Antrag 105/II/2014 Asylpolitik

Status:
Erledigt

A. Verbesserung der Situation von Asylbewerber*innen und Geduldeten in Berlin

 

Um die Situation der Asylbewerber*innen und Geduldeten in Berlin schnell zu verbessern, fordern wir den Senat auf, unverzüglich Anpassungen in folgenden Punkten vorzunehmen bzw. anzustoßen:

 

Die Residenzpflicht

  • Geduldete, die in Berlin wohnen, dürfen sich ab sofort wie Asylbewerber*innen frei in Berlin und Brandenburg bewegen.
  • Asylbewerber*innen ist bei Beginn ihres Asylverfahrens eine Dauerreiseerlaubnis zu erteilen. Dies darf für die Asylbewerber*innen nicht mit Kosten verbunden sein. Die Regelung behält auch für Geduldete ihre Gültigkeit.
  • Gleichzeitig muss das Land Berlin auf Kooperationen hinsichtlich der Residenzpflicht mit anderen Bundesländern hinwirken. Vorbild ist hier die Kooperation zwischen Berlin und Brandenburg.
  • Nur um eine möglichst schnelle Bearbeitung des Asylantrags zu sichern und die Kommunikation mit den Antragssteller*innen in den ersten Wochen nach Ankunft zu vereinfachen, darf es in diesem Zeitraum Einschränkungen für die Asylbewerber*innen geben. Modelle wie in Österreich oder in Slowenien müssen bei der Umsetzung als Vorbild dienen.
  • Das Land Berlin hat im Bund auf eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hinzuwirken.

 

Wohnsituation der Asylbewerber*innen

 

a. Unterbringung in Heimen

  • Asylbewerber*innen und Geduldeten müssen Leistungen nach Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) zustehen. Bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft können die im Leistungskatalog veranschlagten Ausgaben abgezogen werden, sofern diese durch die Unterbringung in dieser Unterkunft gedeckt werden. Außer bei Strom, Warmwasser, Wohnungsinstandhaltung, Möbeln, Apparaten und Haushaltsgeräten dürfen diese Leistungen nicht als Sachleistungen erbracht werden.
  • Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber*innen und Erstaufnahmestätten müssen ab sofort höhere Betriebsstandards als bisher erfüllen. Deren Gewährleistung ist Voraussetzung für die Auftragsvergabe an einen Träger. Dies gilt auch für gemäß des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) als „kurzfristige Ausweichkapazitäten ohne Vertrag“ bezeichnete Unterkünfte. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein:
  • eine Wohnfläche von mindestens 10m2 pro Person,
  • abschließbare individuelle Wohneinheiten mit eigenem Sanitär- und Küchenbereich,
  • Belegung pro Zimmer nicht mehr als zwei Personen
  • Gemeinschaftsbereiche, die über PCs mit kostenfreiem Internetzugang, Drucker und Kopierer verfügen,
  • eine der Bewohner*innenzahl angemessene Ausstattung mit Waschmaschinen und Trocknern
  • fußläufige Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), eine stadträumliche Lage, Kinderspielflächen,
  • Kinderbetreuung
  • Feuermeldeanlagen und unbedingtes Einhalten aller Vorschriften zum baulichen Brandschutz,
  • Gebäudestandorte ausschließlich in Wohn- und Mischgebieten,
  • Behelfsbauten sind nicht zulässig.
  • Die Einhaltung dieser Standards wird regelmäßig, mindestens jährlich, und unangemeldet durch das ein vom Land Berlin einzurichtendes, unabhängig vom LaGeSo agierendes Qualitätsmanagement kontrolliert. Die Bezirke haben die Hauptverantwortung und –kompetenz für ein solches Qualitätsmanagement. Die Ergebnisse dieser Kontrollen werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Geeignetes Personal ist in für diese Aufgabe ausreichender Zahl abzustellen.

 

b. Unterbringung in regulären Wohnungen

  • Der Aufenthalt in einem Heim ist in jedem Fall zeitlich zu begrenzen. Die schnellstmögliche Unterbringung von Asylbewerber*innen und Geduldeten in reguläre Wohnungen muss gewährleistet werden.

 

Wir fordern

  • Mietkosten müssen entsprechend den Regelungen nach SGB XII übernommen werden.
  • Für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) müssen für Asylbewerber*innen und Geduldete die gleichen Kriterien gelten wie für andere Berechtigte.
  • Die Kontingente für Asylbewerber*innen und Geduldete bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften müssen als kurzfristige Maßnahme erhöht werden.
  • Der Senat muss einen öffentlichen Appell an alle Vermieter*innen richten, an Asylbewerber*innen zu vermieten.
  • Asylbewerber*innen und Geduldete dürfen nicht in Obdachlosigkeit entlassen werden.
  • Die Betreiber*innen der bisherigen Unterkünfte müssen qualifizierte Betreuer*innen in ausreichender Zahl bereitstellen. Diese Betreuer*innen unterstützen bei der Wohnungssuche, bei Besichtigungsterminen, stehen insbesondere bei rechtlichen, bürokratischen und sprachlichen Fragen zur Seite und übersetzen bei Gesprächen mit Vermieter*innen und Sachbearbeiter*innen.
  • Die Wohnsitzauflage entfällt automatisch mit Abschluss des Asylverfahrens, gilt also auch nicht für Geduldete.

 

Antragsbearbeitung

  • Um zu gewährleisten, dass ein Asylantrag, wie in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD Landesverband Berlin und CDU Landesverband Berlin für die Legislaturperiode 2011 – 2016 festgehalten, innerhalb von drei Monaten abschließend bearbeitet wird und trotzdem eine angemessene Prüfung aller Umstände erfolgt, muss das zuständige Amt qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl für diese Aufgabe abstellen.
  • Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp! Bis zur vollständigen Abschaffung von Abschiebungen gilt: Die Abschiebung bei Ablehnung eines Asylantrags darf unter bestimmten Umständen nicht durchgeführt werden, etwa bei (als vorübergehend angenommenen) Bürger*innenkriegen oder Krankheit. Der Anspruch an medizinische Atteste im Asylbewerbungsverfahren darf nicht größer sein, als der, der auch an vergleichbare Atteste deutscher Staatsbürger*innen gestellt wird.
  • Perspektivisch muss das Ausländeramt aus der Zuständigkeit der Innenbehörde ausgegliedert werden und beispielsweise in die Verantwortung der für Migration und Integration zuständigen Senatsverwaltung übertragen werden.

 

Soziale Leistungen und Unterstützung

  • Alle Asylbewerber*innen und Geduldete haben ab dem Zeitpunkt ihrer Antragsstellung das Recht, an einem kostenfreien Integrations- und Sprachkurs teilzunehmen.
  • Allen Asylbewerber*innen und Geduldeten sind bei dem Erwerb eines Schulabschlusses zu unterstützen. Alle Asylbewerber*innen und Geduldete, gleich welchen Alters, die eine Schule besuchen, müssen die Möglichkeit haben, neben der Schule noch einen ergänzenden Sprachkurs zu besuchen. In diesem Fall müssen die Kosten voll übernommen werden. Besonders in den Schulferien ist ein entsprechendes Angebot zu schaffen. Im Ausland erworbene Berufsabschlüsse müssen anerkannt werden.
  • Asylbewerber*innen müssen in jedem Fall ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise Zugang zu kostenfreier psychologischer Hilfe haben.
  • Die Schilderung der Erlebnisse und Lebensumstände in der Erstbefragung durch die Sachbearbeiter*innen sind ausschlaggebend für die Bewilligung des Asylantrags. Deshalb müssen Asylbewerber*innen das Gespräch mit Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen vorbereiten. Außerdem muss die Erstbefragung in ihrer Gesamtheit auf Tonband aufgezeichnet werden.
  • Diese Sozialarbeiter*innen sollen die Asylbewerber*innen außerdem auch auf andere, für sie passende Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, hinweisen, beispielsweise die BlueCard für Hochqualifizierte. Die Beantragung anderer Visa und Aufenthaltserlaubnisse muss im Land möglich und darf nicht an eine Aus- und Wiedereinreise gebunden sein. Auf entsprechende Änderungen auf europäischer Ebene ist hinzuwirken.
  • Bei der Kommunikation mit dem zuständigen Amt ist die Unterstützung durch eine*n Anwält*in oder eine andere sachkundige Person sowie einer*s Dolmetscher*in zu gewährleisten.
  • Die Ansprüche auf medizinische Versorgung von Asylbewerber*innen und Geduldeten muss denen gesetzlich krankenversicherter deutscher Staatsbürger*innen angeglichen werden. Bisher wird nur die Behandlung akuter Erkrankungen und Beschwerden vom Sozialamt übernommen.
  • Die Vorrangregelung bei Arbeitsvermittlung wird abgeschafft. Diskriminierung am Arbeitsmarkt darf es auch gegen Asylbewerber*innen nicht geben.

 

B. Echte Solidarität im Asylgesetz auf Bundes- und Europaebene

Parallel zur Umsetzung der obigen Forderungen in Berlin muss die Berliner SPD darauf hinwirken, dass zum einen alle oben genannten Reformen auch in den übrigen Ländern umgesetzt werden und dass folgende Änderungen im Asylrecht umgesetzt werden.

 

Gesetzesänderungen auf Bundesebene:

  • Das Asylbewerberleistungsgesetz wird abgeschafft und Aslybewerber*innen und Geduldete bekommen Leistungen nach SGB II oder SGB XII. Die besondere Situation der Flüchtlinge ist bei der Zuordnung zu berücksichtigen. Außerdem haben sie zusätzlich Anspruch auf Unterstützung.
  • Asylbewerber*innen müssen die ihnen zustehende Leistung in Höhe des Existenzminimums ausgezahlt bekommen. Sachleistungen, Gutscheine oder Ähnliches sind abzuschaffen. Ausnahmen sind oben unter A.2.a aufgeführt.
  • Die Residenzpflicht wird abgeschafft.
  • Die Verteilung von Asylbewerber*innen auf die Länder muss geändert werden. Bisher wurden durch die Anwendung des Königsteiner Schlüssels hauptsächlich die Personen selbst zwischen den Ländern verteilt. Eine Umverteilung der Gelder und eine finanzielle Stärkung der Gemeinden, in denen Asylbewerber*innen ihren Antrag stellen wollen, ist jedoch vorzuziehen. Falls ein*e Asylbewerber*in bereits Familie in Deutschland hat, ist eine Unterbringung in deren Nähe zu gewährleisten! Bei Familie sind neben biologisch verwandten Personen auch angeheiratete oder verschwägerte Personen einzubeziehen. Es werden alle Partnerschaften anerkannt.
  • Sämtliche Unterkünfte müssen Wohnbauten sein und sich in Wohn- oder Mischgebieten befinden. Behelfsbauten sind nicht zulässig.
  • Solange Abschiebungen noch nicht grundsätzlich gesetzlich ausgeschlossen sind, wird die sogenannte Flughafenregelung abgeschafft.

 

Regelungen auf europäischer Ebene:

  • Geltende Standards bei der Unterbringung von Asylbewerber*innen und der Bearbeitung der Anträge müssen in jedem Fall eingehalten werden. Das heißt, dass es mitunter nicht zulässig ist, Asylverfahren in einigen Ländern der EU durchzuführen.EU-Mitgliedsländer, die die erforderlichen Standards nicht erfüllen, sind verpflichtet, diese unverzüglich umzusetzen. Hierzu ist ein Plan vorzulegen. Die Flughafenregelung oder ähnliche Regelungen sind in keinem Mitgliedsstaat der Europäischen Union zulässig.
  • Die Drittstaatenregelung wird abgeschafft.
  • Alle Regelungen zu sog. Sicheren Herkunftsstaaten müssen hinfällig werden. Die Bundesrepublik Deutschland bearbeitet jeden Asylantrag individuell. Wo ihn der*die Geflüchtete stellt, wählt er*sie frei.
  • Frontex wird abgeschafft.
Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)