen, an denen sie eben jenen Grundbedürfnissen nachgehen können. Diese Orte sind für die betroffenen Personen nur mit dem ÖPNV erreichbar. Deshalb muss dieser für sie kostenlos sein.

Dafür gibt es in Berlin verschiedene Anlaufstellen, meist Hilfseinrichtungen und ehrenamtliche soziale Projekte. Selten aber können diese Einrichtungen ein gesamtheitliches Angebot bereitstellen, mit dem die Besucher*innen alle Bedürfnisse zugleich stillen können. Manche Hilfseinrichtungen können aus finanziellen Gründen beispielsweise nur einmal in der Woche die Möglichkeit zur hygienischen Versorgung bereitstellen. Deshalb ist es teilweise erforderlich, am selben Tag verschiedene Einrichtungen aufzusuchen, die sich nicht zwangsläufig in unmittelbarer Nähe zueinander befinden.

Für die Möglichkeiten zu essen, zu schlafen, auf Toilette zu gehen oder zu duschen, müssen obdach- und wohnungslose Menschen also oft zahlreiche verschiedene Einrichtungen aufsuchen. Dies gilt ebenso im Falle, dass ein obdach- oder wohnungsloser Mensch medizinischer Hilfe bedarf und daher eine der wenigen ehrenamtlich geführten Ambulanzen für Obdachlose aufsuchen muss. Die Mobilität innerhalb der Stadt ist daher zwingend erforderlich.

Das Hilfsnetzwerk ist in Berlin stark zentralisiert und ballt sich vor allem in den Stadtteilen Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Dadurch haben Menschen, die sich vor allem in äußeren Bezirken aufhalten und über ungenügende Möglichkeiten zur Mobilität verfügen, einen besonders erschwerten Zugang zu dem Hilfsangebot. Zudem müssen sich Menschen in den zentralen Stadtteilen zu verschiedenen Tageszeiten und Witterungsbedingungen nicht nur selbst, sondern zumeist auch ihr mitgeführtes Hab und Gut, fortbewegen können.

Dazu sind wohnungs- und obdachlose Menschen auf den ÖPNV angewiesen, den sie aber aufgrund ihrer finanziellen Notlage nicht nutzen können. Tun sie es dennoch und fahren ohne den Erwerb eines Tickets, begehen sie damit, laut derzeit gültiger Rechtsordnung, eine Straftat. Diese kann unter Umständen sogar mit einer Ersatzfreiheitsstrafe belangt werden. Damit werden Menschen kriminalisiert, die sich aufgrund ihrer persönlichen Notlage gezwungen sehen den ÖPNV zu nutzen, um sich selbst bzw. ihre Grundbedürfnisse zu versorgen. Wohnungs- und obdachlosen Menschen soll in Berlin die Mobilität innerhalb der Stadt und dadurch auch der Zugang zur Versorgung und zum Hilfsangebot erleichtert werden.

Wir fordern deshalb die Abgeordnetenhausfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats auf:

 

  • einen fahrscheinlosen ÖPNV für wohnungs- und obdachlose Menschen.
  • Dazu sollen Betroffene einen Anspruch auf eine Bescheinigung über die Freistellung vom Entgelt für den ÖPNV haben, der zu kostenloser Nutzung des ÖPNV in Berlin berechtigt.
  • Die Ausgabe jener Bescheinigung soll unbürokratisch und niedrigschwellig sein. Deswegen sollen die Berliner Hilfseinrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe dazu beauftragt und zugleich berechtigt sein, denjenigen Menschen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, eine solche Bescheinigung auszuhändigen.
  • Aufgrund der Schwierigkeiten, die eigene Obdach- oder Wohnungslosigkeit zu beweisen, soll auf den offiziellen Nachweis verzichtet werden. Die Ausstellung jener Bescheinigung soll auf Erfahrungswerten der Mitarbeiter*innen entsprechend berechtigter Einrichtungen basieren.

 

Die Diskussion über einen vollständig kostenlosen ÖPNV für alle, sowie die Entkriminalisierung von “Schwarzfahren” soll fortgeführt werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 194/II/2018 in der Fassung der AK (Konsens)