Antrag 12/II/2025 Berufsorientierung – Gleiche Chancen für alle

Status:
Annahme

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist eine entscheidende und oft herausfordernde Phase im Leben junger Menschen. Eine frühzeitige und professionelle Berufsberatung ist ein wertvolles Instrument, um sie auf diesem Weg zu unterstützen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen.

 

Die aktuelle Praxis der Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit, gezielt und verpflichtend auf Jugendliche zuzugehen, sobald sie das 15. Lebensjahr erreichen und ihre Familien Bürgergeld beziehen, ist jedoch zutiefst problematisch und erniedrigend.

 

Diese Praxis stigmatisiert junge Menschen aufgrund der finanziellen Situation ihrer Eltern. Sie erweckt den Eindruck, dass bei Kindern aus einkommensschwachen Familien per se ein besonderer Kontroll- und Handlungsbedarf besteht. Statt sie als Talente mit Potenzial zu sehen, werden sie primär als potenzielle zukünftige „Fälle“ für das Jobcenter behandelt. Dies übt einen enormen Druck auf die Betroffenen aus und steht im Widerspruch zu unserem sozialdemokratischen Grundsatz der Chancengleichheit.

 

Wir kämpfen gegen jede Form von Diskriminierung.

Orientierungslosigkeit nach der Schule kann jede*n betreffen, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Deshalb braucht es ein flächendeckendes Beratungsangebot, das allen Jugendlichen freiwillig offensteht und echte Unterstützung bietet, ganz ohne Zwang, ohne Sanktionen und unabhängig vom Leistungsbezug der Familie.

 

Schaffung eines universellen, niedrigschwelligen Beratungsangebots: Es soll ein flächendeckendes, qualitativ hochwertiges und freiwilliges Berufsorientierungs- und Beratungsangebot für alle Schülerinnen an allgemeinbildenden Schulen etabliert und finanziert werden. Dieses Angebot soll in den Schulen verankert und in vertrauensvoller Kooperation mit den Jugendberufsagenturen durchgeführt werden. Ziel ist es, allen Jugendlichen unabhängig von sozialem Status oder Unterstützungsbedarf einen diskriminierungsfreien, frühzeitigen Zugang zu Orientierung und individueller Beratung zu ermöglichen.

 

Eine weitere Perspektive auf dieses Thema ist folgendes:

Aus einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung von 2025 zum Thema Ausbildungsperspektiven geht hervor, dass jede fünfte Person der befragen 14 bis 25-Jährigen nach dem Beenden der Schulzeit direkt ohne formale Qualifizierung arbeiten möchte. Dieser Trend ist besorgniserregend. Im Hinblick auf den in Deutschland immer kritischer werdenden Arbeitsmarkt, muss gezielt auf Ausbildung gesetzt werden. Immer mehr junge Menschen arbeiten, entscheiden sich jedoch anscheinend gegen eine direkte, zukunftssichere Ausbildungsstelle. Dabei senkt ein Berufsabschluss statistisch das Armutsrisiko sowie das Risiko, arbeitslos zu werden.

 

Nach der Bertelsmann Stiftung fühlen sich die Befragten nicht ausreichend auf den Such- und Bewerbungsprozess vorbereitet. Zudem fehle ihnen ausreichende Informationen über die verschiedensten Ausbildungsberufe und -bereiche. Hinzu kommt, dass die Angebote für gewünschte Ausbildungsplätze zu unattraktiv sind oder nicht in der Region der Befragten vorhanden sind.

 

Für Menschen, die sich nach dem Schulabschluss in der sogenannten Übergangszeit befinden – also noch unentschlossen sind oder keine Ausbildungsstelle gefunden haben –, besteht die Möglichkeit, sich als ausbildungssuchend zu melden. Dieses Angebot ermöglicht gezielte und professionelle Berufsberatung, weiter bestehenden Anspruch auf Kindergeld (sofern noch nicht das 25. Lebensjahr erreicht) sowie Anspruch auf Rentenpunkte. Doch wie bereits oben festgestellt, entscheiden sich immer mehr junge Menschen zunächst für den Arbeitsweg ohne formale Qualifizierung. Dadurch wird das Angebot, sich als ausbildungssuchend zu melden, nicht wahrgenommen bzw. kann nicht genutzt werden.

 

Dies kann dazu führen, dass Menschen, die potenziell eine Ausbildung beginnen könnten, die Chance auf gute, zielführende Berufsberatung im Hinblick auf Ausbildung verpassen und somit auch den Anschluss an eine sichere berufliche Karriere versäumen.

 

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass junge Menschen so früh wie möglich eine zukunftssichere Ausbildung finden. Nur so können sie schnellstmöglich eine gute und formale Qualifizierung erlangen für ein sicheres und selbstbestimmtes Leben! Dies würde auch einen Beitrag zum immer präsenter werdenden Fachkräftemangel leisten!

 

Eine Möglichkeit für frühzeitige Beratung bieten die sog. Jugendberufsagenturen.

 

Deshalb fordern wir:

 

  • Die Einführung eines Berufsberatungsgespräches in Kooperation mit den Jugendberufsagenturen rechtzeitig vor dem angestrebten Schulabschluss, wobei allen Schüler*innen zur Unterrichtszeit ein Gesprächstermin zur Verfügung gestellt wird. Sollten die Schüler*innen keinen persönlichen Mehrwert an einem Berufsberatungsgespräch sehen erfolgt eine individuelle Abmeldung von Schüler*innen-Seite
  • Beendigung der selektiven Praxis: Die verpflichtende Kontaktaufnahme und Einladung von 15-jährigen Jugendlichen allein aufgrund des Bürgergeld-Bezugs ihrer Eltern ist zu beenden.
  • Die Anschließende sachgerechte freiwillige Weitervermittlung durch die JBA von Schüler*innen, welche noch keine Ausbildungsstelle gefunden haben!
  • Dass bei einer erfolgreichen Vermittlung während der Übergangszeit die JBA die Statusänderung der vermittelten Person übernimmt
  • Eine ausreichende Finanzierung und personelle Ausstattung der JBA

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)