Antrag WV13/II/2017 Einführung eines basisdemokratischen verbindlichen Mitgliedervotums zur Wahl des SPD Parteivorsitzes

In ihrer aktuell praktizierten Form ist die Wahl des Parteivorsitzes durch die Delegierten des Bundesparteitages nur im Anschein demokratisch. Formal liegt die Wahl zwar bei den Delegierten, praktisch wird ihnen jedoch lediglich eine einzige Kandidatur präsentiert, die zuvor durch Verhandlungen und Abstimmungen zwischen dem Präsidium, dem Vorstand, und Vertreter*innen der Landesverbände bestimmt wird. Eine gleichberechtigte Beteiligung aller innerparteilichen Interessensgruppen an diesem Auswahlverfahren ist nicht gewährleistet. Stattdessen genießen bestimmte Gruppen, stark abhängig von den personellen Konstellationen und Netzwerken in der Parteispitze, unverhältnismäßige Einflussmöglichkeiten. Da die Initiative des Wahlvorschlags außerdem beim Vorstand liegt, entstehen asymmetrische formelle Hürden zwischen den Delegierten und der Parteispitze, die abschreckend auf Kandidaturen aus der Basis heraus wirken. Darüber hinaus werden Delegierte die trotzdem von der vorgegebenen Linie der Parteihierarchie abweichen oft von dieser dafür sanktioniert.

 

De facto findet keine Wahl statt, sondern lediglich ein Bestätigungsverfahren. Dieses Verfahren führt mitunter zu absurden Ergebnissen. So muss sich zum Beispiel ein*e unbeliebte*r Parteichef*in  trotz offenkundigem Unmutes in signifikanten Teilen der Basis keine*r/m Gegenkandidat*in/en stellen. Gleichermaßen ist ein*e neugewählte*r Vorsitzende*r in der Lage ein unter demokratischen Gesichtspunkten höchst bedenkliches Ergebnis von 100% einzufahren. In beiden Fällen hätte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit eine*r/m Alternativkandidat*in/en der Gesundheit der Partei besser gedient.

 

Ein solches Prinzip der „Hinterzimmer Deals“, dass die schlimmsten Politik-Stereotypen zu bemühen scheint, ist einer Partei die das Wort „demokratisch“ in ihrem Namen trägt schlicht unwürdig. Wir fordern daher, dass der Parteivorsitz künftig nicht von den Delegierten des Bundesparteitages, sondern durch ein verbindliches basisdemokratisches Mitgliedervotum bestimmt wird.

 

Ein solches Mitgliedervotum stärkt die politische Debatte in der Partei, schärft die inhaltliche Ausrichtung, und adressiert personelle Stagnation. Es führt zu einer verstärkten Rechenschaftspflicht zwischen Parteispitze und Basis. Anstatt lediglich im Notfall die Reißleine zu ziehen oder auf Rücktritte von Vorsitzenden zu warten, entsteht so eine kontinuierliche Debatte über die Ausrichtung der Partei, in der alle zwei Jahre Kandidaten gefunden-, Argumente vorgetragen-, und Mehrheiten organisiert werden müssen.

 

Des Weiteren macht ein solches Mitgliedervotum die konkreten Belange der Teile der Partei, die nicht mit de*r/m amtierenden Vorsitzenden zufrieden sind, sichtbar. Wenn nach aktuellem Verfahren ein*e Parteivorsitzende*r 74,3% der Stimmen erhält, lassen sich zwar vage Rückschlüsse über Frustrationen an der Basis ziehen, jedoch keine personellen oder inhaltlichen Alternativen ablesen. Wenn jedoch bei einem Basisvotum ein*e alternative*r Kandidat*in die restlichen Stimmen auf sich vereint, so geht diese*r mit einem klaren Mandat einer bedeutenden Zahl von Mitgliedern aus der Wahl heraus, und kann den Anspruch geltend machen, diese Positionen in der Parteispitze sichtbar zu vertreten.

 

Unsere Schwesterpartei aus Großbritannien kann uns bei diesem Vorhaben als Vorbild dienen. Nach einer ähnlichen Situation der inhaltlichen und personellen Stagnation nach der Wahl 2015 führten die zuvor neu eingeführten Mechanismen der Basis-Partizipation zu einer Revitalisierung der Partei. Über 300.000 Neumitglieder schlossen sich Labour an, um an den nötigen Veränderungen teilzuhaben und diese selbst zu erwirken. Als Folge schärfte die Partei ihr sozialdemokratisches inhaltliches Profil, erstarkte durch massiven politischen Aktivismus aus der Basis heraus, und konnte so bei der Wahl 2017 wieder elektorale Erfolge verzeichnen.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 01/II/2018 (Konsens)
Fassung der Antragskommission:
  • LPT II/2017: Überweisung an die durch den Landesvorstand zu bildende Organisationspolitische Kommission
  • Im Antrag 01/II/2018 befasst im Kapitel 3. Mitgliederbeteiligung