Ein Zimmer in Berlin für weniger als 250 Euro – die Nadel im Heuhaufen!
Der Zuschlag für die Wohnkosten wird beim Ausbildungsförderungsgesetz des Bundes, kurz BAföG, ausschließlich in Form einer Wohnpauschale gewährt, die derzeit 250 Euro im Monat beträgt, die Höhe der tatsächlichen Miete, die Studierende zahlen müssen, wird also nicht berücksichtigt.
Im Jahr 2017 ergab eine Erhebung des Deutschen Studentenwerks, dass in Deutschland nicht einmal für jede*n zehnten Student*in ein Wohnheimplatz zur Verfügung steht, in Berlin sogar nur für jede*n zwanzigste*n. Die Unterbringung in einem kleinen Zimmer eines Studierendenwohnheims ist aber beinahe die einzige Möglichkeit. Die Durchschnittsmiete in Studierendenwohnheimen liegt mit 240 Euro deutschlandweit knapp unter dem Wohnanteil des Bafögs, die Mieten in den Wohnheimen der Studierendenwerke kosten allerdings bis zu 640 Euro. Private Wohnheime haben in den meisten Fällen Mieten von über 350 Euro.
Ab dem Jahr 2015 hat der Bund auch die vorher 35%, die die Länder finanzierten, übernommen, womit die Zustimmungspflicht des Bundesrats entfiel. Somit liegt die Zuständigkeit für die Erarbeitung einer BAföG-Reform nun eindeutig beim Bund. Im Koalitionsvertrag der Unionsparteien und der SPD auf Bundesebene wird reichlich wolkig eine Reform des BAföG angekündigt: „Das Ausbildungsförderungsgesetz des Bundes (BAföG) wird ausgebaut und die Leistungen werden deutlich verbessert.“ Laut dem bildungspolitischen Sprecher der SPD soll bis zum Wintersemester 2019/2020 die BAföG-Reform in Kraft treten und u.a. eine Vereinfachung des Antragsverfahrens beinhalten sowie eine Anpassung der Verschuldungsgrenzen. Das kann uns aber nicht genug sein! Wir fordern, dass sich der BAföG-Wohngeldsatz am örtlichen Wohnungsmarkt orientiert und somit in Städten mit hohen Mieten auch höher ausfällt. Die Pauschale ist ungerecht, da sie Studierende, die aufgrund des geringeren Einkommens ihrer Eltern BAföG beziehen (müssen), zusätzlich benachteiligt: Wenn diese Studierenden aus eher einkommensschwachen Elternhäusern in einer teureren Stadt studieren möchten, müssen sie einen deutlich höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens in die Miete investieren, beispielhaft hätte jemand, der den BAföG- Höchstsatz ohne die Versicherungszuschläge bekommt (650€), bei 350€ Miete für ein Zimmer – und das ist wie oben erläutert für Berliner Verhältnisse moderat – noch 300€ im Monat zum Leben, wovon allerdings auch der Semesterbeitrag (ca. 50€ auf den Monat gerechnet) bezahlt werden muss – es verblieben 250 Euro, also gerade einmal 60% des Hartz 4- Regelsatzes (416€) – der ja eigentlich das Existenzminimum darstellen soll. Somit sind diese weniger finanzkräftigen Studierenden oft gezwungen, neben dem Studium zu jobben, nicht um sich „etwas leisten“ zu können, sondern schlicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten.
Ein Lichtblick verschwindet im schwarzen Loch
Erst vor vier Monaten brachte die rot-rot-grüne Regierung Berlins im Bundesrat zwei Initiative ein, die zum einen eine Anhebung der Wohnpauschale auf 300 Euro sowie die Möglichkeit für Studierende in teureren Wohnlagen, wo der pauschale Betrag nicht kostendeckend ist, zusätzlich 100 Euro zu beantragen forderte und zum anderen u.a. die Erhöhung von Bedarfssätzen, Freibeträgen und die Angleichung des Satzes an die Lohn- und Preisentwicklung. Beide Vorstöße sind sehr begrüßenswert! Allerdings fanden sie keine Mehrheit im Bundesrat, da die Länder mit Unionsregierungsbeteiligung nicht für die Initiativen stimmten. Auch der Plan der Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), erst zu ergründen, warum die Anzahl der BaföG-Empfänger*innen zurückgegangen ist, lässt einen einen wortwörtlich schwarz sehen in Bezug auf eine schnelle und umfassende Reform des BaföG. Während die CDU Bildungsministerin als Grund für den Rückgang der Anzahl der BaföG-Empfänger*innen die gute Wirtschaftslage und die gestiegenen Einkommen der Eltern sieht, steht für uns Jusos fest, dass eine schnelle Reform des BaföG notwendig ist, wenn so wie heute 67% der Studierenden einen Nebenjob als anteilige Finanzierung ihres Lebensunterhalts ausüben.
Der Gedanke, der ursprünglich hinter der Einführung des BAföG stand, nämlich der der Chancengleichheit im Bildungswesen, die auch Kindern einkommensschwacher Eltern ermöglicht, an universitärer Bildung teilzuhaben, ist und bleibt ein ursozialdemokratischer! Die durch die hohen Mietpreise in Großstädten, wie Berlin bedingte Erosion dieser bisher ohnehin nur unzulänglich verwirklichten Chancengleichheit ist für uns nicht hinnehmbar – der Handlungsbedarf besteht im Hier und jetzt!
Wir fordern, dass bis zu der dringend nötigen Anpassung des Wohngelds im BAföG die sozialdemokratisch geführten Länder mit gutem Beispiel voran gehen und die zusätzlichen Kosten einer Erhöhung der Wohnpauschale entsprechend des vom Land Berlin im Bundesrat eingebrachten Gesetzesantrags selbst tragen. Natürlich kann die Anpassung des BaföG-Satzes nicht die endgültige Lösung sein.
Parallel zu dieser kurzfristigen Förderung der Studierenden, die akut ihre prekäre Lage am Wohnungsmarkt verbessern soll, muss selbstverständlich auf mittelfristige Sicht wieder ausreichend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, damit die Mieten in Zukunft nicht weiter steigen, sodass immer höhere BAföG- Wohngeldsätze nötig werden, sondern sich auf einem niedrigeren Niveau stabilisieren. Mehr geförderte Wohnungen, die zu sozialverträglichen Konditionen vermietet werden können, helfen nicht nur Studierenden, sondern auch Azubis und anderen Geringverdienern und sind somit das gesamtgesellschaftliche Ziel einer sozialdemokratischen Wohnungspolitik. Langfristig soll bezahlbarer Wohnraum für Studierende neu errichtet werden, indem die Länder die Studierendenwerke entsprechend finanziell ausstatten.
Insgesamt fordern wir daher,
– die SPD-Bundestagsfraktion auf, sich für eine weitreichende Reform des BAföG einzusetzen, die beinhaltet, dass die Wohnpauschale zugunsten eines am örtlichen Wohnungsmarkt orientierten Wohngeldsatzes ersetzt wird.
– die sozialdemokratisch geführten Bundesländer und die SPD-Abgeordneten der Landesparlamente auf, sich dafür einzusetzen, dass die Landesregierungen bis zum Inkrafttreten der oben genannten Reform die Wohnpauschale entsprechend des im Bundesrat eingebrachten Gesetzesantrags auf Landesebene selbstständig ergänzend erhöht. Die entsprechenden Kosten werden durch die Landeshaushalte getragen.
– Auf der anderen Seite hat die öffentliche Hand dafür zu sorgen, dass die Mieten öffentlicher Studierendenwohnheime die Wohnkostenpauschale nicht überschreiten.