Antrag 31/I/2016 Alternative Hauptsprache

Berlin ist eine Stadt, in der viele Menschen unterschiedlicher Kultur, Herkunft und auch Alternativer Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) leben. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund liegt momentan sehr hoch und steigt auch durch die momentan stark steigende Zahl an Geflüchteten weiterhin.

 

Viele dieser Menschen haben einen Migrationshintergrund, der außerhalb von Westeuropa liegt. Das heißt auch, dass viele von ihnen mit einer anderen, nichtwesteuropäischen Sprache als Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) aufwachsen bzw. aufgewachsen sind. In der deutschen Gesellschaft sind Sprachen wie Türkisch, Arabisch, Kurdisch, slawische Sprachen und andere jedoch lange nicht so wertgeschätzt, wie dies eigentlich der Fall sein sollte. Der Grund hierfür lässt sich vor allem in zweierlei Naivitäten finden, die leider noch immer verbreitet sind:
Zum einen die Überzeugung, dass bestimmte Sprachen auf dem Arbeitsmarkt nicht gefragt seien und auch in anderen Lebensbereichen kaum Verwendung fänden. Für uns sind alle Sprachen gleichwertig im gleichen Maße förderungswürdig. Eine Beurteilung einzelner Sprachen allein nach ihrem „wirtschaftlichen Nutzen“ lehnen wir folglich ab. Trotz dessen sei darauf hingewiesen, dass sprachliche und damit interkulturelle Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt immer äußerst gefragt sind und sein werden.
Das andere Problem ist der Irrglaube, dass in Haushalten, in denen alle die gleiche nicht deutsche Alternative Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) beherrschen, die Menschen und vor allem Kinder Deutsch sprechen würden. Jeder würde im Alltag eher in einer Sprache kommunizieren, die er oder sie zumindest fließend beherrscht, als in einer völlig fremden. Selbst wenn Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule Deutsch lernen, bleibt die Umgangssprache zu Hause oft die nicht-deutsche Alternative Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1). Da die deutsche Sprache kaum im Alltag genutzt und die jeweilige Muttersprache nie bewusst und in allen Facetten gelernt wird, laufen viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund Gefahr, schließlich keine Sprache annähernd perfekt zu sprechen. Ihre Sprachkompetenz bleibt mangelhaft. Mitunter ist auch ein struktureller Rassismus, welcher bestimmte Sprachen aufgrund der Region, in welcher sie hauptsächlich gesprochen werden, geringschätzt, in der deutschen Gesellschaft festellbar.

 

Desweiteren haben für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre Herkunft und ihr sprachlicher Hintergrund einen großen Einfluss auf ihre Identitätsfindung, die soziokulturelle Entwicklung und auch auf den schulischen bzw. beruflichen Erfolg. Dieser Punkt muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, wenn wir von Integration bzw. Inklusion sprechen. Die mitgebrachte sprachliche Kompetenz ist eine Ressource, die es wertzuschätzen gilt, da ein hohes Sprach- und Abstraktionsniveau in der Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) sich auf das Erlernen einer Zweitsprache positiv auswirkt.
Viele Kinder, die mit einer anderen Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) als Deutsch aufwachsen sind jedoch oft in dieser Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) nicht entsprechend alphabetisiert und beherrschen sie zwar in Grundzügen, können ihr sprachliches Niveau aber in keinster Weise nachweisen. Ein Nachweis und ein ordentliches Erlenen der Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) kann ihnen im späteren Leben helfen. Diesen Zustand wollen wir verbessern. Daher fordern wir:
– kostenlose und möglichst wohnortnahe Sprachkurse in ihrer Alternativen Hauptsprache (sog. „Muttersprache“/L1) für Kinder/Jugendliche einzurichten
– erleichterten Zugang zu gebührenfreien Zertifizierungsverfahren, durch die die Kinder ihr erlerntes Niveau nachweisen können

 

(gerichtet auch an „AK II der Fraktion der SPD des Abgeordnetenhauses von Berlin“)

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

 

 

 

Viele Kinder, die mit einer anderen Alternativen Hauptsprache (sog. Muttersprache) als Deutsch aufwachsen, sind in dieser Sprache nicht entsprechend alphabetisiert. Sie beherrschen sie nur in Grundzügen . Ein ordentliches Erlernen der Alternativen Hauptsprache kann Ihnen im späteren Leben helfen.

 

Wir fordern daher:

kostenlose -möglichst wohnortnahe- Sprachkurse in Sprachen, die durch das Sprachenangebot in Schulen noch nicht abgedeckt sind, zu unterstützen und zu fördern ; durchgeführt werden sollten die Sprachkurse von staatlichen Bildungseinrichtungen und Stadtteilzentren

der Zugang zu Zertifizierungsverfahren, durch die Kinder ihr erlerntes Sprachniveau nachweisen können, soll erleichtert werden und gebührenfrei sein.

 

(gerichtet auch an „AK II der Fraktion der SPD des Abgeordnetenhauses von Berlin“)

Stellungnahme(n):
  Stellungnahme der AH-Fraktion 2018:   Der AK II der SPD-Fraktion hält die sprachliche Qualifikation von Kindern in ihrer Herkunftssprache für ein wichtiges Instrument der sprachlichen Bildung. Mit einem Antrag, der sich zur Zeit in der parlamentarischen Beratung befindet, soll der Senat aufgefordert werden, unter Einbeziehung relevanter Gremien ein Konzept zur Förderung der Mehrsprachigkeit zu erarbeiten, das perspektivisch eine breite Versorgung mit herkunftssprachlichen Sprachangeboten ermöglicht. Im ersten Schritt soll der Fokus auf Angebote in den häufigsten Herkunftssprachen gelegt werden: Türkisch, Arabisch, Kurdisch sowie unter anderem osteuropäische Sprachen. Dabei soll auch geprüft werden, inwieweit das Konzept der Europaschulen bzw. andere immersive Formen des Sprachunterrichts auch für diese Sprachen verwendet bzw. weiter ausgebaut werden können. An Berliner Schulen sollen eigene Angebote des Unterrichts in der Herkunftssprache mit an-gestellten Lehrkräften des Landes Berlin geschaffen bzw. gestärkt werden.